Hallo liebe Aufzünder-Gemeinde,
ich bitte um Entschuldigung für die lange Funkstille. Ich möchte mich ausdrücklich bei allen bedanken, die sich gemeldet und ihre Erfahrungen mit mir geteilt haben. Es scheint, als sei ich nicht nur auf den heiligen Asphaltbändern langsam unterwegs, sondern auch beim Antworten in diesem wunderbaren Forum. An ersterem arbeite ich, und bei letzterem gelobe ich, hier und jetzt auf die 10-Aufzünder-Gebote, Besserung.
Im Folgenden möchte ich diesen Thread gerne nutzen, um ein wenig von der Saison 2024 zu berichten. Ich bitte euch, den digitalen Steinwurf zurückzuhalten und mir kurz Bescheid zu geben, falls das Thema hier fehl am Platz oder unerwünscht ist.
Es ist mal wieder Winter. Es ist kalt, und die aufregenden Fahrerlagertage scheinen noch in weiter Ferne. Die mit aller Macht herbeigesehnte Motorradsaison bahnt sich nur äußerst langsam ihren Weg an den Horizont. Zeit also, um die Saison 2024 Revue passieren zu lassen.
Alle folgenden Erfahrungsberichte entspringen den teilweise lückenhaften, ungenauen und nebelhaften Erinnerungen des Autors und sind bei Abweichungen von der Wahrheit zu entschuldigen. Schuld daran ist natürlich dieses wunderbare Forum.
Hier eine Anleitung zur Entdeckung von unfassbaren Erfahrungsberichten über unglaubliche Dinge, die sich in der Vergangenheit zugetragen haben (verdammt, ich bin wirklich zu spät geboren): Man wähle Foren-Übersicht -> Racing -> Erfahrungsbericht, gehe auf die letzte mögliche Seite und lese sich von hinten nach vorn durch – eine absolute Empfehlung! So viele Perlen und aufregende Berichte über Erst-Runden-Stürzer, wilde Drifts, Wheelie- und Thermonuklearisierungsversuche sowie Überschallstarts, formvollendete Kiesbetttestungen, Senfschlachten und viele weitere Randgeschichten rund um unser Hobby. Kurz gesagt: ein absoluter Schatz. An dieser Stelle vielen Dank an diejenigen, die dies für die „später Geborenen“ erhalten haben.
Wenn man sich nun lange genug durch die verschiedenen Berichte mit unglaublich unansehnlich beschriebenen Aufzündern hangelt, fällt immer wieder ein geheimes Schlagwort auf, es heißt, *Trommelwirbel ...: Korea!
Nach einigen schlaflosen Nächten konnte ich die geheime Formel dieses Zaubertranks in den Tiefen des R4F-Forums ausfindig machen. Wunderwirkend schnellermachend, aber wehe, wehe, man verfehlt die richtige Dosierung. Das ist auch der Grund für einige lückenhafte Erinnerungen an die Saison 2024...
Die Saison 2024 startete für uns schon fast traditionell im April am Spreewaldring. Gerrit war schon heiß wie Frittenfett, seine neue ZX6R zu testen. Diese hatte Mr. Ebay wieder irgendwo in den Tiefen des Netzes gefunden: Top-Preis, wenig Laufleistung und gleiche Ausstattung wie meine Maschine. An meiner Maschine war außer Wartung über den Winter nichts weiter passiert. Durch einige Antworten auf den Eingangs-Post bestärkt, hatte ich in meinen hintersten Hirnwindungen den Gedanken: „Verdammt, ich sollte vielleicht doch die Maschine ein bisschen upgraden“, wenn ich diese Saison im FR-Cup in der 600er-Klasse mitfahren und nicht komplett untergehen will. Mit der Frage, ob und wie und was, hatte ich mich schon den ganzen Winter beschäftigt, mich allerdings immer wieder erfolgreich vor einer Entscheidung gedrückt. Irgendwie fehlte mir dann doch genau das, was
blowman so schön schrieb: „Ob dann eventuell 3-4K für eine eventuelle 1:44 oder 1:43 rechtfertigt, musst du mit dir ausmachen. Das kann dir keiner abnehmen.“ Doch als formidable Wanderschikane fehlte mir genau diese Entschlossenheit im Moment noch. Schlimme Gedankenspiele, dass Investitionen ins Moped mein fahrerisches Unvermögen nur noch deutlicher erscheinen lassen würden, kreisten in meinem Kopf.
Egal, erstmal Transporter-Tetris, danach Aufzünden am STC und dann die Investitionsfrage neu bewerten. Dazu hoffte ich auf gutes Wetter und wenig technische Sauerei. Fahrzeit beim ersten Event ist für mich immer extrem wichtig. Da ich so unfassbar langsam bin, dass ich mich jedes Mal wieder frage, was nur übers Jahr passiert, dass es meist am Ende des Jahres doch für weniger schambehaftete Zeiten reicht. In den ersten Saisons hat mich das extrem verunsichert, und ich habe mich öfters gefragt, ob ich nicht doch lieber zum Nahkampfhalma als Hobby wechseln sollte. Gerrit und Daniel sind hier völlig anders gepolt. Sie setzen sich nach Monaten Fahrpause drauf, und in der dritten Runde sind sie zack, fast an der Bestzeit vom letzten Jahr. Bei mir fehlen da meist noch zehn oder mehr Sekunden. Egal, mittlerweile weiß ich ja, was mich am Anfang der Saison erwartet. Während Gerrit gespannt wie ein Bettlacken auf den ersten Turn hinfieberte, war ich einfach nur froh, dass wir durch die strenge Lärmmessung kamen. (Geheimtipp für alle 600er-Fahrer mit Komplettanlagen: Schaut nach originalen „Gurkentöpfen“ der 1200er Bandit.)
Das Wetter war schwierig: acht Grad, Wind und ein paar Monate Fahrpause. Mein Ausredentagebuch also gut gefüllt. Ich bog nach dem ersten Turn frohen Mutes ins Fahrerlager ab, um erste Emotionen von Gerrit mit seiner neuen Maschine einzufangen. Vor meinem geistigen Auge sah ich ihn schon fröhlich hüpfend mit neuer Bestzeit. Doch dann das: Ich sah einen ratlosen Gerrit neben seiner neuen Boden-Boden-Rakete stehen. Keine neue Bestzeit, es kamen seltene Worte wie „kein Gefühl“, „zu langsam“, „kein Flow“, „irgendwie alles komisch“ usw. aus seinem Mund. Ich zog hässliche Grimassen und musste heftig lachen. Konnte das wirklich wahr sein? Was war hier passiert? Gerrit, der einst legendär sagte, er könne in der Triple-Links in OSL Geschwindigkeit XYZ fahren, das sei gar kein Problem, und daraufhin im nächsten Turn sein Motorrad dort so spektakulär ablegte, dass er fassungslose Streckenposten über seine Sturz-Katzen-Absprung-Akrobatik zurückließ, hatte jetzt zum ersten Mal in seinem Leben einen normalen-nach-der-Winterpause-Turn erlebt. Zum Glück hatte ich mein Ausredentagebuch schon gut gefüllt und konnte ihn ein wenig aufbauen. Er war erschüttert über sich selbst, ein phänomenal komischer Augenblick!
Die Bedingungen waren leider alles andere als gut, die Strecke noch nicht wirklich griffig, das Gefühl für alles, was hier passierte, noch überhaupt nicht da. Ich hatte immer noch Probleme damit, wieder bunt zu sehen. Im ersten Turn hatte sich endlich wieder dieses unfassbare Dimensionstor, wie es mittlerweile nur noch auf der Rennstrecke passieren kann, geöffnet. Und zack, war meine Welt wieder bunt geworden, dieses unheimliche Grinsen im Gesicht wieder da.
Zum allerersten Mal hatte ich dieses Gefühl in meinem Leben mit einer geliehenen 125er Aprilia erlebt. Es war einfach unglaublich, was damals passierte, ich bekomme noch heute eine Gänsehaut, wenn ich daran denke. Dieses Ereignis hat damals definitiv einen Funken entfacht. Die Situation war folgende: Ich, jung, naiv und bekloppt, in T-Shirt und Jeans, die geliehene Aprilia (für die ich damals die Welt aus den Angeln gehoben hätte) unter meinem Hintern, raste wie ein Irrer durch die lauwarme dunkle Sommernacht um unseren See. Der See lag pechschwarz und still, es gab keine Wellen, es wehte kein Lüftchen, da waren nur ich, die dröhnende Maschine und die Straße im Scheinwerferkegel. Mit gefühlten 10.000 Umdrehungen bretterte ich auf einsamen kurvigen Landstraßen, wie im Tunnel, um den See, vollkommen im Moment versunken. Ich werde nie vergessen, wie ich danach zitternd bei der Übergabe auf dem Parkplatz stand, meinen vollgeschwitzten Helm in der Hand hielt und dieses Gefühl der Freiheit, gepaart mit Adrenalin, spürte. Tagelang lief ich mit einem schiefen Grinsen im Gesicht durch die Gegend. Dies war das erste Mal, dass meine Welt bunt wurde, es hatte sich für mich ein Dimensionstor in eine neue Welt geöffnet.
Mit der Zeit wurden die Motorräder größer, der Traum einer Fireblade erfüllt, aber zum Glück haben wir irgendwann den Weg zur Rennstrecke gefunden, mit allem, was dazugehört. Danach war Straßenfahren einfach nicht mehr dasselbe, die Welt nur noch langweilig – schwarzweiß. Das Fahren auf der Rennstrecke war nochmals eine Steigerung der Intensität. Eine neue Dimension hatte sich mir, ganz ähnlich meinem ersten Erlebnis, auf den Rennstrecken dieser Welt eröffnet.
Turn 2 brachte außer der Erkenntnis, dass dieses Virus äh, Hobby einfach das Schönste ist, was es gibt, wieder ein wenig Normalität. Gerrit hüpfte wie Rumpelstilzchen um seine Maschine, alles wieder normal, neue Bestzeit, und ich musste unweigerlich erneut lachen. Dieser völlig Wahnsinnige war also wieder in seinem Element. Bei dem Gedanken, dass dieser Hund nur einen Turn gebraucht hatte, musste ich grinsen. Gib mir noch zehn, und ich sehe nicht mehr ganz so unkomfortabel auf meiner Maschine aus. Die Fahrzeitqualität wurde durch Regen leider weiter erschwert. Zum Glück konnten wir zum Übernachten im nahen Tropical Islands unterkommen. Minusgrade über Nacht machten die Streckenbedingungen für Tag 2 nicht wirklich besser. Dazu kam, dass wir die Dosierung vom heiligen, Speed-Hypophyse erweiternden Korea-Trunk nicht ganz getroffen hatten. Wir drehten dennoch bei fast leerer Strecke fleißig unsere Runden. Gerrit fuhr noch im Cup (eine freie, fliegende Runde auf Zeit) mit und holte sich den Sieg in der 600-ccm-Klasse.
Ich hatte spät an diesem Tag noch eine vermeintlich gute Runde. Erwischte die Witte-Kurve auf Start-Ziel gut, bremste spät auf die erste Rechtskurve, eng gefahren, legte sauber um auf links, über die Wellen sanft am Gas, mit Schwung rein ins Waldow-S, rechts-links wieder eng gefahren, schnell umgelegt in die Süd-Kurve, mit Vollgas in Rechtsschräglage von 3 in 4 hochgeschaltet mit möglichst wenig albernem Gewackel, anschließend lange stehen gelassen auf der Geraden, hartes Anbremsen auf die Waldkehre und schwupps... wurde mein engagiertes Bremsen von einer italienischen Straßenmalerei namens Schmirello mit einem wunderschönen schwarzen langen Strich auf der Fahrbahn belohnt. Während ich wild fluchend „Mamma Mia“ rief, bekam ich die Fuhre irgendwie gefangen und konnte kurz vorm Sandkasten noch abbiegen. Nach dieser Aktion bete ich dreimal das Vaterunser, dazu war die Kombi voller als eine Dixi-Toilette auf einem Festival, und ich entschied mich, das Ganze für heute und hier zu beenden.
Überglücklich, beim ersten Event alles ganz gelassen zu haben, rollten wir nach dem üblichen Transporter-Tetris in unserem Boiler wieder nach Hause. In meinen Gedanken drehte sich wieder alles. Gerrit hatte einen Turn gebraucht. Ich mindestens zehn und hatte dabei die Kiste auch fast noch weggeschmissen. Macht dann Tuning wirklich Sinn? Ich musste die Entscheidung irgendwann treffen, das wusste ich. Aber noch nicht heute, irgendwann...
Nächster Teil: Zum ersten Mal Aufzünden beim FR-Cup in Most!
