Trotz der großen Fortschrite ist es unvermeidbar, dass sich mein Gruppenaufkleber von Rot nach Gelb ändert. Wir waren einfach nicht schnell genug. Für den Henning reicht es knapp. Der große Vorteil des neuen Aufklebers: ich habe heute eher Feierabend. Der große Nachteil: Es gibt mehr Hindernisse. Es fehlt das Vertrauen in Liniensicherheit und Bremspunkte. Die Hindernisse überzeugen durch Beschleunigung und, leider, teilweise durch Linienkreativität. Alles in allem keine guten Voraussetzungen, um schneller zu werden. Es gab dennoch genug zum Üben. Mehr als genug.
Wie auch in Mugello gab ich mir die Vorgabe nicht vor, nicht am, sondern am besten knapp nachdem das Bunte anfing, zu bremsen. Und dann? Den Berg hoch, möglichst mit Schwung, um dann in die nächste Kurve hineinzubremsen. In der Realität bog ich rechts ab, legte einmal kurz auf links, um dann möglichst gerade auf das nächste Bunte auf der rechten Seite zuzufahren. Bremsen? Passierte eigentlich nicht. Wie sollte ich hier hineinbremsen?!? Ich war den Berg kaum hochgekommen. Was war denn da noch an Geschwindigkeit übrig? Und dann der weitere Verlauf der Kurve...ich fuhr die Linie ab, aber da fehlte doch was. Es fehlte Kurvenspeed. Das hier war so gar kein 600er-Kurs. Einmal falsch gezuckt, einmal doof geschaltet, zack 5 Sekunden langsamer. Und dann das: es gab wieder diejenigen, denen noch mehr Kurvenspeed fehlte, die ich dann eingangs der Kurve mühsam spalten musste, damit sie mich nach 2/3 der Geraden zurücküberholten. Davon gab es immer welche, aber hier gab es dadurch wirklich kaum eine Chance, noch gute Runden zu fahren.
Es gab dennoch genug zum Üben. Mit jeder Runde war ich mir sicherer, den Eingang so zu wählen, dass auch der Ausgang passte. Ich hatte zwar immer noch Unsicherheiten bei der Gangwahl, aber das sollte ja heute Abend mit dem neuen Reifen un der OZ-Felge passé sein. Mehr und mehr Sicherheit machte sich breit. Ich hatte heute Vormittag definitiv die richtige Entscheidung getroffen mit meinem Instruktionsbedarf. Vielleicht war diese Veranstaltung doch nicht so sinnlos wie sie bislang schien. Pflichtbewusst hatte ich in der Pause mein Interesse am Rennen angemeldet, aber so richtig entschieden war ich nicht gewesen. Rennen waren selten zu empfehlen, wenn man nicht wirklich weiß, wo es langgeht. Aber jetzt zeigte sich langsam ein Qualifikationslevel, was in Richtung "könnte klappen" ging.
Nachdem ich den Rest des Tages für weitere Übungsziele genutzt hatte, stand eine 2:09 auf der Uhr. Nicht schlecht für den ersten Tag hier. Und dass unser Henning schon längst bei irgendwas mit 2:03 angekommen war, tat nichts zur Sache. Hier ging es um das, was ich leistete, und im Zweifel konnte ich immer noch den 1000er-600er-drei-Sekunden-Vorteil verantwortlich machen.
Weil ich ja so schön früh fertig war, und weil der Henning ja noch an den Hinterrädern rummachen wollte, war klar, wer zum Einkaufen fahren musste. Ich sollte dies, das und auf jeden Fall genug Bier kaufen. Und grillen sollte ich auch. Der Würstchenfön war mittlerweile kaputtgegangen, und weil ich es vorgeschlagen hatte, war der kleine Kugelgrill wieder dabei. Der, dem ein umgefallener Anhänger 2021 ein Bein gebrochen hatte. Endlich wieder ein richtiger Grill. Alles, was ich zubreiten würde, hätte auf einem richtigen Grill gelegen. Da war kein Würstchenfön mehr, dem man das auf den Rost schieben konnte. Ich musste was Ordentliches einkaufen. Etwas, das lecker wäre.
Und der Jan, der wollte unbedingt den Streckenrundgang mitmachen. Eher als Rundfahrt, aber er wollte unbedingt, dass ich mitkäme. Und ich wollte auch gerne, aber hatte eine vage Vorahnung, dass das kompliziert würde. Zur Tankstelle sollte ich auch noch. Unbedingt. Voller Vorfreude auf entspanntes Einkaufen, von dem ich nicht wusste, wo es passieren würde, packte ich alles ins Auto. Lea hatte sich freundlicherweise bereiterklärt, mitzukommen. Nicht einmal 15 Minuten, nachdem wir losgefahren waren, hat sie es vermutlich bitterlich bereut.
Der Super B wies mich an, von der Schnellstraße in einem Kreisverkehr zu fahren. Ich fuhr. Und als ich nicht genau wusste, wo es dann langehen sollte, passierte es: Ich bekam komische Hinweise angezeigt, denen ich hinterherfuhr. Beziehungsweise denen ich versuchte, hinterherzufahren. Meine Position auf der Karte sprang mal hier, mal dorthin. Bis ich überhaupt nicht mehr wusste, wo ich war. Lea saß hinten ganz still auf ihrem Sitz, während mir gleichzeitig zum Heulen und nach Aufgeben war. Wieso musste immer ich das erledigen, was kompliziert war? Warum konnte man nicht mal mir alles organisieren? Es war unfair. Diese Scheißemanzipation. Da brachte man schon die Mehrheit an Geld nach Hause, stellte ein wenigkostendes Fahrzeug auf den Hof und durfte trotzdem die ganze Hausfrauenscheiße erledigen. Arrrgh! Ich wischte so gut es ging während ich auf den Verkehr und Straßen, die ich nicht kannte, aufpasste, die Auflösung der Navigationsansicht so zurecht, dass man sie als ganz normale Karte verwenden konnte. Wo war ich? Wo kam diese GPS-Kommunikations-Störung her? Ich hatte nun wirklich kein systemrelevantes Fahrzeug und dies hier war doch keine kriegsrelevante Gegend! Warum war ich bloß so ein digitaler Dinosaurier?!? Alle anderen hätten jetzt ihr Google Maps an und kein Problem. Leiser konnte Lea nicht werden. Wir fuhren Richtung Norden, aber waren mittlerweile in so etwas wie einem Stadzentrum angekommen. Westen, Westen. Wir müssen nach Westen. Ein Blick auf die Uhr, ein Blick zur Sonne. OK, links, wir müssen links. Und während ich immer noch laut vor mich hinfrage "warum immer ich?" verschwinden die Häuserwände und werden durch so etwas wie einen Park abgelöst. Weiter die Straße hinunter erhebt sich eine Brücke. Da, links, eine Tankstelle. Und rechts auch eine. Und da war es. Auf einem blauen Hintergrund ein gelber Kreis und darauf drei blaue Buchstaben und ein rotes, gekipptes i, was aussieht wie ein Persönchen.
Ich habe mich noch nie so sehr über das LIDL-Logo gefreut. Es hing an einem Haus, was neben dem Kreisverkehr vor uns stand. Wir werden später tanken. Das Auto musste nicht auch noch mit Benzin eingeduftet werden. Das Kind hatte schon genug Stress gehabt bis hier. Wir huschen durch den Laden. Packen Backwaren ein, als ob morgen Mehlknappheit ausbrechen würde. Und Grilltier und noch Amüsiergetränke für die Kinder und ein bißchen Kiwis. Lea möchte eine Ananas. Gibt es leider nicht. Wir haben so viel zusammen, wir können es kaum tragen. Als wir wieder im Auto sitzen, klingelt das Telefon. Jan wollte wissen, wann wir denn kämen, der Streckenrundgang und so. No pressure, alles ganz entspannt. Nicht hier. Ich hatte versucht, alles hinzubekommen. Ich war zu spät. Mir war zum heulen. Ich gebe durch, dass ich einen Teilnahme meinerseits aus Gründen ausschließen muss, und wir fahren zum Tanken. Wie durch ein Wunder klappt die Navigation jetzt ohne Probleme, so dass wir nicht einmal 10 Minuten brauchen, um wieder am Anhänger zu sein.
Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee
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über die es sich lohnt zu sprechen!
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- campari Offline
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Öfter mal die Hände waschen!!!
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Der Kugelgrill war mittlerweile schon heiß. Er müffelte nach altem Staub, Spinnenkacke und Rost. Wie ein alter Heizkörper, den man mal richtig heißmacht. Die Kindschaft hatte Hunger. Ich hatte eine Mission. Dieses Grillgerät musste auf jeden Fall ein besseres Ergebnis auf dem Teller abliefern als der olle Würstchenfön. Lea hatte für Schweinetier gestimmt, ich hatte zwei Stücke gut marmorierte alte Kuh eingepackt. Und obendrauf musste noch grobe Bratwurst mit, man wusste ja nicht, ob unser Hening noch was mehr essen wollte. Und Kroketten, die hatte ich auch dabei. Ich stand auf diese pfannenstabile panierte Bechamel mit Stückchen von Zeugs, in diesem Falle Hühnchen. Selbstverständlich hatten wir auch Grünzeug gekauft, obwohl das immer schwierig war mit dem "schmeckt". Im Zweifel aß es jemand auf. Aber man wusste nie, wie viel übrigblieb und wie appetitlich durchgemantscht das war. Deswegen hatten wir Süßkartoffeln eingekauft, die ich so gut wie möglich nicht verbrannt hatte.
Heute Abend waren alle satt. So satt, dass die Würste und ein Stück tote alte Kuh wieder in den Kühlschrank wanderten. Ich hoffte, dass mich das davor bewahrte, morgen noch einmal einkaufen gehen zu müssen. Wie sollte ich erst in das Barcelonesenparkhaus finden, wenn das nochmal passierte. Hoffentlich war es bis dahin...Worry when it is time to worry. Genau wie "Accept what you cannot change" eine der Weisheiten, die ich aus meiner Zeit in Irland mitgenommen hatte. Es war mir in diesem Land, wo der Busfahrplan die Abfahrzeiten an der ersten Haltestelle zeigte, und der Bus entweder schon da war oder noch kam, nichts anderes übriggeblieben als mich an Weisheiten zu orientieren. Heute Abend wollte ich früh ins Bett und mich abermals ausruhen, denn diese Strecke war anstrengend. Körperlich und auch im Kopf. Ich würde mich nicht geschlagen geben, nur weil ich hier eigentlich nie fahren wollte. Ich wollte ein ordentliches Ergebnis abliefern. Soviel war klar. Auch, wenn kein Herr Pütz da war, um mir mal wieder unter die Nase zu reiben, was mit einer R6 alles geht und auch kein Herr Schuster, dem ich stolz berichten konnte, dass er auch nicht so viel schneller fuhr als ich. Zumindest ein bisschen wollte ich mich anfreunden.
Die guten Vorsätze wurden unverzüglich auf "Hold" gesetzt. Was war das? Das war nicht mehr der Duft von gut fermentierter alter Wäsche, das war bestialisch. Es waberte eine Wolke durch das Fahrerlager, die übelriechender kaum sein konnte. Schon tagsüber hatte es immer wieder nach dem Springfielder Reifenberg gerochen, aber das jetzt war eine Kombination aus Biotonne ganz unten und alten Lackdosen. Poah. Wenn man so stinkt hat man es aber sehr schwer, Freunde zu finden.
Heute Abend waren alle satt. So satt, dass die Würste und ein Stück tote alte Kuh wieder in den Kühlschrank wanderten. Ich hoffte, dass mich das davor bewahrte, morgen noch einmal einkaufen gehen zu müssen. Wie sollte ich erst in das Barcelonesenparkhaus finden, wenn das nochmal passierte. Hoffentlich war es bis dahin...Worry when it is time to worry. Genau wie "Accept what you cannot change" eine der Weisheiten, die ich aus meiner Zeit in Irland mitgenommen hatte. Es war mir in diesem Land, wo der Busfahrplan die Abfahrzeiten an der ersten Haltestelle zeigte, und der Bus entweder schon da war oder noch kam, nichts anderes übriggeblieben als mich an Weisheiten zu orientieren. Heute Abend wollte ich früh ins Bett und mich abermals ausruhen, denn diese Strecke war anstrengend. Körperlich und auch im Kopf. Ich würde mich nicht geschlagen geben, nur weil ich hier eigentlich nie fahren wollte. Ich wollte ein ordentliches Ergebnis abliefern. Soviel war klar. Auch, wenn kein Herr Pütz da war, um mir mal wieder unter die Nase zu reiben, was mit einer R6 alles geht und auch kein Herr Schuster, dem ich stolz berichten konnte, dass er auch nicht so viel schneller fuhr als ich. Zumindest ein bisschen wollte ich mich anfreunden.
Die guten Vorsätze wurden unverzüglich auf "Hold" gesetzt. Was war das? Das war nicht mehr der Duft von gut fermentierter alter Wäsche, das war bestialisch. Es waberte eine Wolke durch das Fahrerlager, die übelriechender kaum sein konnte. Schon tagsüber hatte es immer wieder nach dem Springfielder Reifenberg gerochen, aber das jetzt war eine Kombination aus Biotonne ganz unten und alten Lackdosen. Poah. Wenn man so stinkt hat man es aber sehr schwer, Freunde zu finden.

Öfter mal die Hände waschen!!!
- campari Offline
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Die Wolke hat sich etwas verzogen, stelle ich fest, als ich bettflüchte, um ein flüssiges Stoffwechselprodukt loszuwerden. Obwohl es noch dunkel ist, ist es taghell. Der Platz, dem der Henning bei der Parkdiskussion nachsagte, man wisse ja nicht, ob die Scheinwerfer überhaupt hell genug seien, konnte besser nicht ausgeleuchtet sein. Was für ein Drama. Ich genoss die Stille auf dem kurzen Weg zum Wellnesstempel. Vom Dach der Männerhälfte kam ein wässriges Rinnsal vom Dach gelaufen und hatte einen großen Fleck im Asphalt gebildet. Es war Nachts nicht trocken hier. Und wer am morgen fahren wollte, musste das Angemalte meiden. Wieso stank es hier bloß so? Müllverbrennungsanlage? Klärwerk? Wir hatten bisher unterschiedliche Theorien dazu erarbeitet. Urlaub konnte so schön sein.
Es war kaum noch Zeit zum Schlafen. Und bevor ich einsumseln konnte, meldete sich schon das Wischbrettchen mit der Aufsteherinnerung. Zumindest hatte ich das Thyroxin schon eingeworfen, und konnte direkt Kaffee für mich fertigmachen. Ein sehr ambitionierter Sustainability-Manager hatte dem Circuit Wasserspender verordnet, und das Wasser, was man dort zapfen konnte war völlig in Ordnung. Kein Chlor, kein Muff, einfach nur Wasser. Wasserkocher drunterhalten, wegziehen, fertig. Mit der Trinkflasche dasselbe. Sehr konvenient. Und das direkt vor der Haustür, das war fast wie in die Küche gehen.
Heute war es deutlich wärmer als gestern. Und ein weiterer Vorteil des gelben Aufklebers gab mir die Einladung, heute keinen Turn ausfallen zu lassen. Wer um kurz vor zehn bei Sonnenschein und mehr als 16°C im Oktober nicht fahren will, ist nicht bei Trost. Ich hatte relativ gut geschlafen. Insgeheim hoffte ich auf die Wundersekunden, die einfach so von einem Tag auf den anderen weg waren. Manchmal waren es drei, manchmal fünf und manchmal gar keine. Und vielleicht würde er ja funktionieren, der Wunderreifen. Seit gestern Abend hatte das gelbe Gerät einen Dunlop KR108. Vor mehr als zehn Jahren, als ich die Kreisfahrerei gerade angefangen hatte, war das der Reifen für richtig schnelle Leute. Also richtig, richtig schnelle. Ich wurde nicht weniger nervös, als ich daran dachte, dass ich vielleicht zu doof für dieses Ding war. Aber ich hatte mit Wolle telefoniert und der hatte gesagt, dass ich damit wohl ruhig fahren könnte. Ich erinnerte mich an Begeisterungsstürme und Geschichten von "unendlichem Grip" und "ewigem Halten".
Lieber mal vorsichtig. Dieser Reifen brauchte 90°C und nen ganz merkwürdigen Luftdruck - gar keinen, im Vergleich zu anderen. Lieber mal vorsichtig. Turn 1 fahre ich zwar, fange aber später an, und kontrolliere flugs den Luftdruck. OK, passt. Aber später wird es noch wärmer, also lieber mal vorsichtig.
In Turn 2 fällt mir auf, dass ich doch Wundersekunden im Kopfkissen gelassen habe. Es fühlt sich schneller an, und ich klatsche immer wieder auf Leute, die gestern wohl nicht gefahren sind, so ungelenk wie es bei denen um die Kurve geht. Aber lieber mal vorsichtig. Ich messe brav den Luftdruck und siehe da - es ist ein bisschen viel.
Bestens vorbereitet für Turn 3 stelle ich danach fest, dass ich wirklich schneller gefahren war. Viele 2:06er. Und leider immer wieder ein Kampf mit übermotorsierten Langsameren, die das manchmal zwei Runden lang nicht wahrhaben wollten. Immer wieder klopfe ich mir mit der Hand auf das Popöchen, dezenter Hinweis, man möge doch mal dahinterbleiben, schließlich hätten wir beide was davon, aber immer wieder treffe ich auf ausreichend Ignoranz. Mitunter brauche ich drei Runden, um final vorbeizusein. Verzweifelt nutze ich die Mittagspause für eine freundliche Nachfrage. Und obwohl die Zeitenliste etwas anderes sagt, weiß ich, dass ich schneller fahren kann. Micha sagt "komm mal hier rüber, damit du mal siehst, was wir hier anschauen". "Oh, jetzt wird er mir erklären, warum da nichts geht und dass ich doch eigentich viel zu langsam bin", denke ich und stelle mich hinter den Tresen neben ihn. Er zeigt mit dem Finger auf Linien, die gelb und rot markiert sind. "Das bist du", der Finger bleibt stehen. "Und das ist der langsamste rote". Ich sage "Hm" und bin drauf und dran, mich zu trollen. "Wenn du jetzt schneller wirst, dann ist das kein Problem", meint er dann. Er nimmt einen Aufkleber, schreibt meine Nummer drauf und drückt ihn mir in die Hand. Wie bitte? Was war denn da gerade passiert? Ich hatte drei Sachen gesagt: Leistung, Auflaufen, Schwung. Und endlich hatte jemand Verständnis dafür, dass man kaum schneller werden konnte, wenn die Strecke es nicht zuließ und genug Bremsklötze vorhanden waren. Wir vereinbaren ein "Experiment". Morgen früh beurteilen wir die Lage noch einmal.
Ich bedanke mich und schmunzle in mich hinein. Dann klebe ich den roten Aufkleber neben den gelben. Zunächst brauche ich beide. Erst muss ich was beweisen.
Es war kaum noch Zeit zum Schlafen. Und bevor ich einsumseln konnte, meldete sich schon das Wischbrettchen mit der Aufsteherinnerung. Zumindest hatte ich das Thyroxin schon eingeworfen, und konnte direkt Kaffee für mich fertigmachen. Ein sehr ambitionierter Sustainability-Manager hatte dem Circuit Wasserspender verordnet, und das Wasser, was man dort zapfen konnte war völlig in Ordnung. Kein Chlor, kein Muff, einfach nur Wasser. Wasserkocher drunterhalten, wegziehen, fertig. Mit der Trinkflasche dasselbe. Sehr konvenient. Und das direkt vor der Haustür, das war fast wie in die Küche gehen.
Heute war es deutlich wärmer als gestern. Und ein weiterer Vorteil des gelben Aufklebers gab mir die Einladung, heute keinen Turn ausfallen zu lassen. Wer um kurz vor zehn bei Sonnenschein und mehr als 16°C im Oktober nicht fahren will, ist nicht bei Trost. Ich hatte relativ gut geschlafen. Insgeheim hoffte ich auf die Wundersekunden, die einfach so von einem Tag auf den anderen weg waren. Manchmal waren es drei, manchmal fünf und manchmal gar keine. Und vielleicht würde er ja funktionieren, der Wunderreifen. Seit gestern Abend hatte das gelbe Gerät einen Dunlop KR108. Vor mehr als zehn Jahren, als ich die Kreisfahrerei gerade angefangen hatte, war das der Reifen für richtig schnelle Leute. Also richtig, richtig schnelle. Ich wurde nicht weniger nervös, als ich daran dachte, dass ich vielleicht zu doof für dieses Ding war. Aber ich hatte mit Wolle telefoniert und der hatte gesagt, dass ich damit wohl ruhig fahren könnte. Ich erinnerte mich an Begeisterungsstürme und Geschichten von "unendlichem Grip" und "ewigem Halten".
Lieber mal vorsichtig. Dieser Reifen brauchte 90°C und nen ganz merkwürdigen Luftdruck - gar keinen, im Vergleich zu anderen. Lieber mal vorsichtig. Turn 1 fahre ich zwar, fange aber später an, und kontrolliere flugs den Luftdruck. OK, passt. Aber später wird es noch wärmer, also lieber mal vorsichtig.
In Turn 2 fällt mir auf, dass ich doch Wundersekunden im Kopfkissen gelassen habe. Es fühlt sich schneller an, und ich klatsche immer wieder auf Leute, die gestern wohl nicht gefahren sind, so ungelenk wie es bei denen um die Kurve geht. Aber lieber mal vorsichtig. Ich messe brav den Luftdruck und siehe da - es ist ein bisschen viel.
Bestens vorbereitet für Turn 3 stelle ich danach fest, dass ich wirklich schneller gefahren war. Viele 2:06er. Und leider immer wieder ein Kampf mit übermotorsierten Langsameren, die das manchmal zwei Runden lang nicht wahrhaben wollten. Immer wieder klopfe ich mir mit der Hand auf das Popöchen, dezenter Hinweis, man möge doch mal dahinterbleiben, schließlich hätten wir beide was davon, aber immer wieder treffe ich auf ausreichend Ignoranz. Mitunter brauche ich drei Runden, um final vorbeizusein. Verzweifelt nutze ich die Mittagspause für eine freundliche Nachfrage. Und obwohl die Zeitenliste etwas anderes sagt, weiß ich, dass ich schneller fahren kann. Micha sagt "komm mal hier rüber, damit du mal siehst, was wir hier anschauen". "Oh, jetzt wird er mir erklären, warum da nichts geht und dass ich doch eigentich viel zu langsam bin", denke ich und stelle mich hinter den Tresen neben ihn. Er zeigt mit dem Finger auf Linien, die gelb und rot markiert sind. "Das bist du", der Finger bleibt stehen. "Und das ist der langsamste rote". Ich sage "Hm" und bin drauf und dran, mich zu trollen. "Wenn du jetzt schneller wirst, dann ist das kein Problem", meint er dann. Er nimmt einen Aufkleber, schreibt meine Nummer drauf und drückt ihn mir in die Hand. Wie bitte? Was war denn da gerade passiert? Ich hatte drei Sachen gesagt: Leistung, Auflaufen, Schwung. Und endlich hatte jemand Verständnis dafür, dass man kaum schneller werden konnte, wenn die Strecke es nicht zuließ und genug Bremsklötze vorhanden waren. Wir vereinbaren ein "Experiment". Morgen früh beurteilen wir die Lage noch einmal.
Ich bedanke mich und schmunzle in mich hinein. Dann klebe ich den roten Aufkleber neben den gelben. Zunächst brauche ich beide. Erst muss ich was beweisen.

Öfter mal die Hände waschen!!!