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Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von Knubbler »

campari hat geschrieben: Donnerstag 11. September 2025, 11:09 Nächste Woche bin ich den Großteil beruflich in Polen
Was arbeitest Du denn?
Knubbler jetzt auf Instagram :shocked:
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Abendduscherin zu sein hatte seine Vorzüge. Während sechs Beine im Badezimmer um Waschbecken, Dusche und Toilette herumwuselten, konnte ich meine Gräten noch lang liegen lassen. Ich konnte. Nein, ich könnte. Mit einem Seufzer pellte ich mich aus dem Bett und fing an, unser Gerümpel zusammenzuräumen. Wir hatten heute etwas vor. Hanniballine zieht mit ihrem Elefanten in die Schlacht! Dass es dabei in die falsche Richtung ging, störte kaum, so schön war das Bild.

Ich trieb meine kleinen Soldaten zum Essen Fassen und sah zu, dass sie sich so gut wie möglich stärkten. Wir mussten bei Kräften sein, wenn wir diesen Kampf gewinnen wollten. Es lagen Kilometer der Strapazen vor uns. Und wir würden kaum rasten können.

Schließlich war Sonntag, und die ganzen Rastplätze wären schon blockiert mit Lastwagen, deren Fahrer sich mal wieder ein Wellnesswochenende gönnen durften.
Wir waren gut. Noch vor neun Uhr saßen alle mehr oder weniger gut gelaunt im Auto. Nach nur wenig Zeit auf der deutschen Autobahn ging es nach Österreich. Österreich war gut zu Anhängern. Hier hatten wir bisher die meisten Meter gemacht. Der Verbrauch stieg auf 18 L/100km. Wer auch immer gewollte hatte, dass ich nicht mehr Diesel fuhr, musste damit wohl leben. Greta hatte daran bestimmt keine Freude, wenn es sie noch interessierte. In Hall wollten wir noch schnell tanken. Das war die Gelegenheit, noch einmal alle Pipis zu erledigen, etwas zu essen und sich die Beine zu vertreten. Das Schlimmste lag noch vor uns. Es war auch eine Gelegenheit, sich das Hotel aus der Nähe anzusehen, was ich für den Rückweg gebucht hatte. Ich wollte nicht noch einmal am Abend unerwartet aus dem Fahrerlager geworfen werden, um dann weder wo parken zu können, noch einen günstigen Preis für ein Zimmer zu haben.

Ich war die einzige, der die Idee gefiel, auf dem Rückweg mitten in der Nacht über den Brenner zu rollen. Aber ich wusste, wozu das gut war.

Frisch getankt reihte ich mich mit meinem Fahrgefährt in die Schlange ein, die Richtung Italien zog. "Ich will nicht, dass die Brücke durchbricht!" entfuhr es mir. Die Luegbrücke war so marode, dass sie es in die Reportage geschafft hatte, was dazu führte, dass ich sie von unten gesehen hatte. "Die haben da extra so Fangkörbe unter die Brücke gebaut", sprach ich in Richtung Henning, "damit die Fahrzeuge nicht direkt abstürzen". Und während mein Herz weiter kräftig klopfte, fügte ich hinzu "garantiert fahre ich da nicht auf der rechten Seite." Links waren die Pfeiler, das war der stabilste Teil der Straße.

Es ging alles besser als erwartet. Bis zu dem Moment, wo es verdammt nach verbranntem Kunststoff roch. Ich dachte an die Kühlbox, die im Kofferaum schon seit Stunden vor sich rödelte und an den Stecker, der mir beim letzten Ausstöpseln zwecks Öffnen der Box die Haut an der Hand fast verkohlt hatte. "Scheiße", ich zog die rechte Augenbraue hoch. "Was, wenn es die Kühlbox ist?" Wir waren uns schnell einig. Anstelle im Tunnel ein Inferno mit tausenden Toten zu riskieren, nahm ich schnell die nächste Ausfahrt zum Rastplatz und hielt an. Kofferraum - sauber. Motorhaube - sauber. Henning - sauber. Er hatte sich nach dem Pipi offensichtlich die Hände gewaschen. Kindschaft - langsam genervt. Verständlicherweise. Wir waren fast da. Aber verbrennen wollten wir alle nicht.

Was auch immer den Geruch verursacht hatte, wir waren es glücklicherweise nicht gewesen.
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Knubbler hat geschrieben: Samstag 13. September 2025, 19:58
campari hat geschrieben: Donnerstag 11. September 2025, 11:09 Nächste Woche bin ich den Großteil beruflich in Polen
Was arbeitest Du denn?
Ich verkaufe weißes Pulver. Und dazu haben wir Ringelpiez da, wo Theo hinfahren soll.
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Der Skoda war zwar nicht ganz so kreativ, was Routen anging, wie das Beste oder Nichts, nur diesen Vorschlag musste ich ignorieren. Ich sollte irgend so eine relativ direkte, relativ kurvige Straße mittendurch nehmen. Das ging nicht. Wir fuhren "wie immer". Wie immer. Das hörte sich merkwürdig an. Allerdings waren wir hier schon drei Mal hergefahren. Das brachte Gewohnheitsrechte.

Wie immer. Das war meine letzte Saison. Ich war eigentlich nur für Pizza und Pasta und wunderbares Tagliata di Manzo im Il Torrione hergekommen. Der Rest war dabei doch eher Nebensache.

Wie gewohnt ließ uns niemand ins Fahrerlager. Die Franzosen drehten noch ihre Kreise. Kaum hatte ich unseren Henning gefragt, ob wir oben parken sollten, musste ich mich schon dafür anmaulen lassen. Das oben habe er nicht gemeint. Er meinte doch das andere oben. Dass man da nicht rumparken sollte, hatte sich seit letztem Jahr irgendwie nicht ins Gedächtnis vorgearbeitet. Bei mir schon. Schließlich hatte ich die Diskussionen mit dem Pförtner. Also ließ ich mich für die nächste Zeit von verschiedenen Seiten vollnörgeln. Aus dem Genörgel wurde ein ausgewachsenes Gemotze, als ich mit drei tollen gelben unbenutzen Müllsäcken ankam, die ich in den Anhänger stopfen wollte. Alles dreckig, wie konnte ich denn sowas, ich hörte gar nicht mehr zu. Das waren tolle stabile unbenutzte Riesensäcke, die der Servicemensch verloren hatte. Die waren schon für was gut.

Man konnte ja vielleicht mal was Öliges einpacken müssen.
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Mugello. Die Harry-Potter-Rennstrecke. Hier schnell zu fahren, war anspruchsvoll. Man brauchte eine gute Kombination von Fahrkönnen und Selbstüberzeugungskünsten. Eine sehr, sehr gute. Nach meinem üblen Ostern mit Speer hatte ich mich im letzten Jahr zumindest auf eine 2:16 vorgearbeitet. Schnell war das nicht. Ich setzte die Grenze bei 2:10, ähnlich wie für Aragon.

Ausreden hatte ich allerdings genug. "Nur ne 600er" war eine davon. Dafür klatschte mir der Herr Klein direkt mental eine Ohrfeige mit seinem "Mugello ist nicht unbedingt eine 1000er-Strecke", ich konnte mich nicht daran vorbeierinnern. Pizza, Pasta und Tagliata di Manzo. Das war, was ich wollte. Alles andere kam, wie es kam.

Die Unwetter der letzten Woche hatten keinerlei Spuren hinterlassen. Die Sonne strahlte vom Himmel, und wir warteten weiter. Nach jetzt schon stundenlanger Wechsellaune verbreitete sich Einfahrpanik. Menschen sprangen in ihre Fahrzeuge, manövrierten Ihre Fahrzeuge so schnell wie es ging aus dem Schotterbett heraus und lenkten unten angekommen einfach rechts herum.

Ob das so gemeint war? Wir wussten es nicht. Einer hatte angefangen, und die Karawane rollte. Niemand konnte die Schlange der Einfahrwilligen jetzt noch stoppen. Ich zuckte mit den Schultern und versuchte so unsichtbar wie möglich ins Fahrerlager einzubiegen. Auf des Hennings Zielparkplatz stand schon jemand, der sich im Laufe des Tages hereingemogelt hatte. Davor war Platz. Auf meinem Zielparkplatz hinten an der Mauer stand leider noch jemand. Und weil wir alle nah am Duschhaus und nah an der Zufahrt stehen wollten, bezog ich den Platz vor den Herrschaften, die schon fröhlich aufgebaut hatten.

Nicht weit weg neben uns baute sich eine polnische Partyburg auf. Zutapezierte Damen, teils mit Lippen, die kurz vor dem Platzen waren, wuselten um sportlich ambitionierte Herren herum. Es dauerte nicht lange, und sie hatten die Beschallungselektronik aufgefahren. Das war es dann wohl mit unserem gemütlichen Parkplatz.

Zum Umziehen war es jetzt zu spät.
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von triple955i »

Wie letzte Saison wir haben noch was offen,ich Kämpfe mit aller Kraft wieder fit zu werden
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Und dabei hatte ich mich so gefreut. Im Gegensatz zum letzten Jahr war es nicht sengend heiß (>35°C), sondern nur angenehm warm (ca. 30°C). Man konnte offensichtlich nicht alles haben. Die Damen jabbelten und schnabbelten und lachten und und und. Ein geselliges Völkchen, diese Polen. An sich ja etwas Gutes. Aber sogar Lea drehte sich hin- und her und maulte, dass es zu laut zum Einschlafen sei. Und dann tat ich, was ich schon fast zwei Jahrzehnte nicht mehr getan habe. Ich stapfte zu den Leuten und bat um etwas leisere Konversation.

Das hielt für etwa zehn Minuten. :bang:

Da war nichts zu machen. Wenn wir alle müde wären, müsste ich ja nicht fahren und könnte mir die Pizza einfach so reinhauen. Merkte doch gar keiner, ob ich Sport gemacht hatte vorher, oder nicht? Aus der oberen Etage schnuffelte es schon (oh, nein!) und von Draußen kam immer noch die Polonaise. Warum hatten sich die ihre Wagenburg in diesem Riesenareal bloß direkt mit dem offenen Hufeisen in unsere Richtung aufgebaut. :banging:

Irgendwann muss ich doch eingeschlafen sein. Und gerade, als es am kühlsten war, dann, wenn hinter den Bergen das Licht langsam orange wird, musste ich Pullern gehen. Was war hier bloß los? Als ich kundtat, ich wollte doch gerne mal ein 24 Stunden-Rennen fahren, meinte ich nicht, ab sofort das Nichtschlafen trainieren zu wollen. Es half nichts. Licht an war Licht an und wach war wach. Ein guter Zeitpunkt, mir einen Thyroxinschub zu verpassen. Dann konnte ich zur Aufstehzeit sofort Kaffee in mich hineinschütten.

Alibimäßig kroch ich wieder unter mein Bettlaken und schloss die Augen.

Ob es wohl genau so schwierig wird wie letztes Jahr? Und werde ich später bremsen? Werde ich überhaupt bremsen? Und wenn ja, wie viel? Ganz besonders fürchtete ich mich vor "1000er-Männerfahren" - also wie blöd in die Bremse hacken, um dann in der Kurve fast umzufallen. das durfte auf gar keinen Fall passieren. Wie peinlich wäre das denn?!? Vor allem jetzt, wo ich Schritt für Schritt gelernt hatte, was Kurvenspeed ist und wie man den bekommt.
Ich nahm mir vor, zunächst nur am Ende der Geraden zu bremsen und ganz bestimmt nicht vor der Kuppe.
Aber - ich hatte da ja noch diesen Todesreifen. Und es war ja warm. Ob ich dann einen Abflug riskierte? Ich nahm mir weiters vor, ganz dezent rechts zu drehen und vor allem nicht, wenn es Grund zur Sorge gab bei Rutschern oder anderweitig aufmüpfigem Verhalten.
Und was würde ich machen, wenn ich zwar bremsen wollte, aber die Bremse nicht?!? Abspringen oder ablegen? Es ging hin- und her. Und ich fand einfach keine hinreichenden Beweise dafür, dass ich in der Lage war, ein Geschoss mit um die 250 km/h in eine Kurve zu biegen, und entschloss mich abermals für Abspringen. Aber mit den Armen eng an die Brust gelegt oder mit den Ellenbogen neben den Ohren. Und nicht nach rechts oder links, sondern einfach nach hinten. Man musste doch nur hochspringen und das Moped unter sich weglassen.

Und dann?

Ooooh. Wieso konnte ich nicht einfach irgendwo Urlaub machen. Da gab es auch Pizza, Pasta und Tagliata di Manzo.

Der Wecker klingelte.
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Guten Morgen,guten Morgen, guten Morgen, Sonnenschein! Ja, guten Morgen auch. Die Sonne schien ja von selbst, deshalb - oder wegen der zahlreichen Wünsche aus dem Publikum - schallte heute (und morgen und übermorgen) italienischer Tenor aus der Lautsprecheranlage. Ich war eh wach. Aber der Kindschaft gefiel der neue Ton nicht besonders. Was nicht hieß, dass sie die gewohnte Beschallung besonders gut fanden. Irgendwie war beides - naja - individuell.

Es war Zeit für die Fahrerbesprechung. Wie gewohnt, wurde das erwähnt, was man nicht genug durch duchgezogene Linie und eine Ansammlung von Leuchtorangehütchen betonen konnte. "Do not cross the line. Turn to check if you see someone and stop in case of doubt." Ich mochte mir nicht ausmalen, was hier bisher so passiert war, wenn Fahrwillige auf Bremswillige trafen, Letztere aber noch über 250km/h auf dem Tacho hatten, während Erstere mit um die 100 einfach die Strecke kreuzten. Die Beschwörung leuchtete ein, und ich hoffte, dass das auch bei jeder/m resonierte.

Es fühlte sich fremd an, erst im August einen CR Moto-Safety First-Aufkleber auf den Helm zu bappen, aber so war es nun einmal. Ein früherer Termin hatte einfach nicht gepasst. Nach abgearbeiteter Pflicht machte ich mich auf den Weg zurück zum Moped. Knapp hinter mir kam jemand gelaufen "Andrea", fragte er, "how are you? You know - I have not forgotten about you." Irgendwie verdutzt sah ich ihn an. Und noch bevor ich ein qualifiziertes "Hä?" entgegnen konnte, ging es weiter "you know, your message about the instruction, maybe we are going to make an experiment next year." "Oh", sah ich ihn an, "this is going to be my last season" und dann erklärte ich "the Children, the school, the long travel, maybe this is not manageable anymore". Große Augen. "No, but why?" (hatte ich doch gerade gesagt?!?) "I was even thinking about making the women only event." Oh-Ha. Im Überschwang der aufsteigenden Kompetenz hatte ich Ende 2024 eine Mail geschrieben, wo ich angeboten hatte, Instruktorin für das langsame Damenvolk zu sein. So für um die zwei Minuten in Osche z.B.. Jetzt hörte ich gerade Pannnoiaring. "Well, I have never been to Pannonia, so maybe this is not the best idea."

Mit einer Mischung aus Erstaunen und Geschmeicheltsein gingen wir weiter in Richtung Mopeds. Interessanterweise war der Chef als "Darth Maul" auf seiner eigenen Veranstaltung unterwegs (dazu später mehr) und hatte ebenso mit Vorbereitungen zu tun. Ich verabschiedete mich und zog mich langsam an, während er direkt hinter der polnischen Wagenburg verschwand. Oh, warum wohnte er nie selbst im Fahrerlager? Wir hätten bestimmt eine ruhigere Nacht gehabt.

Und dann stand ich da. Im schönsten morgendlichen Sonnenschein der Toskana. Mit dem Todesreifen.
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Während die Kindschaft geteilter Meinung war, was eine angemessene Aufstehzeit ist - der kleine Blonde straks angezogen und mit den Beinen in der Sonne baumelnd bereits um halb neun mit der Frage "was kann ich essen?" und die etwas größere Kleine nicht mehr ganz so blonde in der Furzmulde vergraben, hatte ich bereits alles startklar.

Eieiei, wo ging das hier noch einmal rum? Eine Frage, die mich immer beschäftigte, sobald ich in der Ferne ein rechteckiges weißes Schild mit einem großen schwarzen Pfeil nach rechts darauf sah. Ach, ja, rechts. Und da war es schon zu spät. Wie doof hatte ich mal wieder nur auf den blöden Pfeil gesehen. Aber gut, besser langsam rechts einbiegen als gar nicht.

Die zwei Trainings vorher hatten gewirkt. Der Rest der Strecke fühlte sich weder fremd, noch falsch an. Und am Ende der Geraden hatte ich zum ersten Mal eine Ahnung davon, was man mit der richtigen Bremstechnik so erreichen könnte.

Könnte. Können konnte ich noch nicht.

Für das erste Wachrollen ganz zufrieden, versuchte ich meine gefühlte Zeit zu beziffern. Irgend etwas bei 2:20 wird es hoffentlich gewesen sein (in echt: 2:24,8). Der Todesreifen musste dabei irgendwelche geheimen Absichten haben, von denen absolut gar nichts zu merken war. Der war in Mugello auch einfach nur gefahren. Nur war es ja nicht ausgeschlossen, dass er zunächst auf gut Freund machen wollte, einen in Sicherheit wiegen, um dann mit voller Härte zuzuschlagen. Ich gab mir Mühe, den Luftdruck penibelst einzustellen. Man konnte ja nicht wissen.

Turn 2 fühlte sich noch besser an. (Das sollte auch selbsverständlich auch so.) Und ich nutzte die Streckenbreite und ich nahm Schwung mit und - klatschte an ein Heck von einem Motorrad, was ich in Turn 1 noch nicht gesehen hatte. Aber den Helm, den Helm...au Backe, ich war gerade auf den Chef aufgefahren. Vor mir fuhr Darth Maul. Und er fuhr und fuhr und fuhr vor mir. Ich kam einfach nicht vorbei. Das alte Spiel von Leistung gegen Kurvenspeed.

Fest stand: ich musste noch gezielter bremsen und vieeeel herzhafter in die Schlüsselkurven reinfahren. Auch, wenn ich jetzt schon nur noch 2 Sekunden langsamer als meine Bestzeit war. Ich sah den Hinterreifen kritisch an und prüfte den Luftdruck. Alles in Ordnung.

Fast. Unser Henning war schon zwei Sekunden schneller als meine Bestzeit. Ich seufzte. Da konnte ich nichts mehr machen. Der Zug war abgefahren. Eine 600er mit mir konnte keine 1000er mit dem Henning schlagen. Aber darum ging es hier nicht. Mein Auftrag war, diese Strecke endlich gut genug fahren zu können.

Nach Turn 3 stand fest, dass es so gar nicht sinnvoll war, den Hinterreifen zu wechseln. Auch, wenn ich ihn immer wieder fragend angesehen hatte. Die einzige Antwort, die ich bekam, war: "geht noch". Der Todesreifen war mit mir schon eine 2:16 gefahren. Das war das, was im letzten Jahr nach drei Tagen auf der Uhr stand. Und da waren sooo viele andere Baustellen.

Auch zur Mittagszeit war das Wetter gnädig, und wir hatte nur knapp um die 30°C. Fast frisch. Ich legte mir trotzdem ein angefeuchtetes Handtuch auf die Rübe. Besser, die Prozessoreinheit bleibt kühl.

Zum Gruppenwechsel war ich erstaunt. Und das gleich mehrmals: Darth Maul hatte sich mit einer 2:15 auf seinem Kampfstern in Gruppe B katapultiert. Und ich war froh, dass ich nicht schon wieder einen Abstieg zu bewältigen hatte, bei dem mir die fehlende Leistung noch mehr Schwierigkeiten bereiten würde. Und dann traf ich noch einen Daniel aus der Schweiz, der neuerdings keine Suzuki mehr fuhr, samt Begleitung.
Und da war es wieder, dieses Gefühl, völlig ausgezogen vor jemandem zu stehen, der doch jetzt schon seit Jahren alle meine Erlebnisse - vor allem die schlechten - miterlebt hat. Ich wusste mal wieder nicht, ob ich gut oder schlecht dastand und was die Welt eigentlich von all dem hielt. Darum bemüht, nicht zu viel der inneren Unruhe nach außen zu kehren, wegen der latenten Peinlichkeit, die um mich herumwaberte, versuchte ich mich an einem freundlich-kurzen Gespräch. Lea dabei an der Seite hatte ich glücklicherweise Unterstützung. Das vertrieb ein wenig die Angst, die immer bei solchen Momenten anwesend war. Da gab es Fragen, die ich nicht gefragt werden wollte, weil ich darauf keine Antwort hatte.

Alles ging gut, und ich konnte die Mittagspause dazu nutzen, um noch einmal den Streckenplan durchzugehen. Ich hatte mir auch extra noch ein Video von Herrn Hobelsberger reingezogen. Aber als ich die Zeitenliste checkte, war es doch etwas enttäuschend. Derselbe Herr Hobelsberger aus dem Video fuhr hier relativ unterperformante Zeiten. Vielleicht war er mit einer 300er unterwegs?

Schnell war klar, dass ich vorrangig zwei Stellen zu üben hatte. Das Ende der Geraden - richtig bremsen. Und den Rechtsabbiegepfeil. Was nicht unten ankam, das kam auch nicht mit den Berg wieder hoch.

Mittlerweile war der Schatten auf ein Minimum zurückgegangen, aber das Kopftuch half (Oh, ein Kopftuchmädchen), die Konzentration zu behalten.
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Turn 3 bis 6 lernte ich, dass noch viel mehr zu lernen hatte. "Also, erst da, wo das Bunte anfängt", erklärte der Münzi, als es darum ging, das "Hinter der Kuppe" zu spezifizieren. :shock: Da, wo das Bunte anfing, war ein Schild mit einer 100 sehr präsent. Aber dahinter, da ging es bergauf. Und zwar gewaltig. Und man hatte immer, immer noch ausreichend Platz, wenn man wie ich dort nur mit knapp 245 km/h ankam. Woher ich das wusste? Ich hatte die kleine schwarze Kiste auf dem Motorrad platziert, die ich nach jedem Turn nach der Geschwindigkeit an der langsamsten Stelle und der an der schnellsten Stelle fragte. Und sehr, sehr oft hing die beste Rundenzeit mit der Geschwindigkeit an der langsamsten Stelle zusammen. Schwung, Schwung, Schwung. Es lief immer darauf hinaus.

Aber wo und wie? Ich hätte einen Computer dabeihaben müssen, um direkt alles auslesen zu können. Linien und Beschleunigungen auswerten und dann entsprechend besser/anders fahren.

Hatte ich nicht.

Vielleicht wäre ich irgendwann mal dazu bereit. Dann könnte ich voll in die Raceanalyse einsteigen. Heute konnte ich mich nur am Kopf kratzen und feststellen, dass ich dachte, ich sei viel besser gefahren. An meiner gerade in Optimierung befindlichen Schlüsselstelle. Ja, vielleicht. Aber dafür passte es wieder woanders nicht. Mugello war anspruchsvoll. Ohne Zweifel.

Am Ende des Tages hatte ich meine absolute Bestzeit, 2:16,3, erreicht. Die R1 war für 2:13 gut gewesen. Für eine, die fast schon eine 2:12 war. Mit einer Mischung aus Erstaunen (darüber, dass der Todesreifen schon so lange und so unerwartet gut mitgemacht hatte) und Verzweiflung (darüber, dass ich schon wieder so viel Rückstand hatte), durfte ich in Anwesenheit eines Reifenwechselwilligen entscheiden, dass an Tag 2 der Veranstaltung ein Power Performance Slick seinen Dienst tun sollte. Ich hoffte inständig, dass mit der neuen Pelle auch neuer Vorschub entstehen könnte und dass mir das dabei half, den Abstand zu verkleinern. Außerdem sollte es morgen ein wenig wärmer werden - und ich traute diesem Conti Slick nicht zu 100%.

Tag 1 war vorbei. Und endlich ging es um das, weswegen ich eigentlich hier war. Pizza, Pasta und - Stooooppp! Was wollte eigentlich die Kindschaft? Meine Vorstellung von Tagliata di Manzo wurde zügig durch Pizza und Pasta und noch mehr Pasta und Pizza ersetzt. Und außerdem wollten wir ja noch einkaufen und da wäre es ja viel besser, wenn wir morgen,...morgen? Morgen musste erst ein Fahrtag bewältigt werden. Und wer wüsste denn, ob ich den überhaupt überleben würde?!? Da konnte so viel passieren. Und dann hätte ich das Wichtigste auf meiner Liste nicht erledigt. Und...Strahlend vor Vorfreude hüpfte die Kindschaft ins Auto. Na, gut. Sie hatte es sich wirklich verdient.
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