Auch der Nico ist ein schlauer Fuchs!
Hier kommt der Rest:
Part 5 – Ende gut, (doch) alles gut…
Es war genau 0715 als mich die ersten Motorgeräusche des Tages weckten. Das lustige daran war, dass die Geräusche nicht von einem sich gerade aufwärmenden Motor stammten, sondern von einem Möpp, welches gerade über die Start/Zielgerade gescheucht wurde. War es wirklich 0715, fragte ich mich und wollte mir das mal etwas genauer anschauen. Die Uhrzeit stimmte und es war gleichzeitig aber auch ziemlich eindeutig, dass sich gerade ein Möpp auf der Piste befand. Nunja, keine Streckenposten, kein Arzt – der Kerl wusste sicherlich, was er tat. Und nein, es war nicht Meklau… Nach sechs oder sieben Runden hatte der Reiter offensichtlich genug und verschwand, ohne wieder gesehen worden zu sein.
Auf der Toilette verwickelte ich dann einen Streckenposten in ein Gespräch, da ich wissen wollte, wer das gewesen war. Auf die Bitte des Flaggenschwenkers, sich doch lieber auf Englisch mit ihm zu unterhalten, ging ich natürlich ein, wobei sein Englisch wohl noch schlechter als mein Ungarisch war. Egal, der Reiter hiess offensichtlich Fürst und war wohl einer der drei Besitzer der Piste. Der wisse schon, was er da tun würde.
Coole Sache übrigens, so ein Gespräch beim Pissen…
Granate stand bereit und ich ermahnte sie, doch wenigstens am letzten Tag nett zu mir zu sein. Schliesslich kriegte sie immer anständig zu essen und zu trinken von mir, muss im Winter nicht frieren und die von mir getätigten Operationen waren auch nie besonders schmerzhaft gewesen. Naja, vielleicht bis auf die vielen Schnitte am Kabelbaum, hehe. Ich liess also mein rechtes Bein über den Höcker gleiten und setzte mich auf ein Stück Gummi aus Moos. Der Motor und die Reifen meldeten Betriebstemperatur und es konnte losgehen. Leider wurde der Spass bereits nach vier Runden abgebrochen, da offensichtlich jemand gestürzt war. Aber an diesen vier Runden hatte ich nun reingarnichts auszusetzen gehabt!
Als Flisi und ich gemütlich an der Boxengasse standen, sagte er mir, dass er bemerkt habe, dass ich meinen Arsch auf Start/Ziel immer schon auffällig früh für die erste Kurve versetzen würde. Ich entgegnete, dass ich mir eben die Hektik am Kurveneingang spare und ab und zu sogar so faul sei, dass ich eingangs der Start/Ziel gleich meinen Arsch rechts halten würde, da er 500 m später eh wieder dort wäre… Scheinbar fand das Flisi sehr witzig.
So, und mittlerwile funzte sogar mein Laptimer. Blöd nur, dass er sich nicht in meinem Cockpit sondern auf Start/Ziel vier Meter über dem Boden befand. Gewisse fragen sich vielleicht, wer oder was hier gemeint ist… Nunja, mein neuer Laptimer sollte ab nun die Uhranzeige auf der Geraden sein, welche ja eine Sekundenanzeige beinhaltete. Ab und zu hat man das Glück, dass die Uhrzeit nicht gerade auf Temperatur wechselt, wenn man am Vorbeizischen ist. Und wenn man beim Rechenunterricht nicht nur am Fenster sass, kann man sich die Rundenzeit auch so zusammenstricken. Das schaffte sogar ich ein paar Mal

Ist mir schon klar, dass man somit auch einfach eine Sonnenuhr hätte aufstellen können, aber für mich reichte das um mal grob abschätzen zu können, was nun drin lag.
Die Luft war zwar bei mir schon ziemlich raus, aber wenn Granate schon einmal ohne zu murren funktionieren sollte, wollte ich das nicht einfach so an mir vorbeiziehen lassen. Also noch einmal raus und den Gasgriff nicht nur streicheln. Erstaunlicherweise hatte ich hinten erstmals richtig guten Grip - und das sogar rechts. Und auf einmal reichten die Drehzahlreserven vor Turn 6 und vor dem Rechtsknick vor dem blauen Haus nicht mehr und ich ratterte jeweils kurz im Begrenzer. Aber das ist ja meistens ein Zeichen dafür, dass man mit mehr Speed aus der vorherigen Passage rausgekommen ist

Da ich recht lange draussen blieb, hatte ich auch einige ‚gezeitete’ Runden erwischt und somit konnte ich einigermassen sicher sein, dass ich ohne zu drücken unter 2:15 fahren konnte. Das Mindestziel hatte ich somit erreicht, aber ich war mir sicher, dass mit dem nun vorhandenen Vertrauen noch einiges gehen würde. Es ist übrigens ein schönes Gefühl, wenn das Motorrad dann einlenkt, wenn man den Befehl dazu gibt und auch tatsächlich die Linie hält, die man fahren wollte. Wie ich nun weiss ist das überhaupt keine Selbstverständlichkeit! Ich glaube, Granate hatte auch so langsam an der Piste gefallen gefunden und sie zeigte mir das dann und wann mit einem wackelnden Lenker.
Zwei Passagen gab es nun, die ich zusammen mit der Kuppe of Death in Lédenon zu den coolsten Stückchen Asphalt überhaupt zähle: die erste Linkskurve und insbesonders auch das anschliessende Runterdonnern in die Haarnadel und Kurve sieben bis neun. An diesen Orten drosch mir Granate jeweils eine Akra-Symphonie um die Ohren, dass sich die Nähte meiner Kombi wegen der darunter gebildeten Gänsehaut ganz gewaltig strecken mussten. Mein Motorrad mag ja zwar ein paar Unarten haben, aber in Sachen Stimmgewalt steht sie einem Max Cavalera oder einem Maynard James Keenan ganz bestimmt in nichts nach. Und da soll es noch Leute geben, die das als Lärm bezeichnen wollen?! Ich glaube hingegen, dass das sogar einem Luftmolekül gefallen muss, aus der Umgebung gerissen und in einen Ramair-Kanal gedrückt zu werden, an den Drosselklappen vorbei sich mit Benzin zu vereinen und sich gemeinsam in den Brennraum zu pressen nur um anschliessend leicht erwärmt durch ein Titanrohr geprügelt zu werden um anschliessend wieder in der vertrauten Umgebung zu landen. Das will ich auch mal erlebt haben und erzähl das dann mal meinen Grosskindern…
Uffzyndia, die Aufzündgöttin aus Zürich meinte es an diesem Tag also doch noch gut und ich hatte nach diesem Turn meinen Mundspalt bis zu den Ohren gezogen. Eigentlich müsste das doch immer so sein, heieiei! Aber diese Runden entschädigten für sehr vieles, da ich nun wusste, dass das auch mit Granate ging. Sie braucht scheinbar nur etwas mehr Zuwendung. Ist halt wie im echten Leben, hehe.
Ich beschloss, meine letzten Benzinreserven in den Tank zu schütten und diese auf eine sehr angenehme Art und Weise zu verfeuern. Es befanden sich wohl keine zehn Liter mehr in Granates Blutkreislauf, aber das durfte reichen, um mich in den nächsten zwanzig Minuten fürs Erste vom ungarischen Asphalt zu verabschieden. Und was mich ganz besonders freute, war dass mein Speed offensichtlich so rasant zugenommen hatte, dass die Mücken und Fliegen nun keine Chance mehr hatten, Flisis coolem HD-Visier auszuweichen

Granate hatte warme Füsse und meldete Bereitschaft. Die Benzinpumpe summte vor sich hin und der Anlasser gab der Kurbelwelle Feuer. Als sich die Leerlaufdrehzahl auf 2000 erhöht hatte, drückte ich einen Gang rein und zog an dem kleinen Metallseil, dass noch immer die Memmen von den Männern trennt und warf mich auf den Kurs. Und wie immer bei mir waren die letzten Runden die allercoolsten.
Auf Start/Ziel wandte ich ein paar Komplimente in der hochgeheimen digitalen 0-1-Sprache an meinen Laptimer und wollte mir die Sekundenstellung merken. Nunja, mit ‚37ºC’ konnte ich allerdings nicht so viel anfangen. Egal, in den nächsten Runden würde es schon klappen.
Zwei Runden später stellte ich mit Vergnügen fest, dass meine rechte Pobacke wieder einmal die gesamte Gerade ohne Unterlage hatte auskommen müssen. Ich erinnerte mich, dass mein Laptimer beim passieren gerade von 56 auf 57 gewechselt hatte, als kurze Zeit später bereits mein Bremspunkt auftauchte. Ich liess ihn vorbeisausen und nahm mit einem Pendant vorlieb, welches sich zehn Meter später aufhielt. Die Bremsbeläge hatten erstmal etwas zu tun und verwandelten sich in Hitze und Staub, blieben mir aber treu und schmissen sich an die Bremszange und die Felge. Der Einlenkpunkt passte ganz gut und ich kam auch relativ gut aus der Kurve raus. In Kurve zwei schien es auch zu passen, als ich schon auf meine Lieblingsstelle flog. Beim 50m-Schild ging ich vom Gas und lenkte ein ohne vorher zu bremsen. Die Bodenwelle war zwar spürbar vorhanden, behinderte mich aber zumindest nicht mehr so wie an den drei vorherigen Tagen. Vor der Haarnadel war ich glücklich, dass Granate nicht allzufrüh abriegelte und ging dann in die Eisen. Ich verpasste den Einlenkpunkt leicht und fuhr somit einen etwas grösseren Bogen um den Schwung nicht vollständig zu verlieren. Auf dem kurzen Stück schaltete ich zwei Mal und ging genau beim 50m-Schild wieder auf die Bremse. Mittlerweile fuhr ich die Kurve wieder etwas weiter aussen an und schnitt auch nicht zwei Radien wie bisher. Beim Herausbeschleunigen geriet ich etwas weiter als üblich, landete vor der Kurve aber dennoch kurz im Begrenzer. Die Rechts passte nicht schlecht und auch die anschliessende Links hatte ich schon schlechter erwischt. Ich geriet zwar im Mittelpunkt etwas weit nach aussen, konnte dafür aber gut runterbeschleunigen. Die beiden folgenden Rechtskurven gehörten auch jetzt noch zu meinen Problemzonen und ich liess dort bestimmt Lichtjahre an Zeit liegen… Aber darüber konnte ich hinwegsehen und erfreute mich stattdessen über mein Vorderrad, welches mich nach der Kuppe leicht abhebend grüsste. „Drrrrrrrrrrrrrr“ meldete sich der arme Begrenzer wieder und ich erlöste ihn von seinem Leiden. Ich durchpflügte regelrecht den kleinen Rechtsknick und ankerte für das blaue Haus. Auch diese Stelle mag ich nicht so besonders und dort liegen ebenfalls noch etliche Zehntel, die ich nur aufzulesen bräuchte. Also möglichst schnell weg von hier! Ich schaltete zwei Mal und bemühte bereits wieder den Bremshebel um die zweitletzte Rechts noch zu kriegen. Die erwischte ich ausnahmsweise mal nicht so schlecht und gab mir nun Mühe, die letzte Kurve nicht noch zu vermasseln. Ich war also bereits bei der Geraden angelangt und sah, wie sich die Temperaturanzeige gerade wieder in die Uhrzeit verwandelte. Als ich mich an meinem ungefähren Messpunkt befand, standen die Sekunden gerade bei 09 und wechselten auf 10. Ok, damit war ich zufrieden. Den Rest des Turns achtete ich nicht mehr auf die Zeit, sondern genoss einfach die Tatsache, dass ich überhaupt aufzünden konnte. Dann liess ich gut sein und winkte mich in die Boxengasse. Ich hatte zwar noch die Möglichkeit, den ganzen Nachmittag zu verzünden, wusste aber, dass ich das soeben ‚Erfahrene’ ohnehin nicht mehr würde toppen können. Ich ging kurz duschen und schnappte mir schnell eine Hülse, die noch nicht von Flisi geleert worden war. Ich stand also gemütlich vor der Box, als Thomas mit seinem R1-Viech auftauchte und mich zu einer gemeinsamen Videofahrt à la Lédenon auffordern wollte. Ich musste ihm leider sagen, dass ich mit dem Zünden schon abgeschlossen hatte und Thomas machte sich wieder röhrend von dannen.
Da Semy und Ivo ebenfalls keine Runden mehr drehen wollten, packten wir unsere Sachen und liessen nur das notwendigste unverstaut. Da Theo uns zugesichert hatte, dass man in einigen Boxen noch schlafen konnte, wollten wir uns erst am folgenden Tag auf die Rückfahrt machen und den Abend gemütlich ausklingen lassen. Diese Entscheidung war sicherlich eine sehr gute… Widi machte sich zusammen mit Melanie, Sophia und Semy bereits am Abend auf die Socken. Die hatten in Rekordzeit alles verstaut!
Die Geschichten an diesem Abend waren natürlich wieder legendär und ich wollte eigentlich gar nicht abhauen. In Box 3 gab es dann noch eine Videovorführung, die teilweise ziemlich unterhaltsam war, da die fahrerischen Leistung doch ziemlich schwankten. Als wir uns zu später Stunde schliesslich auf die Matratzen legten, war meine Matratze noch schön mit Luft gefüllt. Das sollte aber nur zwei Stunden so bleiben und plötzlich lag ich am Boden. Ich versuchte Ivo und Flisi beim erneuten Aufblasen nicht zu wecken, was aber bereits nach zwei Sekunden Luftzuführung in die Hose ging…
„Waaaaaas isch jetz das gsi?!“ war Flisis Kommentar, der wohl gerade vom Luftpistolengeräusch geweckt worden war, obwohl ich wirklich sehr sorgfältig zu werke ging

Ich erklärte ihm die Umstände und er nutzte gleich mal die Gelegenheit, sich noch einmal auf der Toilette zu entleeren… Der Rest der Nacht verlief unspektakulär. Klar, sie war ja auch recht kurz.
Auf der Rückfahrt gelangten wir schlussendlich noch in einen Stau, den Flisi sofort zum Aufzünden nutzen wollte. Also flugs die Kombi geholt und rein ins Geschehen:

Shot with
Canon DIGITAL IXUS 800 IS at 2007-08-13
Das letzte Highlight war dann Burgis Rechenkünsten vorbehalten, der mit eiskaltem Kalkül die Dieselvorräte in seinem Ducato vorhersagte und es nur ganz knapp über die Schweizer Grenze schaffte. Die Anzeige hatte vorher wild blinkend auf sich aufmerksam gemacht und Flisi sah sich schon am Strassenrand stehen…
So Leute, das war’s…Danke allen Leuten, die dabei waren. War der absolute Hammer mit euch!
Mad D
"Wir wissen zwar nicht, wo es langgeht, aber dafür bewegen wir uns mit Höchstgeschwindigkeit." Dussel Duck, Entenhausen 1983