Genau, Logik siegt meistens
Der Rollenprüfstand kann die Leistung leider nicht direkt messen, aber macht dies indirekt, indem er die Zeit der Rollendrehung genau misst. Das ist auch schon der ganze Trick, die Formel lautet M=I*a
Drehmoment M [Nm] = Massenträgheitsmoment I [kg*m²] * Beschleunigung a [rad/s²] (von der Winkelgeschwindigkeit ω)
Was insofern logisch ist, wenn sich die Rolle mit gleichbleibender Geschwindigkeit dreht und sich nicht ändert, dann liegt kein Drehmoment an. Und Beschleunigung bedarf eben angelegtem Drehmoment. Das Massenträgheitsmoment der Rolle ist bekannt und Geschwindigkeit/Beschleunigung wird gemessen/abgeleitet. Somit hat man das Drehmoment und auch die Drehzahl, das kann man dann ganz leicht in Leistung umrechnen (ω*M*1,36/1000 = PS).
Das Problem bei dieser Art der Messung ist, es gibt eine Unbekannte und das ist das Fahrzeug auf der Rolle, denn das addiert sein Trägheitsmoment dazu und man weiß nicht wie hoch es ist. Daher muss es eine Kompensation der Unbekannten geben, quasi ein Durchschnittsmotorrad im Speicher.
Aber welchen Teil fügt nun ein Motorrad einem Prüfstand hinzu? Das kann man jetzt mühselig berechnen, indem man weiß, dass sich Trägheitsmoment quadratisch mit dem Übersetzungsverhältnis verhält, sprich Übersetzung von i=4 ergibt das 16-fache Trägheitsmoment. So kann man jetzt die einzelnen Stufen bis zu Kurbelwelle berechnen. Dazu muss man allerdings das Massenträgheitsmoment der einzelnen Bauteile kennen.
Wie gesagt, kann man die aufwendige Methode der einzelnen Stufen wählen, aber wenn man das schon mal gemacht hat, merkt man, die Stufen in der Mitte mit Kupplung und Getriebe haben fast keinen Einfluss auf das Ganze. Man kann es sich mit diesem Wissen also einfach machen und die Rotationsenergie des Kurbeltriebs, des Hinterrades und der Rolle vergleichen. Die Rotationsenergie (I*ω²) ist einfach die andere Seite der Medaille vom Trägheitsmoment, denn umso mehr Massenträgheitsmoment, umso mehr Energie muss investiert werden für die Drehung, auch das logisch. Beide Teile sind direkt miteinander verbunden durch die Übersetzung.
Wenn man jetzt also eine fette Honda Goldwing mit exakt kalibrierten 100PS und eine leichte 2t Rakete RGV250 mit auch 100PS auf der Rolle misst, dann liegt naturgemäß die Goldwing eine ganze Ecke unter und die RGV deutlich über 100PS im Ergebnis, denn beide weichen von dem Normalmotorrad ab im Trägheitsmoment. Aus diesem Grund hat auch der ausgebaute LiMa Rotor eine deutlich messbare Auswirkung. Wie viel genau, das hängt vom Verhältnis der Rotationsenergie ab. Ein Dynojet 250i hat beispielsweise eine mächtige 17kg*m² Rolle, während ein mobiler Traktal Prüfstand nicht mal 1kg*m² zusammen bringt.
Die Messung der Verlustleistung wird immer noch heiß diskutiert, denn sie findet eben nicht unter Volllast statt. Aber auch hier wird das gleiche Prinzip des Massenträgheitsmoments und der sich ändernden Geschwindigkeit angewendet. Jedoch bremst da vorallem Reibung und nicht das Trägheitsmoment des bereits beschleunigten Hinterrades. Ein schweres Rad könnte die Reibung sogar besser kompensieren. Stell Dir vor es hätte eine Tonne Gewicht. Dann hätte man erst furchtbar wenig Leistung bei der Messung und anschließend fast keine gemessene Verlustleistung, da das schwere Rad durch ein bisschen Reibung nicht wirklich gebremst wird. Und wie Du schon sagtest, der Kurbeltrieb ist von der Verlustmessung komplett ausgenommen.
Wie man sieht, ein Rollenprüfstand ist keine exakte Messung, denn er misst lediglich indirekt. Durch seine eigene sehr hohe Wiederholgenauigkeit (>1%) ist er allerdings optimal geeignet um Veränderungen unter ähnlichen Bedingungen zu messen. Genau dafür nutze ich ihn.
Hoffe das hilft soweit weiter. Aber eigentlich geht hier ja nicht um die Funktionsweise/Ungenauigkeit von Rollenprüfständen, sondern wie man es schafft der RS660 in einem Nachmittag Arbeit so eine Leistungs-Charakteristik zu verpassen, und das ganz ohne klassisches Motoren Tuning wo der Motor zerlegt wird und die Späne fliegen
