Part 3a – die Sache mit dem Grip…
Ich liebe meine Luftmatratze! Das Teil lässt mich immer hervorragend schlafen, so auch hier. Ich glaube, die Entscheidung draussen zu bleiben war keine schlechte, denn im Vergleich zum Vortag war es nicht mehr ganz so heiss, weshalb ich trotz der Helligkeit locker bis um 0730 durchdösen konnte. Meine Schokobohnen begrüssten freudig meinen Magen, nachdem sich dieser erstmal wieder vom Anblick der Sacknasen erholen musste.
Sodele, bis zum Nachmittag hatte man Zeit, sich für das erste Rennen zu qualifizieren, also holte ich mir einen Transponder. Mit dem frischeren Reifen war ich mir sicher, jetzt erstmal etwas andrücken zu können.
Gesagt, aber nicht getan… Im ersten Turn fühlte sich Granate merkwürdig an und konnte keinerlei Linien halten. Flisi, der mir gefolgt war, konnte sich ob meiner Fahrweise ein Lächeln sicherlich kaum verkneifen


Der Leidgeprüfte bot mir in der Zwischenzeit an, sein orangenfarbenes High-Definition-Visier auszuführen und fragte mich, ob ich nicht gleich auch den JACK aka HANS aus dem Hause BMW testen wollte. Ich konnte beides nur schwer ablehnen. Und ich vergass: bis anhin hatte ich ein Pinlock lediglich an meinem hellen Regenvisier montiert, da es mich dort nie sonderlich gestört hatte. Aber an meinem fiesen Tönungsvisier hatte ich die Folie am Vortag nach einem ersten Test entfernt, da sie mich nun leicht irritiert hatte. Flisi hatte an seinen HD-Teil ebenfalls ein Pinlock…
Ich ging zusammen mit Stefu wieder auf die Piste. Der Bäcker wollte aber nicht nach vorne, also übernahm ich das. Als ich das Visier schloss, hatte ich das Gefühl, schlagartig schneeblind geworden zu sein! Dieses Visier war der absolute Hammer und bestimmt aus einem Schweizer Armeelabor geklaut worden. Nun wurde mir auch klar, dass es keine bessere Bezeichnung für eine solche Sicht geben kann als hohe Definition

Aber leider war der Turn nicht nur mit Highlights gespickt. Bereits in der ersten Runde hatte ich hinten einen kleinen Versetzer, was mich kurz meine linke Augenbraue heben liess. Aber ich schob das auf eine kleinere Erkältung des Reifens, welche sich in der zweiten Runde sicherlich verabschieden würde. Naja, eingangs der dritten Runde hatte ich hinten vor der Start/Ziel-Geraden ein au-revoir der etwas heftigeren Sorte, was es Stefu ermöglichte, mich mit der linken Hand wedelnd zu vernaschen.
Ich wollte nicht wahrhaben, dass der Reifen keinerlei Grip aufbauen wollte und blieb weiter auf Kurs. JACK’s Anwesenheit bemerkte ich lediglich beim Wechsel von Turn 6 in Turn 7, aber das war ungefähr so problemlos, wie in der Stadt von einem Top Model angelächelt zu werden. Das nimmt man zur Kenntnis und geht einfach weiter


Mein Solarplexus vernahm freudig, dass sich das Bodenwellenmassaker in Turn 3 über Nacht nicht verflüchtigt hatte und protestierte wild. Das Problem mit dem Grip in der hinteren Abteilung erledigte sich dann vor Turn 10. Ich visierte meinen Einlenkpunkt an, zwinkerte diesem zu und bog rechts ein. Naja, so war es zumindest geplant… Granate hatte keinerlei Lust, sich abwinkeln zu lassen und wollte einfach nur geradeaus. Meine Augenbrauen hoben sich in perfektem Zusammenspiel nach oben und verblieben dort. Der rechte Stummel war kurz zuvor, abgerissen zu werden, aber mein Möpp hatte sich soeben in einen Öltanker verwandelt. Da die Kurve eh nicht mehr zu kriegen war, gab ich nach und steuerte ins Kiesbett. Unglaublich! Mäddie, der bisher erst aufrecht ins Kies musste, wenn ihm der Sprit ausging oder sich irgendwelche Antizünd-Sicherungen verpissten, holte sich ein Kiesbett-Ticket… Das Plingen der Steine, welche an Gabel und Verkleidung prallten, bohrte sich in meinen Gehörgang und ich wollte diese unlöblichen Geräusche keinesfalls abspeichern oder wieder anhören. Verdammt, was war aber da soeben passiert? Kopfschüttelnd trottete ich in die Box zurück…
Der Hinterreifen war noch keine zwanzig Runden alt (inkl. Vorbesitzer), sah aber aus, als hätten ihn 110 gummihungrige Ratten in die Finger gekriegt. Ich holte die Felge aus der Schwinge und schmiss in Box 2 die GP503 an. Flisi hatte Mitleid mit mir und half, diesen vermeintlich bösen Reifen von der Felge zu befreien. Zur Strafe hatten wir ihn extra nicht eingeseift! Anschliessend schickte ich den 002er in eine Ecke, damit er sich dort schön schämen konnte. Hätte ich noch eine Schiefertafel dabei gehabt, hätte ich ihn 1000 Mal „Ich darf nicht keinen Grip aufbauen!“ schreiben lassen…
Ich hatte noch einen vier Runden alten YCX-Slick dabei, der links normal bis an die Kante runtergefahren war, auf der rechten Seite hatte es aber tatsächlich noch zwei Zentimeter Luft. Zwar etwas komisch, denn um einen Hinterreifen bis an die Kante zu fahren, braucht es ja auch eigentlich keinerlei Schräglage, aber gut. Ich dachte mir nicht sonderlich viel dabei und haute die Felge inklusive Reifen wieder in sein vertrautes Umfeld.
Und jetzt bitte gut aufpassen: Ich hatte gerade die Boxengasse hinter mich gelassen, freute mich auf die ersten unbeschwerten Runden, blickte mich um, sah keine Sau entgegenfliegen und lenkte rechts ein. Ich hatte vielleicht zehn oder zwanzig Grad Schräglage drauf und meinte, lenken zu müssen, um die Kurve kriegen zu können! Leute, dieses Gefühl ist echt Scheisse… Also gut, in meinem Helm brauten sich die ersten Gewitterwolken zusammen und ich hatte das Bedürfnis, alles zu packen, einen gelben Ducato zu klauen und heimzudonnern. Das gab’s doch nicht! In Turn 2 dasselbe Spiel und in Turn 3 hätte sich wohl mein Gebiss verabschiedet, wenn ich 90 Jahre alt gewesen wäre.
Granate fühlte sich im wahrstem Sinne so an, als würde sie sich winden und hüpfen und ich hatte dafür keinerlei Erklärung… So konnte man jedenfalls auf keinen Fall fahren und ich kehrte wieder mit hängendem Kopf zurück. Ivo sah mich an und fragte: „Besser?“ Ich konnte leider nur einen nach unten gestreckten Daumen zeigen…
Ich bat Ivo dann, Granate zu satteln und ein paar vorsichtige Runden zu drehen, worauf er auch sogleich einwilligte. Ich begab mich an die Boxenmauer, um mein Möpp mal von aussen beobachten zu können und wartete auf Ivos erste Vorbeifahrt. Zumindest der Motor hörte sich ganz gut an, hehe. Auch Ivo hatte sichtlich Mühe, mit Schräglage unterwegs zu sein, wie ich beim Herausbeschleunigen auf Start/Ziel sehen konnte. Nach etwa fünf Runden kehrte er zurück und ich war gespannt auf seine Eindrücke. Wir stellten die Holzkutsche auf den Ständer und ich konnte es kaum abwarten, dass Ivo seinen Helm ablegte.
Er meinte, dass es wirklich ein sehr merkwürdiges Fahrverhalten sei und er war sich mit mir einig, dass man keinerlei saubere Linien fahren konnte. Bremsen und schnödes Beschleunigen waren nicht das Problem, es tauchte lediglich vom Einlenken bis zum vollständigen Geradestehen auf

Wobei ich eigentlich alles schon im Vornherein ausschliessen konnte...