
Schleiz bleibt Schleiz - wie es swingt und kracht...
Es ist eine alte Grundregel der Zünd-Kaste, dass man kein Rennen in Schleiz auslassen darf, wenn man nicht mindestens 41 Grad Fieber hat und/oder zu einem Barbecque mit Kevin Schwantz eingeladen ist. Alle anderen Lappalien wie Hochzeitsvorbereitungstanzkurse oder Nervquetschungen in den äußeren Extremitäten waren zu vernachlässigen.
Also schickte ich, nachdem klar war, dass ich wieder aufzündbar bin, sofort meine Nennung an Wolf Töns, der eigentlich gar kein Wolf war - er nennt sich nur so, um anzugeben und von seiner sonstigen Hässlichkeit abzulenken.
Pro Thunder nannte sich die Klasse, in der ich mit meiner getreuen Super Duke starten sollte. „Für Donner“... Ja, das war etwas, für das man sein konnte. Donner war gut. Einmal, im Ferienlager, da hat es auch gedonnert, als die Mädchen sich die Flöten... aber ich schweife ab...
Auf der Starterliste erblickte ich einen der deutschsprachigen Helden meiner Jugend. Die hießen damals Bruno Baumann, Achim Penisch, Andy Hofmann, Harald Kitsch, und eben Toni Heiler. Toni war mit einer Moto Morini Corsaro am Start, und ich freute mich logarithmisch, dass es mir nach meiner fast zweijährigen Zwangspause vergönnt war, nochmal mit Toni die Klingen zu kreuzen. Das allein war das Startgeld schon wert...
Ich kam am Donnerstagabend im schönsten Fahrerlager der Welt an, und wurde sofort wieder gefangengenommen von diesem herrlichen Rennsportflair, das es nur in Schleiz gibt. Jeder Baum und jeder Stein riecht dort nach Benzin, und ich bin mir sicher, dass die Männer in Schleiz, vor allem die über 60, manchmal nachts aufstehen, in die Garage gehen, und mit verträumten Augen an einer Dose TTS schnuppern, während die Mandy selig im Ehebett schlummert.
Weil ich so hübsch und lieb bin, durfte ich mit ins riesige Zelt von Daniel Puffe, dem äußerst vernünftigen und coolen Schützling von MetalliPenz13, bei dem sich mein kleinerer Freund Horstu Saiga eingemietet hatte. Dort war es schön. Natürlich schluf ich wieder in einer Pension, wie es sich für einen Werksfahrer gehört. Meine Sekretärin hatte mich zu ihrer Belustigung in eine falsche Pension geschickt, aber dieser Spaß klärte sich dann beim Frühstück auf, und ich fuhr 134 m weiter in die Pension Hubertus. Harleyluja, ich war im Jägerhimmel gelandet. Der Plastik-Zahnputzbecher in Zinnoberbraun hätte mich schon stutzig machen sollen, und spätestens als ich mir nach dem duschen beim abtrocknen meiner zarten Haut die Schulter auskugelte, weil das Handtuch kleiner war als ein Blatt in meinem Schönschreibheft der zweiten Klasse, hätte ich diese Brutstätte des Irrsinns verlassen müssen, aber ich blieb.
Freitag, erster Turn freies Training. Ich schob die Super Duke raus, drückte auf das Damenknöpfchen, und nix tat sich. Batterie leer. Anschiebversuche scheitern natürlich kläglich. Einspritzer sind albern. Also überbrücken - Mopped läuft, aber das Training war rum. Zweiter Turn. Alles gut. Ich fuhr zum Vorstart mit den BT003-Pneus, und der Himmel öffnete seine Pforten. Da der zweite Felgensatz sicherheitshalber in Unna lag, war der Turn auch gestorben. Juhu.
Dritter Turn, trockene Verhältnisse, und die Super Duke donnerte vor sich hin. Ich stand am Vorstart, die Ampel ging auf grün, und endlich konnte ich diese Strecke, die ich so sehr liebe, wieder mit erhobenem Vorderrad begrüßen... Hätte mir das einer vor 2 Monaten gesagt, ich hätte ihn ausgelacht. Der herrliche Buchhübel, die Schussfahrt ins Tal, die neu asphaltierte Schikane, der Wahnsinn namens Seng, die Wheeliekuppe... einfach traumhaft, was sich dem Racerherz hier für Dimensionen öffnen. Als ich ein bisschen schneller wurde, merkte ich, dass das Federbein für den Buchhübel noch viel zu hart, und die Übersetzung auch nicht optimal war. Eine 1:40 stand auf dem Zeitenausdruck. Das war ausbaufähig. Ich muss noch vorausschicken, dass ich wegen meiner etwas kraftlosen rechten Hand mit ner Daumenbremse unterwegs war. Ich musste also links kuppeln und mit dem Daumen bremsen. Das ging nicht zusammen. Ich musste immer erst auskuppeln und zurückschalten, dann bremsen, und dann ggf. nochmal schalten. Das funktionierte in Oschersleben bei den ersten Ausfahrten schon prächtig, aber hier war es etwas diffiziler, weil ich z.B. nach der Seng vom 6. in den 2. zurück musste, und nach dem Bergabstück auch vom 6. in den 3. . Ich war aber zuversichtlich, dass ich hier noch eine Lösung finden würde.
Im Zeittraining fuhr ich dann mit weniger vorgespannter Feder und längerer, aber auch nicht perfekter Übersetzung ne 1:37,1 und stand damit auf dem 3. Startplatz. Toni auf der Morini mit ner sensationellen 34er-Zeit auf Pole, dahinter ein Ducatisto mit ner böse aussehenden 996 und 1:36irgendwas, auf 4 ein Aprilianer, und dazwischen der Dachrinnensäufer auf der Enduro. Was für ne lustige erste Reihe.


Am Freitagabend im Festzelt korealisierte ich dann mit Stefan S. und Christoph H., dem letztjährigen T-Cup-Gesamtsieger, über das am Samstag zu fahrende Rennen. Christoph stand in Reihe 2 mit seiner Street Triple (auf Pole der getrennt gewerteten Pro Bears-Klasse, was übersetzt „Für Bären“ bedeutet), und wir waren uns einig, dass wir zusammen ein wenig Spaß haben sollten. Er war sich sicher, mit der Streety 36 fahren zu können. Ich spekulierte auf ne 35, also würde das schon passen. Es reichte ja, wenn er am Ende hinter mir war, denn wir waren ja nicht zum Spaß hier.
Den Samstag eröffnete mein Carnal Saiga mit einem Paukenschlag. Er fuhr ein geniales Rennen im ersten Lauf der gemeinsam startenden Schweizer und Österreichischen Meisterschaft, und kämpfte Andy Meklau nieder, was mich brutalst freute. Hab mich selten so über etwas gefreut, das mich eigentlich gar nicht persönlich betrifft...

Die „Für Donner“ und die „Für Bären“-Fahrer durften ihr Rennen am Samstag als letzte fahren. Wahrscheinlich wollte man den Zuschauern einen angenehmen Klangteppich auf den Nachhauseweg mitgeben. Ich fand dies sehr gut, weil ich gerne bei untergehender Sonne fahre. In der Startaufstellung standen schon die Gridgirls und warteten auf ihre Reiter ähem Fahrer. Was für ne Show... Sowas gab es wirklich nur hier in Schleiz und bei der Speedweek.



Der Start in die Warm-Up-Lap klappte noch hervorragend, aber ich wusste um die Kapriziösität meiner Kupplung. Wie erwartet ließ sie sich auch diesmal etwas lange bitten, so dass ich nur noch als 5. auf den Buchhübel kam. Christoph hatte mich tatsächlich noch überholt, und mit ihm der Aprilianer auf der gut andrückenden Spezial-Factory-schlagmichtot. Vorne sah ich Toni und den Ducatisto schon enteilen, und verabschiedete mich nach 2 Runden schon mal gedanklich von der 35er-Zeit. Hier ging es nur darum, die beiden Streithähne vor mir in Schach zu halten, und am Ende zuzuschlagen, wenn sie es nicht mehr erwarteten. Der Aprilianer konnte sich gegen Rennmitte etwas absetzen, aber Christoph und ich holten ihn schnell wieder, weil er ein paar Verbremser eingebaut hatte.

Die Street Triple ging wirklich unglaublich gut. Ich konnte ums Verrecken nicht mal aus dem Windschatten überholen, aber ich wusste ein paar Ecken, wo ich schneller konnte. Noch 2 Runden. Der Aprilianer war vorn, aber er war mit den Nerven am Ende. Ich sah das Adrenalin aus seinem Helm tropfen, und er verbremste sich fast vor jeder Kurve. Christoph hatte das sicher auch bemerkt, also musste ich an Christoph vorbei, bevor er am Aprilianer vorbei ging und davonfuhr. Ich fuhr die letzte Schikane am Ende der zweitletzten Runde am Limit, um in Christophs Windschatten herauszukommen. Das klappte vorzüglich, und am Ende der Zielgeraden scherte ich nach links aus und bremste einfach mal 15 m später. Ich kam leicht ins Rutschen in der schnellen Links, aber ich war vorbei.
Ich rechnete überall mit einer neben mir auftauchenden weißen Triumph, aber Christoph hielt sich zurück. Der Aprilianer sollte vor der allerletzten Schikane fällig sein. Dort hatte er sich bisher fast immer verschätzt. Ich hielt mich nach dem obligatorischen Kuppenwheelie einfach rechts, bremste auf der allerletzten Rille auf den Scheitelpunkt der Rechts zu, der Aprilianer verbremste sich wie vermutet, musste weit gehen, und damit war ich jetzt genau rechts neben ihm. Da die folgende und letzte Kurve eine Linkskurve war, konnte er nicht mehr kontern, weil ich auf meiner Enduro ja größer und wendiger war.

Ich schaffte sogar noch einen kurzen Zielwheelie, konnte aber leider keine Burnout-Show für die Spektatoren machen, weil ich dachte, dass ich den Reifen noch fürs nächste Rennen brauchen würde.
Dennoch machte ich kurz vor dem Podest noch einen sehenswerten, mit Sicherheit in der Form noch nie da gewesenen Stunt. Ich stand auf, jubelte in die Kamera von Horsts Freundin Tam, kam bei meinen albernen Verrenkungen an den Bremshebel der Daumenbremse, und legte einen amtlichen Schrägstoppie hin, in dessen Verlauf ich nach einem fast perfekten Handstand durch die Schwerkraft nach rechts abgeworfen wurde, und neben der Super Duke lag. Wild brüllend vor Scham und Spaß hob ich das Mopped mit Carsten wieder auf, und freute mir mehrere Äste über dieses geile Rennen. Die Duke hatte bei dem Stunt ein Leck am Kupplungsdeckel erlitten und troff nun auf dem grünen Teppich vor sich hin. Egal, ich stand auf dem dritthöchsten Podest des Podiums in Schleiz, schaute zum Himmel, und war einfach nur glücklich.
Dass Glück und Pech manchmal nah beieinander liegen, merkte ich ein paar Minuten später, als ich erfuhr, dass mein 5-jähriger Sohn beim Spielen mit dem Sohn einer Bekannten eine Gartenhacke in den Kopf bekommen hatte, was ihm zwei Platzwunden und nen ziemlichen Schock eingebracht hatte. Ich beschränkte also die Feierlichkeiten ein wenig (das holen wir aber nach!), ließ den zweiten Lauf sausen, und fuhr am Sonntag früh gen Heimat, um meinen Kleinen zu trösten.
Pech war auch, dass der Vowuhila-Jägerwirt meiner Pängsion mir bei meiner Abreise dann 3 Übernachtungen berechnete, obwohl ich durch das Missverständnis mit meiner Privatsekretärin ja nur 2 Nächte dort war, und die erste Nacht natürlich in der anderen Pängsion bezahlt hatte. Auf meinen Hinweis, dass es doch nur 2 Nächte waren, wurde er ganz rot und laut, und meinte, ich hätte für 3 Nächte reserviert gehabt, und überhaupt sei das ja wohl eine Unverschämtheit. Ich hab mir überlegt, einfach zu gehen, nachdem ich die 600 Jagdtrophäen von den Wänden gehauen hätte, die mich schon beim Frühstück so blöd anstarrt hatten, aber ich hab ihm dann noch 10 Öre mehr gegeben, damit er sich und seine Partnerin mal wieder zum Frisör schicken oder wenigstens Schampuu kaufen kann. Waidmannsheil! Nächstes mal schlaf ich wieder im Auto...

Danke an Horst und das ganze Adi Moto-Team für ein geniales Wochenende! Ihr seid die Besten!
Und natürlich ein Grazie al lupus an alle von Art Motor! Beim Biketoberfest bin ich spätestens wieder dabei...
Für Donner!!