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Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Was für ein wunderschöner Morgen. Unser best-Frühstück-Provider LIDL hatte gestern noch ausreichend Backwaren in der Auslage gehabt, so dass wir mal wieder auf fast frisches Aufgebäck zurückgreifen konnten. Heutzutage kam eh alles aus einer Großbäckerei, war schockgefrostet und entweder aufgetaut oder aufgebacken, da hatte es kaum Sinn, einen lokalen Bäckereiladen zu suchen, bei dem die Supply Chain im Hintergrund und die Zutaten sich sehr wahrscheinlich kaum unterschieden. So traurig es war, mit diesen Umständen Geld zu verdienen, so beruhigend war es, dass die Ernährungskette noch reichlich Potential hatte, weitere industrielle Halbfertigprodukte zu benötigen und mein Hauptsponsor mir grundsätzlich noch lange erhalten bleiben könnte. Wenn ich die Kilometerbilanz von Das-Beste-oder-Nichts ansah, gab es eine deutliche Verschiebung zu Privatnutzung hin. Bisher hatte sich aber niemand beschwert.

Nebenan frühstückte man Müsli und so Sachen, was ich für Zuhause zwar völlig OK fand, mir aber an der Strecke vom Hof bleiben konnte. Blubber im Bauch und noch mehr ungeplanten Vorschub konnte ich nicht gebrauchen. Wenig Bulk und dafür hohe Kaloriendichte bis zum frühen Nachmittag waren da für mich besser geeignet. Am Abend wurde dann gegessen, um dann am nächsten Tag vor zehn nicht zu frühstücken. Das bedeutete, dass ich den ersten Turn meistens nur mit Kaffee bewaffnet anging. Das klappte gut. Am Vormittag fuhr ich meine besten Zeiten. Da brauchte es keinen unnötigen Ballast.

Der Henning wechselte von Schniefen nach Räuspern und zurück und es kamen Huster dazu. Das war deutlich mehr als gestern. Oh, je, es geht bergab...trotzdem wollte er keine Pause machen, sondern weiter Bestzeiten jagen. Wie immer kippte er sich Monster rein. Was das nun bringen sollte außer gestiegener Nervosität und Körperbelastung, konnte ich noch nie verstehen, aber Eure-Beratungsresistenz-Pestillenz wusste ja am besten, was für einen über 50-jährigen Körper das Beste war.

Und so fuhren wir auch an diesem Vormittag alle weitestgehend wie geplant zusammen in einer Gruppe. Bis auf die Momente, wo ich mal wieder das Timing verpasste und noch lange nicht den Helm aufgesetzt hatte, wo der Vusi schon fordernd vor meinen Standplatz gerollert war und mich ansah. Stress kam mir nicht in die Tüte und so verzichtete ich auf die Fortsetzung von Du-ziehst-mich-auf-die-1:50-und-ich-dich-dann-darunter. Erstaunlicherweise ging Vusis plan auf, denn schon gestern hatte ich mich verglichen zum Vortermin um die eine Sekunde verbessert. Wir profitierten beide von der unterschiedlichen Motorcharakteristik und den Bremsambitionen. Wo er wegzog, versuchte ich, dranzubleiben und wo er rumschneckte, wusste ich, wie man schneller vorwärts kam. Das konfliktstangenfreie Fahren machte richtig Spaß.

In den Pausen dazwischen machte mir der Zustand unseres Hennings Sorgen. Seine Laune wurde immer schlechter, seine Fahrkünste nicht nennenswert schneller.

Die Kindschaft war derweil unterwegs mit der Freundin von Münzi-Junior zu Fuß zur Burg zu wandern. Kurz hatte ich überlegt, auch Proviant einzupacken, aber ich gab ihnen nur Wasser mit. Böser Fehler, ich hatte den kindlichen Stoffwechsel mal wieder völlig unterschätzt, der bei der Kombination von Wachsenmüssen und körperlicher Aktivität einen exponentiell angestiegenen Kalorienbedarf hatte. Und während ich mich mit den Jungs auf der Strecke tummelte, grummelte es im Bauch der Kleinen schon so sehr, dass es wehtat. Wer konnte damit rechnen, dass auf der Burg an einem Wochentag am Vormittag niemand die kleine Bude öffnen wollte. :banging:

Rabenmutter.

Als ich die großen leidenden Augen sah, zog ich alles aus dem Vorratsschrank, was da war, um es anzupreisen. Hoffentlich waren sie nicht dauerhaft stinkig...schnell bot ich an, wir könnten doch heute Nachmittag mal zu Matylda in den See. Ja, genau, dieser See, über den sich vor über zehn Jahren manche Tschechen noch so unterhielten: "kannst du baden gehen, aber kommst du vielleicht zurück grün oder blau oder..." Es war mir nicht aus dem Kopf gegangen. Aber heute verkaufte sich Matylda als valides Naherholungsgebiet, mit ausgewiesenen Badestellen. So verwegen konnten die Tschechen doch nicht sein.

Eines war klar, für Kinderbespaßung war ich heute zuständig. Unser Henning war durch die Rüsselseuche noch mehr mit sich selbst beschäftigt als sonst.
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Beitrag von Vusi »

Also eins muss ich zu meiner Verteidigung erklären, im Bezug auf rum Schnecken, als bekennender Flora, Fauna und Tierchen Glotzer muss ich zwischendurch mal wo anders hin glotzen. 8-[
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Wir alle gaben uns Mühe, die Landschaft nicht zu sehr zu bewundern. Nur jeder an einer anderen Stelle. Was wir aber immer als Ziel hatten, war die blöde rechts unten zum was nicht mehr Matadorbogen war schneller zu fahren. Vusi, der ja immer ein Auge dafür hatte, was man so rechts und links der Fahrbahn sehen konnte, hatte verordnet, man möge links auf das Orange schauen. Mir reichte das nicht. Immer wieder hatte ich das Gefühl, zu weit nach links zu kommen. Also sah ich auf das Rote. Also den Bogen selbst. Und siehe da, irgendwie schaffte ich es mit mehr Schwung. Nur leider mal besser, mal schlechter. Je nach Rundengemütslage fuhr ich total inkonsistent da durch. Was leider auch an denjenigen lag, die immer wieder vor mir die Kurve blockierten. In diese Kurve reinbremsen wollte ich im Zweifel lieber nicht. Und so fehlten mir im ungünstigsten Fall bis zu 2000 UpM, sehr günstig für ein Bergaufstück. Männer und Mopeds und schnelle Linien. Ich schüttelte regelmäßig den Helm. Meistens musste ich mich unter dem Bogen innen reinbremsen, manchmal war aber auch das zu knapp. Most fing an, anstrengend zu werden. Irgendwann am Nachmittag hatte ich die Faxen dicke. Der salzige Schweiß zwickte in meine Haut, das warme Klebrige ging weder an, noch auszuziehen.

Unser Henning hatte sich mit so viel Monster gedopt wie ohne plötzlichen Herztod reinging und sich redlich bemüht. Ich hatte ihn an diesem Tag eingetütet. Sowohl die R6-Zeit als auch die, die er mit einer R1 zustandegebracht hatte. Aber er brauchte nicht einmal eine Ausrede zu erfinden, schließlich war er krank.
Most Panther 13-08-24.jpg
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Die Sonne schien, es war warm, die Narbe zwickte. Nachdem ich das salzige Klebrige ausgezogen hatte, steckte ich mich in meinen Bikini und packte uns die Sachen für den Badesee. Versprochen war versprochen. Und wenn sogar Herr Mecklenburg das Baden überlebt hatte, müssten wir doch auch unbeschadet da wieder rauskommen. Wir flipfloppten den Berg runter, am Parkplatz vorbei. Und dann? Dann gab neben der Straße es Schotter und Bäume und einen Weg. Und glücklicherweise eine Dame mit Kind, die etwas Deutsch konnte. Es gingen wohl beide Möglichkeiten. Wir entschieden uns für das, was kürzer aussah. Am Ende des staubigen Weges war dann der See und eine Liegewiese. Hier tummelte sich alles, Kinder, Hunde und Menschen, die die Mode der Red Hot Chilli Peppers mochten. "Wieso hat der da eine Socke auf dem Schniepel?" Ja, was soll man da sagen, damit der keinen Sonnebrand kriegt?!?.

Das Wasser war trüb, aber warm und ich hoffte, dass es sich bei den Schwebeteilchen um Lehm- oder Kalkpartikel handelte. Die Narbe zwickte weiter. Während von oben Möäääääh, Möääääääh, Möääääääääääääääh zu uns herunterschallte, türmte sich weiter hinten etwas Dunkles auf. Gewitterwolken. Also doch. Bindegewebe lügt nicht. Wir packten die Sachen ein, als es immer dunkler wurde und man behaupten konnte, dass man ausreichend geschwommen war, und flipfloppten zurück. Im Fahrerlager sah man nichts von den Wolken. Wie immer im Leben ist alles eine Frage der Perspektive.

Und während sich der Henning Mühe gab, sich auf den Abend mit Freibier und Amüsemeng zu freuen, meldete er sich freiwillig zum Einkaufen. Das war zwar überraschend, aber völlig in Ordnung. Ich hatte Feierabend. Also bis darauf, dass am Abend jemand Essen machen musste und die Kinder den Badeschlamm loswerden sollten. Es sah mittlerweile überhaupt nicht mehr nach Regen aus. Stattdessen war es warm und drückend. Ob man sich Bier reinschrauben sollte, wenn man kränkelt, ist eine Grundsatzfrage. Mediziner würden das verneinen. Und noch bevor wir zum Amüsemeng wanderten, zog sich der bereits ausreichend mit Bier versorgte Pestillenzverbreiter in die Plastikkiste zurück. Ich hatte extra alle Fenster geöffnet, die zu öffnen gingen. Dieser Mann war ein Gesundheitsrisiko und Lüften war das Einzige, was hier getan werden konnte.

Die Kindschaft war völlig von den Socken, als es in der Feieransprache hieß, heute seien alle Getränke frei, vor allem das kalte bunte "Getränk" aus der Maschine. Nach den ersten zwei hörte ich auf zu zählen und legte mir lieber Gurkenscheiben aus dem Gin-Tonic auf die Augen. Zwei davon konnte ich vertragen, mehr sollten nicht rein. Ich sollte morgen noch fahren, darauf bestand auch der Vusi. Wir hätten ja nun den ersten Teil - also bis zur 1:50 - geschafft, jetzt würden wir mit "darunter" weitermachen. Ok, ich hatte fully overdelivered, drei Sekunden in zwei Tagen weggearbeitet, aber unter die 50, das fand ich etwas realitätsfern. Und außerdem hatte ich ja nächste Woche Assen und dann nochmal Assen und kaputtmachen wollte ich schon gar nichts. Ich war zufrieden. Ich hatte heute zweimal den Henning eingetütet. Das zufriedene Lächeln ging gar nicht mehr weg. Es wurde nur noch breiter, als auf dem Bildschirm vom Fotomann eine Slow-Mo auftauchte, die ein kleines gelbes Moped zeigte, das vorwärts-seitwärts auf die Gerade rollte.


Bevor uns allen das Gehirn einfror, wackelten wir zurück zu unserem Schlafgemach.

:shock:

Alle Fenster zu.

Ich holte tief Luft und ging hinein und öffnete, was ih aufbekam, ohne den Erstickungstod zu erleiden. Konnte ja nicht wahr sein, wieso hatte der das alles zugemacht...Blödmensch. Unser Henning schnuffelte vor sich hin. Morgen musste definitiv ich uns nach Hause schuckeln, was für Aussichten...Es war zum Schlafen fast zu warm. Die Narbe zwickte.
:horseshit:

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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Es war so heiß in dieser Bude, dass es schwer war, vom aktuellen Schwitzfleck wegzurollen. Einschwitzen, Decke wegziehen und Decke wegen lokaler Kälte wieder drauflegen wechselten sich ab. Und dann auch noch das...Durch die Jalousien leuchtete es immer wieder wie in einem schlechten Horrorfilm kurz bevor der Axtmörder um die Ecke kam. Irgendwo blitzte es. Dann grummelte es so ziemlich über uns. Scheiße. Wer auch immer dieses Wetter geplant hatte, musste sich besonders große Mühe gegeben haben, mir den Job aufzubrummen, alles sturm- und überschwemmungssicher zusammenzuräumen. Hexe, Hexe! Geschieht dir recht...
Die ersten Tropfen fielen aufs Dach. Ich sah zu, dass ich meine Schlappen anbekam und machte mich ans Werk. Ein Moped an die Wand rappeln, das zweite, was aus mir nicht ganz erklärlichen Gründen immer genau nicht unter der Markise stand, daneben. Steckdosen ausstöpseln, Kabeltrommel aufrichten und weiter unter den Anhänger damit. Im halbdunklen Schlaglicht räumten weitere Gestalten Krempel in sichere Ecken. Ich hoffte, dass dies kein Most-Paradegewitter werden würde. Davon hatte ich einige erlebt und konnte gut darauf verzichten...sehr gut. Vor jetzt schon mehr als einem Jahrzehnt hing ich an einem Pavillon-Bein unseres Nachbarn, und meine Füße hoben dabei immer wieder vom Boden ab. Wer weiß, wie viel ich wiege, kann sich eine Vorstellung davon machen, was dieser Wind leisten konnte. Einen Zaun hatten wir jetzt zwar in der Nähe, aber niemand hatte Pavillons daran festgemacht. Die waren stattdessen an Felgen und Kanistern gesichert. Glücklicherweise hatten wir nicht nur den Zaun, sondern auch das Klohaus in der Nähe. Ich sputete mich, wer weiß, wie lange diese Gewitterei dauern würde, ein Töpfchen hatten wir schon lange nicht mehr dabei...

Ich musste, zurück in der Virushölle, nicht lange warten, dass der Regen sich wieder verzog. Windig war es kaum geworden, und auch Blitz und Donner schienen gnädig.

Die Narbe zwickte immer noch. Aaaaargh, dieses Scheißding. Wenn wir schon Pech mit dem Wetter hatten, wollte ich es nicht immer schon vorher wissen. Und vor allem wollte ich nicht wissen, wie lange das noch so gehen würde.

Am frühen Morgen ging es nochmal richtig los. Und es half nichts, dass zur Aufstehzeit die Sonne lachte, und die ersten Strahlen das Gesicht wärmten. Die Strecke war nass. Oder zumindest noch feucht. Und mit feuchten Stellen muss man mir seit meiner Aua-Hand, die immer noch wehtat, vom Hof bleiben. Vielleicht nicht in Rijeka und vielleicht noch Assen, aber woanders ganz deutlich.

Ich schnappte mir den Jungen und wir fuhren zum Laden, Frühstück und Reiseproviant einkaufen. Bis ich mit Fahren dran war, würde das nicht abtrocknen, nicht so sehr, dass ich gewillt war, darauf zu fahren.
:horseshit:

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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Während unserer Fahrt durch das morgendliche Most mit einer ganz anderen Perspektive auf die Burg trocknete es immer mehr ab und ich war nicht sicher, ob ich nun was Blödes entschieden hatte oder nicht. Aber nun, ich würde definitiv nicht fahren, jetzt war es eh zu spät um alles fertigzumachen. Und wer weiß, wofür das gut war.

Ich staunte nicht schlecht. Unser Pestillenzmeister war schon auf den Beinen und schob an seinem Gerödel rum. Warum ich denn dies, warum das denn da und so weiter und so fort. Ich versuchte auf die freundlichst mögliche Art und Weise zu erklären, dass es sich bei Gewitter nicht gerade anbot, alles rumfliegen und vollregnen zu lassen, und wünschte mir ein Beil.

:axed:

Was war ich froh, dass ich heute noch alle nach Hause fahren durfte. Kaum geschlafen, immer nett behandelt und üüüüüberhaupt nicht im Dauerpersonalmodus. Knechtinnen aller Länder vereinigt euch!

Die Revolte musste warten. Die Kindschaft hatte Hunger.

Ich hatte alles richtig gemacht, sagte ich mir. Es waren bestimmt noch nasse Flecken da. Nasse Flecken brauchte ich nicht. Ich wollte hier über das Bunte, da mal wo drüber hoppeln und Rutscheinlagen konnte ich so gar nicht brauchen. Die Luft war immer noch feucht. Es wehte keine Brise. Schade, sonst hätte es die Viren aus unserer Schleuder schön verwirbelt. Jetzt konnten sie ungehindert in meine Richtung fliegen. Aber auch hier...es war eh alles zu spät. Mein gesundes Leben neigte sich dem Ende. Mich erwartete ein fürchterliches Schicksal.

Ich hasste es krank zu werden. Viel schlimmer als Kratzen im Hals, Schniefe, Kopfweh und Husten war immer schon die Vorfreude. Tagelang miese Laune angesichts der folgenden Entwicklung. Ich wusste nicht, was zwischen jetzt und meiner Kindheit schiefgelaufen war. Die Kindschaft machte überhaupt keinen Unterschied zwischen Tagen, an denen man krank wurde, war und nicht mehr war. Eventuell hatten sie nen Kopf mit röteren Wangen, mal ein wenig Temperatur, Husten oder Schnöf, aber sie hatten immer was vor und ließen sich ungern davon abbringen.

Angesichts des sicheren Krankenbetts stieg meine Motivation nicht gerade an. Tobi nebenan hatte angekündigt, er wolle heute einfach mal acht Turns ausfallen lassen und so stand die Segelstangen-BMW absolut fahrfertig einfach nur rum. Beim gelben Gerät war zumindest schon alles im Aufwärmmodus. Alles, bis auf die Fahrerin. Die hatte keine Lust.

Irgendwann war alles trocken. Vusi erinnerte daran, dass jetzt, also heute, er dran wäre, mich unter die 1:50 zu ziehen.

Nur hatte er nicht mit dem Psychotrick gerechnet, mit dem ich immer alles abwürgen konnte. Als ich gestern die 1:50 gesehen hatte, und dem gegenüberstellte, wie einfach das gewesen war, völlig ohne irgendwas Brenzliges oder Angstschweiß, bekam ich Angst davor, dass es dann doch irgendwann brenzlig werden würde und ich zurecht Angst bekäme. Ich war erschrocken über mich selbst, was ich da auf einmal so schnell unterwegs war ohne viel davon zu merken.

Meine Leistungskurve ist eine Treppenfunktion. Es war dann mal wieder selbstinduziertes Plateau angesagt. :banging:

Und es war ganz sicher nicht mehr nass. Es war so trocken, dass der sehr ausgeschlafene Henning mich in der Zeitenliste dann doch nach hinten schubste. Es war so trocken, dass Vusi es tatsächlich unter die 1:50 schaffte. Es war so trocken, dass der Irokesenmann richtig Bock auf Fahren hatte.

Ich war satt. Mir ging das alles auf den Sack. Der Wind, die Beschleunigung, die mir am Bergaufstück fehlte, das laute Möööäääääääääh in meinen Ohren. Und dann die Aussicht darauf, heute alle brav nach Hause juckeln zu müssen und zum Dank in ein paar Tagen dahinzusiechen.

Flasche leer.

Ich wusste nicht, wie viele Turns Tobi noch zum auslassen hatte, aber ich wollte ihm dabei Gesellschaft leisten. Tobi, der Spaßvogel. Sicher war irgendwann alles allen zu viel, aber es kamen wirklich gute Sachen aus ihm raus. Die Kindschaft hatte sich gern bespaßen lassen. Und das einzige, was mir jetzt noch den Tag rettete, war, dass etwas in mir nicht aufhören konnte, über "Valentilo Ossi" zu grinsen.

Ebendieser hatte von mir ein Glas Konfitüre aus schwarzen Johannisbeeren bekommen, damit ich mich mal bedanken konnte für den Zuspruch und die Chance, mich ganz ungeniert auf demselben Level über Unfähigkeiten und deren Ursprung auszutauschen. Und der Valentilo Ossi, der hatte in diesem Jahr persönliche Zeitenrekorde erreicht.

Am besten fährt man eben doch miteinander schnell, nicht gegeneinander.
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Beitrag von Vusi »

Wie würde Tobi sagen:
"Sollte mich wer missen ich bin mal kurz ...!"
"1:62 is ja auch unter 2 Minuten!"

Und ValenTilo Ossi ja der schafft es das man auch nicht mehr so langsam ist, wo bei er in den letzten Jahren das eher geschafft hat weil er sich konsequent als langsamerer Fahrer angeboten hat, getreu dem Moto:
" VOLLGAS!?! - NEIN NEIN NEIN kein VOLLGAS!!"
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Beitrag von Vusi »

campari hat geschrieben: Samstag 26. Oktober 2024, 15:29 Wer auch immer dieses Wetter geplant hatte, musste sich besonders große Mühe gegeben haben, mir den Job aufzubrummen, alles sturm- und überschwemmungssicher zusammenzuräumen. Hexe, Hexe! Geschieht dir recht...
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Stimmt den kurzen aus dem Bett holer hatte ich bei dem sonst doch so angenehmen Event fast vergessen.
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Bocklos und müde räumte ich mein Zeug zusammen. Egal, wann wir hier loskämen, man musste nochmal 7 Stunden draufrechnen, mindestens. Und wenn dann noch ne Pipipause mit Essen dazukam...wer hatte sich diesen Scheiß bloß ausgedacht. Rennstreckenferientournee durch Europa. Zwei von vier hatte ich heute abgehakt. Ich hoffte sooo sehr, dass ich sehr schnell aber nicht sehr stark krank werden würde. Es war nicht mal mehr eine Woche bis Assen. Das geheime Geheim-Assen. Der PSW hatte zum Zweitagestermin gerufen, gar nicht mal teuer, selbstredend vernünftig organisiert, aber leise, 98 DB. Das geheime Geheim-Assen sollte meine Chance sein, für das richtige Assen, also das mit Zeitnahme und drei Tagen und mehr Lautstärke, zu üben. Für unseren Henning war das auch eine Chance, zu üben. Aber der fuhr ja schon immer die schnelle Linie und so. Und auch jetzt fuhr er noch die schnelle Linie, in Most.

Mindestens für 2024 war ich fertig mit Most. Ich hatte alles gemacht, was man in Most so machen muss. Ich war auf der Burg, im See und unerwarteterweise imstande, 1:50 zu fahren.

Irgendwann war auch unser Henning abfahrbereit. Und dann mussten wir uns schon von unserer WG verabschieden. Die Jungs hatten noch einen Tag mehr Zeit für die Heimreise, während wir mal wieder nach maximal 6 Stunden Schlaf bei der Arbeit auf der Matte stehen wollten beziehungsweise mussten. Das Beste oder Nichts schleppte das Pestillenzmobil nach Norden. Brandenbuuuuurg, ich fühl mich so Brandenbuuuuurg. Eigentllich war es gut, dass nichts los war, aber es machte mich fertig, das öde anspruchslose Gejuckel. Kein Wunder, dass sich der Lastverkehr immer wieder mal in die Leitplanke verabschiedete. Es war so gääääähnend langweilig. Ich hielt nicht mal bis zur A20 durch. Unser Henning hatte sich ausreichend ausgeruht, auch darauf, dass er dann doch schneller gewesen war als ich. Und fairerweise erinnerte er sich selbst daran, dass die Differenz bei den Zeiten nicht ansatzweise mit der beim Hubraum zusammenzuhängen schien.

Zuhause angekommen, räumten wir schnell aus und bezogen so schnell wie möglich unsere Position beim Matratzenhorchdienst. Endlich ein Bett in normaler Raumtemperatur. Endlich nur die Hälfte vom Geschnuffel. Endlich morgen wieder arbeiten...

...und Wäsche machen, Kinder bespaßen, Essen machen, Rasen mähen, Gemüse ernten,...
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Wie erwartet wollte die Arbeit was von mir. Ich wollte eigentlich die Arbeit nicht, musste aber wegschaffen, was unbedingt getan werden musste, damit der Euro weiter rollte. Meinen Hauptsponsor verärgern? Das ging nicht. Ich seufzte. Gab es schon Halsweh? Kratzte da was? Nicht einmal bei der späteren Gartenarbeit regte sich irgend etwas. Verdächtig. Sehr verdächtig. Vielleicht musste ich gar nicht krank werden. Eventuell hatte ich Glück. Verdient hatte ich das auf jeden Fall. Die Kindschaft war recht gnädig, aber der Wäscheberg kannte keinen Spaß. Auch wenn wir nicht viel verbraucht hatten, sehr viele Tage bedeuteten immer sehr viel Wäsche. Ich teilte den Haufen in Farben und Temperaturen und in Farben mit Temperaturen. Niemals ging der Wäscheplan auf. Wir hatten heute und morgen und Samstag und am Sonntag mussten wir schon wieder los. Also musste der Wäschejoker her. Alles, was übrigblieb, musste am Montagvormittag beim Opa in die Schimmelmaschine und dann in der berühmten Reizklimaluft getrocknet werden.

Die Kindschaft hatte vom ersten Assen bis zum zweiten Assen ihre Ferienzeit beim Opa gebucht und freute sich wie Bolle. Wobei sich der Junge mehr freute als das Mädchen, was daran liegen mag, dass der Opa schon immer leicht angenervt von kleinen Mädchen mit Meinung war. Aber sie waren guter Dinge, und mir war es recht, dass sie über eine Woche mit reichlich Fernsehen, Püffken machen und Zuckerzeugs verbrachten.

Am Samstag war es dann soweit. Ich hatte mich wie gewohnt gegen sieben aus dem Bett gepult, um erst die Muckibude und dann den Frühstückseinkauf zu erledigen. Aber die Muskeln waren matschig und nichts fühlte sich wie Ausdauer an. Ich beließ es bei leichtem Bewegen und fing an, den Notfallplan zu aktivieren.

Heute - Pause machen
Morgen - Einen fahren lassen
Montag - Wäscheberg, Alibi-arbeiten und wieder einen fahren lassen
Dienstag/Mittwoch - selber fahren

Es war mitten im Sommer und ich machte mir Tee. Als wir am Sonntag losfuhren, wusste ich nicht, ob es draußen, drinnen oder nur in mir drin heiß war. Am Sonntag Abend gingen alle ins Fischrestaurant. Ich ging ins Bett. Ich hatte keinen Hunger.

Der Montagvormittag bestand daraus, sich langsam zu bewegen und zwischendurch immer wieder Pausen zu machen. Ich suchte mir stupide Aufgaben wie "Forecast" und wartete darauf, dass die Wäsche trocknete. Kinder brauchten Unterwäsche. Vermutlich würden sie nicht einmal die Hälfte der frischen Unterhosen nutzen, schließlich waren sie ja beim Opa, aber sie sollten ordentlich ausgestattet in das Hygienechaos gehen.

Als wir in Assen ankamen, war es nicht viel besser. Ich hatte keinen Hunger. Und Salziges schmeckte übermäßig salzig und Süßes ungeheuer süß. Oh, je. Die Fledermaus. Ich winkte bei jedem ab, der zur Umarmung ausholte. Meine Pestillenz wollte ich für mich behalten. Und doch wollte ich sie loswerden. Das war jetzt der zweite Tag mit Fieber, ich hoffte, dass es morgen nicht wiederkam.

Unser Henning richtete Mopeds und Schlafgemach her und ich behielt mir vor, morgen mal sechs Turns ausfallen zu lassen.
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