Eigentlich hätte es der erste Rollout mit einer geheimen Langstrecken-Nuklearaufzündenduro aus dem Hause KTM werden sollen, aber da die Waffe noch nicht fertig geschmiedet war, verbrachte ich die vorösterliche Zeit damit, meine kleine ¾-Suzuki in einen einigermaßen aufzündbaren Zustand zu versetzen, um an Ostern wenigstens meine seit `96 stillgelegte Speedhypophyse [engl.: Geschwindigkeitsanhangdrüse] wieder in Form bringen zu können.
Um Spaltungen durch Kilo-Brenner zu vermeiden, wollte ich wenigstens noch einen Powercommander einbauen, aber nachdem auch der 3. einfach nicht passen wollte, gab ich es auf und rollte wieder mit serienmäßigem Motor gen Osten. Für den Frank würde es schon rei-chen... bei Hajo war ich mir da nicht so sicher...

Ich kam also nachts um 2 nach 10-stündiger Fahrt im Lager der Fahrer an und musste sofort nach dem Aussteigen aus meinem grünen T4 die ekelerregenden Hack- und Sackfressen

Ich parkte den Bus gegenüber von Mario`s Gaststube, hung den Hänger ab und mischte uns Vieren erst mal lecker Korea. Die Rohstoffe (Ratstropfen im Tetrapak und echtes Coca-Cola) hatte ich auf dem Hänger gelagert, um sie artgerecht zu temperieren.
Trotz des noch feuchten Untergrunds schmeckte der erste Schluck besser als jedes Ambrosia. Nach dem zweiten Becher überlegte ich mir, ob ich den in seinem Wohnwagen dösenden Hajo durch wilde Wackelbewegungen wecken sollte.


Doch ich besann mich auf meine Redlichkeit und liess ihn schlafen.
Mit der perfekten Bettschwere plumpste ich dann um 3 in die Koje - um nach 4 ½ Stunden von einem blauen Himmel und herrlichen Sonnenstrahlen begrüßt zu werden.

Ich gesellte mich hernach zu Frank Q. und Ralf D. (in der Folge der Einfachheit halber Buch und Didi genannt). So früh am Morgen sahen die beiden noch beschissener aus als in der Nacht.


Auch aus dem Wohnwagen nebenan kamen mittlerweile Lebenszeichen. Wahrscheinlich waren die Kölner aus ihrem Koma erwacht... Tatsächlich konnte ich in den folgenden Minuten die ganze Kölner Supermoto-Armada mit Joe, Lupo, Adoptivsohn Blacky und einigen zum Kochen und Putzen mitgereisten Frauen begrüßen. Es würden lustige Tage werden, so viel war schon mal klar.
Als ich dann einen blonden Jüngling mit einem Cowboyhut auf dem Fahrrad durchs Fahrerlager wheelen sah, wusste ich, dass die # 34 des diesjährigen Suzuki-Cups, der 16-jährige Matze von Snoopystein, auch bald bei uns aufschlagen würde. Dem war auch so. Sein Vater, der sich altersbedingt „Alter Sack“ nennt, und sein Bruder, der den lustigen Namen Jan trägt, begleiteten ihn. Leider teilte er mir mit, dass er seine Cup-Gix noch nicht dabei hatte. Er würde also die 600er hernehmen, die er 2003 im Kevin-Schwantz-Racecamp in Road Atlanta nachhaltig zerkiesbettet hatte. Er wirkte sehr gelassen. Da er letztes Jahr in der redlichen Duke-Battle unterwegs war, wusste ich um seine Schnelligkeit. Ich hatte Angst, dass er mich aufgrund meiner mangelnden Gebücktaufzünderfahrung gleich beim ersten freien Training gnadenlos herbrennen würde. Schließlich hatte ich seit 7 Jahren nicht mehr auf einem Bückling gesessen. Meine Hand zitterte unkontrolliert als ich ihm die Hand zum Abschied reichte. Ich sah schon die Schlagzeile im Westallgäuer schon vor mir:
„32-jähriger Schuhverkäufer aus Stiefenhofen in Ungarn von halb so altem Teenie hergebrannt! Eine Farce.“

Ich lud meine Suzi vom Hänger, quälte mich in meinen uralten, zerfledderten Modeka-Kombi (der neue Berik war natürlich noch nicht da...) und meldete mich bei Franz S. und Papi an.
Papi hatte ein T-Shirt an mit der Aufschrift „Pannonia 2004 - I crashed in the warm-up-lap!“
Ich war perplex. Was wollte er der Welt damit sagen? War er ein Prophet? Ich nahm mir jedenfalls vor, für den Didi auch so ein T-Shirt zu kaufen, denn er hatte ja eine lästige Grün-Ampel-Phobie und stürzte deshalb regelmäßig in der Aufwärmrunde.
Mit einem pinken all-inclusive-Armband ging ich zu meiner Suzi und drückte den Knopf am rechten Stummel. Sofort brummelte sie lustig vor sich hin.
Sicherheitshalber hatte ich meinen Frontständer zu Hause vergessen und konnte deshalb meine neuen schwarzen ttsl-Reifenwärmer nicht benutzen. Naja, für das Buch (Frank) würde es schon reichen...
Mit kalten Gliedern fuhr ich zum Vorstart und sah den ZZ-Top-Mann mit dem schwarzen Rauschebart. Er sang leise "Sharp-dressed man" vor sich hin. Ich freute mich dass er auch wieder da war. Flugs zeigte ich ihm mein Armband, klappte das Visier herunter und fuhr langsam die sanft ansteigende Boxenausfahrt hinauf. Obwohl die Sitzposition alles andere als angenehm war, fühlte ich schon nach wenigen Metern, wie sich meine Speedanhangdrüse regte - zum ersten Mal seit vielen Monden. Und als sich mein Vorderrad auf der Kuppe vor dem blauen Haus endlich wieder zum Himmel erhob, hörte ich eine Stimme in meinem Helm.... sie sagte nur ein Wort, schrie es mir direkt auf die Trommelfelle:
„AUFZÜNDEN!!!!“
