ich melde mich zurück aus den "Ferien". Das erste Semester ist soweit gut verlaufen, stehe im Master jetzt auf einem Schnitt von 1,65. Das war allerdings eher Fächer zum warm werden, ab jetzt zieht es noch viel stärker an. Deshalb muss ich jetzt schon wieder anfangen zu Lernen, obwohl das neue Semester erst im Oktober beginnt. Mal sehen, wie es läuft und ob Zeit für Projekte bleibt

Ich bin Euch noch die Auflösung schuldig, wie ich denn der RS660 so "einfach" auf die Sprünge helfen konnte. Das Zauberwort lautet Strömungsturbulenz. Kurzer Rückblick (KLICK), mein größter Kritikpunkt bei der Analyse war der vordere Teil des Einlasskanals bis hin zur Einspritzung, hier gelb markiert im CAD Schnittmodell.

Wenn man sich die Strömungsgeschwindigkeit dort ansieht/berechnet, dann liegt man durch die schiere Größe, selbst bei Vollgas im relativ niedrigen Geschwindigkeitsbereich. Mancher wird sagen, dass die Reynoldszahl aber schon im Standgas bei mehr als 2300 liegt und damit die Strömung immer turbulent ist. Das ist natürlich vollkommen richtig, es geht dabei um das Ausmaß der Turbulenz, denn es gibt auch hier wieder gewisse Grenzen. Sowohl zu wenig als auch zu viel Turbulenz haben ihre Nachteile.
Man kann sich die Auswirkung so vorstellen, der Kolben steht auf UT und die Ventile sind geschlossen, alles ist perfekt dicht und es gibt keine Wärmeübertragung zu den Wänden des Volumens. Der komplette Zylinder ist mit passendem Gemisch gefüllt und der Kolben wird nun langsam auf OT gefahren. Der Druck steigt mit der Verdichtung an und auch die Temperatur durch Reibung der Moleküle aneinander, das erzeugt zusätzlich überproportionalen Druck. Eine 10 zu 1 Verdichtung erzeugt also deutlich mehr Druck als nur die logischen 10 bar, es sind nämlich über 20. Dadurch kommt man im OT auf ca. 300 Grad und sollte natürlich unter der Grenze der Selbstentzündung bleiben. Jetzt könnte man sich vorstellen, wenn man das stillstehende Gemisch mit der Zündkerze entflammt und der Kurbelwelle gleichzeitig einen Schubs weg von OT gibt (sonst Stillstand), dass es eine sehr schnelle und starke Verbrennung ergibt, besser geht es ja schließlich nicht oder?
Leider doch, es gibt eher eine ziemlich langsame und nicht allzu starke Verbrennung. Der Kolben wandert davon, das Volumen vergrößert sich wieder, bevor ein Peak erreicht wurde und die Flammfront "schleicht" vor sich hin. Man muss nämlich wissen, mit Turbulenz im brennenden Gemisch lässt sich die Transportgeschwindigkeit der Verbrennung um zirka das Dreifache beschleunigen. Man kann es sogar so weit treiben, dass es einem die bereits entzündete Flamme wieder ausbläst, das ist den Formel1 V10 Saugern in der Entwicklung passiert. Oft beobachtet man daher, dass hoch drehende Motoren kaum noch Quetschkanten im Brennraum haben und es mehr in Richtung Hemisphäre geht.
Jetzt kommen wir zurück zur Wirklichkeit und da hab ich einen kleinen Auszug für Euch aus einer Studie zu dem Thema, denn Lehrmaterial darf ich leider nicht verwenden. Es handelt sich um eine Messung von Verbrennungsdruck und Brennverlauf an zwei identischen Versuchsmotoren. Der einzige Unterschied ist der Einlasskanal, welcher zu einer stark erhöhte Turbulenz hin verändert wurde.

Man sieht sofort, da hat sich einiges am Ergebnis getan. Die Verbrennung schreitet deutlich schneller fort, der Druckanstieg ist viel steiler und auch in der Spitze weit höher. Genau das wünscht man sich in der Entwicklung der Verbrennung (Simulation, Versuch, etc.), denn ein langsamer Anstieg bedeutet man muss den Zündzeitpunkt sehr früh legen. Der Übergang von der laminaren Flammfront dauert dann sehr lange und somit wird viel chemische Energie vor dem OT verschwendet, außerdem muss der Kolben gegen erhöhten Druck bei der Aufwärtsbewegung arbeiten. Kurz gesagt, einen frühen Zündzeitpunkt möchte man nicht haben, denn auch der Spitzendruck leidet darunter. Um den Energieumsatz soweit wie möglich in den Nach-OT-Bereich zu bekommen, braucht es also eine passende Turbulenz um entsprechend spät zünden zu können. Am besten wäre natürlich eine schlagartige Entzündung des kompletten Gemisches im OT, das ist allerdings nicht so einfach möglich (die Zündung über Mikrowellen ist da allerdings sehr nahe dran, hochinteressant).
Nur bleibt die Frage, wie kann ich meine theoretische Vermutung zur RS660 überprüfen? Ja genau, über den angesprochenen Zündzeitpunkt. Leider bin ich noch nicht in der Lage die ECU auszulesen, bzw. die ausgelesene binäre Datei in etwas Sinnvolles zu überführen. Jedoch kenne ich da die entsprechenden Leute, welche da gerade dran sind. Daher blieb nur der altertümliche Weg über eine Messung. Hier sieht man einen Ausschnitt von zwei Kurbelwellen Umdrehungen aus einem Speicher Oszilloskop.

Aufgenommen wurde dabei der Kurbelwellensensor (rot) und die Zündspulen Primär-Spannung (blau). Man sieht die Zündspule wird kurz auf Masse durchschalten und aufgeladen (dwell) und dann wird gezündet durch erneutes Öffnen. Wenn man den kompletten Drehzahlbereich so auswertet, kann man über die Winkeländerung direkt auf das Kennfeld kommen. Und so sieht die Kurve für Volllast aus.

Und schon habe ich hier, was ich gesucht habe. Aprilia scheint genau zu wissen, was da vor sich geht und hat die Abstimmung im Bereich 6 bis 8000 ziemlich untypisch ausgelegt. Normalerweise steigt die Frühzündung bis zum Punkt des höchsten Drehmoments an und bleibt dann ziemlich konstant, da ab dann die Turbulenz von alleine weiter steigt mit schnellerer Quetschung (= schnellere Verbrennung). Aber hier wird genau in dem Drehmomentloch extra viel Frühzündung gegeben und danach wieder abgesenkt, was zumindest die Vermutung auf eine geringe Verbrennungsgeschwindigkeit stark unterstreicht, denn wäre die Flammfront schnell, würde man in die Klopfgefahr reinlaufen.
Dadurch wurde die Entscheidung bestärkt, einen Strömungs-Einsatz für den Einlass zu entwickeln, welcher die Geschwindigkeit und die Turbulenz erhöht.
Ich muss erstaunt sagen, dass ich noch nie so viel Gegenwind für eine Idee bekommen habe.. "Du willst etwas besser machen, indem Du was in den Einlass Kanal hinein schiebst? Da kannst froh sein, wenn es nicht schlechter wird!" war der Tenor. Aber ich habe es trotzdem gemacht

Da die Zylinderköpfe nicht mehr zur Verfügung standen, musste zum Testen ein Ersatz Kanal modelliert werden, das ist mit den Scan Daten gemacht worden und dann einfach 3D gedruckt.

Eine Herausforderung war, der Einsatz konnte nicht einfach eine runde Hülse werden, das sieht man bei einem Blick auf das Loch. Der Kanal weitet sich hinter dem Eingang seitlich auf und ein rundes Teil würde dann nicht mehr die Wand berühren, sondern in der Strömung stehen.

Hier sieht man die Entwicklung der Form im gescannten Kanal. Das Vorgehen war Schicht für Schicht einen Ziel Querschnitt vorzugeben und daraus eine natürliche Form wachsen zu lassen.
Was noch ziemlich auffällt, ist der deutlich verlängerte Mittelsteg. Damit soll erstens die kinetische Energie der Luftsäule besser genutzt werden für den Nachlade-Effekt bei hoher Drehzahl (Luftliefergrad erhöhen) und die Strömung soll von einem großen in zwei kleine Stränge geteilt werden. Somit ist im Verhältnis die Grenzschicht größer zum Volumen und das erhöht die Turbulenz zusätzlich.



Auf den Bildern sieht der Einsatz relativ dünnwandig aus, da die Kanten natürlich spitz zusammen laufen. Wenn man durch das Teil hindurch schneidet, findet man einen relativ dicken Kern vor. Die Strömung soll ja beeinflusst werden und nicht nur gestreichelt


So sahen dann die frisch gedruckten Einsätze aus, die allerdings noch spitz geschliffen werden mussten.

Und das ist der erste Versuch im Test Kanal, passt wie angegossen. Ist aber auch klar, da es aus der selben Datei entstanden ist. Wirklich interessant war dann die Passung im echten Kanal.

Aber auch da haben die Einsätze super gepasst und durch den Formschluss, können sich die Einsätze auch nicht verschieben oder gar in den Kanal gesaugt werden. Lediglich an den Gummistutzen ist ein kleiner Spalt, was allerdings nicht viel ausmacht, denn an den Wänden ist die Strömungsgeschwindigkeit sowieso stark abnehmend gegen 0. Wäre es mein Motor, dann würde ich diese Gummiteile auch gegen Formteile ersetzen, da sie Teil des langen und gleichbleibenden Kanalquerschnitts sind, welchen ich bemängelt habe.

Und das war dann das Hinterrad Ergebnis nach einer kurzen Abstimmung von Zündwinkel und Kraftstoffwerten, für Tests wie verschiedene Ansauglängen war leider keine Zeit mehr. Es handelt sich um das selbe Motorrad auf dem selben Prüfstand. Beide Messungen wurden mit Slicks und dB-Killer gemacht, für echte Track Bedingungen. Ein Diagramm mit Straßenreifen und offenen Auspuff kommt dann zwar über 100PS am Rad, bringt uns aber in der Sache nicht weiter.

Ich bin der Meinung, wenn man in den Motor selbst eingreifen würde, dann wäre noch einiges an Potential vorhanden. Ich würde zumindest einige Dinge anders gestalten als Aprilia, aber das ist erstmal nicht mein Interesse.
Mein Ziel war die Analyse und Verbesserung des ursprünglichen Schwäche-Problems und ich denke das wurde erreicht.
Der nächste Schritt ist die finale Anpassung des CAD Modells und dann wird der Einsatz aus Metall gedruckt, um auch dauerhaft eingesetzt werden zu können. Die zwei Fahrer scheinen sich schon sehr darauf zu freuen
