
Part I
On the way to heaven:
Ich starrte die Bürouhr an. Es war Freitag, der 12. August 2005. Das Verwaltungsgebäude eines mittelständischen Büromöbelherstellers war leergefegt. Zum einen waren gerade Betriebsferien der Produktion, zum anderen war ab 14:10 Uhr für die meisten Erdlinge Feierabend. Da ich im echten Leben ein EDV-Mensch bin und EDV-Menschen grundsätzlich länger arbeiten, ist mein Feierabend normalerweise um 17 Uhr. Die Bürouhr gab mir unmissverständlich zu verstehen, dass es noch knappe zwei Stunden waren, bis dieser Zeitpunkt erreicht sein würde.
Meine Stimmung war gut, man könnte auch sagen, sehr gut. Ich freute mich wie ein kleines Kind, baldigst in Richtung Oschersleben aufbrechen zu dürfen. Der oberste Familienrat hatte mir von Freitag abend bis Sonntag früh freigegeben. Geil! Die 24h von Oschersleben live erleben, mittendrin statt nur dabei! Freier Eintritt in die KTM Box, Einladung von Matthias aka Schrotti ins PS-Zelt, 24 Stunden Hasseröder, den Bekloppten bei der vernünftigsten Sache der Welt zuschauen, extrem korealisieren und letztlich Bundy, die alte Hackfresse, mal wieder persönlich aufs Heftigste knuddeln. Besser konnte es im Paradies auch nicht sein, hehe.
Ich saß aber immer noch auf meinem Bürostuhl, wie langweilig. Egal, werde ja schließlich nicht fürs Rumsitzen bezahlt. Ich versuchte also, meine Konzentration für die Arbeit wiederzufinden. Einige Teile der Heimatseite unserer Firma warteten darauf, auf Englisch umgestellt zu werden. Da die Seite ursprünglich nicht für Mehrsprachigkeit ausgelegt war, ging ich jede Unterseite manuell durch und änderte die Texte. Entsprechende englische Textfahnen hatte ich von unserer Exporttante zugespielt bekommen. Irgendwann landete ich beim Programm „Schrankwand“. Die englische Übersetzung hieß „Cabinet Wall“. Das erschien mir nur suboptimal und ich schrieb zu Ehren von Verzollnix “GreenKawaZX6R“. Sah lustig aus. Ich fand, ein wenig Schabernack sei am Freitag Nachmittag wohl erlaubt. Keine fünf Minuten später klingelt das Telefon. Im Display stand „Exporthuhn“ (wenn sie das jemals liest, wird sie mich töten, soviel ist sicher). War mir natürlich klar, dass die das mitkriegt, ich hatte ihr ja gezeigt, wie sie die Entwicklungsseiten auf unserem internen Server aufruft, um Korrektur zu lesen. Sie fragte allerdings anderes belangloses Zeug, die grüne Kawa hatte sie anscheinend nicht entdeckt. Wir wünschten uns ein schönes Wochenende und legten auf. Hmmm, ich ändere es lieber, nachher entdeckt sie es am Montag früh, bevor ich im Büro aufschlage, das könnte alberne Fragen aufwerfen. Ich schaute erneut auf die Uhr. Die Uhr zeigte “halbe Stunde vor Feierabend, halte durch“ an. Scheiße, ich wollte aber nicht durchhalten, war eh kein Menschling mehr da. Ich beschloß, die Gleitzeitregelung zu nutzen und stempelte aus.
In Warp9.9 erreichte ich meine Homebase, nicht ohne vorher sämtliche Weinverschnittvorräte des örtlichen Plusmarktes zu kaufen. Er hatte unglaublicherweise nur 12 Liter des redlichen Rohstoffes feilgeboten, eine Farce. Egal, musste eben die 34. KOREA-Rationierungsordnung befolgt werden. Schlafsack, eine vordere Felge, eine Schwinge und ein winziger Kulturbeutel für die nötigste Körperpflege wanderten in den Bauch meines treuen T4s. Ich war abreisefertig, KOREA!
In einem Anfall geistiger Umnachtung hatte ich für den Hinweg einen Abstecher zum nahen Sanitärfritzen eingebaut. Über mafiaähnliche Beziehungen hatte ich erfahren, dass die Ausstellung dieses Sanitärunternehmens einige Musterbadezimmer austauscht und entsprechend günstige Konditionen anbietet. Schnäppchenalarm! Imke hatte genaue Vorstellungen über unseren neuen Wasch- und Wellnesstempel. Ich versuchte, sie davon zu überzeugen, dass gebrauchte SecondHandKeramikprodukte, über Ebay erworben, doch auch recht nett sein könnten und ihren Zweck erfüllen. Hier und da eine Blume drauf und schwupps, sieht auch eine 15 Jahre alte Kloschüssel recht süß aus. Genialer Nebeneffekt: Die Aufzündkasse bleibt voll! Ich war begeistert von dieser Idee, Imke albernerweise nicht. Nun gut, dann eben ab zum IdealStandard-Händler um die Ecke. Wir wurden erwartet, ich machte mir Gedanken. Vorab, ich war völlig unbedarft, was den Preis von Badezimmerausstattungen angeht. Hatte bisher nur diverse Horrorgeschichten von Freunden im Hinterkopf. Nicht umsonst tut es bei uns ein Badezimmer, was im modischen Grün der frühen 80er Jahre gehalten ist. Dummerweise hatte ich Imke versprechen müssen, dass wir ein ganz tolles Badezimmer kaufen, wenn ich beim Bördesprint im Mai mitfahren dürfte. Eigentlich war meine Jahreskarte fürs Aufzünden zu dem Zeitpunkt schon komplett abgestempelt. Ich musste improvisieren. So stand ich nun vor dem netten Verkäufer, welcher uns als erstes zu einem im schlichten weiß gehaltenen Badezimmer im 0815-Design führte. Abverkaufspreis 5000 Euro plus Steuern. Ich taumelte, fing mich aber gerade noch an einem zufällig herumstehenden Waschbecken ab. Ist der irre? Das bischen Porzellan und ein hässlicher Spiegel für 5000 Euro? Das war total unvernünftig! Ich fragte mich, ob ich evtl. in der falschen Branche arbeitete. Zum Glück gefiel es Imke nicht, mir natürlich auch nicht. Wenn dieses Ambiente schon 5000 Euro kostet, was kostet dann ein schöner Reinigungstempel? Ich ahnte fürchterliches.
Der Inbegriff des Antizünd tauchte in Form einer riesigen Whirlpoolbadewanne auf. Meine Nerven lagen blank. Diese Badewanne hatte dermaßene Ausmaße, dass die Küstenwache patroullieren musste, um etwaige ältere Badegäste vor dem sicheren Ertrinken zu retten. Natürlich hielt der Verkäufer vor dem Ungetüm an und kam ins Schwärmen: „Diese Badewanne ist unser Topmodell. Sie spricht mit ihnen.

Nach dem üblichen Abschiedsprozedere saß ich endlich in meinem Bus, zu gleichen Teilen beladen mit Korea und Vernunft und zündete in Richtung Oschershausen. Da Vorfreude die schönste Freude ist, freute ich mich quadratisch auf die genialen Stunden, denen ich entgegendüste. Die Kapelle um AC/DC unterhielt mich wie üblich, es regnete, aber das war völlig egal. Schon bald tauchte die in ungewöhnlich helles Licht getauchte Motorsportarena zu Oschersleben auf und wartete mit einer ersten Prüfung in Form von zwei Parkplatzwächtern auf mich...
Gute Nacht, es werden noch einige Nächte folgen...