Das Vorspiel
Nochmal alles kontrollieren. Moped ist drin, die zwei Ersatzräder auch, ich hab das Schlafzimmer und meine Küche dabei. Das Badezimmer auch. Den Grill habe ich dabei. Und der Damen-Werkzeugkoffer mit dem Damen-Knarrenkästchen ist auch da. Viel mehr als meine Verkleidung würde ich eh nicht schrauben. Aaaah, Mopedschlüssel fast vergessen.
Das kann ja was werden. Zumindest fahren wir noch schön nach Assen, bevor ich zu dem Fremden ins Auto steigen werde. Diverse Tage Schwiegermutter stehen mir da bevor, und ein Blind Date, das die Chance hat, sehr anstrengend zu werden. Bereits am Vorabend musste ich mir am Telefon die Stories anhören, dass das mit der Rennstrecke ja ein Männersport sei und dass man da ja auch keinen extra Duschcontainer brauche. Oh, je.
Assen war spannend und mit allerfeinstem Wetter gesegnet. Das Supersport-Rennen. Kaum saß ich da und freute mich, dass ich NICHT in der Kurvenecke saß, in dem sich die gerade eben abgestiegenen aussortiert haben, stieg Sam Lowes mit einem fiesen Highsider direkt vor meinen Augen ab.
http://www.youtube.com/watch?v=FdunxHotdhg
Und rührte sich nicht. Und immer noch nicht. Streckenposten hin, wieder zurück, mit Koffer und Trage hin, Wagen halb vorgefahren, dann wieder doch nicht. Rennleitung hin, Rennleitung her. Immer noch keine Regung. Und kein Transportauto vorgefahren und kein Hubschrauber im Anmarsch. Mit weit aufgerissenen Augen und Kloß im Hals denke ich, dass das wohl alles nicht mehr nötig sei. Dann tragen sie ihn zügig laufend durch das Kiesbett weg (mal ehrlich, wer trägt denn jemanden nach einem Highsider durch das Kiesbett, wenn man bequem mit dem Auto vorfahren und sicher einladen kann?!?). Will ich echt noch fahren gehen? Dann irgendwann nach dem Rennen die erlösende Meldung. Bewußtlos, aber sonst OK. Meine Gefühlslage bessert sich. Bis auf die Ungewissheit mit dem Blind Date.
Schwiegermutter hat Frühstück gemacht. Da sag ich nicht „nö“ und hau ordentlich rein. Man weiß ja nie, wann man wieder was kriegt.

Die Sonne lacht, und ich setze mich draußen hin, um eins meiner „Minimal-Tussi-Attribute“, die lackierten Zehnägel, nachzuarbeiten. Zum Glück habe ich schon alles gepackt. Es dauert nicht lang, und es kommt ein Auto auf den Hof gefahren. Der Fremde. Ich muss zu ihm ins Auto steigen. So war der Deal. Der Fremde ist der Fahrer, und der Fahrer muss bei Laune gehalten werden. Auch wenn er eigentlich eine halbe Stunde zu früh da ist;
also packe ich schnell den unbehandelten Fuß wieder ein, hole meine Sachen, und stopfe alles ins Auto (und nein, der Fresskorb ist nicht für drei Wochen, ich hab nur gern Auswahl). Noch schnell das Moped festmachen, und dann sitze ich auch schon drin im Auto. Draußen die Schwiegermutter, die alles mit ansehen muss. Wir fahren vom Hof. Ja, rechts rum, das ist der einzige Weg, den ich kenne. Bald finde ich heraus, dass ich das Navigationsgerät bin. (oh, nein) Ja, nee, kein Problem. Schließlich war ich ja schon mal in Zandvoort (wann war das noch gleich? Vor drei Jahren?).
Die Fahrt vertreibt sich der Fahrer mit moderner Musik (das hört man wohl heute so) und Gehässigkeiten über mein Moped. Fette Suzinette tut mir leid. Ich mir auch. Ich werde gepiesackt. Als ob ich nicht schon genug Probleme hätte. Schließlich habe ich neue Bremsbeläge, die ich einzufahren habe, und das muss ich früh genug mental trainieren. Und nein, ich bin gerne langsam. Und von mir aus können gerne alle vorbeifahren, die es können und so weiter und so fort.
Bäume mit frischem Laub.
Kanäle.
Wir stellen fest, dass ich ein kleines bisschen ein Frauenhasser bin. (Stimmt nicht, ich mag nur die „gemeine Tussi“ nicht)
Tulpen.
Wasser.
Mehr Wasser mit Booten darauf.
Bäume mit dunklerem Laub.
Wir stellen fest, dass ich den Weg besser kenne als ich gedacht hätte.
Amsterdam.
Haarlem.
Zandvoort.
Wir sind da. Pünktlich zum Einlass. Sogar etwas zu früh. Fahren wir rein? Nein, wir besichtigen den Toilettencontainer. Der funktioniert. So, und nun? Erstmal zu Fuß die Lage klären. Zandvoort hat ein paar Eimer Farbe bekommen, und eine neue Tankstelle im Fahrerlager. Der morbide Charme ist etwas verlorengegangen. Wir treffen die ersten paar Leute vom Veranstalter. Ja, nein, die Steckdosenlage ist „suboptimal“. Na toll, draußen vor den Boxen nur 32A. Ich hab nen Stecker für 16A. Also sollten wir uns einen der besseren Plätze sichern.
Aus Angst vor den schlechten Steckdosen bringe ich den Fahrer dazu, uns reinzufahren. Wir parken neben dem Klohäuschen auf einer – Sperrfläche – stört ja keinen. Stromversorgung ist gesichert. Wir packen aus und ziehen ein.
Mein Schlafzimmer:

(und JA, es sind Straßenreifen; es waren mal Schauer mit etwa 15 Grad angesagt)
Es ist immer noch hell. Wir haben schon gegrillt. Natürlich war ich der Grillmeister, das Grillen gehört ja zu meinen besonders hervorgehobenen Fahrerlagerqualitäten.
Die technische Abnahme ist leider noch nicht so weit. Wir entschließen uns, die Strecke abzugehen. Es ist übrigens immer noch hell.
Meine Güte, was liegt denn hier alles rum? Gummifetzen, Kies, Metall…ein gar empörender Zustand für die Strecke, die ich morgen befahren will. Nein, wenn die nicht ordentlich putzen würden, dann bliebe ich eben fern. Ich konnte es ja nicht ahnen…
Kurve für Kurve latschen wir ab. Der Fahrer hat eine Kamera dabei. Ich auch. Er macht Fotos von der Strecke. Aus Versehen bin ich auch auf einem drauf.
Aber er hat mir angeraten, von seiner Hackfresse besser keine Bilder zu machen, weil sonst die Kamera kaputtginge. Meine Kamera war teuer.
Die Strecke sieht anders aus als ich in Erinnerung hatte. Wow, ist das bergauf…und bergab. Und diese Kurve hatte mal Bodenwellen, ja wo sind sie denn?...
Wir sind wieder da. Es ist immer noch hell. Eine ganz neue Erfahrung in meinem Leben. Bisher war es immer schon so stockfinster und spät, wenn ich im Fahrerlager angekommen bin, dass alles nur Stress war.
Es ist alles entspannt.
Bis auf mich. Ich hab neue (Carbon-)Bremsbeläge. Die Anleitung zum Einfahren habe ich auswendig gelernt. Als ich zur technischen Abnahme fahre, gebe ich mir Mühe, früh zu bremsen. Ja, was denn jetzt? Das bremst doch?!? Hm. Mal sehen, wie das morgen so ist. Ich führe kurz meinen neuen Vorderreifen vor und lasse mir einen passenden Luftdruck in meinen Slick reinpüstern. Ich hätte den profilierten Racetec ja draufgelassen, aber was soll’s. Wenn der Fahrer wüsste, dass ich mit einem – fast neuen - Hinterreifen angetreten bin, den ich im Dezember 2009 aufgezogen habe, würde er mich zu Recht nur noch mehr piesacken.
Die Sonne ist untergegangen. Und es wird kalt werden. Ich bin bewaffnet. Fleece-Inlet für Schlafsack und die lange Unterhose sollten reichen. Aaaaah-ha. Wenn es für mich zu kalt sein sollte, dann könne ich ja am Auto klopfen. Nein, ganz bestimmt nicht. Im Auto mit Heizlüfter schlafen ist was für Mädchen. Nein, ich würde hart bleiben.
Ganz schön zugig ist es in meinem Schlafzimmer. Ich ziehe meine Kapuze enger um die Nase. Mein Feldbett ist hart und meine Füße kälter als erwünscht. Ich ziehe die Kapuze noch enger zu.
Die Nacht würde lang werden...