Okay, wir haben mittlerweile den September 2006 erreicht...
Nachdem ich es geschafft hatte, neben der Renovierung des frisch erworbenen Eigenheimes (boah, solche Schulden hatte ich noch nie am Arsch...) hab ich es dann doch geschafft der 8er einen Ölwechsel, frische Zündkerzen und einen Zahnriemenwechsel zu verpassen. Die Ventile hab ich dann noch von jemandem einstellen lassen, der im Gegensatz zu mir, weiß, was er da tut... - und dann hab ich sogar ein paar Kilometer auf der Landstraße abgespult. Herrlich, ich wusste gar nicht mehr, wie viel Spaß das machen kann.
Pünktlich zum Ende des September war ich soweit auch fertig, dank des Umzugs- und Umbaustresses passte mein Kushitani-Einteiler sogar wieder so, dass ich ohne Atemnot den Reissverschluss schliessen konnte! Wow, dass ich das noch erleben durfte. Ich fühlte mich schlank wie ein Reh (andere behaupten, ich verwechsele Rehe mit den netten Tierchen mit großen Ohren und langem Rüssel...

Da ich ja einige Jährchen nicht mehr in Sachen Rundkurs aktiv gewesen bin, entschloss ich mich dann dazu in der langsamen Gruppe zu starten. Vielleicht würde ich dadurch ja sogar in den Genuss kommen, den einen oder anderen Überholvorgang erfolgreich zu vollstrecken!

Montag, relativ früh, der Tag zeigte sich von einer schönen spätsommerlichen / frühherbstlichen Seite, die Fahrerbesprechung war ganz entspannt und dann startete ich zu meinem ersten Turn seit einigen Jahren. Am Anfang noch eher "wackelig" und recht unsicher, machten die folgenden Runden immer mehr Spaß und dann hörte ich dieses, mir sehr wohl gut bekannte Geräusch...
das Geräusch von auf dem Asphalt schleifendem Plastik...
Keine Sorge, ich hab das Motorrad in diesem Moment nicht versenkt, ich hab mit dem Knie geschliffen. Eine Sache, die in früheren Jahren eigentlich auf der Rennstrecke ganz normal für mich gewesen ist und die auch nicht weiter erwähnenswert war wurde plötzlich zu einem totalen Erfolgserlebnis für mich! Baylisstic... - ähem, sorry, dicker Bates war zurück und jetzt wollte er mehr!
Der Turn ging zu Ende, mein Freund Manni rückte in der mittleren Gruppe auf ZX-9 aus und ich betrachtete das Ganze im Infield. Hm, so schnell wie Manni war ich auch mal, aber heute bin ich davon noch meilenweit entfernt. Daran sollte ich arbeiten!
Der Turn von Manni war leider früher zu Ende als geplant, da es Ende Start/Ziel eine recht üble Kollision gab in die mehrere Fahrer/Motorräder verwickelt gewesen sind. Es gab auch mehrere Fahrer die sich offensichtlich doller weh getan hatten und es gab einen Abbruch der Sitzung. Tja, irgendwie beschlich mich zu diesem Zeitpunkt ein leicht komisches Gefühl, was ich aber recht schnell wieder ignorieren konnte.
Dann rückte die schnelle Gruppe aus, auch hier fuhr ein Bekannter von mir mit. Rüdiger auf TL1000R und Rüdiger brachte es auf Rundenzeiten im Bereich von 1.41 / 1.42 - ups, so schnell war ich noch nie. Nicht mal annähernd. Meine schnellste Zeit die ich mal in Oschersleben gefahren bin, war eine handgestoppte 1.46,8 - mit "richtiger" Messung wäre es wahrscheinlich eine Zeit im Bereich von 1.47 gewesen. Hm, 1.48 hab ich beim letzten Mal vor einigen Jahren geschafft, dachte ich so bei mir und ich dachte weiter, dass ich das vielleicht diesesmal auch wieder schaffen könnte. Allerdings hatte niemand eine Stop-Uhr dabei. War wahrscheinlich auch besser so, denn meine "gefühlte" Zeit lag irgendwo um die 2 Minuten. Und wenn ich dann noch gemessen worden wäre und hätte im Bereich von 2.00 Minuten oder schlimmer gelegen, ich hätte bestimmt geweint...
Nun ja, weiter gehts...
Als Rüdiger wieder von seinem Turn kam, machte ich mich bereit für meinen zweiten Turn und ich war mir sicher, dass ich jetzt zügiger um die Strecke kommen könnte als im ersten Turn. Also fuhr ich raus...
Runde 1 - es lief ganz okay, ich überholte und wurde von anderen überholt. Meine Entscheidung, in die Einsteigergruppe zu gehen war richtig. Die mittlere Gruppe wäre definitiv zu schnell für mich gewesen!
Runde 2 - ich liefere mir ein paar unterhaltsame Ausbrems- und Überholmanöver mit einer ZXR 750 - macht mir Spaß und dem Kawa-Fahrer genauso.
Runde 3 - eingangs der Hasseröder plötzlich Zündaussetzer an der Ducati. Es fühlt sich an, als ob ich keinen Sprit mehr habe, der Tank ist aber mindestens halbvoll. Na ja, wird sich schon wieder beruhigen. Also fahre ich weiter, was sich im nachhinein als grober Fehler erweist.
Runde 4 - die Start-/Ziel-gerade hinunter, ich habe Spaß und die Zündaussetzer hab ich auch ganz spontan wieder vergessen. Dann die Hotelkurve (irgendwie meine Lieblingskurve in Oschersleben!). Anbremsen, Einlenken und dann im Scheitelpunkt plötzlich wieder ganz massive Zündaussetzer... - bevor ich wirklich irgendwas nachdenken oder handeln kann lege ich den Highsider meines Lebens hin. Die 8er benimmt sich wie eine Mischung aus Rodeopferd und tollwütigem Hund und wirft mich gnadenlos nach rechts über den Tank bzw. über die Verkleidung. Ich sehe rot (den Tank), grün (das Gras) und blau (den Himmel) und dann seh ich gar nichts mehr und weiss auch nichts mehr. Ich kann mich nichtmal mehr an den Einschlag bzw. Aufprall erinnern.
Ich bin bewusstlos. So richtig, komplett. Ich meine keine Ohnmacht oder leichte Benommenheit, nein. Bei mir sind temporär die Lichter komplett aus. Den folgenden Teil kenn ich jetzt nur noch von Erzählungen...
Ich liege irgendwie mit komisch verdrehten Armen und Beinen in sehr eigentümlicher Haltung auf den Curbs (rechter Fahrbahnrand), die Ducati wohl auf der gegenüberliegenden Seite. Bewegen tue ich mich nicht, zu mir gesellt sich dann ein Streckenposten, der wohl auf mich einspricht. Die Sache dauert wohl so knapp eine Minute.
Tätärätä... - ich bin wieder wach und ab hier kommt der weitere Teil wieder aus eigener Erinnerung...
Irgendwie fühl ich mich komisch, wo ist mein Visier und warum hat das Biest mich einfach abgeworfen? Drecksstück, elendes! Ich bin in Runde vier, wenn ich mich beeile, dann schaff ich noch ein paar Runden! Also hoch, Norman! Hoch, verdammt! Steh auf. Geht aber nicht, irgendwie bin ich mehr am Krabbeln als am Laufen. Währenddessen versucht der Streckenposten mich auch noch am Aufstehen zu hindern. Ich versuche ihm klar zu machen, dass ich weiterfahren will. Irgendwann hab ich ein Einsehen, dass das wohl in diesem Turn nichts mehr wird und derweil kommt auch schon der NAW. Na bitte, geht doch mit dem Aufstehen! Ich stehe! Hurra! Ich lasse meine Blick schweifen und da liegt die arg mitgenomme Ducati. Hm, irgenwie tut sie mir ja leid, wie sie da so liegt. Auch wenn sie mich gerade böse geärgert hat.
Nun gut, man versichert mir, dass der Lumpensammler die 8er in unsere Box bringt und mich bringt man erstmal ins Medical-Center. Wow, was ist hier denn los??? Neben mir sind noch mindestens drei andere Fahrer in Behandlung. Kenn ich so gar nicht. Während ich so im Behandlungsraum liege und auf die Notärztin warte, frage ich mich, wieso meine Stürze eigentlich immer so fatal enden, dass ein weiteres Fahren, aufgrund der ganzen defekte am Motorrad, erstmal nicht möglich ist. Menno, kann ich nicht auch mal stürzen, wie jeder Andere? Einfach das Motorrad wieder aufheben und weiterfahren...
Nach einiger Zeit kommt die Ärztin, führt eine notfallmedizinische Untersuchung durch und stellt fest, dass ich bis auf eine Gehirnerschütterung und diverse Prellungen soweit unverletzt geblieben bin. Allerdings bekomme ich ein Fahrverbot für den Tag und mir wird viel Ruhe empfohlen. Irgendwie fühl ich mich immer noch recht benommen.
Ich watschel in ziemlich mitgenommener Kombi und mit vollkommen zerstörten Helm im Arm zurück zu unserer Box und erfahre erneut, was mir auch an der "Zynder-Gemeinschaft" so ungemein gefällt. Totale Hilfsbereitschaft!
Der Fahrer einer 1000er Gixxer aus der Nachbarbox, mit dem ich mich nur kurz, zwischen den Turns (er fuhr bei den schnellen Jungs) unterhalten habe, bietet mir Kaltmetall zum flicken meines durchgeschliffenen Wasserpumpendeckels an, ein anderer, ein Fireblade-Fahrer, auch aus einer benachbarten Box würde, wenn ich möchte einen Lenkerstummel zur Verfügung stellen... -wow, ich bin wirklich begeistert! Na ja, die Angobte brauchte ich nicht annehmen, weil ich eh Fahrverbot für den Rest des Tages hatte und ich irgendwie immer noch leicht benommen war. Ich hab`s mir dann im Liegestuhl in der Box bequem gemacht und Zuschauer gespielt. Zwischendurch hab ich mir meine recht übel mitgenommen Ducati angesehen und meine Stimmung sank immer weiter...
Ein paar Tage später, wieder zu Hause angekommen kamen mir dann die ersten Zweifel, ob es Sinn machen würde für mich, überhaupt wieder auf die Rennstrecke zu fahren. Erstens war ich sowieso nie wirklich schnell, zweitens hab ich oft genug auf der Nase gelegen, drittens war da die Sache mit dem Finanzen und viertens fand ich die Sache mit der Bewusstlosigkeit schon extrem beängstigend. Gebrochene Knochen, leichte bis mittlere Verbrennungen, Prellungen etc. - das hat mich nie wirklich gestört, das gehört zum Motorsport ja leider auch dazu. Aber diese Bewusstlosigkeit, nein, ganz ehrlich, das hat mir schon ein wenig Angst gemacht.
Dazu kam die Sache, dass meine Frau gerade Schwanger war und wenn ich mir dann vorstellte, dass ich mein Kind vielleicht nie zu Gesicht bekommen hätte... - das war der Super-Gau für mich. Leider hatte meine Frau eine Fehlgeburt und unser Sohn kam dann im Jahre 2008 zur Welt (aber das gehört hier nicht her...).
Na ja, um es kurz zu machen, ich hatte mich entschieden, das Aufzynden war für mich vorbei. Ich konnte die Sache mit der Bewusstlosigkeit einfach nicht wegstecken und bekam den Kopf davon nicht wieder frei.
Tja, da es ja bereits aus meinen Mitzynder-Kreisen geheissen hatte, mein verhalten wäre mädchenhaft (ich weiss, das war nur Spaß und ich hab das auch niemals anders aufgefasst!) wusste ich es... - ich war vom begeistern Zynder zum Anty-Zynd-Mädchen mutiert.
Und jetzt?
Tja, die 8er hab ich zum x-ten Mal wieder aufgebaut und bewege das Motorrad heute ab und zu mal auf der Straße.
Ursache des Sturzes in Oschersleben 2006 war übrigens ein defekter Pick-Up. Toll, wegen so einem blöden Teil hau ich mich so dermaßen aufs Maul...

So, und nun schreiben wir das Jahr 2009, ich hab schon ein paar entspannte, ganz lockere Landstraßenkilometer mit der 8er gefahren und da kommt mich irgendwann im Mai mein Kumpel Andy aus O. besuchen. Mit seinem neuen, gebrauchten Motorrad. Wie der bereits erwähnte Rüdiger hat er sich eine TL 1000 R von Suzuki gekauft. Allerdings ein wenig modifiziert... - mit Öhlins-Federbein, Felgen und Gabel der Kilo-Gixxer (glaub ich zumindest), einigem Kohlefaser-Schnick-Schnack und einer genial klingenden Auspuffanlage etc. etc. - ich mache eine Probefahrt und denke so, wow, die Maschine gefällt mir. Sowas wäre Ideal neben der Ducati als Motorrad für die Rennstrecke (ich stehe auf Zweizylinder, nebenbei bemerkt), die macht bestimmt richtig Laune!
Ertappt! Ich fühle mich, als ich diese Gedanken gerade zu ende gedacht habe regelrecht ertappt... - Rennstrecke? Ich? Niemals wieder, damit bin ich doch durch, oder???
Nun ja, ich gebe zu, ich hab schon das eine oder andere Mal meine Finanzen geprüft, im Netz nachgesehen, was man für ein TL R hinlegen muss usw. - aber ich will so ein Ding ja auch nur als Sporttourer neben der Ducati haben. Glaub ich...
Okay, hier wären wir am Ende meiner Geschichte.
Glimmt vielleicht doch noch ein wenig Zynder in mir oder woher kommen diese Ideen mit der TL R???
Keine Ahnung, nur habe ich das Gefühl, dass ich mit dem Zynden wohl irgendwie doch noch nicht ganz abgeschlossen habe... - aber was mache ich, wenn ich vielleicht doch mal wieder auf dem Rundkurs bin und plötzlich überkommen mich die bösen Gedanken, die ich seit meiner Bewusstlosigkeit hatte??? Ach, man, was bin ich wieder unentschlossen, ich weiss auch nicht...
In letzter Zeit ertappe ich mich dann wieder desöfteren, wenn Gonzo mal zum Zynden fährt, dass ich denke "Na ja, Du könntest ja bei Gelegenheit auch mal wieder..."
Warten wir mal ab, vielleicht gibt es irgendwann doch eine unerwartete Fortsetzung und das Anty-Zynd-Mädchen wird wieder zum talentfreien Aufzynder!

Danke fürs Lesen und für Eure Kommentare!
Bleibt immer schön sitzen und wenn nicht, dann verletzt Euch zumindest nicht!
Best regards
Norman