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Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Trotz der großen Fortschrite ist es unvermeidbar, dass sich mein Gruppenaufkleber von Rot nach Gelb ändert. Wir waren einfach nicht schnell genug. Für den Henning reicht es knapp. Der große Vorteil des neuen Aufklebers: ich habe heute eher Feierabend. Der große Nachteil: Es gibt mehr Hindernisse. Es fehlt das Vertrauen in Liniensicherheit und Bremspunkte. Die Hindernisse überzeugen durch Beschleunigung und, leider, teilweise durch Linienkreativität. Alles in allem keine guten Voraussetzungen, um schneller zu werden. Es gab dennoch genug zum Üben. Mehr als genug.
Wie auch in Mugello gab ich mir die Vorgabe nicht vor, nicht am, sondern am besten knapp nachdem das Bunte anfing, zu bremsen. Und dann? Den Berg hoch, möglichst mit Schwung, um dann in die nächste Kurve hineinzubremsen. In der Realität bog ich rechts ab, legte einmal kurz auf links, um dann möglichst gerade auf das nächste Bunte auf der rechten Seite zuzufahren. Bremsen? Passierte eigentlich nicht. Wie sollte ich hier hineinbremsen?!? Ich war den Berg kaum hochgekommen. Was war denn da noch an Geschwindigkeit übrig? Und dann der weitere Verlauf der Kurve...ich fuhr die Linie ab, aber da fehlte doch was. Es fehlte Kurvenspeed. Das hier war so gar kein 600er-Kurs. Einmal falsch gezuckt, einmal doof geschaltet, zack 5 Sekunden langsamer. Und dann das: es gab wieder diejenigen, denen noch mehr Kurvenspeed fehlte, die ich dann eingangs der Kurve mühsam spalten musste, damit sie mich nach 2/3 der Geraden zurücküberholten. Davon gab es immer welche, aber hier gab es dadurch wirklich kaum eine Chance, noch gute Runden zu fahren.

Es gab dennoch genug zum Üben. Mit jeder Runde war ich mir sicherer, den Eingang so zu wählen, dass auch der Ausgang passte. Ich hatte zwar immer noch Unsicherheiten bei der Gangwahl, aber das sollte ja heute Abend mit dem neuen Reifen un der OZ-Felge passé sein. Mehr und mehr Sicherheit machte sich breit. Ich hatte heute Vormittag definitiv die richtige Entscheidung getroffen mit meinem Instruktionsbedarf. Vielleicht war diese Veranstaltung doch nicht so sinnlos wie sie bislang schien. Pflichtbewusst hatte ich in der Pause mein Interesse am Rennen angemeldet, aber so richtig entschieden war ich nicht gewesen. Rennen waren selten zu empfehlen, wenn man nicht wirklich weiß, wo es langgeht. Aber jetzt zeigte sich langsam ein Qualifikationslevel, was in Richtung "könnte klappen" ging.

Nachdem ich den Rest des Tages für weitere Übungsziele genutzt hatte, stand eine 2:09 auf der Uhr. Nicht schlecht für den ersten Tag hier. Und dass unser Henning schon längst bei irgendwas mit 2:03 angekommen war, tat nichts zur Sache. Hier ging es um das, was ich leistete, und im Zweifel konnte ich immer noch den 1000er-600er-drei-Sekunden-Vorteil verantwortlich machen.

Weil ich ja so schön früh fertig war, und weil der Henning ja noch an den Hinterrädern rummachen wollte, war klar, wer zum Einkaufen fahren musste. Ich sollte dies, das und auf jeden Fall genug Bier kaufen. Und grillen sollte ich auch. Der Würstchenfön war mittlerweile kaputtgegangen, und weil ich es vorgeschlagen hatte, war der kleine Kugelgrill wieder dabei. Der, dem ein umgefallener Anhänger 2021 ein Bein gebrochen hatte. Endlich wieder ein richtiger Grill. Alles, was ich zubreiten würde, hätte auf einem richtigen Grill gelegen. Da war kein Würstchenfön mehr, dem man das auf den Rost schieben konnte. Ich musste was Ordentliches einkaufen. Etwas, das lecker wäre.

Und der Jan, der wollte unbedingt den Streckenrundgang mitmachen. Eher als Rundfahrt, aber er wollte unbedingt, dass ich mitkäme. Und ich wollte auch gerne, aber hatte eine vage Vorahnung, dass das kompliziert würde. Zur Tankstelle sollte ich auch noch. Unbedingt. Voller Vorfreude auf entspanntes Einkaufen, von dem ich nicht wusste, wo es passieren würde, packte ich alles ins Auto. Lea hatte sich freundlicherweise bereiterklärt, mitzukommen. Nicht einmal 15 Minuten, nachdem wir losgefahren waren, hat sie es vermutlich bitterlich bereut.

Der Super B wies mich an, von der Schnellstraße in einem Kreisverkehr zu fahren. Ich fuhr. Und als ich nicht genau wusste, wo es dann langehen sollte, passierte es: Ich bekam komische Hinweise angezeigt, denen ich hinterherfuhr. Beziehungsweise denen ich versuchte, hinterherzufahren. Meine Position auf der Karte sprang mal hier, mal dorthin. Bis ich überhaupt nicht mehr wusste, wo ich war. Lea saß hinten ganz still auf ihrem Sitz, während mir gleichzeitig zum Heulen und nach Aufgeben war. Wieso musste immer ich das erledigen, was kompliziert war? Warum konnte man nicht mal mir alles organisieren? Es war unfair. Diese Scheißemanzipation. Da brachte man schon die Mehrheit an Geld nach Hause, stellte ein wenigkostendes Fahrzeug auf den Hof und durfte trotzdem die ganze Hausfrauenscheiße erledigen. Arrrgh! Ich wischte so gut es ging während ich auf den Verkehr und Straßen, die ich nicht kannte, aufpasste, die Auflösung der Navigationsansicht so zurecht, dass man sie als ganz normale Karte verwenden konnte. Wo war ich? Wo kam diese GPS-Kommunikations-Störung her? Ich hatte nun wirklich kein systemrelevantes Fahrzeug und dies hier war doch keine kriegsrelevante Gegend! Warum war ich bloß so ein digitaler Dinosaurier?!? Alle anderen hätten jetzt ihr Google Maps an und kein Problem. Leiser konnte Lea nicht werden. Wir fuhren Richtung Norden, aber waren mittlerweile in so etwas wie einem Stadzentrum angekommen. Westen, Westen. Wir müssen nach Westen. Ein Blick auf die Uhr, ein Blick zur Sonne. OK, links, wir müssen links. Und während ich immer noch laut vor mich hinfrage "warum immer ich?" verschwinden die Häuserwände und werden durch so etwas wie einen Park abgelöst. Weiter die Straße hinunter erhebt sich eine Brücke. Da, links, eine Tankstelle. Und rechts auch eine. Und da war es. Auf einem blauen Hintergrund ein gelber Kreis und darauf drei blaue Buchstaben und ein rotes, gekipptes i, was aussieht wie ein Persönchen.

Ich habe mich noch nie so sehr über das LIDL-Logo gefreut. Es hing an einem Haus, was neben dem Kreisverkehr vor uns stand. Wir werden später tanken. Das Auto musste nicht auch noch mit Benzin eingeduftet werden. Das Kind hatte schon genug Stress gehabt bis hier. Wir huschen durch den Laden. Packen Backwaren ein, als ob morgen Mehlknappheit ausbrechen würde. Und Grilltier und noch Amüsiergetränke für die Kinder und ein bißchen Kiwis. Lea möchte eine Ananas. Gibt es leider nicht. Wir haben so viel zusammen, wir können es kaum tragen. Als wir wieder im Auto sitzen, klingelt das Telefon. Jan wollte wissen, wann wir denn kämen, der Streckenrundgang und so. No pressure, alles ganz entspannt. Nicht hier. Ich hatte versucht, alles hinzubekommen. Ich war zu spät. Mir war zum heulen. Ich gebe durch, dass ich einen Teilnahme meinerseits aus Gründen ausschließen muss, und wir fahren zum Tanken. Wie durch ein Wunder klappt die Navigation jetzt ohne Probleme, so dass wir nicht einmal 10 Minuten brauchen, um wieder am Anhänger zu sein.
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Der Kugelgrill war mittlerweile schon heiß. Er müffelte nach altem Staub, Spinnenkacke und Rost. Wie ein alter Heizkörper, den man mal richtig heißmacht. Die Kindschaft hatte Hunger. Ich hatte eine Mission. Dieses Grillgerät musste auf jeden Fall ein besseres Ergebnis auf dem Teller abliefern als der olle Würstchenfön. Lea hatte für Schweinetier gestimmt, ich hatte zwei Stücke gut marmorierte alte Kuh eingepackt. Und obendrauf musste noch grobe Bratwurst mit, man wusste ja nicht, ob unser Hening noch was mehr essen wollte. Und Kroketten, die hatte ich auch dabei. Ich stand auf diese pfannenstabile panierte Bechamel mit Stückchen von Zeugs, in diesem Falle Hühnchen. Selbstverständlich hatten wir auch Grünzeug gekauft, obwohl das immer schwierig war mit dem "schmeckt". Im Zweifel aß es jemand auf. Aber man wusste nie, wie viel übrigblieb und wie appetitlich durchgemantscht das war. Deswegen hatten wir Süßkartoffeln eingekauft, die ich so gut wie möglich nicht verbrannt hatte.

Heute Abend waren alle satt. So satt, dass die Würste und ein Stück tote alte Kuh wieder in den Kühlschrank wanderten. Ich hoffte, dass mich das davor bewahrte, morgen noch einmal einkaufen gehen zu müssen. Wie sollte ich erst in das Barcelonesenparkhaus finden, wenn das nochmal passierte. Hoffentlich war es bis dahin...Worry when it is time to worry. Genau wie "Accept what you cannot change" eine der Weisheiten, die ich aus meiner Zeit in Irland mitgenommen hatte. Es war mir in diesem Land, wo der Busfahrplan die Abfahrzeiten an der ersten Haltestelle zeigte, und der Bus entweder schon da war oder noch kam, nichts anderes übriggeblieben als mich an Weisheiten zu orientieren. Heute Abend wollte ich früh ins Bett und mich abermals ausruhen, denn diese Strecke war anstrengend. Körperlich und auch im Kopf. Ich würde mich nicht geschlagen geben, nur weil ich hier eigentlich nie fahren wollte. Ich wollte ein ordentliches Ergebnis abliefern. Soviel war klar. Auch, wenn kein Herr Pütz da war, um mir mal wieder unter die Nase zu reiben, was mit einer R6 alles geht und auch kein Herr Schuster, dem ich stolz berichten konnte, dass er auch nicht so viel schneller fuhr als ich. Zumindest ein bisschen wollte ich mich anfreunden.

Die guten Vorsätze wurden unverzüglich auf "Hold" gesetzt. Was war das? Das war nicht mehr der Duft von gut fermentierter alter Wäsche, das war bestialisch. Es waberte eine Wolke durch das Fahrerlager, die übelriechender kaum sein konnte. Schon tagsüber hatte es immer wieder nach dem Springfielder Reifenberg gerochen, aber das jetzt war eine Kombination aus Biotonne ganz unten und alten Lackdosen. Poah. Wenn man so stinkt hat man es aber sehr schwer, Freunde zu finden.
:horseshit:

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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Die Wolke hat sich etwas verzogen, stelle ich fest, als ich bettflüchte, um ein flüssiges Stoffwechselprodukt loszuwerden. Obwohl es noch dunkel ist, ist es taghell. Der Platz, dem der Henning bei der Parkdiskussion nachsagte, man wisse ja nicht, ob die Scheinwerfer überhaupt hell genug seien, konnte besser nicht ausgeleuchtet sein. Was für ein Drama. Ich genoss die Stille auf dem kurzen Weg zum Wellnesstempel. Vom Dach der Männerhälfte kam ein wässriges Rinnsal vom Dach gelaufen und hatte einen großen Fleck im Asphalt gebildet. Es war Nachts nicht trocken hier. Und wer am morgen fahren wollte, musste das Angemalte meiden. Wieso stank es hier bloß so? Müllverbrennungsanlage? Klärwerk? Wir hatten bisher unterschiedliche Theorien dazu erarbeitet. Urlaub konnte so schön sein.

Es war kaum noch Zeit zum Schlafen. Und bevor ich einsumseln konnte, meldete sich schon das Wischbrettchen mit der Aufsteherinnerung. Zumindest hatte ich das Thyroxin schon eingeworfen, und konnte direkt Kaffee für mich fertigmachen. Ein sehr ambitionierter Sustainability-Manager hatte dem Circuit Wasserspender verordnet, und das Wasser, was man dort zapfen konnte war völlig in Ordnung. Kein Chlor, kein Muff, einfach nur Wasser. Wasserkocher drunterhalten, wegziehen, fertig. Mit der Trinkflasche dasselbe. Sehr konvenient. Und das direkt vor der Haustür, das war fast wie in die Küche gehen.

Heute war es deutlich wärmer als gestern. Und ein weiterer Vorteil des gelben Aufklebers gab mir die Einladung, heute keinen Turn ausfallen zu lassen. Wer um kurz vor zehn bei Sonnenschein und mehr als 16°C im Oktober nicht fahren will, ist nicht bei Trost. Ich hatte relativ gut geschlafen. Insgeheim hoffte ich auf die Wundersekunden, die einfach so von einem Tag auf den anderen weg waren. Manchmal waren es drei, manchmal fünf und manchmal gar keine. Und vielleicht würde er ja funktionieren, der Wunderreifen. Seit gestern Abend hatte das gelbe Gerät einen Dunlop KR108. Vor mehr als zehn Jahren, als ich die Kreisfahrerei gerade angefangen hatte, war das der Reifen für richtig schnelle Leute. Also richtig, richtig schnelle. Ich wurde nicht weniger nervös, als ich daran dachte, dass ich vielleicht zu doof für dieses Ding war. Aber ich hatte mit Wolle telefoniert und der hatte gesagt, dass ich damit wohl ruhig fahren könnte. Ich erinnerte mich an Begeisterungsstürme und Geschichten von "unendlichem Grip" und "ewigem Halten".
Lieber mal vorsichtig. Dieser Reifen brauchte 90°C und nen ganz merkwürdigen Luftdruck - gar keinen, im Vergleich zu anderen. Lieber mal vorsichtig. Turn 1 fahre ich zwar, fange aber später an, und kontrolliere flugs den Luftdruck. OK, passt. Aber später wird es noch wärmer, also lieber mal vorsichtig.

In Turn 2 fällt mir auf, dass ich doch Wundersekunden im Kopfkissen gelassen habe. Es fühlt sich schneller an, und ich klatsche immer wieder auf Leute, die gestern wohl nicht gefahren sind, so ungelenk wie es bei denen um die Kurve geht. Aber lieber mal vorsichtig. Ich messe brav den Luftdruck und siehe da - es ist ein bisschen viel.

Bestens vorbereitet für Turn 3 stelle ich danach fest, dass ich wirklich schneller gefahren war. Viele 2:06er. Und leider immer wieder ein Kampf mit übermotorsierten Langsameren, die das manchmal zwei Runden lang nicht wahrhaben wollten. Immer wieder klopfe ich mir mit der Hand auf das Popöchen, dezenter Hinweis, man möge doch mal dahinterbleiben, schließlich hätten wir beide was davon, aber immer wieder treffe ich auf ausreichend Ignoranz. Mitunter brauche ich drei Runden, um final vorbeizusein. Verzweifelt nutze ich die Mittagspause für eine freundliche Nachfrage. Und obwohl die Zeitenliste etwas anderes sagt, weiß ich, dass ich schneller fahren kann. Micha sagt "komm mal hier rüber, damit du mal siehst, was wir hier anschauen". "Oh, jetzt wird er mir erklären, warum da nichts geht und dass ich doch eigentich viel zu langsam bin", denke ich und stelle mich hinter den Tresen neben ihn. Er zeigt mit dem Finger auf Linien, die gelb und rot markiert sind. "Das bist du", der Finger bleibt stehen. "Und das ist der langsamste rote". Ich sage "Hm" und bin drauf und dran, mich zu trollen. "Wenn du jetzt schneller wirst, dann ist das kein Problem", meint er dann. Er nimmt einen Aufkleber, schreibt meine Nummer drauf und drückt ihn mir in die Hand. Wie bitte? Was war denn da gerade passiert? Ich hatte drei Sachen gesagt: Leistung, Auflaufen, Schwung. Und endlich hatte jemand Verständnis dafür, dass man kaum schneller werden konnte, wenn die Strecke es nicht zuließ und genug Bremsklötze vorhanden waren. Wir vereinbaren ein "Experiment". Morgen früh beurteilen wir die Lage noch einmal.
Ich bedanke mich und schmunzle in mich hinein. Dann klebe ich den roten Aufkleber neben den gelben. Zunächst brauche ich beide. Erst muss ich was beweisen.
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von Klaus69 »

:-) Das klingt doch Weitaus Versöhnlicher als das gestrige "Slalom" fahren und nicht auf Zeit kommen weil einem Dauernd "Power-Kurvenparker" im Weg stehen...
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Das mit dem Beweisen war gar nicht so einfach, denn es war über Mittag Wind aufgekommen. Wind. Ich mochte keinen Wind. Der zuppelte an den Armen und wackelte am Helm. Noch dazu bremste er doppelt so viel wie ich gebrauchen konnte am Ende der Zielgeraden. Und ich verstand regelmäßig nicht, warum so viele auf meine Windnöte nur mit Schulterzucken und der Bemerkung "ich merk davon gar nichts" antworteten. War ich wirklich so sensibel? Oder hatte hier wieder die Physik zugeschlagen, die anderen waren einfach schwerer und schneller und ließen sich daher weniger leicht von ihrer Bahn ablenken, brauchten einen größeren Impuls?!? Eigentlch war die Theorie dahinter Wurst. Wenn man bei Wind fahren musste, dann musste man damit umgehen. Ein schwacher Trost: Irgendwann wäre der Berge-Meer-Luftmassenausgleichs-Wind wieder weg.

Der Wechsel in die rote Gruppe war mit einigen Vorbeinickens und mehreren Huchs verbunden. "Bremse, Bremse, du wolltest auf der Bremse besser werden", erinnere ich mich. Damit ich wirklich schneller fahren konnte, musste ich die Überholtwerdenvorgänge auf die Geraden verschieben. Am besten mitten in die Mitte, aber nicht ans Ende. Sonst kriegt die Mutti wieder Mufffe, weil da schon so viele in der Kurve sind. Ohne ausreichend späte Bremserei wäre es Essig damit. Und Kurvenspeed mit Schräglage, die wollte ich auch üben. Und hatte endlich die Chance dazu. Die meisten Guppenkollegen waren in den Kurven nur so schnell, dass ich sehr gut studieren konnte, wie schnell man wie schräg fahren konnte - und versuchen konnte dranzubleiben. Es waren immer noch merkwürdige Gestalten dabei, und manchmal musste ich mich am langsamsten Punkt eigentlich daneben setzen, aber es war generell besser zu fahren hier. Daneben setzen. Eine meiner Techniken, um nicht soviel Speed zu verlieren, wenn innen einer war. Mit dem Ziel, dann mit mehr Speed auf der Innenseite durchzufahren zu können am Kurvenausgang. Oder einfach nicht so viel Schwung zu vernichten. Dazu war mindestens ein Vorderrad neben dem Hinterrad des Kollegen. Seit hier jemand, der innen an mir vorbei wollte, zu ambitioniert die Bremse genutzt hatte, um sehr spät einzulenken und infolgedessen erst ein Arm knapp vor mir vorbeirutschte und dann ein Motorrad, dem ich knapp ausweichen konnte, war ich mit sowas etwas vorsichtiger geworden. "Was, wenn er wegrutscht?", "Ob die Kette abfliegt?", "Wenn da Öl rauskommt...", es gab genug dieser Momente. Ich konzentrierte mich darauf, nicht zu nah dranzusein. Anstrengend, diese Fahrerei.

In den Pausen freute ich mich über den Schatten, der von Anhänger und Markise gespendet wurde und hing in meinem Faltstuhl ab. In einer dieser Pausen fiel mir auf, dass die Kindschaft gar nicht da war. Sie hatten sich in die Lounge, eine Pavillonburg mit Sitzgelegenheiten, Schatten und Musik, verkrümelt. Der Henning verkrümelte sich auch immer wieder. Zwecks Kaffetrinken, meistens. Aber einmal erwähnte er, er wolle doch einen Axel Adickes aufsuchen, der führe auch und sei mit Herrn Galinski hier und wohne nämlich in einem Ort, der uns sehr gut bekannt war. Adickes, das war ein mir sehr geläufiger Name. ich wusste nur nicht mehr in welchem Kontext. War es eine Unterhaltung der Erwachsenen, in der sowas vorkam wie "der Adickes", als es um Zensuren ging? Ich wusste es nicht mehr. Und während ich ohne viel Mimik ein emotionsloses "Aha" entgegne, wandern meine Gedanken unvermeidbar zu dem kleinen Mädchen, das im Amtsgarten verzweifelt weinend seine Mütze wiederhaben wollte, und mehreren Halbstarken gegenüberstand, die vielleicht fünf, sechs Jahre älter waren. Sie ließen sich nicht beindrucken und machten weiter ihre Späße, bis das Weinen lauter wurde und die Verzweiflung größer und endlich ein Mädchen, was dabei war, die Mütze wieder rüberreichte. Von da an nahm ich selten diesen Weg zu Fuß. Und eigentlich musste ich auch mit dem Fahrrad zum Bahnhof, aber ich fuhr immer so schnell, auch in der Kurve nach der Brücke, dass sich selbstverständlich eine ordentliche Schotterflechte nicht vermeiden ließ. Und selbst heute linse ich immer noch in die Ecken, auf der Suche nach Bedrohung. Ich wusste nur zu gut, was Kinder Kindern antun können. Aber ich wusste leider auch, was Eltern Kindern antun können. Und eine dieser Taten war, genau in den Ort zu ziehen, wo die Schule war, an der man unterrichtete. Egal, wo es war, selten war ich mit meinem familiären Hintergrund willkommen.

Das war lange her. Und ich hatte mittlerweile sogar so etwas wie Toleranz für die Ablehnung, hatte ich doch selbst erlebt, dass wo Pädagoge draufsteht, nicht immer einer drin ist. Und völlig egal, wer dieser Axel nun war. Wichtig war, dass er heute in der Zeitenliste hinter mir stand. Ich hatte mich zum Vormittag um weitere zwei Sekunden verbessert und den Abstand zu unserem Henning auf nur noch zwei Sekunden geschrumpft. Und der Wunderreifen? Den merkte ich fast gar nicht. Der fuhr einfach nur, fast wie der Conti. Da war nix mit "oh wie geht das vorwärts". Und ich muss zugeben, dass ich die Fragezeichen, was da nun so besonders dran sein sollte an dem Ding, immer noch im Kopf habe. Aber egal, er fuhr, sah gut aus und sollte wohl noch ein paar Tage halten.
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Beitrag von JanR1 »

..."Ich hatte es mittlerweile aufgegeben, den Henning dazu zu motivieren, selbst auch die Vorteile der käuflichen Unterstützung zu genießen, aber dieser Mann wollte einfach nicht an sich arbeiten. Und vor allem nicht, wenn es Geld kostete."...

...du schreibst schon NUR von RS-fahren...?!?...
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Nein, wie es aussieht, trifft das auf alle Lebensbereiche zu.
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Es gab noch ein Experiment zu bewerten. Erwartungsgemäß leitete ich das Gespräch ein mit "Ich bin tatsächlich schneller gefahren", mir gegenüber steht ein Micha und meint "ja, passt doch". "Das Problem ist: alle anderen auch", füge ich hinzu. Ich wollte zumindest darauf aufmerksam machen, dass es eventuell Handlungsbedarf gab. Und er findet immer noch, dass ich keinen gelben Aufkleber brauche. :mrgreen:

So positiv gestimmt kann ich doch glatt nochmal zum Einkaufen fahren. Lea möchte lieber nicht mit, kann ich verstehen. Deutlich besser als gestern bekomme ich vom Super B den Weg gezeigt, und es dauert nicht so lange. Ich fege durch den Laden und packe alles ein, was Not tut. Brot, Allioli, Salate, Grilltier. Glücklicherweise muss ich kein Wasser schleppen, besten Dank an den Sustainability Manager. Ich bekomme sogar eine Ananas, die sich Lea gestern gewünscht hatte.

Die humoristisch wirksame Frucht stelle ich direkt auf die R6, muss morgen kein Rennen fahren, habe schon die goldene Ananas.

Rennen fahren muss ich auch nicht, aber ich will! So langsam kommt der Ehrgeiz durch. Ganz so einfach will ich den Henning doch nicht ziehen lassen. Rennen waren immer gut für Wenigersekunden. Mit dem Rest war ich heute doch ganz gut zufrieden, nachdem es etwas vorwärtser ging. Und ganz besonders stolz war ich darauf, dass ich meine Kurvensteifigkeit irgendwo verloren hatte, bei dem ganzen schräg Dauerkurvenfahren. Und für alle, die bisher ein Foto vermissen, habe ich jetzt eins. Eines, wo man ganz gut sieht, dass ich mich mit Früchten auskenne. Ich weiß jetzt auch, wie die Banane geht. Das geht alles noch besser, und das kann man in der Tat prima im Circuit Catalunya üben.
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Es hat sich in der Zwischenzeit ein neuangereister Nachbar zu uns gesellt. Als ich nochmal nach der Schreibweise frage, sagt er "nennt mich einfach Tuffi", dabei wollte ich doch nur wissen, ob sein Name am Ende mit "k" oder "g" geschrieben wird. "Ck" war mir gar nicht präsent, bis er direkt Tuffi vorschlug. Und während es mir dämmerte, was ich da gefragt hatte, verzogen sich meine Mundwinkel schon zu einem leichten Grinsen, das sich nicht vermeiden ließ. Er hatte auch eins davon. Ein netter Geselle mit einer R1, der noch ein Plätzchen für morgen suchte, um sich für das Wochenende aufzuwärmen. Wir bieten ihm alles an, aber ich vermutete schon, dass es schwierig werden könnte mit Schweinetier. Aber Lea bestand darauf, die Ananas zu grillen, so dass ich eine ganze Schüssel davon hatte. Irgendwann hatte ich davon eine Scheibe in ihn hineingenötigt und war damit zufrieden. Heute war definitiv der beste Abend hier bisher. Bis zu dem Moment, wo Lea die Nase rümpfte und mich ansah und ich sagte "Oh, nein". Und sie sagte "Oh, nein". Jan sagte "es stinkt schon wieder so". Heute war es eine Mischung aus Waschmaschinenabwasser und Kloake. Schnell brachen wir unsere Runde draußen ab und verschlossen die Fenster soweit es ging, damit nicht alles in den Anhänger zog. Ich war fein damit, früh ins Bett zu gehen, morgen hatte ich nämlich was vor!
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