Himmel und Hölle in Brünn
Infos zu und mit Veranstaltern, aber auch zu anderen Themen,
über die es sich lohnt zu sprechen!
über die es sich lohnt zu sprechen!
Himmel und Hölle in Brünn
Kontaktdaten:
Part I
Fight the 12
Der Septembertermin von ProSpeed stand auf dem Programm. Er stellte den Abschlusstermin der diesjährigen Serie zum Sportfahrerpokal bei Robert Neureiter dar. Seit diesem Jahr zählten sowohl die Sprintrennen als auch die 80km-Rennen zur Wertung. Damit ergaben sich insgesamt 14 Wertungsläufe. Zusätzlich gab es eine Sonderwertung der Sprintläufe. In der Sprintwertung hatte ich noch gute Chancen, den dritten Platz zu retten. Im Sportfahrerpokal war mehr als der 4.Gesamtrang nur noch bei kompletten Ausfall eines Mitstreiters möglich. Somit war klar, das im Sprint alle Karten auf den Asphalt geworfen werden mussten. Dazu schlummerten ein neuer 758er Dunlop und ein Metzeler K2 in meinem Bus.
Robert hatte diesmal einen ungewohnt straffen Zeitplan aufgestellt, um sein schon legendäres 4h Rennen am letzten Veranstaltungstag durchziehen zu können. Freitag Vormittag freies Fahren, nachmittags die Qualifyings, Samstag beide Läufe zum Sportfahrerpokal und Sonntag eben jenes 4h Rennen, was mir noch länger in Erinnerung bleiben sollte. Davon wusste ich zu diesem Zeitpunkt zum Glück noch nix und ging lieber noch mal die drei Ziele für Brünn durch: Einmal in dieser Saison vor Marco Hahn ins Ziel kommen, den dritten Platz in der Sprintwertung retten (hatte nix mit Ziel 1 zu tun) und eine 2:12 fahren.
Die Anreise verteilten wir auf zwei Etappen, um ein wenig Ruhe vor dem lieben Nachwuchs zu haben. Wir fuhren in die Nacht hinein, in der KleinLina eh schläft. Kurz bevor auch der Fahrer einschlief, erreichten wir den kleinen bayrischen Heimatort eines guten Bekannten. Hier hatte Familie Ammermann ein komplettes Frühstück inkl. ausgiebiger Benutzung der Gästetoilette gebucht. Es war ca. 3 Uhr nachts, als endlich die Lichter im Wohnwagen ausgingen. Morgens wurden wir von einem netten Müllwagen geweckt, der sich auf der engen Dorfstraße in ca. 5cm Sicherheitsabstand an unserem Wohni vorbeiquetschte. Es war halb acht und ich freute mich auf einen frischen Kaffee. Irgendwie war das Grundstück meines Bekannten seit meinem letzten Besuch ziemlich bewaldet, aber das störte mich nicht weiter. Ich nahm mir Lina an die Hand und schlenderte über das Gründstück in Richtung Haupteingang. Die Tür öffnete sich und eine mir unbekannte Frau grüßte mich. Oh, da hatte der liebe Stefan wohl noch mehr Gäste zu beherbergen an diesem Morgen. Ich fragte freundlich, ob Stefan auch schon auf sei und der Kaffee fertig wäre. Die Frau fragte mich, welchen Stefan ich meinen würde? Na Stefan Bauer, wen sonst? Achso, der wohnt 50 Meter weiter. Aha, ich hasse diese Neubaugebiete. Der Diesel zog das Gespann um zwei Ecken und wir standen wieder vor einem Haus mit Doppelgarage direkt neben dem Hauseingang, geplasterter Zufahrt usw., nur etwas weniger bewaldet. Zum Glück stand der echte Stefan im Hof, so dass diesmal jeder Zweifel ausgeschlossen war. Über seinem Schädel tauchten kleine Fragezeichen auf. Ich erklärte ihm, dass Neubaugebiete ziemlich albern wären und man da schon mal durcheinander kommen könne.
Stefan gehört zu der Gattung Moppedfahrer, die am liebsten schrauben. Innerhalb dieser Gattung gehört er zur Genesis-Spezies, die sich um die Erzeugung völlig neuer Kreationen kümmert. Alte Martin-, PSS-, Bimota- oder Rau-Rahmen werden mit aktuellen Moppedteilen in einen großen Sack geworfen, das Ganze ca. 45 Stunden mit exakt 300U/min geschleudert, um hinterher eine Hosukayarumph zu erhalten. Für diverse Anpassungen, die für derlei Umbauten vonnöten sind, stehen sämtliche Bauerschen Garagen voll mit allerlei Dreh-, Bohr- und Fräsmaschinen. Seit Jahren schwärmt er von einem Dieselmopped mit SmartCDI Motor. Sollte es jemals soweit sein, habsch mich schon als Testpilot angemeldet.
Stefans Frau hatte derweil das Frühstück vorbereitet. Frische Semmeln (bayerisches Wort für Milchbrötchen), Brezeln, dampfender Kaffee, Nutella und Marmelade standen auf dem Tisch. So könnte jeder Tag beginnen. Wir tauschten die neusten Ereignisse aus. Stefan erzählte davon, dass er sich evtl. eine Ur-R1 kaufen wolle, was mich etwas überraschte. Ein solch modernes Mopped würde das Durchschnittsalter seines Fuhrparks doch erheblich senken. Stefan gab zu, dass er vom Aufzündvirus befallen sei und für Ausflüge auf die Rennstrecke eine Ausnahme machen wolle und sich solch neumodischen Kram zulegen wolle. Sehr vernünftig. Detlev, seines Zeichens Schwager von Stefan, schaute mit der letzten Kreation der beiden vorbei. Ein Bimota-Rahmen mit SC44 Motor, 916-Heck, Triumph-Gabel und Kawasakifelgen. Eine typische Bauer eben. Die Zeit verging recht schnell und um 11 Uhr mussten wir uns schließlich loseisen, da wir noch einige Kilometer vor uns hatten. Stefan beschrieb uns den geschicktesten Weg zur Autobahn und so setzte sich das Team #45 alsbald in Richtung Brünn in Bewegung.
Da Lina auf den letzten Reisen allein in der zweiten Sitzreihe des T4s saß und zuweilen lustige Brüllarien losließ, hatten wir diesmal vorgesorgt und eine Doppelsitzbank anstatt des Beifahrersitzes montiert. Somit saß
die Prinzessin zwischen Papa und Mama und konnte etwas besser beschäftigt werden. Nachteil war, dass die Türinnenverkleidung raus musste, da die Doppelsitzbank zu breit für das Ablagefach war. Als kleiner Dämmstoffersatz steckte eine Decke in der Beifahrertür, die ihrem Schallschutz mehr schlecht als recht nachkam. Außerdem steckten sämtliche Landkarten in der Beifahrersitzablage. Leider stand selbiger Sitz gemütlich in der heimischen Garage und verstaubte. Ich hoffte, dass sich das nicht irgendwann als Nachteil erweisen sollte. Die Route war ich zwar noch nie gefahren, aber schon vor der Grenze war Prag ausgeschildert, also was sollte da schief gehen. Mir fiel ein, dass ich den Ölstand nicht mehr kontrolliert hatte. Fück, da muß ganz sicher was nachgefüllt werden. Da ich LongLife-Service Intervalle hab, musste es das superteure Spezial 0W30 Öl sein. Selbstverständlich war meine Nachfülldose just vor ein paar Wochen komplett geleert worden, so dass ich an der nächsten Tanke auf Gedeih und Verderb auf die Preispolitik der Ölmultis angewiesen war. Es war der Supergau. Nicht nur, dass ich für über 90 Euro Diesel nachtankte, was einen neuen Preisrekord darstellte, sondern ich musste auch noch exakt 20,99 Euro für einen einzigen Liter 0W30 Longlife Öl bezahlen. Ich kotzte innerlich. Nicht dass dieses Wochenende ein Schnäppchen werden würde, aber 40 Mark für so ein paar Tropfen Öl empfinde ich als extremst farciös. Zur sofortigen Strafe ging ich aufs Klo ohne zu bezahlen, wälzte genüsslich die im Ständer steckenden tschechischen Landkarten, um mir den Weg besser einprägen zu können und schwor, nie wieder bei diesem Laden zu tanken. Was glauben die, wer sie sind?
Wir verliessen diesen teuren Ort und passierten recht schnell die Grenze. Eine frisch geschlüpfte Autobahn brachte uns in Richtung Pilsen. Nach einem kleineren Zwischenstück Landstraße machten wir, wieder zurück auf der Autobahn, richtig Meter gut in Richtung Prag. Heini samt Team war derzeit schon zwischen Dresden und Teplice und sollte zu ähnlicher Zeit wie wir durch Prag kommen. In Höhe Pilsen wurden wir auf eine andere Autobahn geleitet. Diese führte im 90Gradwinkel von der eigentlich Autobahn weg. Ich war etwas verwundert. weil ich das so nicht in Erinnerung hatte. Egal, die wissen schon, was sie tun. Irgendwann hörte diese Autobahn auf und ich fuhr Kilometer um Kilometer auf der Landstraße. Von Prag war nirgends was zu lesen. Da ich keine Landkarte hatte, kamen mir immer mehr Zweifel. Definitiv hatte ich mir an der Luxustanke gemerkt, dass die Bahn durchgängig bis Prag ging. Nach ca. 30 Kilometern wurde mir das Ganze zu spanisch und italienisch und ich stoppte das Gespann an einer kleinen Tanke. Natürlich waren wir falsch gefahren, ich drehte das Gespann und wir erreichten irgendwann wieder die Autobahn. Nach wenigen Kilometern ging es von der Autobahn ab Richtung Prag. Mist, diese Abfahrt hatte ich vorhin irgendwie übersehen. Egal, wir hatten ja Zeit. Bei der nächsten Rast trafen wir ein paar andere R4Fler, darunter auch Assistent samt Anhang. Wir schüttelten kurz unsere Patschehändchen, bevor die Jungs ihre Reise fortsetzten. Nachdem ich ein paar kühle Getränke und ein riesiges Baguette für gerade 1 Euro gekauft hatte, setzten wir unsere Fahrt ohne weitere Zwischenfälle fort. Kurz vor 18 Uhr erreichten wir den Eingang zum brünnschen Fahrerlager, das aber noch nicht betreten werden durfte. So hatte sich eine illustre Gemeinde vor dem Eingang versammelt. Heini samt Anhang stand ein paar Transporter weiter vorn. Ich schnorrte mir erst mal ein Willkommensbier aus dem Ducato-Kühlschrank und begrüßte diverse Kollegen. Um 18:30 durften wir endlich rein und bezogen sogleich unseren angestammten Platz in Höhe der Boxenausfahrt. Flux war die mobile Homebase aufgebaut und der gemütliche Teil konnte beginnen. Ich freute mich, nach 8 Wochen aufzündfreier Zeit endlich wieder angasen zu können.
Der Bolide war noch mit den Reifen von Most bestückt, fürs Qualifying hatte ich für vorne eine Geheimwaffe liegen, auf der ziemlich bedeutungsschwanger „#17 save“ stand. Ein kleiner Mensch aus dem Allgäu hatte mir diesen Reifen zugespielt. Er sollte mich zur ruhmreichen 12er Zeit führen. Hinten hatte ich einen K2 vorgesehen, der nur ein 7Runden Rennen gelaufen war. Ich war guter Dinge, das mein Plan aufgehen würde. Zufrieden mit mir und der Welt im Allgemeinen schlenderte ich durchs Beklopptenlager und begrüßte alte Freunde. Das Leben war wie ein schöner Sonnenaufgang. Ich ließ den Abend langsam ausklingen und kuschelte mich zu meiner schon im Bett liegenden besseren Hälfte.
Freitag morgen war es glaub ich etwas diesig, das gab sich aber alsbald und auch die Temperaturen stiegen schnell in geschmeidige Höhen. Ideales Aufzündwetter. Es war bis 14 Uhr freies Fahren angesagt, danach standen schon die Qualifyings an. Zum Glück hab ich keine Probleme, recht zügig halbwegs akzeptable Rundenzeiten hinzubrennen. Mein Lappenzeiter unterbot schon im ersten Turn die 20er Marke und ich robbte mich beständig an die 17er Marke. Der doofe vordere Reifen riss mal wieder auf. So toll der Grip der Dunlops ist, so sensibel reagieren sie auf „falsche“ Gabeleinstellungen. Robert-Fahrwerksguru-Neureiter hatte mir im Mai ein Setup eingestellt, bei dem der Reifen ein perfektes Abriebbild zeigte. Exakt diese Einstellung nahm ich an der Gabel vor, um nach einigen Runden umso enttäuschter festzustellen, dass der Fucking Reifen immer noch aufriss. Also ab zu Robert, mal wieder ein Fahrwerkssetup erbitten. Es entwickelte sich ein ausgewachsenes Testprozedere. Robert schraubte hier und drehte dort, ich fuhr ein paar Runden und berichtete von meinem Eindrücken. Irgendwann hatten wir ein Setup, das ich als fahrbar einstufte und Robert schien auch zufrieden zu sein. Leider war der Vorderreifen nicht mehr zu retten und auf der Flanke komplett zerfetzt. Egal, ich hoffte bei Wechsel auf neues Schuhwerk auf ein wesentlich besseres Reifenbild.
Die Mittagspause beging ich betont entspannt, wir aßen ein paar Nudeln, wechselten die Reifen und tankten den Boliden etwas nach. Nach Wiederanpfiff war noch eine Stunde freies Fahren angesagt, bevor der Ernst des Lebens begann. Ich lag in der Sprintwertung derzeit auf Platz 2, allerdings nur zwei Punkte vor Meister Denz, daher war klar, dass ich diesen Platz abschreiben konnte, da Mike in Brünn grundsätzlich gewinnt, wenn er nicht gerade ausfiel. Da ich ihm sowas nicht wünschte, konzentrierte ich mich auf die Verteidigung des dritten Platzes. Ich hatte sieben Punkte Vorsprung auf Christian Kuhl. Ich musste also irgendwo in der Nähe von Christian ins Ziel kommen, um möglichst wenig Punkte auf ihn zu verlieren. Das Qualifying sollte den Grundstein für einen guten Startplatz legen, um im entscheidenden 7Runden Rennen gleich vorne bei der Musik dabei zu sein. So war ich diesmal etwas nervöser als ich ohnehin schon bin und besuchte meine Lieblingstoilette Nr 2 mehrfach.
Das freie Fahren war zu Ende, die erste Gruppe fuhr zum Zeittraining raus. Die 1000er Klasse war als Zweites dran. Die Reifen waren warm, die Tankmenge leicht über Reserve, meine Knochen frisch gedehnt von der weltbesten Pysiotherapheutin und in meinem Bauch kreisten diverse Moppeds. Zur Hölle, lasst mich raus!
Endlich hupte Robert und ich rollte zum Vorstart. Tach ihr Pillemänner, dachte ich. „Ich werd euch allesamt eintüten müssen“ schoß durch meine Gehirnwindungen. Robert ließ uns der Reihe nach auf die Strecke. Ich zog die Kleine zu einem 1.Gang Wheelie hoch, um den besagten Grundspaß zu finden. Die in meinem Bauch umherwuselnden Moppeds verschwanden, ich holte tief Luft und versammelte sämtliche Konzentration in meinem Hirn. Die Reserveleuchte ging an. Fück, etwas zu früh. Vorne drehte sich der Dunlop in 758er Mischung, der wohl schon im Dunstkreis der MotoGP gelaufen sein musste. Zumindest nach der Nr. 17 zu urteilen, die auf ihm vermerkt war, könnte ihn kein Geringerer als Steve Jenkner gefahren haben. Damit musste die 12er Zeit einfach gehen. Ich kam den Berg rauf, legte vorsichtig in die Links um und bemühte mich, eine saubere Linie auf Start/Ziel zu finden. Die erste Runde fahre ich immer auf Sicherheit, um zumindest eine gezeitete Runde stehen zu haben. Somit bremste ich noch ohne Messer zwischen den Zähnen und flog geschmeidig um den Kurs. Der hintere K2 hatte noch sehr guten Grip, ich hatte keinen Rutscher. Es war recht voll auf der Strecke, aber ich erwischte gute Stellen zum Überholen. Zurück auf Start/Ziel zeigte mein Rundenmessgerät eine 15er Zeit. Ok, dass war die Pflicht, jetzt kam die Kür. Die Zeit war gekommen, diesem Asphaltband mal zu zeigen, was geht, Halleluja!. Ich drückte in meinem Cockpit den Knopf mit der Aufschrift „Mir alles Scheißegal, jetzt geht’s scharf“. Prompt sackte ich tiefer in meine Verkleidung und flog auf die Anbremszone Ende Start/Ziel zu.
Nicht bremsen, noch nicht, sagte Klein Kevin zu mir, er es sich wieder auf meiner Schulter gemütlich gemacht hatte. Ich hörte natürlich auf ihn. Bei ca. 150 Meter, schon hinter der Brücke, wurde mir das Ganze aber doch zu mulmig, ich richtete mich zu voller Größe auf und warf bei ca. 120 Meter den Anker. Spät auf der Bremse schoß ich in die Rechts und hielt ca. 1,5 Meter Abstand zum inneren Rand, um den Bodenwellen aus dem Weg zu gehen. Ich bemühte mich zum Ende der inneren Kurbs möglichst innen zu sein, um exakt an dieser Stelle das Gas gefühlvoll auf Anschlag zu stellen. Wie üblich entwickelte der Hinterreifen hier enormen Schlupf und radierte beim leichten Umlegen auf die Gegengerade hemmungslos über den Asphalt. Der Drehzahlmesser tänzelte in Richtung Begrenzer, ich wartete wie üblich, bis er sich einpendelte und drückte schließlich die nächste Gangstufe rein. Vor mir war weit und breit niemand. Diese Runde musste es passieren. Ich gab mir Tiernamen und brüllte „KOMM SCHON“ in meinen Helm. Ich flog durch die erste Links/Rechtskombination und beschleunigte voll aus der Ecke. Ich erwischte ganz leicht die Grasnarbe hinter den Kurbs, ließ die Drosselklappen aber voll geöffnet. In leichtem Bogen flog ich auf die Doppelrechts zu, der Begrenzer setzte ein, mein naturgegebener Bremspunkt an dieser Stelle und die AHK bekam richtig was zu tun. Ich legte um. Mittig in der Doppelrechts vergrößerte ich den Radius leicht und blieb am Gas. So flog ich durch die zweite Rechts, zog leicht das Gas auf und schoss ganz innen in die Links. Diese Linie gefiel mir eigentlich nicht, aber ich schaffte es nicht, leicht auszuholen. So bremste ich kurz und heftig, warf den Boliden in die Links und ließ meine Raste über den Asphalt schleifen. Nirgends sonst setzten bisher meine Rasten auf. Diesmal musste es wirklich eine vernünftige Schräglage sein. Die kurze Gerade entlang bekam mein Kilogeschoss Vollgas, ich bremste lange geradeaus und legte spät in die Links um. Dadurch hatte man eine etwas bessere Linie für die folgende Rechts. Ausgangs dieser Rechts hatte ich schon einige denkwürdige Rutscher und wusste, dass der Hinterreifen nach mittlerweile 10 Runden, die ihm in den Knochen steckten, nicht mehr den allerletzten Grip hatte. Entsprechend wohlwollend zog ich das Gas nicht allzu brutal auf und kam rutschfrei auf die Bergabgerade. In der folgenden Rechts waren schon einige abgeflogen und ich hatte größten Respekt vor dieser Ecke. Ich ließ recht früh die Bremse los und konzentrierte mich lieber auf brutales Rausbeschleunigen. Das Drehzahlniveau meines Boliden zeigte mir, dass ich den Ausgang gut erwischt hatte. Ich schoss auf die Bergaufschikane zu und ließ das Gas einen Hauch zu lange stehen. Leicht schlingernd bremste ich gegen den Berg und versuchte verzweifelt, möglichst weit links in der ersten Kurve zu bleiben. Das war entscheidend, um die Bergauf-Rechts in möglichst weitem Bogen fahren zu können. Mit dieser Linie kann man wichtigen Schwung mit in den Berg nehmen. Mir gelang es nicht ganz optimal, ließ sich aber leider nicht mehr ändern. Meine Kleine brüllte den Berg hinauf, ich bremste diesmal etwas früher und erwischte zum Dank den Eingang auf Start/Ziel perfekt. Nun blieb mir nur noch, ganz tief in den Tank zu kriechen und einige Stoßgebete zum Gott der unaussprechlichen Beschleunigung zu schicken. Gebannt starrte ich auf meinen Lappenzeiter. Nun los, sag schon, was geht! Plonk, da stand das Ergebnis: 2:13,64. Das Adrenalin schwappte immer noch unter der Schädeldeckel. Ok,ok,ok, die doofen 7 Zehntel müssen auch noch irgendwo zu finden sein. Allerdings war ich nach dieser Runde mental etwas ausgelaugt und beschloß, kurz zum Nachtanken reinzufahren, da vor mir eh Verkehr auftauchte. Nach dem Tanken fuhr ich die Reifen erneut eine Runde warm und versuchte nochmal, eine 12er Runde zu pressen. Irgendwie war aber der Wurm drin, ich erwischte manche Ecken grottenschlecht, hatte einen Rutscher in der Bergabrechts und begrub den Plan der 12er Zeit zunächst. Ich wusste, dass im Bauch meines Busses noch ein Satz nigelnagelneuer Reifen schlummerte, der für das Sprintrennen bestimmt war. Ich war mir sicher, mit einem ganz neuen K2 so dermaßen brutal das Gas aufziehen zu können, dass die 12er Zeit ähnlich wie die rotgrüne Koalition alsbald in der Geschichte eingehen würde. Es stand mal fest, dass ich Brünn erst dann verlassen würde, wenn die 12er Zeit gefallen ist. Ein Blick auf die Zeitenliste des Qualifyings ließ mich ein wenig frohlocken, Startplatz 4, erste Startreihe. Einziger Wermutstropfen war, dass ich ganz innen stand. Das dürfte in der ersten Rechts eng werden. Ich freute mich ein wenig auf diesen Fight....
Fight the 12
Der Septembertermin von ProSpeed stand auf dem Programm. Er stellte den Abschlusstermin der diesjährigen Serie zum Sportfahrerpokal bei Robert Neureiter dar. Seit diesem Jahr zählten sowohl die Sprintrennen als auch die 80km-Rennen zur Wertung. Damit ergaben sich insgesamt 14 Wertungsläufe. Zusätzlich gab es eine Sonderwertung der Sprintläufe. In der Sprintwertung hatte ich noch gute Chancen, den dritten Platz zu retten. Im Sportfahrerpokal war mehr als der 4.Gesamtrang nur noch bei kompletten Ausfall eines Mitstreiters möglich. Somit war klar, das im Sprint alle Karten auf den Asphalt geworfen werden mussten. Dazu schlummerten ein neuer 758er Dunlop und ein Metzeler K2 in meinem Bus.
Robert hatte diesmal einen ungewohnt straffen Zeitplan aufgestellt, um sein schon legendäres 4h Rennen am letzten Veranstaltungstag durchziehen zu können. Freitag Vormittag freies Fahren, nachmittags die Qualifyings, Samstag beide Läufe zum Sportfahrerpokal und Sonntag eben jenes 4h Rennen, was mir noch länger in Erinnerung bleiben sollte. Davon wusste ich zu diesem Zeitpunkt zum Glück noch nix und ging lieber noch mal die drei Ziele für Brünn durch: Einmal in dieser Saison vor Marco Hahn ins Ziel kommen, den dritten Platz in der Sprintwertung retten (hatte nix mit Ziel 1 zu tun) und eine 2:12 fahren.
Die Anreise verteilten wir auf zwei Etappen, um ein wenig Ruhe vor dem lieben Nachwuchs zu haben. Wir fuhren in die Nacht hinein, in der KleinLina eh schläft. Kurz bevor auch der Fahrer einschlief, erreichten wir den kleinen bayrischen Heimatort eines guten Bekannten. Hier hatte Familie Ammermann ein komplettes Frühstück inkl. ausgiebiger Benutzung der Gästetoilette gebucht. Es war ca. 3 Uhr nachts, als endlich die Lichter im Wohnwagen ausgingen. Morgens wurden wir von einem netten Müllwagen geweckt, der sich auf der engen Dorfstraße in ca. 5cm Sicherheitsabstand an unserem Wohni vorbeiquetschte. Es war halb acht und ich freute mich auf einen frischen Kaffee. Irgendwie war das Grundstück meines Bekannten seit meinem letzten Besuch ziemlich bewaldet, aber das störte mich nicht weiter. Ich nahm mir Lina an die Hand und schlenderte über das Gründstück in Richtung Haupteingang. Die Tür öffnete sich und eine mir unbekannte Frau grüßte mich. Oh, da hatte der liebe Stefan wohl noch mehr Gäste zu beherbergen an diesem Morgen. Ich fragte freundlich, ob Stefan auch schon auf sei und der Kaffee fertig wäre. Die Frau fragte mich, welchen Stefan ich meinen würde? Na Stefan Bauer, wen sonst? Achso, der wohnt 50 Meter weiter. Aha, ich hasse diese Neubaugebiete. Der Diesel zog das Gespann um zwei Ecken und wir standen wieder vor einem Haus mit Doppelgarage direkt neben dem Hauseingang, geplasterter Zufahrt usw., nur etwas weniger bewaldet. Zum Glück stand der echte Stefan im Hof, so dass diesmal jeder Zweifel ausgeschlossen war. Über seinem Schädel tauchten kleine Fragezeichen auf. Ich erklärte ihm, dass Neubaugebiete ziemlich albern wären und man da schon mal durcheinander kommen könne.
Stefan gehört zu der Gattung Moppedfahrer, die am liebsten schrauben. Innerhalb dieser Gattung gehört er zur Genesis-Spezies, die sich um die Erzeugung völlig neuer Kreationen kümmert. Alte Martin-, PSS-, Bimota- oder Rau-Rahmen werden mit aktuellen Moppedteilen in einen großen Sack geworfen, das Ganze ca. 45 Stunden mit exakt 300U/min geschleudert, um hinterher eine Hosukayarumph zu erhalten. Für diverse Anpassungen, die für derlei Umbauten vonnöten sind, stehen sämtliche Bauerschen Garagen voll mit allerlei Dreh-, Bohr- und Fräsmaschinen. Seit Jahren schwärmt er von einem Dieselmopped mit SmartCDI Motor. Sollte es jemals soweit sein, habsch mich schon als Testpilot angemeldet.
Stefans Frau hatte derweil das Frühstück vorbereitet. Frische Semmeln (bayerisches Wort für Milchbrötchen), Brezeln, dampfender Kaffee, Nutella und Marmelade standen auf dem Tisch. So könnte jeder Tag beginnen. Wir tauschten die neusten Ereignisse aus. Stefan erzählte davon, dass er sich evtl. eine Ur-R1 kaufen wolle, was mich etwas überraschte. Ein solch modernes Mopped würde das Durchschnittsalter seines Fuhrparks doch erheblich senken. Stefan gab zu, dass er vom Aufzündvirus befallen sei und für Ausflüge auf die Rennstrecke eine Ausnahme machen wolle und sich solch neumodischen Kram zulegen wolle. Sehr vernünftig. Detlev, seines Zeichens Schwager von Stefan, schaute mit der letzten Kreation der beiden vorbei. Ein Bimota-Rahmen mit SC44 Motor, 916-Heck, Triumph-Gabel und Kawasakifelgen. Eine typische Bauer eben. Die Zeit verging recht schnell und um 11 Uhr mussten wir uns schließlich loseisen, da wir noch einige Kilometer vor uns hatten. Stefan beschrieb uns den geschicktesten Weg zur Autobahn und so setzte sich das Team #45 alsbald in Richtung Brünn in Bewegung.
Da Lina auf den letzten Reisen allein in der zweiten Sitzreihe des T4s saß und zuweilen lustige Brüllarien losließ, hatten wir diesmal vorgesorgt und eine Doppelsitzbank anstatt des Beifahrersitzes montiert. Somit saß
die Prinzessin zwischen Papa und Mama und konnte etwas besser beschäftigt werden. Nachteil war, dass die Türinnenverkleidung raus musste, da die Doppelsitzbank zu breit für das Ablagefach war. Als kleiner Dämmstoffersatz steckte eine Decke in der Beifahrertür, die ihrem Schallschutz mehr schlecht als recht nachkam. Außerdem steckten sämtliche Landkarten in der Beifahrersitzablage. Leider stand selbiger Sitz gemütlich in der heimischen Garage und verstaubte. Ich hoffte, dass sich das nicht irgendwann als Nachteil erweisen sollte. Die Route war ich zwar noch nie gefahren, aber schon vor der Grenze war Prag ausgeschildert, also was sollte da schief gehen. Mir fiel ein, dass ich den Ölstand nicht mehr kontrolliert hatte. Fück, da muß ganz sicher was nachgefüllt werden. Da ich LongLife-Service Intervalle hab, musste es das superteure Spezial 0W30 Öl sein. Selbstverständlich war meine Nachfülldose just vor ein paar Wochen komplett geleert worden, so dass ich an der nächsten Tanke auf Gedeih und Verderb auf die Preispolitik der Ölmultis angewiesen war. Es war der Supergau. Nicht nur, dass ich für über 90 Euro Diesel nachtankte, was einen neuen Preisrekord darstellte, sondern ich musste auch noch exakt 20,99 Euro für einen einzigen Liter 0W30 Longlife Öl bezahlen. Ich kotzte innerlich. Nicht dass dieses Wochenende ein Schnäppchen werden würde, aber 40 Mark für so ein paar Tropfen Öl empfinde ich als extremst farciös. Zur sofortigen Strafe ging ich aufs Klo ohne zu bezahlen, wälzte genüsslich die im Ständer steckenden tschechischen Landkarten, um mir den Weg besser einprägen zu können und schwor, nie wieder bei diesem Laden zu tanken. Was glauben die, wer sie sind?
Wir verliessen diesen teuren Ort und passierten recht schnell die Grenze. Eine frisch geschlüpfte Autobahn brachte uns in Richtung Pilsen. Nach einem kleineren Zwischenstück Landstraße machten wir, wieder zurück auf der Autobahn, richtig Meter gut in Richtung Prag. Heini samt Team war derzeit schon zwischen Dresden und Teplice und sollte zu ähnlicher Zeit wie wir durch Prag kommen. In Höhe Pilsen wurden wir auf eine andere Autobahn geleitet. Diese führte im 90Gradwinkel von der eigentlich Autobahn weg. Ich war etwas verwundert. weil ich das so nicht in Erinnerung hatte. Egal, die wissen schon, was sie tun. Irgendwann hörte diese Autobahn auf und ich fuhr Kilometer um Kilometer auf der Landstraße. Von Prag war nirgends was zu lesen. Da ich keine Landkarte hatte, kamen mir immer mehr Zweifel. Definitiv hatte ich mir an der Luxustanke gemerkt, dass die Bahn durchgängig bis Prag ging. Nach ca. 30 Kilometern wurde mir das Ganze zu spanisch und italienisch und ich stoppte das Gespann an einer kleinen Tanke. Natürlich waren wir falsch gefahren, ich drehte das Gespann und wir erreichten irgendwann wieder die Autobahn. Nach wenigen Kilometern ging es von der Autobahn ab Richtung Prag. Mist, diese Abfahrt hatte ich vorhin irgendwie übersehen. Egal, wir hatten ja Zeit. Bei der nächsten Rast trafen wir ein paar andere R4Fler, darunter auch Assistent samt Anhang. Wir schüttelten kurz unsere Patschehändchen, bevor die Jungs ihre Reise fortsetzten. Nachdem ich ein paar kühle Getränke und ein riesiges Baguette für gerade 1 Euro gekauft hatte, setzten wir unsere Fahrt ohne weitere Zwischenfälle fort. Kurz vor 18 Uhr erreichten wir den Eingang zum brünnschen Fahrerlager, das aber noch nicht betreten werden durfte. So hatte sich eine illustre Gemeinde vor dem Eingang versammelt. Heini samt Anhang stand ein paar Transporter weiter vorn. Ich schnorrte mir erst mal ein Willkommensbier aus dem Ducato-Kühlschrank und begrüßte diverse Kollegen. Um 18:30 durften wir endlich rein und bezogen sogleich unseren angestammten Platz in Höhe der Boxenausfahrt. Flux war die mobile Homebase aufgebaut und der gemütliche Teil konnte beginnen. Ich freute mich, nach 8 Wochen aufzündfreier Zeit endlich wieder angasen zu können.
Der Bolide war noch mit den Reifen von Most bestückt, fürs Qualifying hatte ich für vorne eine Geheimwaffe liegen, auf der ziemlich bedeutungsschwanger „#17 save“ stand. Ein kleiner Mensch aus dem Allgäu hatte mir diesen Reifen zugespielt. Er sollte mich zur ruhmreichen 12er Zeit führen. Hinten hatte ich einen K2 vorgesehen, der nur ein 7Runden Rennen gelaufen war. Ich war guter Dinge, das mein Plan aufgehen würde. Zufrieden mit mir und der Welt im Allgemeinen schlenderte ich durchs Beklopptenlager und begrüßte alte Freunde. Das Leben war wie ein schöner Sonnenaufgang. Ich ließ den Abend langsam ausklingen und kuschelte mich zu meiner schon im Bett liegenden besseren Hälfte.
Freitag morgen war es glaub ich etwas diesig, das gab sich aber alsbald und auch die Temperaturen stiegen schnell in geschmeidige Höhen. Ideales Aufzündwetter. Es war bis 14 Uhr freies Fahren angesagt, danach standen schon die Qualifyings an. Zum Glück hab ich keine Probleme, recht zügig halbwegs akzeptable Rundenzeiten hinzubrennen. Mein Lappenzeiter unterbot schon im ersten Turn die 20er Marke und ich robbte mich beständig an die 17er Marke. Der doofe vordere Reifen riss mal wieder auf. So toll der Grip der Dunlops ist, so sensibel reagieren sie auf „falsche“ Gabeleinstellungen. Robert-Fahrwerksguru-Neureiter hatte mir im Mai ein Setup eingestellt, bei dem der Reifen ein perfektes Abriebbild zeigte. Exakt diese Einstellung nahm ich an der Gabel vor, um nach einigen Runden umso enttäuschter festzustellen, dass der Fucking Reifen immer noch aufriss. Also ab zu Robert, mal wieder ein Fahrwerkssetup erbitten. Es entwickelte sich ein ausgewachsenes Testprozedere. Robert schraubte hier und drehte dort, ich fuhr ein paar Runden und berichtete von meinem Eindrücken. Irgendwann hatten wir ein Setup, das ich als fahrbar einstufte und Robert schien auch zufrieden zu sein. Leider war der Vorderreifen nicht mehr zu retten und auf der Flanke komplett zerfetzt. Egal, ich hoffte bei Wechsel auf neues Schuhwerk auf ein wesentlich besseres Reifenbild.
Die Mittagspause beging ich betont entspannt, wir aßen ein paar Nudeln, wechselten die Reifen und tankten den Boliden etwas nach. Nach Wiederanpfiff war noch eine Stunde freies Fahren angesagt, bevor der Ernst des Lebens begann. Ich lag in der Sprintwertung derzeit auf Platz 2, allerdings nur zwei Punkte vor Meister Denz, daher war klar, dass ich diesen Platz abschreiben konnte, da Mike in Brünn grundsätzlich gewinnt, wenn er nicht gerade ausfiel. Da ich ihm sowas nicht wünschte, konzentrierte ich mich auf die Verteidigung des dritten Platzes. Ich hatte sieben Punkte Vorsprung auf Christian Kuhl. Ich musste also irgendwo in der Nähe von Christian ins Ziel kommen, um möglichst wenig Punkte auf ihn zu verlieren. Das Qualifying sollte den Grundstein für einen guten Startplatz legen, um im entscheidenden 7Runden Rennen gleich vorne bei der Musik dabei zu sein. So war ich diesmal etwas nervöser als ich ohnehin schon bin und besuchte meine Lieblingstoilette Nr 2 mehrfach.
Das freie Fahren war zu Ende, die erste Gruppe fuhr zum Zeittraining raus. Die 1000er Klasse war als Zweites dran. Die Reifen waren warm, die Tankmenge leicht über Reserve, meine Knochen frisch gedehnt von der weltbesten Pysiotherapheutin und in meinem Bauch kreisten diverse Moppeds. Zur Hölle, lasst mich raus!
Endlich hupte Robert und ich rollte zum Vorstart. Tach ihr Pillemänner, dachte ich. „Ich werd euch allesamt eintüten müssen“ schoß durch meine Gehirnwindungen. Robert ließ uns der Reihe nach auf die Strecke. Ich zog die Kleine zu einem 1.Gang Wheelie hoch, um den besagten Grundspaß zu finden. Die in meinem Bauch umherwuselnden Moppeds verschwanden, ich holte tief Luft und versammelte sämtliche Konzentration in meinem Hirn. Die Reserveleuchte ging an. Fück, etwas zu früh. Vorne drehte sich der Dunlop in 758er Mischung, der wohl schon im Dunstkreis der MotoGP gelaufen sein musste. Zumindest nach der Nr. 17 zu urteilen, die auf ihm vermerkt war, könnte ihn kein Geringerer als Steve Jenkner gefahren haben. Damit musste die 12er Zeit einfach gehen. Ich kam den Berg rauf, legte vorsichtig in die Links um und bemühte mich, eine saubere Linie auf Start/Ziel zu finden. Die erste Runde fahre ich immer auf Sicherheit, um zumindest eine gezeitete Runde stehen zu haben. Somit bremste ich noch ohne Messer zwischen den Zähnen und flog geschmeidig um den Kurs. Der hintere K2 hatte noch sehr guten Grip, ich hatte keinen Rutscher. Es war recht voll auf der Strecke, aber ich erwischte gute Stellen zum Überholen. Zurück auf Start/Ziel zeigte mein Rundenmessgerät eine 15er Zeit. Ok, dass war die Pflicht, jetzt kam die Kür. Die Zeit war gekommen, diesem Asphaltband mal zu zeigen, was geht, Halleluja!. Ich drückte in meinem Cockpit den Knopf mit der Aufschrift „Mir alles Scheißegal, jetzt geht’s scharf“. Prompt sackte ich tiefer in meine Verkleidung und flog auf die Anbremszone Ende Start/Ziel zu.
Nicht bremsen, noch nicht, sagte Klein Kevin zu mir, er es sich wieder auf meiner Schulter gemütlich gemacht hatte. Ich hörte natürlich auf ihn. Bei ca. 150 Meter, schon hinter der Brücke, wurde mir das Ganze aber doch zu mulmig, ich richtete mich zu voller Größe auf und warf bei ca. 120 Meter den Anker. Spät auf der Bremse schoß ich in die Rechts und hielt ca. 1,5 Meter Abstand zum inneren Rand, um den Bodenwellen aus dem Weg zu gehen. Ich bemühte mich zum Ende der inneren Kurbs möglichst innen zu sein, um exakt an dieser Stelle das Gas gefühlvoll auf Anschlag zu stellen. Wie üblich entwickelte der Hinterreifen hier enormen Schlupf und radierte beim leichten Umlegen auf die Gegengerade hemmungslos über den Asphalt. Der Drehzahlmesser tänzelte in Richtung Begrenzer, ich wartete wie üblich, bis er sich einpendelte und drückte schließlich die nächste Gangstufe rein. Vor mir war weit und breit niemand. Diese Runde musste es passieren. Ich gab mir Tiernamen und brüllte „KOMM SCHON“ in meinen Helm. Ich flog durch die erste Links/Rechtskombination und beschleunigte voll aus der Ecke. Ich erwischte ganz leicht die Grasnarbe hinter den Kurbs, ließ die Drosselklappen aber voll geöffnet. In leichtem Bogen flog ich auf die Doppelrechts zu, der Begrenzer setzte ein, mein naturgegebener Bremspunkt an dieser Stelle und die AHK bekam richtig was zu tun. Ich legte um. Mittig in der Doppelrechts vergrößerte ich den Radius leicht und blieb am Gas. So flog ich durch die zweite Rechts, zog leicht das Gas auf und schoss ganz innen in die Links. Diese Linie gefiel mir eigentlich nicht, aber ich schaffte es nicht, leicht auszuholen. So bremste ich kurz und heftig, warf den Boliden in die Links und ließ meine Raste über den Asphalt schleifen. Nirgends sonst setzten bisher meine Rasten auf. Diesmal musste es wirklich eine vernünftige Schräglage sein. Die kurze Gerade entlang bekam mein Kilogeschoss Vollgas, ich bremste lange geradeaus und legte spät in die Links um. Dadurch hatte man eine etwas bessere Linie für die folgende Rechts. Ausgangs dieser Rechts hatte ich schon einige denkwürdige Rutscher und wusste, dass der Hinterreifen nach mittlerweile 10 Runden, die ihm in den Knochen steckten, nicht mehr den allerletzten Grip hatte. Entsprechend wohlwollend zog ich das Gas nicht allzu brutal auf und kam rutschfrei auf die Bergabgerade. In der folgenden Rechts waren schon einige abgeflogen und ich hatte größten Respekt vor dieser Ecke. Ich ließ recht früh die Bremse los und konzentrierte mich lieber auf brutales Rausbeschleunigen. Das Drehzahlniveau meines Boliden zeigte mir, dass ich den Ausgang gut erwischt hatte. Ich schoss auf die Bergaufschikane zu und ließ das Gas einen Hauch zu lange stehen. Leicht schlingernd bremste ich gegen den Berg und versuchte verzweifelt, möglichst weit links in der ersten Kurve zu bleiben. Das war entscheidend, um die Bergauf-Rechts in möglichst weitem Bogen fahren zu können. Mit dieser Linie kann man wichtigen Schwung mit in den Berg nehmen. Mir gelang es nicht ganz optimal, ließ sich aber leider nicht mehr ändern. Meine Kleine brüllte den Berg hinauf, ich bremste diesmal etwas früher und erwischte zum Dank den Eingang auf Start/Ziel perfekt. Nun blieb mir nur noch, ganz tief in den Tank zu kriechen und einige Stoßgebete zum Gott der unaussprechlichen Beschleunigung zu schicken. Gebannt starrte ich auf meinen Lappenzeiter. Nun los, sag schon, was geht! Plonk, da stand das Ergebnis: 2:13,64. Das Adrenalin schwappte immer noch unter der Schädeldeckel. Ok,ok,ok, die doofen 7 Zehntel müssen auch noch irgendwo zu finden sein. Allerdings war ich nach dieser Runde mental etwas ausgelaugt und beschloß, kurz zum Nachtanken reinzufahren, da vor mir eh Verkehr auftauchte. Nach dem Tanken fuhr ich die Reifen erneut eine Runde warm und versuchte nochmal, eine 12er Runde zu pressen. Irgendwie war aber der Wurm drin, ich erwischte manche Ecken grottenschlecht, hatte einen Rutscher in der Bergabrechts und begrub den Plan der 12er Zeit zunächst. Ich wusste, dass im Bauch meines Busses noch ein Satz nigelnagelneuer Reifen schlummerte, der für das Sprintrennen bestimmt war. Ich war mir sicher, mit einem ganz neuen K2 so dermaßen brutal das Gas aufziehen zu können, dass die 12er Zeit ähnlich wie die rotgrüne Koalition alsbald in der Geschichte eingehen würde. Es stand mal fest, dass ich Brünn erst dann verlassen würde, wenn die 12er Zeit gefallen ist. Ein Blick auf die Zeitenliste des Qualifyings ließ mich ein wenig frohlocken, Startplatz 4, erste Startreihe. Einziger Wermutstropfen war, dass ich ganz innen stand. Das dürfte in der ersten Rechts eng werden. Ich freute mich ein wenig auf diesen Fight....
-
- dude Offline
- Beiträge: 3698
- Registriert: Donnerstag 13. November 2003, 16:36
- Wohnort: Münster
- Kontaktdaten:
hehe geil - ich sehe die runde bildlich vor mir 

Part II
Speed Metal
Mein Teamkollege Heini lies seine R6 ebenfalls spektakulär um den Kurs fliegen und stellte sich mit einer 15er Zeit auf Pole. Somit war das R4F-Team komplett erstreihig. Darauf gabs erstmal ein kühles Pilsner Urquell. Heini hatte zwei Paletten dieser Flüssigkeit zu einem derart absurden Preis erstanden, dass ich ihn hier nicht näher erläutern möchte. Ich sag nur soviel, dafür hätte man früher 4 Paletten Karlsquell bekommen, dem ich übrigens immer noch hinterher trauere. Wenn ich den doofen Trittin irgendwann mal leibhaftig sehe, garantiere ich für nix!
Nun gut, es war Zeit für neues Schuhwerk für meine kleine Suzi. Mein zweiter Felgensatz wurde mit dem schon erwähnten frisch vulkanisiertem schwarzen Gold bereift, um am nächsten Morgen nach kurzem Warmschießen schnell wechseln zu können. Da Johannes seinen Reifendienst diesmal fieserweise am anderen Ende der Boxengasse aufgebaut hatte, diente mein Bus als Transportfahrzeug der Felgen. Nur nicht zu viel bewegen war die Devise. Ebenfalls wurde noch einen Blick auf Bremsbeläge und Kette geworfen und fertig war der Bolide für die Nacht. Wir ketteten die Brenngeräte an den Vorderrädern zusammen, um einen gewissen Diebstahlschutz zu haben. Nun konnte der Grill mal zeigen, ob er auch erstreihig war. Er war es! Mein Bauch war dick und rund, ich fühlte mich rundum wohl. Da ich die letzten 8 Wochen konsequent keine Muckibude besucht hatte oder gar den ein oder anderen Waldlauf getätigt hatte, sah ich meine Fälle wie immer im 80km Rennen davon schwimmen, war mir aber egal, meine Schlacht musste im Sprintrennen geschlagen werden. Ich schnappte mir ein Tetrapak voll edelstem Wein, eine Flasche Cola, ein paar kleine Becher und begab mich auf Koreamission. Die einzelnen Boxen waren voll von bekannten Gesichtern, ich blieb wie schon häufiger bei den Hamburger Jungs hängen. In deren Box stand auch Gixxerhoschi, der mittlerweile Yamahoschi heißt. Normen und ich warfen diverse Blicke auf die feine R1, die er sein eigen nannte. Edelste Teile waren verbaut, bretthart die Abstimmung ausgelegt. Das Ganze in dunkelblaumetallic lackiert, sehr feine Maschine, das! Wenn ich an meinen schon etwas geschraddelten K4-Bomber dachte, hatte ich fast ein schlechtes Gewissen. Naja, im Winter ist wieder Zeit für solcherlei optische Retuschen. Das diese Retuschen etwas größere Ausmaße annehmen würden, war mir während dieser Überlegungen noch nicht bewusst...
Zurück bei den Hamburgern kam das Thema alsbald auf die 24h WM von Oschersleben, an der ich gedenke, teilzunehmen. Der Schraubbär der Fischköppe berichtete von seinen Erfahrungen. Wir hörten Storys von zerbrochenen Freundschaften, durchschraubten Nächten, purem Stress und diversen anderen Katastrophen. Mich konnte das nicht sonderlich schocken. Als Fazitte kam beim Schraubbär letztlich ein kurzes Statement: „Ihr seid bekloppt, ich bin dabei, wenn es angeht“. Schön, dass es solche Menschlinge gibt. Es ist noch ein weiter Weg, aber es wird klappen! Der Koreafluß war derweil abgeebbt, meine Grundstoffe waren alle. Da ich grundsätzlich faul bin, ließ ich mir der Einfachheit halber das ein oder andere Hopfengetränk reichen. Irgendwann, Normen war schon längst verschwunden, fragte ich nach der Uhrzeit. Es hatte mal wieder einen Zeitsprung gegeben und ich beeilte mich, meine Schlafkoje zu erreichen. Morgen würde sich zeigen, ob ich ein Podiumskandidat oder doch eher eine Schwuchtel bin. Dazu musste ich 100% wach sein, also beeilte ich mich mit dem Einschlafen ein wenig.
Der Tag der Entscheidungen brach an, es war neuerlich etwas frisch, die Temperaturen stiegen zu unserer Freude jedoch erneut rasch an. Ich schnappte mir meinen Reinmachebeutel und schlenderte zur Waschstation. Nachdem mein immer weniger werdendes Haupthaar halbwegs in Stellung gebracht war, stattete ich noch Nr. 2 einen kleinen Besuch ab. Nicht dass ich abergläubisch bin, aber ich war in Brünn noch sturzfrei und ging seit jeher auf Nr 2. So sollte es auch bleiben. Zurück in der Homebase war gerade noch Zeit für ein kurzes Frühstück und letzte Vorbereitungen des Boliden. Dann war es auch schon 9 Uhr und ich wollte kurz raus, um meine müden Knochen in Schwung zu bringen. Das freie Fahren ging nur bis 10, dann waren schon die Sprintrennen angesetzt. Um ca. 9:30 Uhr kam ich wieder rein, wir steckten die Felgen um, checkten ein letztes Mal den Luftdruck und konnten dann nur noch warten. Man konnte meinen Zustand durchaus als minimal nervös bezeichnen. Um ein wenig Ruhe zu bekommen, ging ich zu Nr.2. Zu meiner Enttäuschung war Nr.2 besetzt. Uiuiui, war das ein Zeichen? Ich würde gewiss keinen Meter fahren, wenn ich nicht auf Nr.2 gesessen hätte. Ich wartete nervös, aber es passierte nix. Ich trat von einem Bein aufs andere, aber es half nix, irgendein Langzeitscheißer hatte sich auf Nr.2 verbarrikadiert. Ich wischte den Aberglauben beiseite, nahm all meinen Mut zusammen und betrat die mir völlig unbekannte Nr.6. Ich stellte mich kurz vor und setzte mich dann.
Immer noch im Zweifel, ob ich dass Richtige getan hatte, joggte ich zurück. Irgendwie waren nur noch wenige Minuten bis zu meinem Rennen. Hektisch schlüpfte ich in meinen Ganzkörperstrampler, dann in die Lederklamotten, warf meinen Helm über, schloss den Kinnriemen, öffnete den Kinnriemen, setzte den Helm wieder ab, stopfte mir Ohrpröppel ins Ohr, setzte den Helm erneut auf, schloss ihn wiederum und zog auch noch meine Handschuhe an, puuh! Harvey, unser mitgereister Teammechanix und Heini klopften mir wohlwollend auf die Schulter und erzählten alberne Sachen wie “Du hast für sieben Runden bezahlt und Robert zahlt nix zurück“ oder „Ein Rennen gewinnt man nicht in der ersten Kurve“. Wie waren die denn drauf? Sah man etwa das Funkeln in meinen Augen? War etwa Adrenalin aus meinen Ohren geschwappt? Beim allmächtigen Uffzynda, diese 7 Runden gehörten mir. Ich war bereit für die 12er Zeit. Marco Hahn war diesmal fällig, ich würde in die erste Kurve reinhalten, als ob es kein Morgen gab und ich würde das verdammte PaceCar rammen, wenn es sein müsste. „Schwafelt nicht soviel rum, nehmt gefälligst die Reifenwärmer runter“ schleuderte ich den beiden entgegen. Ich schlug mir gegen meinen Helm, eine alberne Angewohnheit, die ich in noch alberneren amerikanischen Filmen gesehen hatte, kuppelte ein und rollte zum Vorstart, mein getöntes Visier war schon komplett geschlossen. Nach dem üblichen Hin und Her öffnete die Boxenausfahrt und wir rollten in die Einführungsrunde. Ich suchte meinen Startplatz, der eine Reihe weiter hinten war, als zu vermuten war, da es sonst Probleme mit der Zeitnahme gegeben hätte. Schließlich stand ich und gönnte meinem Antrieb noch eine wenig Ruhe. Michael Fischer, der schräg hinter mir stand, brüllte mich an. Durch die Ohrpröppel verstand ich recht wenig, wusste aber, worauf er hinaus wollte. Das was Marco Hahn für mich war, war ich für Michael Fischer. Ich überholte ihn dieses Jahr in jedem Rennen, war letztlich immer vor ihm im Ziel. Ich muß zugeben, dass es mir zwischenzeitlich ein wenig Freude bereitete, wenn sein R1-Heck vor mir auftauchte. Ähnlich wie ein Opferlamm hatte ich ihn mir in den vergangenen Rennen immer wieder zurecht gelegt, um meist in den letzten Runden zu vollstrecken. Ich zeigte diesem Erdling meinen Daumen und brüllte zurück. Er gab mir symbolisch eine Watschen, was mir ein geschmeidiges Grinsen entlockte. Ich fühlte mich sauwohl zwischen diesen ganzen Bekloppten. So, Spaß beiseite, Ernst komm raus, Robert trabte langsam Richtung Boxenmauer, ich zündete meinen Boliden und konzentrierte mich auf den Vorstart. Er war grottenschlecht, ich fand mich nach der ersten Rechts im zweistelligen Bereich wieder. Ok, also etwas mehr Drehzahl beim Hauptstart. Die Jungs ließen es in den Aufwärmrunden ganz ordentlich fliegen und wir trudelten wieder auf unseren Plätzen ein. Ich war ganz ruhig, die Nervosität wie weggeblasen, ich fixierte die Ampel und hielt den Boliden bei ca. 4.000U/min. Die Ampel erlosch, die Schlacht um Ruhm und Ehre begann.
Ich erwischte einen guten Start, schoß an Mike Denz vorbei und war kurzfristig auf gleicher Höhe mit den Führenden. Wie sollte es anders sein, schoss die mit gefühlten 204 PS ausgestattete Denzsche R1 kurz drauf an mir vorbei, ich wich weiter nach innen aus und flog ganz spitz auf die erste Rechts zu. Ralf, bester Starter des Universums, tauchte wie üblich neben mir auf. Ich war aber wild entschlossen, in dieser ersten Kurve garniemalsnicht zurückzustecken. Ein Sprintrennen gewinnt man in der ersten Kurve, soviel ist sicher!
Denz war schräg vor mir und zog auf seine unnachahmliche Art nach innen. Insgeheim hoffte ich, dass er eine kleine Schneise schlug, in die ich reinhalten konnte. So war es dann auch, es wurde immer enger, ich verlor die Nerven und ging auf die Bremse, Denz drängte einige Mitstreiter nach außen, ich sah die Lücke und stach rein. Ralf und andere Zünder kamen von der Außenbahn, es wurde enger als in einer 13jährigen Jungfrau, aber ich gab nicht nach, hier musste ich durch, um an Marco vorbei zu kommen. Er war durch Denz auf die Außenbahn gedrückt worden. Irgendwer kam mir so nahe, das ich kurzfristig noch weiter innen über die Grasnarbe räuberte, war mir egal, ich hatte schließlich einen Auftrag und würde mich von dererlei Kleinigkeiten nicht aufhalten lassen. Endlich gab mein Nebenmann auf und ich quetschte mich durch. Ausgangs der ersten Rechts war ich auf 4. Vor mir nur Denz, Schäfer und Weihe, hinter mir das Böse in Form von Marco Hahn. Seine ZX10 geht wie ein F14-Kampfjet und es dauerte nicht lange, bis er neben mir auftauchte. Wir flogen nebeneinander auf den Bremspunkt der ersten Links/Rechtskombination zu. Zum Glück schaffte ich es gerade so, den „Kill’em all“ Knopf in meinem Cockpit zu drücken und blieb schlicht so lange auf dem Gas wie Marco. Er war am Bremspunkt eine halbe Moppedlänge voraus, was mich in meinem derzeitigen Zustand aber in keinster Weise beeindruckte. Pah, bremste ich halt einen Hauch weniger, um wieder aufzuschließen. So bogen wir gemeinsam in die Links, ich außen, er innen. Ich hielt voll gegen und schob mich für die folgende Rechts in eine gute Ausgangsposition. Hier war ich innen und kam als erster aus der Ecke. Allerdings war die Linienwahl nur suboptimal und mir fehlte der entscheidende Schwung. Marco zog rechts an mir vorbei und setzte sich vor mich. Schön, dann war ja innen wieder Platz. Ich bremste mich vor der Doppelrechts mehr quer als gerade neben ihn und schob mich erneut vor diesen Pillemann. Ausgangs der zweiten Rechts holte ich ein wenig aus, was ich sofort als schwachsinnig verfluchte. Natürlich stach Marco innen rein. Der ist gut, schoss mir durch den Kopf. Ein würdiger Gegner für diesen Fight. Okee, dann bleib ich eben mit absurder Schräglage auf der Außenbahn neben ihm. Ich schaffte es tatsächlich, auf der kurzen Gerade wieder vor ihn zu kommen, wedelte durch die Links/Rechtskombi und zog am Kurvenausgang ohne Rücksicht auf Verluste voll auf. Normalerweise wäre das ein Highsider geworden, aber der Grip eines ganz neuen K2s ist einfach göttlich. So kam ich mit leicht tänzelnden Vorderrad auf die Gerade und düste schnell wie Oskar die Bergabgerade entlang. Die ZX10 tauchte kurz neben mir auf, ich bremste aber erst, als KleinKevin dass Zeichen gab und blieb vorn. So langsam fragte ich mich, wie lange wir das aushalten würden. Ähnliches schien Marco zu denken und er sah ab diesem Zeitpunkt erstmal von weiteren Attacken ab.
Vor mir war Herr Weihe unterwegs und ich gab alles, um die entstandene Lücke zuzufahren. Doch egal, was ich auch machte, der Abstand blieb gleich, vergrößerte sich eher noch. Nach drei Runden warf ich einen ersten Blick auf meinen Lappenzeiter. Dort stand eine unglaubliche 2:11,2. Das erschien mir irgendwie sehr optimistisch, ich hütete mich aber, dieses Messinstrument in Frage zu stellen. Glücklich und zufrieden feuerte ich die Kleine fehlerfrei um den Kurs. Nach 4 Runden drehte ich mich um. Marco war mit einigen Metern Sicherheitsabstand immer noch hinter mir. Es war also noch nicht vorbei. Ich sammelte meine gesamte Konzentration und versuchte, dass Niveau zu halten. Ohne mich nochmals umzudrehen, düste ich in die letzte Runde, jetzt nur keinen Fehler mehr machen, Marco klebt dir wahrscheinlich eh am Arsch. Ich versuchte, jede Ecke optimal zu treffen, fuhr an typischen Ausbremsstellen leichte Kampflinie, bremste hier einen Hauch später als normal und betete, dass die Runde schnell zu Ende sei. Die Bergaufschikane traf ich gut, die Links am Gipfel des Bergs traf ich dafür grottenschlecht, weil ich zu viel Kampflinie fuhr. Dadurch kam ich sehr bescheiden auf Start/Ziel und legte ultraspät das Gas an. Jetzt lag es nicht mehr in meinen Händen. Das Gas stand auf Anschlag und ich opferte im Geiste diverse Koreen an den Gott der Beschleunigung. Die Ziellinie kam näher und näher und nach unendlich langen, quälenden Sekunden überquerte ich diese Scheiß-Linie endlich, ohne das etwas Grünes neben mir auftauchte. Ich drehte mich um, da schoß auch schon Christian Kuhl an mir vorbei. Mit dem hatte ich jetzt irgendwie überhaupt nicht gerechnet. Marco war in weitem Sicherheitsabstand hinter mir. Er pilotierte seine grüne Boden-Bodenrakete gute 3 Sekunden nach mir über Start/Ziel.
Gute Nacht, ihr Nasen
PS: Das Messinstrument hatte übrigens tatsächlich die Dreistheit besessen, mich anzulügen. Schnellste Runde war eine 2:12,4, gefahren in der letzten Runde...
Speed Metal
Mein Teamkollege Heini lies seine R6 ebenfalls spektakulär um den Kurs fliegen und stellte sich mit einer 15er Zeit auf Pole. Somit war das R4F-Team komplett erstreihig. Darauf gabs erstmal ein kühles Pilsner Urquell. Heini hatte zwei Paletten dieser Flüssigkeit zu einem derart absurden Preis erstanden, dass ich ihn hier nicht näher erläutern möchte. Ich sag nur soviel, dafür hätte man früher 4 Paletten Karlsquell bekommen, dem ich übrigens immer noch hinterher trauere. Wenn ich den doofen Trittin irgendwann mal leibhaftig sehe, garantiere ich für nix!
Nun gut, es war Zeit für neues Schuhwerk für meine kleine Suzi. Mein zweiter Felgensatz wurde mit dem schon erwähnten frisch vulkanisiertem schwarzen Gold bereift, um am nächsten Morgen nach kurzem Warmschießen schnell wechseln zu können. Da Johannes seinen Reifendienst diesmal fieserweise am anderen Ende der Boxengasse aufgebaut hatte, diente mein Bus als Transportfahrzeug der Felgen. Nur nicht zu viel bewegen war die Devise. Ebenfalls wurde noch einen Blick auf Bremsbeläge und Kette geworfen und fertig war der Bolide für die Nacht. Wir ketteten die Brenngeräte an den Vorderrädern zusammen, um einen gewissen Diebstahlschutz zu haben. Nun konnte der Grill mal zeigen, ob er auch erstreihig war. Er war es! Mein Bauch war dick und rund, ich fühlte mich rundum wohl. Da ich die letzten 8 Wochen konsequent keine Muckibude besucht hatte oder gar den ein oder anderen Waldlauf getätigt hatte, sah ich meine Fälle wie immer im 80km Rennen davon schwimmen, war mir aber egal, meine Schlacht musste im Sprintrennen geschlagen werden. Ich schnappte mir ein Tetrapak voll edelstem Wein, eine Flasche Cola, ein paar kleine Becher und begab mich auf Koreamission. Die einzelnen Boxen waren voll von bekannten Gesichtern, ich blieb wie schon häufiger bei den Hamburger Jungs hängen. In deren Box stand auch Gixxerhoschi, der mittlerweile Yamahoschi heißt. Normen und ich warfen diverse Blicke auf die feine R1, die er sein eigen nannte. Edelste Teile waren verbaut, bretthart die Abstimmung ausgelegt. Das Ganze in dunkelblaumetallic lackiert, sehr feine Maschine, das! Wenn ich an meinen schon etwas geschraddelten K4-Bomber dachte, hatte ich fast ein schlechtes Gewissen. Naja, im Winter ist wieder Zeit für solcherlei optische Retuschen. Das diese Retuschen etwas größere Ausmaße annehmen würden, war mir während dieser Überlegungen noch nicht bewusst...
Zurück bei den Hamburgern kam das Thema alsbald auf die 24h WM von Oschersleben, an der ich gedenke, teilzunehmen. Der Schraubbär der Fischköppe berichtete von seinen Erfahrungen. Wir hörten Storys von zerbrochenen Freundschaften, durchschraubten Nächten, purem Stress und diversen anderen Katastrophen. Mich konnte das nicht sonderlich schocken. Als Fazitte kam beim Schraubbär letztlich ein kurzes Statement: „Ihr seid bekloppt, ich bin dabei, wenn es angeht“. Schön, dass es solche Menschlinge gibt. Es ist noch ein weiter Weg, aber es wird klappen! Der Koreafluß war derweil abgeebbt, meine Grundstoffe waren alle. Da ich grundsätzlich faul bin, ließ ich mir der Einfachheit halber das ein oder andere Hopfengetränk reichen. Irgendwann, Normen war schon längst verschwunden, fragte ich nach der Uhrzeit. Es hatte mal wieder einen Zeitsprung gegeben und ich beeilte mich, meine Schlafkoje zu erreichen. Morgen würde sich zeigen, ob ich ein Podiumskandidat oder doch eher eine Schwuchtel bin. Dazu musste ich 100% wach sein, also beeilte ich mich mit dem Einschlafen ein wenig.
Der Tag der Entscheidungen brach an, es war neuerlich etwas frisch, die Temperaturen stiegen zu unserer Freude jedoch erneut rasch an. Ich schnappte mir meinen Reinmachebeutel und schlenderte zur Waschstation. Nachdem mein immer weniger werdendes Haupthaar halbwegs in Stellung gebracht war, stattete ich noch Nr. 2 einen kleinen Besuch ab. Nicht dass ich abergläubisch bin, aber ich war in Brünn noch sturzfrei und ging seit jeher auf Nr 2. So sollte es auch bleiben. Zurück in der Homebase war gerade noch Zeit für ein kurzes Frühstück und letzte Vorbereitungen des Boliden. Dann war es auch schon 9 Uhr und ich wollte kurz raus, um meine müden Knochen in Schwung zu bringen. Das freie Fahren ging nur bis 10, dann waren schon die Sprintrennen angesetzt. Um ca. 9:30 Uhr kam ich wieder rein, wir steckten die Felgen um, checkten ein letztes Mal den Luftdruck und konnten dann nur noch warten. Man konnte meinen Zustand durchaus als minimal nervös bezeichnen. Um ein wenig Ruhe zu bekommen, ging ich zu Nr.2. Zu meiner Enttäuschung war Nr.2 besetzt. Uiuiui, war das ein Zeichen? Ich würde gewiss keinen Meter fahren, wenn ich nicht auf Nr.2 gesessen hätte. Ich wartete nervös, aber es passierte nix. Ich trat von einem Bein aufs andere, aber es half nix, irgendein Langzeitscheißer hatte sich auf Nr.2 verbarrikadiert. Ich wischte den Aberglauben beiseite, nahm all meinen Mut zusammen und betrat die mir völlig unbekannte Nr.6. Ich stellte mich kurz vor und setzte mich dann.
Immer noch im Zweifel, ob ich dass Richtige getan hatte, joggte ich zurück. Irgendwie waren nur noch wenige Minuten bis zu meinem Rennen. Hektisch schlüpfte ich in meinen Ganzkörperstrampler, dann in die Lederklamotten, warf meinen Helm über, schloss den Kinnriemen, öffnete den Kinnriemen, setzte den Helm wieder ab, stopfte mir Ohrpröppel ins Ohr, setzte den Helm erneut auf, schloss ihn wiederum und zog auch noch meine Handschuhe an, puuh! Harvey, unser mitgereister Teammechanix und Heini klopften mir wohlwollend auf die Schulter und erzählten alberne Sachen wie “Du hast für sieben Runden bezahlt und Robert zahlt nix zurück“ oder „Ein Rennen gewinnt man nicht in der ersten Kurve“. Wie waren die denn drauf? Sah man etwa das Funkeln in meinen Augen? War etwa Adrenalin aus meinen Ohren geschwappt? Beim allmächtigen Uffzynda, diese 7 Runden gehörten mir. Ich war bereit für die 12er Zeit. Marco Hahn war diesmal fällig, ich würde in die erste Kurve reinhalten, als ob es kein Morgen gab und ich würde das verdammte PaceCar rammen, wenn es sein müsste. „Schwafelt nicht soviel rum, nehmt gefälligst die Reifenwärmer runter“ schleuderte ich den beiden entgegen. Ich schlug mir gegen meinen Helm, eine alberne Angewohnheit, die ich in noch alberneren amerikanischen Filmen gesehen hatte, kuppelte ein und rollte zum Vorstart, mein getöntes Visier war schon komplett geschlossen. Nach dem üblichen Hin und Her öffnete die Boxenausfahrt und wir rollten in die Einführungsrunde. Ich suchte meinen Startplatz, der eine Reihe weiter hinten war, als zu vermuten war, da es sonst Probleme mit der Zeitnahme gegeben hätte. Schließlich stand ich und gönnte meinem Antrieb noch eine wenig Ruhe. Michael Fischer, der schräg hinter mir stand, brüllte mich an. Durch die Ohrpröppel verstand ich recht wenig, wusste aber, worauf er hinaus wollte. Das was Marco Hahn für mich war, war ich für Michael Fischer. Ich überholte ihn dieses Jahr in jedem Rennen, war letztlich immer vor ihm im Ziel. Ich muß zugeben, dass es mir zwischenzeitlich ein wenig Freude bereitete, wenn sein R1-Heck vor mir auftauchte. Ähnlich wie ein Opferlamm hatte ich ihn mir in den vergangenen Rennen immer wieder zurecht gelegt, um meist in den letzten Runden zu vollstrecken. Ich zeigte diesem Erdling meinen Daumen und brüllte zurück. Er gab mir symbolisch eine Watschen, was mir ein geschmeidiges Grinsen entlockte. Ich fühlte mich sauwohl zwischen diesen ganzen Bekloppten. So, Spaß beiseite, Ernst komm raus, Robert trabte langsam Richtung Boxenmauer, ich zündete meinen Boliden und konzentrierte mich auf den Vorstart. Er war grottenschlecht, ich fand mich nach der ersten Rechts im zweistelligen Bereich wieder. Ok, also etwas mehr Drehzahl beim Hauptstart. Die Jungs ließen es in den Aufwärmrunden ganz ordentlich fliegen und wir trudelten wieder auf unseren Plätzen ein. Ich war ganz ruhig, die Nervosität wie weggeblasen, ich fixierte die Ampel und hielt den Boliden bei ca. 4.000U/min. Die Ampel erlosch, die Schlacht um Ruhm und Ehre begann.
Ich erwischte einen guten Start, schoß an Mike Denz vorbei und war kurzfristig auf gleicher Höhe mit den Führenden. Wie sollte es anders sein, schoss die mit gefühlten 204 PS ausgestattete Denzsche R1 kurz drauf an mir vorbei, ich wich weiter nach innen aus und flog ganz spitz auf die erste Rechts zu. Ralf, bester Starter des Universums, tauchte wie üblich neben mir auf. Ich war aber wild entschlossen, in dieser ersten Kurve garniemalsnicht zurückzustecken. Ein Sprintrennen gewinnt man in der ersten Kurve, soviel ist sicher!

Vor mir war Herr Weihe unterwegs und ich gab alles, um die entstandene Lücke zuzufahren. Doch egal, was ich auch machte, der Abstand blieb gleich, vergrößerte sich eher noch. Nach drei Runden warf ich einen ersten Blick auf meinen Lappenzeiter. Dort stand eine unglaubliche 2:11,2. Das erschien mir irgendwie sehr optimistisch, ich hütete mich aber, dieses Messinstrument in Frage zu stellen. Glücklich und zufrieden feuerte ich die Kleine fehlerfrei um den Kurs. Nach 4 Runden drehte ich mich um. Marco war mit einigen Metern Sicherheitsabstand immer noch hinter mir. Es war also noch nicht vorbei. Ich sammelte meine gesamte Konzentration und versuchte, dass Niveau zu halten. Ohne mich nochmals umzudrehen, düste ich in die letzte Runde, jetzt nur keinen Fehler mehr machen, Marco klebt dir wahrscheinlich eh am Arsch. Ich versuchte, jede Ecke optimal zu treffen, fuhr an typischen Ausbremsstellen leichte Kampflinie, bremste hier einen Hauch später als normal und betete, dass die Runde schnell zu Ende sei. Die Bergaufschikane traf ich gut, die Links am Gipfel des Bergs traf ich dafür grottenschlecht, weil ich zu viel Kampflinie fuhr. Dadurch kam ich sehr bescheiden auf Start/Ziel und legte ultraspät das Gas an. Jetzt lag es nicht mehr in meinen Händen. Das Gas stand auf Anschlag und ich opferte im Geiste diverse Koreen an den Gott der Beschleunigung. Die Ziellinie kam näher und näher und nach unendlich langen, quälenden Sekunden überquerte ich diese Scheiß-Linie endlich, ohne das etwas Grünes neben mir auftauchte. Ich drehte mich um, da schoß auch schon Christian Kuhl an mir vorbei. Mit dem hatte ich jetzt irgendwie überhaupt nicht gerechnet. Marco war in weitem Sicherheitsabstand hinter mir. Er pilotierte seine grüne Boden-Bodenrakete gute 3 Sekunden nach mir über Start/Ziel.
Gute Nacht, ihr Nasen
PS: Das Messinstrument hatte übrigens tatsächlich die Dreistheit besessen, mich anzulügen. Schnellste Runde war eine 2:12,4, gefahren in der letzten Runde...
-
- Uwe-Celle Offline
- Beiträge: 2400
- Registriert: Freitag 18. Juni 2004, 07:29
- Motorrad: GSXR 1000
- Lieblingsstrecke: Poznan / Brno
- Wohnort: Celle/Adelheidsdorf
- Thorsten636 Offline
- Beiträge: 905
- Registriert: Freitag 14. November 2003, 11:03
- Wohnort: Gronau
-
- dude Offline
- Beiträge: 3698
- Registriert: Donnerstag 13. November 2003, 16:36
- Wohnort: Münster
- Kontaktdaten:
ah - ich bin also doch nicht alleine - inzwischen habe ich mich aber auch an das maternus gewöhnt (ist ja de facto das gleiche) und mich mit den plastikflaschen angefreundet.dafür hätte man früher 4 Paletten Karlsquell bekommen, dem ich übrigens immer noch hinterher trauere