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Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

Infos zu und mit Veranstaltern, aber auch zu anderen Themen,
über die es sich lohnt zu sprechen!

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Beitrag von marq »

turbostef hat geschrieben: Donnerstag 26. September 2024, 09:58 Wenn man das so liest kommt mir ein Spruch meines alten Chefs in Erinnerung. Der kam immer mittags rein uns fragte "Macht es noch Spaß?" :D
🙂

Wie immer vorzügliches Geschreibsel, Madame!
Sehr passend zur fast-Oktober-Sonne die mir grad bei Kaffee auf der Terrasse auf den Pelz knallt... 😎💪👍
Hier geht's zum Original :arrow: Wheelbagz Rädertaschen!
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Beitrag von Vusi »

Äh was is den hier mit dem Geschreibsel oder wird der Haus eigene Mechaniker wegen dem Assen und Mugelo Fauxpass in der Haus eigenen Folterkammer gefoltert?
Die Berichte von Most Assen und Mugello fehlen doch. Und meine Depression paart sich jetzt schon mit Winterdepression, da brauche ich doch aufheiternde Geschichten oder vorzügliches Geschreibsel.
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Tut mir leid, mein Lieber, vielleicht schaff ich am Donnerstag im Hotel was.
:horseshit:

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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Wir waren die einzigen Gäste, die noch zum Frühstücken übriggeblieben waren. Alle übrigen hatten gegen acht den Parkplatz geräumt. Bevor die ungnädige Sonne wieder hervorkam, goss der Hotelchef Bergenien, von denen nicht mehr virl übrig war. Wir scherzten, Kakteen wären vielleicht die bessere Wahl. Mit Sorge dachte ich an meinen kleinen Hausgarten, die Nachbarin, die für ihre Dienste immer zu wenig für sich erntete, und Monstergurken. Es war ein Traumsommer. Für die Agrarwirtschaft in Südeuropa eher ein Albtraumsommer. Die Chlorfahne aus dem Pool waberte uns um die Beine, während wir alles (auch die Videomaschinerie für die hintere Sitzreihe) verstauten. Ich versuchte, die Spuren des Ginsterbusches zu ignorieren und nahm auf dem Fahrersitz platz.

Auf vielleicht ein Wiedersehen, Mugello. Falls nochmal jemand herfahren würde, konnte ich ja zum Essen mitkommen. Das lohnte sich immer.

Bergauf, bergab, Bologna. Es lief gut. Bis kurz vor dem Brennerabzweig bei Verona. An der Tankstelle davor begann es, sich zu knüllen. Minuten später ging nichts mehr. Mann wies mich an, die Spur zu wechseln. Angesichts der italienischen Wuselei, die sich im linken Außenspiegel mit Lastgeschossen abwechselte, war Abwarten die bessere Wahl. Und dann das: Blaulicht über die Standspur (das hatten wir gelernt - Italien nix Rettungsgasse), ein Feuerwehrfahrzeug, Ambulanz und kurze Zeit später "Bobb bobb bobb bobb bobb" von oben. Der Heli kreiste und fand, wie es aussah, keinen Landeplatz auf der Raststätte. "Besser dahinter als mittendrin", dachte ich mir und folgte geduldig dem Verkehr, der sich kreativ in neue Spuren sortierte. Jeder fuhr irgendwie irgendwo. Und dazwischen wir. Ein Flashback nach Rimini, Mai 2023. Italiener konnten Chaos. Leider konnten sie auch wie blöd irgendwo draufzuheizen, um dann voll in die Eisen zu gehen. Sicherheitsabstände waren offensichtlich was für Nordeuropäer.

Auf der rechten Spur stand ein völlig zusammengeschobener silberner BMW-Kleinerwagen. Wie immer schaute ich explizit nicht hin, konnte aber hören, dass der Fahrer offensichtlich noch hinter dem Lenkrad klemmte. Mit flauem Bauch und aufgestellten Nackenhaaren wünschte ich alles Gute. Bis zum Gardasee ging es dann wie erwartet weiter und mal wieder an der riesigen Schraube (beim nächsten Mal machen wir ein Foto, bestimmt!) und an Pappeln in Reih und Glied vorbei. Wer braucht so viele Pappeln, dass man davon Plantagen braucht? Bauen die damit Geigen?!?

Mit Touristen-Stopp-and-Go schafften wir es dann auch über den Brenner. Leider hatten wir durch die Verkehrslage etwa 2 Stunden verloren. Heute Abend gab es wohl kein odentliches Essen. Und obwohl sie sich Mühe gab, die oberpfälzische Landschaft zu bewundern, Mutti war müde. Also durfte sich die letzten Kilometer der Henning über die Navigationskapazitäten vom Besten oder Nichts erfreuen.

Bevor es völlig dunkel war, stand der Deseo auf einem Schotterplatz vorm Landhotel Aschenbrenner. Eine Empfehlung von Herrn S.H. aus A., die konnte ja nicht schlecht sein. Teil 1 der Rundreise war vorbei. Jetzt war Urlaub mit Luftmuseum, Shopping und zwei Tagen Low-Budget-Freibad angesagt. Eine Fledermaushöhle gab es noch obendrauf, schließlich muss man ja auch mal was erleben. Das Schwimmen tat recht gut, allerdings merkte ich noch am dritten Tag nach Mugello noch den Rücken. Dieser 200er hatte mich fertiggemacht. Vielleicht müsste ich mich weiterhin fertigmachen lassen, auch in Most sollte es heiß werden - und vielleicht bekam ich den V02 nicht in den Griff und müsste wieder 200er fahren, die unser Henning extra in der Gegend aufgetrieben und abgeholt hatte. Mit Grauen dachte ich an die engen Ecken von Most und fragte mich, ob ich noch so viel Kraft hatte. Die Muskeln wollten und wollten nicht regenerieren.

Am Sonntag, nach einem ausgedehnten Frühstück, ging es weiter nach Most. Wir pokerten mit der Anreise. Nicht selten hatten wir Anreisende gesehen, die vor dem großen Ansturm einfach reinfahren durften. Wir hatten ja Kinder, da müsste doch was gehen. Irgend eine Tränendrüse konnte man bestimmt drücken. Stundenlang unten auf dem Schotterplatz zu warten, war nicht das, was wir den lieben Kleinen zumuten wollten. Und wenn doch, dann könnten wir eventuell diesen Badesee ausprobieren, zu dem schon so viele aus dem Fahrerlager gegangen waren.

Niemand musste baden. Wir durften rein. Ich parkte erst einmal alles, um zu prüfen, wer noch blieb und wer wann abreisen wollte. Des Irokesenmannes ganze "i"-Mannschaft wollte anrücken, der Münzi, der Tobi, der Vusi, und dem Münzi sein Junior...die wollten einen Zaun (besser war das), wir wollten ein Klo (besser war auch das). Und als ich den perfekten Platz gefunden hatte, musste ich nur noch mit dem Henning diskutieren, warum der Platz gut war, und wieso man da jetzt einparken sollte. Und vor allem wie und wo und dass da schon genug Platz war, weil die anderen ja abreisten. :bang:

Während wir langsam Krams ausluden, fuhren die Masters of German Moto noch um die Wette. Von den beiden Kollegen neben uns hatte sogar einer ein Halstuch. Wahrscheinlich war das nass, sonst konnte ich mir das nicht erklären, schließlich waren schon wieder 30°C im Schatten. Und während ich so auf das Halstuch stierte, fiel mir auf, dass der Helm nicht zugemacht war. Nervosität vorm Rennen, kann ja mal passieren. Er war sogar überrascht, als ich ihn anhielt. Festmachen wollte er dann selbst, ich stand aber noch brav daneben, um Handschuhe oder sonstwas aufzuheben, was möglicherweise runterfiel. Das Rennen wurde schnell wieder abgebrochen, und die Nachbarn räumten zusammen. Das Fahrerlager leerte sich nach und nach.

Und niemand kam rein. Nur der Vusi, der hatte ein Fahrrad. Auf einmal lachte er mich an und bedeutete, wir mögen jetzt auf die Burg.

Die Burg. Seit ich zum ersten mal in Most gewesen war, ging es nicht mehr weg, dieses "irgendwann müssen wir auch mal auf die Burg". Ich sah den Vusi an. Ich sah sein Fahrrad an, mein Fahrrad. Ich sah meine Tochter an: "darf ich mir deinen Helm ausleihen" Minuten später hatte ich einen in Bronze-Metallic glänzenden Helm auf der Rübe und schnaufte den Berg hoch. Nicht, dass mein rechtes Bein nicht mehr morsch gewesen wäre, neeeeeiiiiiin, ich hatte eine Mission! Wer sagt, er muss irgendwann mal auf die Burg, muss auf die Burg!

Und außerdem gab es auch eine kleine Nostalgiebewältigungsaktion. Während ich schnaufte, und immer kleinere Gänge suchte, hatte ich vergessen, dass ich auf dem Zweitfahrrad saß, das schon seit Jahren niemand mehr eingestellt hatte. "Klack, krrrrrk", nichts ging mehr. Während ich noch nach Erklärungen suchte, machte sich der Vusi daran, die Kette aus wieder dem Kurbelgehäuse zu entfernen. Oben war die Burg, unten war die Schmach. Ich musste da rauf. Aber besser wäre es doch, wenn ich zumindest zwischendurch mal auf dem Fahrrad sitzen konnte, vor allem bergab. Glücklicherweise war nichts gerissen, so dass ich weiter treten konnte - bis ich wieder absteigen musste und schob.

Schieben, die Pein für jeden Mountainbiker. Gefahren! Es wird gefahren!!! Offensichtlich war der Vusi kein Hardcoremountainbiker bzw. hatte längst erkannt, dass meine Möhre dazu nicht taugte. Dass ich dazu nicht taugte, erklärte ich während ich schnaufte und japste. Zwischen Herzrythmusstörungen und Luftnot war es schwer, noch eine Unterhaltung zu führen. Ich war für Spitzenlast nicht ausgelegt. Ich konnte Ausdauer. Das war schon immer so und wird sich nicht ändern. Vermutlich hatte ich auch noch irgend so einen Herzfehler, Also gab ich mir Mühe, tief durchzuatmen und fleißig Wasser zu trinken. Das letzte Stück durch den Wald klappte sogar relativ gut. Oben angekommen, konnten wir die herrliche Aussicht, die Wasser-Vernebelungsanlage und Aperol-Spritz genießen.
Während meine Haare langsam nicht mehr Schweißnass, sondern Nass-nass wurden, unterhielten wir uns über Rastlosigkeit, Entscheidungen, vor die man gestellt wird, und wie schwer es manchmal war, seinen Platz im Leben zu finden, ohne dabei ausgenutzt, süchtig oder irre zu werden.

Ich war endlich auf der Burg gewesen. Und das sogar mit dem Fahrrad. Ich hatte geschoben, aber ich war oben. Während ich die Straße runterrollte, ging Vusi offroad. Ich musste nicht allzulange warten, dann rollten wir den Rest zusammen.

Vielleicht hatte ich doch Freunde. Es fühlte sich fast so an.
:horseshit:

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Beitrag von Vusi »

Es war trotz emotionaler Nostalgiebewältigung schön auf der Burg zu sein.
Der Aperol, der Sprüh Nebel, die Aussicht, das Gespräch, die Abfahrt und dann die folgenden Angst und Ambitionen der unter 1:50 rum zu beschleunigen eben so schön.
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  • campari Offline
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Ich war soooo froh, dass ich die kleine Auszeit genommen hatte, die Laune unseres Hennings war in der Zwischenzeit nicht besser geworden - und ich hatte das gern verpasst. Unser Henning schniefte. Oooooh, die Fledermaushöhle war vielleicht doch keine gute Idee gewesen. Glücklicherweise hatten wir einen unschlagbar guten Standplatz, nicht weit weg vom roten Klohaus, nicht weit weg von einem Zaun.

Aber sehr weit weg von einer technischen Abnahme. Und die war hier Pflicht. Oh, je. Ich hasste zur Abnahme Müssen in Most. Ich hasste es, nackig auf dem Moped zu sitzen, weswegen ich mich meistens darum drückte. Es wurde vorzugsweise geschoben. Ich wusste genau, wenn ich mit so wenig Schutzkleidung unterwegs war, musste etwas passieren. Und in solchen Fällen passierten die dümmsten Sachen. Vor allem mir.

Also fuhr der Henning. Und er kam mit einem Lachen wieder: Man hätte ihm versichert, er würde sich schnell an die Umkehrschaltung gewöhnen. Wer auch immer hatte also so genau hingesehen, dass er verstand, was die beiden gelben Aufkleber zu sagen hatten. Rauf = Runter. Es passierten immer weniger Ausfälle, aber ich ließ sie lieber dran. Seufz. Auch die Kindschaft hatte gute Laune, hatte man doch die Gelegenheit gehabt, sich mit lustigen Tieraufklebern einzudecken. Ich weiß nicht mehr genau, wann die Kunde von der Slush-Maschine (was für ein Dreckszeug - es fiel mir schwer, meine Jugendsünden wiederholt zu sehen...) die gute Laune in Ekstase steigerte, aber diese Veranstaltung ging sehr gut los, obwohl sie noch gar nicht richtig angefangen hatte.

Das lezte Mal waren wir mit den Schleiflingen hier gewesen. Jeder Turn ein Abbruch - ich konnte immer noch den Kopf darüber schütteln. Irokesenmann hatte mir versichert, dass wir mit Panther gut bedient sein würden. Und er musste es wissen, denn er hatte sich gerade wieder aus seiner fremdunfallbedingten Teilnehmerskepsis herausgearbeitet.

Und für unseren Henning war das die erste Veranstaltung überhaupt mit der R1. Er hatte Not. Er musste nachlegen. Eine 1:50 irgendwas aus einem 6er Rennen mit HPS musste unterboten werden, hörte ich jetzt schon seit Tagen. Ich war froh, dass mir die Schleiflinge eine 1:53 gegönnt hatten, was bei all dem Chaos eine respektable Leistung war. Fand ich. Aber zufrieden war ich damit nicht.

Der Vusi war damit auch nicht zufrieden. Der war der Ansicht, ich müsse doch hier auch ne 1:50 zusammenbringen. Und wenn ich ihm die beigebracht hatte, dann würde er mich auf irgendwas darunter ziehen. OK, Träume darf Mann ja haben. Und was auch immer ich tun konnte, wollte ich gern tun, wenn es dabei half, seine Fähigkeiten nach seinem Crash wieder voll zu rehabilitieren. Ich hatte oft darüber nachgedacht, was ich wohl gemacht hätte, nach einem solch fiesen Abstieg. Ich vermute, es wäre wirklich das Karriereende gewesen.

Wir hatten also drei Tage für drei Sekunden. Das klang plausibel.


Wir hatten drei Tage. Und ich hatte immer noch Muskelkater. Oder vielleicht auch schon wieder. Schließlich war ich ordentlich schwimmen die letzten zwei Tage. Also ging es ab ins mobile Bettchen mit dem Vorsatz, gut ausgeruht in den nächsten Tag zu starten. Der Henning sah das anders. Er schniefte die Bude derart zusammen, dass an schlafen nicht zu denken war. Die Fledermaus war offensichtlich doch zu nah rangeflogen. Oder er hatte was angeschleppt von diesem Typen, von dem er noch schnell am letzten Samstag hitzetaugliche Hinterreifen abgeholt hatte. Auf jeden Fall brodelte da was vor sich hin. Eigentlich konnte ich jetzt schon runterzählen, wie viele Tage ich noch hatte, bis es mich auch erwischte. Vielleicht drei, vielleicht fünf. Viel mehr waren wohl nicht drin.
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Beitrag von Vusi »

:shit: ach herrlich mit der Kindschaft slushen bis der Gehirnfrost einsetzt. :mrgreen:
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Beitrag von Vusi »

Most Campari.jpg
es war auf jeden fall anstrengend aber auch schön.

Und zum Thema fieser Crash und was tuen, ich habe ja ne BMW als Objekt des Therapeutischen Schraubens ausgewählt. Da muss man ja dann auch ne ausgiebige Funktionsprüfung anschließend durch führen. :rockout:
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

"Abperlen lassen", sagte Vusi. Und ich sah ihn mit großen Augen an. Das konnte er nicht ernst meinen. Ich hatte gesehen, wie Konfliktstange fast den Irokesenmann abgeräumt hatte. Und obwohl der sich die Zeit genommen hatte, Konfliktstange aufzusuchen und das Ganze mal aus seiner Perspektive zu beleuchten, hatte Konfliktstange im Turn darauf nichts besseres zu tun, als auch mir voll in die Linie zu ziehen. "Abperlen lassen, doch, doch", Vusi unterstrich noch einmal, dass das schon helfen würde bei so Kandidaten.

Konfliktstange fand sich total OK, so viel war rübergekommen, als wir mit ihm geredet hatten. Aber er hatte fast so ausgesehen, als könnte er ins Nachdenken kommen. Das hatte allerdings absolut nicht funktioniert. Er fuhr weiter seine Schlenker, holte weit von außen aus, um dann darauf zu scheißen, wer innen eigentlich gerade durchfuhr und dann am Horizont verschwinden wollte. Wer auch immer das vorhatte, durfte wegen Konfliktstange eine Notbremsung machen, weil der einfach in die Linie reinzog. Und wenn wir von innen vorbei reden, dann reden wir von richtig vorbei und nicht nur 5cm des Vorderrades. Ich beschloss, definitiv nichts abperlen zu lassen, was mit Konfliktstange zu tun hatte.

Nach dem nächsten Turn sah auch Vusi das anders. Abperlen lassen hatte nicht funktioniert. Mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Entsetzen darüber, dass man so unsicher fahren konnte, ließ er verlauten, er würde jetzt zur Anmeldung gehen und erklären, dass man jetzt sehr schnell dafür sorgen müsse, dass Konfliktstange sich benehmen würde - oder er würde dafür selbst sorgen, wenn es nochmal passieren würde. Er stiefelte los.

Ich hoffte, dass ich in der Zeitenliste ausreichend Abstand zu Konfliktstange hatte und den Penner nach der Umgruppierung loswäre. So richtig geschaut hatte ich noch nicht. Unser Henning schon. Und als ob eine gewisse Grundgereiztheit wegen einer Erkältung nicht schon genug wäre, er gönnte sich auch noch den Frust über seine Langsamkeit. Weder war er schneller als ich, noch als mit der R6. Und das, obwohl wir doch drei Tage hatten.

Gegen Mittag wurde es, wie unsere Nachbarn äußerten, heiß. Ich fand es angenehm warm. Mugello hatte mich gut trainiert. Und ich war froh über meinen 180er, der so viel einfacher um die Kurve ging. Überhaupt war Most im Vergleich zu Mugello kaum anstrengend. Der V02 schien das genau so zu sehen. Er sah endlich wieder aus, wie ein Reifen aussehen sollte. Meine fast-Abflug-Stelle aus Juni mied ich immer noch, aber ansonsten war ich sehr zufrieden mit seiner Performanz. Ob es an den 5 Kelvin weniger Außentemperatur lag oder daran, dass das hier kein Hochgeschwindigkeits-Dauerbeschleunigungskurs war, war mir nicht ganz klar, aber Hauptsache er funktionierte.

Wir waren hier beim krassen Gegenprogramm zu den Schleiflingen. Alles ruhig, einfach nur Fahren, kein Chaos. Allein Konfliktstange hatte sich offensichtlich in der Veranstaltung geirrt. Ich konnte dem Irokesenmann zustimmen: Panther-Racing - zu empfehlen.

Ich war überzeugt, die Kindschaft würde dieselbe Bewertung geben, wenn auch aus völlig unterschiedlichen Gründen. Sie hatten Tieraufkleber abgestaubt, und Vusi hatte sie auf einen Slush mitgenommen. Ich musste mein gesamtes Ernährungsverständnis ignorieren und versuchte, mich mit einem "das haben sie verdient" zu überzeugen. Überhaupt war die Fahrerlager-WG ganz fantastisch. Am meisten Spaß hatten die beiden mit Tobi, der ihnen immer wieder erklärte, wann Ebraham denn nun endlich das Zebraham durfte. Ein Flachwitz nach dem anderen kullerte auf den Boden. Und was die anderen eher mit Augenrollen und dem Ruf, Tobi solle endlich wieder seine Niveauheber nehmen, beantworteten, amüsierte zwei kleine Menschen ganz vorzüglich.

Es war alles prima. Also fast alles. Den motzigen Mann waren wir gewohnt. Was mir neben der zu erwartenden Rüsselseuche Sorgen bereitete, war dass meine Kaiserschnitt-Narbe die ganze Zeit zwickte und brannte. Das hieß nichts Gutes. Wir durften Regen erwarten. Ich behielt das lieber für mich. Mir würde eh niemand glauben angesichts des wunderschönen Sonnenscheines.
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Vielleicht hatte die Narbe ja unrecht, es konnte ja sein, dass Regen in Portimao, Misano, Aragon und natürlich zuhause nur zufällig mit einer Bindegewebssymptomatik zusammenhing. Ich seufzte. Hexe, Hexe, verbrennt sie.

Was man besser hätte verbrennen sollen, waren die vollgeschnuffelten Taschentücher, die unser Henning liebevoll im Anhänger dekoriert hatte. Widerwillig musste ich akzeptieren, dass der, den wir besser mit "Eure Pestillenz" angesprochen hätten, mit uns allen zusammen in einer Plastikkiste schlief. Ich dachte an den Termin in Assen, wo ich den fiebernden Hals-Trockenhusten-Kranken zumindest unten auf der Pritsche parken konnte. Geholfen hatte es dennoch nichts, nicht mal drei Tage später war ich dran. Fledermaus. Immer wieder Fledermaus. Ein Labor konnte es in diesem Fall zumindest nicht gewesen sein. Wann auch immer es mich erwischen würde, ich konnte es nicht ändern. Ich hoffte nur, dass ich rechtzeitig vor dem Assentermin in einer Woche damit durch war. Dieser August war voll mit Terminen, was für ein Stress...

Ich nutzte jede Gelegenheit, um den äußerst gefrusteten R1-Fahrer darauf anzusprechen, dass es vielleicht mal hilfreich sein könne, eventuell, möglicherweise vielleicht mal diesen ganzen Rundenzeitenscheiß-beste-Runde-Blinkikram überzukleben und sich einfach mal wieder aufs Fahren zu konzentrieren. Mit Sorge hatte ich beobachtet, dass er zwar schneller fuhr als ich, aber wieder in alte Muster zurückgefallen war. Er fuhr Schlenker, total sinnbefreite Linien und verschenkte Zeit, um sie durch wie doof spät bremsen wieder zu gewinnen, natürlich mit Schlenkern und sinnbefreiten Linien.
Von mir wollte er das nicht hören. Es war sinnlos. Ich hörte immer dasselbe als Antwort: er würde ja gar nicht hinsehen, die Zeiten wären ja gar nicht wichtig (aaaah-ha, woher dann immer die miese Laune, sobald ich rankam oder schneller war?), das wäre eben die schnelle Linie...und selbstverständlich konnte doch bei einem so besonderen Menschen das nicht helfen, was allen hilft: einfach mal den Zeitenquatsch weglassen.
Aus Trotz hatte ich ihm schon länger verboten, hinter mir herzufahren. Wundersamerweise gelang es ihm danach meistens, schneller zu fahren. Aber an einer besseren Linie, daran sollte das nicht liegen. Ich hatte keine Lust auf linienschmarotzende Beratungsresistenzler. Sollte er doch seinen schnelle-Linien-Scheiß alleine machen. Erwischte ich aus Versehen mal einen Platz hinter ihm auf der Strecke, resultierte das sofort in zusätzlichem Sicherheitsabstand angesichts der Fahrkünste.

Unser Henning war dabei, das Fahren wieder zu verlernen.

Ich gab mir Mühe, das Fahren zu verbessern. Jahrelang war jetzt mein Tachozugeklebt, bis auf die wichtigen Infos und Lämpchen. Und ich schaute mal auf die Liste, wenn es mich wirklich interessierte. Ja, es war manchmal schade, nicht direkt nachmessen zu können, was jetzt wann wo besser war, aber ich hatte auch so immer wieder geschafft, mich zu verbessern. So schlecht konnte ich nicht sein, wenn ich öfters auch als geheime Geheiminstruktorin - frei nach dem Motto: kannst hinterherfahren, wenn du dranbleibst, OK, wenn nicht, Pech gehabt - unterwegs war.
Und auch hier in Most hatte man, also konkret zwei Männer, mich gebeten, dass ich ne Weile vorfahren sollte, damit man sich wieder eingrooven könne. Der eigene Mann wollte mich darum nie bitten. Das wäre ja ein Eingeständnis.

Heute war alles gut gelaufen. Morgen wollten wir damit weitermachen. Und während mich meine Narbe leise daran erinnerte, dass das Wetter nicht halten sollte, gab ich mir Mühe entspannten Schnellheitsschlaf zu finden. Zufrieden damit, dass Konfliktstange morgen wirklich in einer langsameren Gruppe sein Unwesen trieb, war das gar nicht so schwer.
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