Part V: Der zweite Cup-Lauf
Ich ließ den Samstagmorgen naturbelassen verstreichen, schaute mir ein paar Trainings an, plauderte mit diversen Vernünftigen, und fuhr dann mittags noch ein bis zwei lockere Turns, um mein Knie zu schmieren. Es stellte sich dummerweise ungleich schwieriger dar, das Knie zu biegen, weil es offensichtlich wieder ein bißchen zugenommen hatte. Vielleicht hatte ich es in der vergangenen Nacht nicht hoch und ruhig genug gelagert....? Ich wusste es nicht.
Das Superstock-Rennen musste ich aus Besorgnisgründen absagen und konnte mich so voll auf den zweiten Cup-Lauf vorbereiten. Schorschi brachte es doch tatsächlich fertig, im STK-Rennen mit dem Bremshebel die verblasste, ehemals karminrote Plastik-Stones-Zunge in der Schikane vor Start/Ziel zu touchieren, und hernach zu Boden zu gehen. Dieser Mann war wirklich unglaublich.
Stammi holte sich in einem spannenden SSP/SBK-Rennen den zweiten Platz bei den Superbikes. Es war wahrlich ein Genuss, dem „neuen“ Stammi auf seiner ¾-Gixxe zuzuschauen.
Man konnte den Spaß, den er beim Bewegen dieses Gefährts hatte, mit allen Sinnen spüren, und wir waren uns alle einig, dass Stammi den Titel „Most stylish rider“ verdient hätte, würde es diesen Titel geben...
Ihm dicht auf den Fersen wäre natürlich Genschman, der im STK-Rennen knapp hinter dem Norweger Rasmussen Zweiter wurde. Es stand mehrfach auf meiner Tagesordnung, dass verzweifelte Zündlinge mich ansprachen und mit dünnen Stimmchen fragten, wer denn der Verrückte mit der gelb-blauen Suzi wäre, der ihn gerade Ende der Gegengeraden im 85-Grad-Winkel mit rauchendem Colt überholt hätte. Ich antwortete immer nur: „Genschman, wer sonst...“
Im freien Training wurde ich Zeuge einer Aktion, die ich nicht für möglich gehalten hätte, selbst nicht von Genschman. Besagter Verrückte kam mit bellendem Auspuff aus der Box GESCHOSSEN, ging in die Eisen, legte die Suzuki mit Hilfe der hinteren Bremse quer, ging gleich wieder ans Gas, und raste mit qualmendem Hinterreifen von dannen. Ich möchte nochmals anmerken, dass dieser Stunt nicht auf der Strecke stattfand, sondern in der Boxengasse! Als ich ihn später darauf ansprach meinte er, das Multifunktionsdisplay habe einen internen Fehler gehabt und habe ihn daraufhin zu diesem Wahnsinn getrieben.
Ich schaute mir noch das zweite Zeittraining der Superduke-Battle an, wo mein GEC-Teamkollege Thomas Hoemke eine sagenhafte 1:53,9 hinbrannte, und damit mit ca. 150 Sekunden Vorsprung auf Pole stand. Sehr schön, das würde lustig werden am Montag...
Dann war es endlich soweit - das zweite Cup-Rennen stand auf dem Plan, diesmal nur über 12 Minuten plus 2 Runden. Da konnte ich diesmal meine überlegene Kondition und Fitness (hihi) nicht so recht ausspielen. Martin kannte jetzt seine und meine Schwachstellen, und ich war mir sicher, dass er versuchen würde, das auszunutzen.
Es war zum Glück nicht mehr so heiß wie am Freitag, und so standen wir schweißlos und ruhig auf unseren Startplätzen. Ich hatte mir einen Plan zurechtgelegt, wie es gelingen konnte, in der ersten Kurve vor Startsau Schorschi zu sein, und ich wollte versuchen, gleich zu Beginn ein wenig wegzufahren, so dass mich der Martin dann nicht mehr einholen könnte...
Das Rotlicht ging diesmal sehr schnell aus, aber damit hatte ich gerechnet, weil es beim STK-Rennen auch so gewesen war. Ich kam viel besser weg als in Lauf 1, hielt mich mittig, bremste sehr spät, und stach als erster durch die Links. YES, so musste das sein! Jetzt sollten sich die Kampfhähne hinter mir bekriegen, und ich würde lustig tirilierend davonbrausen, hehe.
Mein Plan schien aufzugehen, ich hörte nach 2 Runden nur entferntes Grollen, wollte mich aber nicht umschauen, sondern versuchen, in dem Tempo durchzufahren. Das Knie schmerzte diesmal richtig, aber ich lenkte mich ab, indem ich an den großen Zeh von Wolle und die ekelhafte Nase von Klinge dachte. Diese beiden hatten ein schwereres Kreuz zu tra-gen als ich....
3 Runden vor Schluss drehte ich mich eingangs der Gegengeraden dann doch um, weil das Grollen immer lauter wurde. Die 14 war wieder direkt hinter mir! Uiuiui, das konnte ja heiter werden.... Ich nahm mir vor, überall so spät wie möglich zu bremsen, um ihm keine Chance zum überholen zu geben, aber ich wollte auch keine absolute Kampflinie fahren, weil ich uns beide nicht noch in einen Sturz treiben wollte.
In der letzten Links hatte ich beim Rausbeschleunigen einen Riesenrutscher, der mich fast runtergeworfen hätte, und ich verlor viel Speed. Martin hätte mich locker ausbeschleunigen können, aber der raffinierte Fuchs machte es diesmal so wie ich im ersten Rennen. Er blieb hinten und wartete auf seine Chance...
Ich sah die 1 auf der Anzeigetafel und bereitete mich mental auf eine heiße letzte Runde vor.
Sicherheitshalber schrieb ich „Volle Kraft voraus! Modeste Fahrweise!“ auf einen DIN A4-Zettel und steckte ihn ins Faxgerät des Multifunktionsdisplays. In der ersten Rechts fiel mir ein, dass ich vergessen hatte abzuaschen, aber das war jetzt egal.
Nach der Gegengeraden, der folgenden Schikane und der Links war ich mir fast schon sicher, dass ich das Ding nach Hause schaukeln könnte. Ich sah nur noch eine Stelle, wo er es packen könnte, mich auszubremsen - vor der 90-Grad-Links.
Doch was war DAS???? Das konnte nicht sein - in der Anbremszone, in meiner LIEBLINGSanbremszone vor der schnellen Rechts, wo ich immer so spät in die Eisen ging, dass meine Augäpfel gegen die Innenseite des Visiers hämmerten, presste sich dieser Wahnsinnige rechts neben mich!!

Ich löste die Bremse nochmal und versuchte das Unmögliche, nämlich mich doch noch vor ihm in die Kurve zu legen, aber da Martin sich nicht in Luft auflöste und ich ihn nicht von außen abräumen wollte, machte ich auf und fuhr die weite Linie....
Mutiges Manöver - Respekt!!

Aber ich gab noch nicht auf, hehe....
Martin fuhr die Links mittig an, ich versuchte, außen möglichst spät zu bremsen und mit Speed rauszubeschleunigen, um dann vor der Schikane direkt hinter ihm zu sein, um ihn bei einem eventuellen Verbremser außenrum schnappen zu können, und ich war mir ziemlich sicher, dass er sich vor der Schikane verbremsen würde....
Wir flogen direkt hintereinander auf die Schikane zu, und es kam so wie ich es mir gewünscht hatte - er bremste extrem spät, wackelte und hoppelte in die Rechts wie ein waidwunder Deutscher Riese, aber ich Idiot hatte in seinem Fahrwasser auch zu spät gebremst und fuhr ihm fast hintendrauf, statt rechts an ihm vorbeizuhuschen. Fück, das wär die Chance gewesen!
Martin warf sich in die Links, beschleunigte rutschfrei raus, und als ich sah, dass sich das nicht mehr ausgehen würde bis zur Ziellinie, holte ich die treue R1 im Dritten auf`s Hinterrad und wheelte an seiner fahnenschwingenden Hässlichkeit vorbei....
Yeah, das war ein guter Tag!!
Martin und ich klatschten uns im Geschlängel wieder ab und zeigten uns die Daumen für dieses erneute Spektakel. Georg war auf 3 ins Ziel gekommen, und Reidi wieder auf 4!
Wolfgang von Muralt, der Schweizer, der in den 80ern schon mit Kevin Schwantz in der 500er-WM gefahren ist, schaffte es auf den 5. Platz und somit auf den 3. Platz der A-Wertung.
Zurück in der Boxengasse schraubte ich debil grinsend den rechten Bremssattel ab, weil Michèl Dangereux die Originalität bzw. die Goldfreensität der Bremsbeläge überprüfen wollte. Wieder waren alle regelkonform unterwegs, und so bereiteten wir uns seelisch und moralisch auf den kommenden Abend vor - die Parties von BiPro am Lausitzring waren seit jeher legendär, wie sollte dann erst die Party zum 10-jährigen Jubiläum werden????????
Wir würden es erfahren.......
