zum Thema Haftungsausschlüsse.
Ist sehr lang und anstrengend zu lesen. Nehmt euch bitte die Zeit, ich
finde das passt hier sehr gut rein.
Edith sacht: Der Autor fährt seit 1981 selber Motorrad ist seit 2002
Aufzünder. Er ist Rechtsanwalt und beschäftigt sich seit 12 jahren
professionell mit derlei Dingen.
Haftungsausschlüsse bei Fahrertrainings
... sind ein sehr wichtiges Thema in Aufzünderkreisen bzw. sie sollten es sein. Leider gibt es hierzu immer wieder schiefe oder völlig falsche Darstellungen. Grundsätzlich muss man immer unterscheiden zwischen Haftungsausschlüssen, die man als Teilnehmer gegenüber
- einem Streckenbetreiber
- einem Veranstalter (kann der Streckenbetreiber sein, muss es aber nicht)
- einem Mitteilnehmer
abgibt.
Manche dieser Haftungsausschlüsse sind von vornherein nicht das Papier wert, auf dem sie geschrieben sind, weil „die Szene“ (Streckenbetreiber, Veranstalter) häufig voneinander abschreibt und dabei oft (wie es viele Firmen bspw. mit ihren AGB machen) verschiedene Klauseln oder Formulierungen zusammen gewürfelt werden und dann nicht zusammen passen oder weil die Gesamtheit der Regelungen dann unwirksam wird. Unwirksame Klauseln aufgrund ungenügender Beratung durch dafür nicht ausgebildete Laien oder sagen wir mal weniger versierte juristische Profis können natürlich auch dazu gehören.
Merke: Der juristische Dschungel kann für einen Laien auf diesem Gebiet genauso undurchdringlich sein wie ein kompliziertes technisches Problem für jemanden mit zwei linken Händen. Dieser Beitrag kann daher keine vollständige Abhandlung des Themas sein, sondern soll nur einzelne Fragen beantworten oder anreissen, also nur einen ersten Anhaltspunkt geben. Im Einzelfall, vor allem dann, wenn es um größere Schäden geht, sollte man die Sache rechtzeitig von einem echten Fachmann prüfen lassen – es kann sich lohnen.
1. Haftungsausschlüsse können schon dadurch unwirksam werden, wenn sie allein durch die Art und Weise ihrer Abgabe einen nötigenden Charakter für den Teilnehmer haben. Dies ist zB. dann der Fall, wenn es dem Teilnehmer vor Vertragsschluss (= verbindliche Anmeldung und Teilnahmebestätigung vor der Zahlung) nicht ermöglicht wird, den vollständigen Text des Ausschlusses zu erhalten. Beispiel: Es wird auf einer Internetseite für ein Training geworben. Es wird dabei nicht oder nur allgemein (ohne hervorgehobene Möglichkeit des Herunterladens des kpl. Textes) auf einen Haftungsausschluss verwiesen und nicht angeboten, diesen vor der Anmeldung zu übersenden. Man muss sich also anmelden und bezahlen, bevor man eine Teilnahmebestätigung bekommt und bekommt dann erst bei der Meldung an der Strecke einen Haftungsausschlusstext präsentiert, den man unterschreiben muss, wenn man teilnehmen will. Derartig abgepresste Erklärungen dürften zumindest dann, wenn man dem Teilnehmer bei seiner Weigerung nicht nachgibt oder ihm die vollständige Teilnahmegebühr an Ort und Stelle samt der Kosten für An- und Abreise erstattet, unwirksam sein. In derartigen Fällen sollte man als Teilnehmer neben seine Unterschrift den Vermerk machen „ unter Protest“ oder „unter Vorbehalt“. Idealer Weise sollte ein Zeuge sehen , wie man den Zusatz macht.
2. Unwirksam sind Haftungsausschlüsse immer, wenn zB. auch die Haftung für vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten eines Streckenbetreibers oder eines Veranstalters ausgeschlossen wird. Was dann vorsätzlich oder grob fahrlässig ist, bestimmt letzten Endes das zuständige Gericht im Einzelfall und das ist gut so, weil man sonst zuviel über einen Kamm schert und keine Einzelfallgerechtigkeit erzielen kann. Grobe Fahrlässigkeit ist dabei, in eigenen Worten ausgedrückt „die Außerachtlassung derjenigen Sorgfalt, die jedem Handelnden bei auch nur ansatzweisem Nachdenken ohne Aufwand als selbstverständlich einleuchten würde.“
Ein Veranstalter, der seine Veranstaltung ohne oder nur mit krass ungenügenden Aufsichtsmaßnahme „laufen lässt“ verhält sich grob fahrlässig, weil die Teilnehmer darauf vertrauen dürfen, dass der Veranstalter eine ordnende und ggf. die anderen Teilnehmer schützende Aufsicht über seine Veranstaltung führt. Hierzu gehört es, typische Gefahren durch entsprechendes Aufstellen von Regeln auszuschließen und dies auch zu kontrollieren und ggf. durchzusetzen. Für grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz haftet ein Veranstalter/Betreiber also immer und kann dies auch nicht wirksam ausschließen.
Ich würde zu den grundsätzlich immer und unbedingt zu beachtenden Betreiber-/Veranstalterpflichten zählen :
- Ermahnung der grob gefährlich und übertrieben rücksichtslos sich verhaltenden Fahrer bis hin zum Ausschluss
- technische Kontrolle der teilnehmenden Fahrzeuge auf trainingstypische Sicherheitsmängel wie (nur) Sichtprobe an Reifen und Fahrwerk, Vorhandensein min. einer Bremse je Rad, sichtbare Verölungen oder Flüssigkeitsverlust und Empfehlung, anstelle von Kühlerflüssigkeiten ausschließlich destilliertes Wasser als Kühlmittel zu verwenden, Empfehlung der Sicherung aller Einfüll- und Ablassschrauben von Öl oder Kühlflüssigkeiten, Demontage oder Abkleben vorhandener Glas- oder splittergefährdeter Kunststoffteile (Scheinwerfer- Rücklicht- und Blinker- „Gläser“) sowie Demontieren oder Abkleben von Spiegeln; Demontage oder Kontrolle des festen Sitzes von nicht demontierten Kennzeichen und Durchsetzung dieser Sicherheitsspielregeln.
- soweit überhaupt Fahrzeuge ohne Zulassung zum allgemeinen Straßenverkehr erlaubt werden, eingehendere technische Durchsicht dieser Fahrzeuge im Hinblick auf ausreichende Verkehrssicherheit für das Training
- Kontrolle, dass die Teilnehmer entweder über eine anerkannte behördliche Fahrerlaubnis für ihr Fahrzeug oder eine streckenspezifische, national oder international gültige Lizenz zum Befahren der Strecke verfügen,
- Kontrolle der Strecke auf Mängel oder besondere Gefahrenstellen vor jedem Trainingstag, nach jeder längeren Trainingspause und nach jedem Unfall bzw. Sturz und Veranlassung der Beseitigung, soweit erforderlich
- Durchführung einer Fahrerbesprechung mit Hinweis auf alle streckentypischen Gefahrenpunkte, Erklärung der allgemeinen Verhaltensregeln, Erklärung der Flaggensignale, Kontrolle der Teilnahme an diesen Besprechungen, ggf. Wiederholung der Besprechung oder Einzelabmahnungen und Teilnehmerausschlüsse bei fortgesetzter Nichtbefolgung
- fortlaufende Beobachtung des Trainings und der Teilnehmer einschließlich Umgruppierung, Abmahnung und/oder Ausschluss bei fortgesetztem Fehlverhalten
- Einteilen von Streckenposten
- Durchsetzung von Rauchverbot in Bereichen, in denen geschraubt und getankt wird,
- fortlaufende und grundsätzlich nach dem Üblichen richtige Verwendung der Flaggensignale
- Vorsorge für schnelle, fachkundige medizinische Betreuung und Transportmöglichkeit zum nächsten Arzt/Krankenhaus
Nach meinen persönlichen Erfahrungen wird mindestens einer dieser Punkte bei nahezu jedem Training vom Veranstalter/Betreiber missachtet. Entsprechend wertlos dürften dann die Haftungsausschlüsse sein.
3. Die zweite Gruppe von möglichen Problemen besteht bei der Haftung von Teilnehmern untereinander. Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal dabei ist die Frage, ob es sich um ein Rennen handelte oder nicht, im Rechtsdeutsch, „ob die Veranstaltung der Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten diente“. Dies wird an Indizien ermittelt. Eine vom Veranstalter durchgeführte Zeitnahme kann, muss aber kein Indiz sein. Erst wenn Zeiten und Höchstgeschwindigkeiten eine Folge haben (Platzierungsliste des Veranstalters, Aufstellung im Rennen nach gefahrener Trainingszeit; Wertungsliste nach Rundenzeit, Gesamtzeit, Anzahl gefahrener Runden, Preise für Platzierungen) handelt es sich um ein Rennen. Ein vor dem Rennen durchgeführtes „freies Training“, bei dem dies nicht der Fall ist, wäre dann haftungsmäßig anders als ein gezeitetes Training oder das Rennen selbst zu beurteilen. Diese Unterscheidung ist auch entscheidend für die Frage, ob der Teilnehmer durch seine Fahrzeug-Haftpflichtversicherung geschützt ist. Handelt es sich nicht um eine „Veranstaltung, die der Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten dient“, so besteht grundsätzlich Versicherungsschutz in der Kraftfahrzeug-Haftpflicht.
Nach der neuesten höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Urtl.v.29.1.08, VI ZR 98/07) ist nicht von einem stillschweigenden Haftungsausschluss der Teilnehmer untereinander auszugehen, wenn grundsätzlich Versicherungsschutz besteht. Die Frage, ob ein Haftungsausschluss, den ein Teilnehmer gegenüber einem Streckenbetreiber oder Veranstalter hinsichtlich Ansprüchen gegen andere Teilnehmer ausdrücklich erklärt, obwohl die Veranstaltung nicht der Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten dient, wirksam ist, wird durch das Urteil allerdings nicht beantwortet. Ich persönlich würde dazu neigen, derartige Ausschlüsse als unwirksam anzusehen. Zwar kann man grundsätzlich auch für sich selbst nachteilige Erklärungen (Haftungsverzicht) zum Vorteil von Dritten (andere Teilnehmer) abgeben, bei Fahrertrainings kann es jedoch durchaus auch zu einer Beteiligung mehrerer Personen und Fahrzeuge kommen, so dass dann das Problem der grundsätzlich verbotenen Erklärung zu Lasten Dritter im Raume steht. Zudem kann sich eine Unwirksamkeit dadurch ergeben, dass der einzelne Teilnehmer sich zwar schlau darüber machen kann, wem er als Veranstalter oder Streckenbetreiber vertrauen und auf eine Haftung verzichten kann, er dies bei den ihm regelmäßig unbekannten Teilnehmerkreis gerade nicht kann und ihm damit eine besonders risikoreiche Haftungsfreistellung unbekannter ins Blaue abgenötigt wird, an der der Veranstalter regelmäßig gar kein schützenswertes eigenes Interesse haben kann.
Ohnehin wird ein gut beratener Streckenbetreiber / Veranstalter solche Klauseln über Haftungsverzichte der Teilnehmer untereinander niemals in sein Haftungsverzichts-Formular übernehmen, weil dies nur die Möglichkeiten des Teilnehmers erhöhen könnte, ihn, den Veranstalter/Betreiber in die Haftung nehmen zu können.
4. In Fällen, bei denen entweder die Veranstaltung „der Erzielung von Höchstgeschwindigkeiten dient“ oder kein „normaler“ Haftpflicht-Versicherungsschutz besteht, ist dagegen zumindest auch nach der neuesten (s.o.) Rechtsprechung dann, wenn es sich nicht um besonders grobe, sondern im sportlichen Geschehen „normale“ und „ohne gewichtigen Regelverstoß“ hervorgerufene Schäden geht, von einem stillschweigenden Haftungsausschluss der Teilnehmer untereinander auszugehen.
Die Gründe hierfür sind, dass bei Veranstaltungen wie Sicherheits- oder Fahrertrainings oder auch „freien Trainings“ bei Sportveranstaltungen und erst recht bei Rennen jeder Fahrer durch die typischen Risiken in gleicher Weise bedroht oder betroffen ist und es letztlich weitgehend vom Zufall abhängt, ob oder wer durch wen zu Schaden kommt. Dies gilt besonders, weil es auch im Einzelnen immer schwer festzustellen ist, welcher Fahrer bei den für derartige Veranstaltungen (wenn nicht in Kleingruppen ohne Überholen gefahren wird) „normalen“ starken Annäherungen oder engen Überholvorgängen letztlich die Ursache für einen Unfall gesetzt hat. Da den Teilnehmern die grundsätzlichen Gefahren aber vorher bekannt sind und sie wissen, dass sie sich und ihre Fahrzeuge erheblichen Risiken aussetzen, sie diese aber wegen des sportlichen Vergnügens und der mit dem Risiko verbundenen Spannung oder gar der Freude an der zu überstehenden Gefahr in Kauf nehmen, darf jeder andere Teilnehmer darauf vertrauen, nicht wegen einem Mitteilnehmer zugefügter Schäden in Anspruch genommen zu werden, die er ohne nennenswerte Regelverletzung aufgrund der typischen Risikolage der Veranstaltung verursacht.
5. Diese Grundsätze werden von der Rechtsprechung übrigens nicht nur für Fahrertrainings auf abgesperrter Strecke, sondern in der Vergangenheit auch schon im Bereich des normalen Straßenverkehrs angewendet, etwa bei gemeinsamen Ausfahrten von eng zusammen fahrenden Fahrradreisegruppen oder Motorradpulks.
Wen der lange Text langweilt, der braucht ihn nicht zu lesen. Ich kann es leider nicht kürzer und trotzdem genauso richtig schreiben. Ebenso ist der Text lange nicht vollständig und kann auch nicht jeden Fall abdecken, dann würde ich ein Buch mit vielen schönen Beispielen und Fotos dazu heraus bringen.
Ich hoffe aber, dass dieser Beitrag allen Teilnehmern hilft, in einer sehr wichtigen Sache, mit der sich vorher keiner gerne befasst und den man bis zu einem Unfall auf der Strecke gern verdrängt, hilft, sich ein wenig schlauer zu machen.
Wer zwischen den Zeilen lesen kann der kann auch genau erkennen, wann die in letzter Zeit vermehrt angebotenen "Rennversicherungen" sich lohnen und wann sie überflüssig sind (weil zB. die "normale" Kfz.-Haftpflichtversicherung eingreift).
Ich hab das mal aus gegebenem Anlass hier reingestellt, nachdem ich im Bekanntenkreis bei meinen letzten Trainings ein paar Mal mit Unfällen bei solchen Veranstaltungen und leider immer wieder größeren groben Fahrlässigkeiten seitens der Veranstalter (wo Gott sei Dank nichts passierte) konfrontiert war.
Und wie immer: Eine Haftung für die Richtigkeit oder Vollständigkeit meines Textes übernehme ich -selbstverständlich - nicht.
Wie ich es oben geschrieben habe - eine Maschine muss nicht unbedingt zum Straßenverkehr zugelassen sein, wenn man ein Training auf abgesprerrter Strecke durchführt.
Ist sie es nach dem Offensichtlichen nicht (abgestempeltes Kennzeichen fehlt) , trifft den Veranstalter / Betreiber wohl aber eine gründlichere Pflicht, sich entweder von einer bestehenden Zulassung und gültiger HU zu überzeugen (Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil 2 oder altem Fahrzeugschein) oder sich gründlicher von der ausreichenden für das Training erforderlichen Verkehrssicherheit des Fahrzeugs (Lichtanlage,Blinker usw. sind dann zB. egal) zu überzeugen.
Tut der Veranstalter das nicht (was meistens nicht passiert) dürfte schon deswegen der Haftungsausschluss des Veranstalters sagen wir mal vorsichtig, zumindest zweifelhaft sein, jedenfalls dann, wenn sich das Fehlverhalten des Betreibers/Veranstalters irgendwie bei einem Schaden auswirkt.