Winterblues und knifflige Upgrade-Fragen (ZX6R) - Revue Saison 2024
Alles rund ums Thema Racing bzw. was in anderen Rubriken nicht wirklich passt,
aber zum Thema Racing gehört.
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Most 26.-28.04.2024
FR-Cup: Erster & Zweiter Lauf SSP-600
Am Donnerstag, den 25.04.2024, ging es endlich los nach Most, wo die ersten beiden Läufe des FR-Cups anstanden. Ich freute mich wie ein Schnitzel, endlich die anderen Aufzünder wiederzusehen. Die Anreise nach Most ist für uns immer sehr komfortabel, nur ein Katzensprung über das Erzgebirge, und schon taucht das begehrte Asphaltband auf. (Ein unbedingter Tipp: nachts über Nebenstraßen das Erzgebirge passieren und dann versuchen, unten im Tal zu tanken. Die Kohlekraftwerke sehen dann aus wie Ufos, und in der Luft hängen mehr Partikel als bei der Abgasuntersuchung unseres Transporters!
Die Hose war gut voll, verdammt, Cup-Rennen ging es mir durch den Kopf. Gaststarts waren sonst immer sehr entspannt – schließlich ist man ja nur Gaststarter, und am Ende geht es um noch weniger als die sprichwörtliche Goldene Ananas. Aber jetzt, als offizieller Starter, fühlte sich die Sache doch ein bisschen anders an. Dennoch machte sich ein Grinsen breit: die Vorfreude auf die anderen Verrückten und die Rennen selbst sorgten für Vorfreude. Obwohl ich zur Kategorie der „Blümchenpflücker“ gehöre die anderen Teilnehmer auf der Strecke eher als Hindernisse/Ablenkungen empfinde, und Trackdays liebe, wo ich alleine meine Runden drehen kann, sind Rennen doch das Salz in der Suppe. Das Adrenalin, die Aufregung davor und der Kampf im Rennen sind unvergleichlich!
Nach dem Aufbau und der Absprache mit den anderen platzierten wir uns in „Windy-Corner“ (im Fahrerlager zwischen Kurve 9 und 10). Unser eigentlicher Geheimplatz in der Nähe des Zielturms war leider schon besetzt. Nach und nach trafen die üblichen Verdächtigen ein. Manu hatte mich zur Meldung überredet: „Cup fahren, in seiner Klasse anzutreten, fetzt, das macht schnell usw.“ Und er sollte Recht behalten. Rennen in der eigenen Klasse (in unserem Fall 600er) zu fahren, macht einen riesigen Unterschied. Just-for-Fun-Rennen, in denen sich alle Motorräder tummeln, sind einfach nicht dasselbe. Aber wie konnte ich auch nur an Manu zweifeln? In Fachkreisen trägt er den Titel „Triple-Crown-Champion“, und Aufzünder jeder Art begegnen ihm ehrfürchtig und tuscheln hinter vorgehaltener Hand: „Da ist er, der echte Triple-Crown-Champion.“ So einen Titel bekommt man nicht geschenkt, aber als dreifacher Back-to-Back-Gesamtsieger des TimeRoundCups der 600-ccm-Klasse ist er so etwas wie eine lebende Legende. Nur durch sein Zutun haben wir uns irgendwann am Spreewaldring in die schnellste Gruppe verirrt. Kurz gesagt, Manu ist zweiradverrückt mit 20 Jahren Rennsporterfahrung auf allem, was zwei Räder hat, und in allen Klassen. Und dieses Jahr ist er zusammen mit seiner besseren Hälfte ebenfalls in der 600er-Klasse im FR-Cup gemeldet. Nach herzlicher Begrüßung und der allgemeinen Versicherung, dass man im Winter nichts für seine körperliche Fitness getan hat und das Motorrad auf jeden Fall noch im Serienzustand ist, ging der Donnerstagabend mit den üblichen Formalitäten (Anmeldung, technische Abnahme usw.) dahin.
Aber was war das? In einsamer Nacht bahnte sich noch ein Knödel (Kfz der Firma Skoda) den Weg zum Autodrom, am Schweinehaken einen Hänger mit Seitenwänden. Daniel war endlich im Lager der Fahrer eingetroffen. Nach herzlicher Begrüßung (der Winter ist einfach zu lang) schauten alle Augen begierig Richtung Hänger. Im Winter hatten die bekannten Nachrichten-Apps schon erste Informationsfetzen auf mein Telefon gespült: neues Motorrad, etwas Schnelles, etwas richtig Schnelles sollte es sein. Daniel grinste und öffnete seinen Hänger. Zum Vorschein kam eine schwarze, Starfighter-mäßige R6, das Gerät sah böse und vor allem verdammt schnell aus. Ein Raunen ging durch die anwesenden Aufzünder. Es folgten Beschwichtigungsversuche von Daniel, der Motor sei nur ein bisschen gemacht und das Fahrwerk auch nicht mehr original, aber sonst wäre fast alles Serie. Wir glaubten ihm kein Wort und freuten uns mit ihm über sein neues Höllengeschoss. Hatte ich schon gesagt, dass es verdammt schnell aussah?!
Am Freitag standen Training und das 2-Stunden-Endurance-Rennen an. Wir waren am Donnerstag alle recht früh ins Bett gegangen, da die nächsten Tage ordentlich Fahrzeit auf dem Programm stand. Daniel und ich planten, dass 2-Stunden-Endurance als 2er-Team zu bestreiten und es einfach nur als zusätzliche Fahrzeit zu nutzen. Am Ende kam es wie immer anders. Daniel ließ sein Fahrwerk noch professionell vom JRacing Support (Fahrwerksprofis vor Ort) einstellen, dazu kamen noch Reifenwechsel und die ersten Turns. Also verpassten wir, ganz typisch für uns zwei Peiler, bis mittags die Anmeldung für das Endurance.
Die ersten Turns waren noch recht zäh, und so richtig was ging noch nicht. Die Wetterbedingungen waren okay, aber gerade am Freitagmorgen noch recht frisch. Es waren auch ein paar bekannte IDM-Fahrer (Alt, Zanetti, Hobelsberger, Finsterbusch usw.) da, die gleich richtige Zeiten in den Asphalt brannten. Es war eine wahre Freude, diesen gottgleichen Aufzündern bei der Arbeit zuzusehen, einfach ein ganz anderes Level. Wenn meine Erinnerung mich nicht täuscht, hatte Florian Alt an diesem Freitag gleich mal eine 1:34 in den heiligen Asphalt gebrannt, und das bei nicht optimalen Bedingungen, einfach völlig Banane!
Am Ende des Tages stand bei mir eine 1:52 zu Buche, was Platz 20 von 59 Fahrern in unserer Klasse bedeutete. Ich war ganz zufrieden, einigermaßen um den Kurs gekommen zu sein, hatte keinen Schrott produziert und mich langsam in den Kurs eingefühlt. Streckenplan zusammengebaut, wo bremsen, wo einlenken, welchen Gang und so weiter. Daniel hatte leider noch ordentlich an seiner Rakete zu schrauben. Bei Manu und Christina lief es ähnlich wie bei mir. Wir versicherten uns für den nächsten Tag, dass es zeitentechnisch schon noch klappen würde. Gestärkt durch allgemeine Aufmunterungsparolen und sehr optimistische theoretische Brems- und Einlenkpunkte fuhren Daniel und ich noch einmal Richtung Brüx. Gut getarnt in seinem heimischen Fabrikat (Knödel) rollten wir in die Stadt, die mir immer ein bisschen retortenmäßig vorkommt mit ihrem leicht sozialistisch angehauchten Baustil-Charme. Essen und Geld wurden gebraucht. Ersteres fand sich schnell in Form einer bekannten Supermarktkette, Zweites entpuppte sich als absoluter Kracher, aber der Reihe nach
Nach einigem Suchen fanden wir einen entsprechenden Geldautomaten. Während Daniel versuchte, dem Gerät Geld zu entlocken, starrte ich auf eine Art Riesen-Globus auf einem benachbarten Gebäude, der schön vor sich hin zu rosten schien. In meinem Kopf versuchte ich, Gedanken zusammenzubauen, was das sein könnte und warum man so etwas auf ein Dach baut, als Daniel auf einmal neben mir stand und meinte, es gehe nicht. Die Falten auf meiner Stirn wurden tiefer. Wie jetzt, lass mich mal. Daniel zuckte mit den Achseln, ich trat ans Gerät, Karte rein, Augen wurden groß, alles auf Tschechisch, ahh Englisch gefunden als Sprache. So, jetzt wird es wohl gehen, die Ungläubigkeit wurde noch größer, warum kann man denn hier nur „Czech koruna“ auswählen? Daniel stand neben mir, schallendes Lachen, ich stand auf dem Schlauch. Sekundenlang völlig perplex schaute ich abwechselnd den Automaten und Daniel an. Dieser hatte schon längst geschnallt, dass der Automat nur Landeswährung, tschechische Kronen, ausspucken konnte, aber keine Euros. Mir kam die Erkenntnis langsam, sehr langsam, aber dann habe ich mir fast eingeschifft vor Lachen. Half alles nichts, wir legten im Fahrerlager zusammen, es reichte, da wir das Geld für die Endurance-Anmeldung ja „gespart“ hatten.
Samstag – Quali und Renntag
Als Unterstützung war Marcus mal eben von Dresden zum Autodrom Most mit dem FAHRRAD gefahren. Und als ob das nicht schon bekloppt genug wäre, ist ihm leider auch noch die Schaltung auf dem Weg kaputt gegangen, und er musste im schwersten Gang übers Erzgebirge pressen. Eben ein in jedem Sinne positiv-Verrückter. Support war heute wichtig, Quali und Rennen standen auf dem Programm. Also früh noch schnell die 6 kg Windel umgeschnallt, damit auch nichts schief gehen konnte. Früh war es noch kalt und der Körper noch nicht richtig da, also riskierte ich nichts, da sich leider schon die Stürze der Teilnehmer häuften, und so rollte ich locker die ersten Turns um die Strecke. Gegen Mittag gab es dann die Quali, jetzt hieß es Arschbacken zusammen und mal eine schöne Runde zusammenbauen. Als Selbstmotivation bestätigte ich mir, „lange genug rumgeeiert“ zu sein, jetzt wird gezündet! Ich erwischte eine freie Runde, traf meine Punkte ganz gut und fuhr eine recht saubere Linie. Hier und da fehlte es auf der Bremse und am Gas noch an Wahnsinn, aber insgesamt bog ich ganz zufrieden ins Fahrerlager ab. An dieser Stelle ein wahrscheinlich nicht ganz so geheimer Geheimtipp, der mir allerdings geholfen hat: Für solche Sessions nehme ich, wenn es sich ausgeht, wirklich nur ein paar Liter mit und fahre nicht mit komplett vollem Tank. Zumindest in meinem Kopf geht die Maschine dann deutlich leichter um die Ecken
Meine Wahrnehmung war im Quali-Turn auf jeden Fall besser als am Tag zuvor am Geldautomaten. Eine 1:48 bedeutete Startplatz 16 von 42 fürs erste Rennen.
Fürs Rennen wünschte ich mir Platz 15, um einen Punkt in der Gesamtwertung zu holen. Marcus beschwor mich, ein sauberes Rennen zu fahren und keinen Mist zu machen. Manu stand mit 1:49 ganz in meiner Nähe, es wurden noch die üblichen Herbrenn-Aussagen getätigt, die ich sogleich retournierte. Dies aktivierte mein Wettkampf-Gen, in meinen Gedanken formulierten sich Sätze wie: Egal was kommt, die Hondas müssen zerspalten werden!
Gebannt warteten wir auf den dritten und letzten Aufruf zum Rennen. Marcus unterstützte mich als Reifenprinzessin mit massiven Oberarmen, zog die Reifenwärmer ab, schmiss mich förmlich auf mein Moped, um mich aus meiner Lethargie (die ich meist am Anfang vom Rennen habe) zu wecken, gab mir einen Fistbump, dass ein Ruck durch meine Hand, meinen Arm und meine Schulter ging, und ich mich wunderte, wie mein Handgelenk es schaffte, dieser Belastung standzuhalten, ohne auf der Stelle zu zerbersten. Nach diesem Schock war ich da, es konnte losgehen, das erste Rennen der Saison stand an. Wir rollten zum Start mit 42 anderen Bekloppten (36 SSP-offene-Wertung, 6 SSP-Bridgestone-Wertung) und ich spürte, wie dieses Grinsen kam.
Grinsen – Hose voll – Grinsen – Hose voll, diese Achterbahn wurde jäh durch eine rote leuchtende Ampel unterbrochen. Sogleich schwoll die Kakophonie von Tönen zu einem ohrenbetäubenden, Gänsehaut-verbreitenden musikalischen Gesamtkunstwerk an. Ampel aus – Feuer frei – Startreaktion war okay, beim Sprint bis zur ersten Kurve ließ ich einige Federn (Gänge sollten in so einem Szenario voll ausgedreht werden). Nach behutsamem Rumgewackel durch die erste Schikane stach meinem kontaktlinsengetunten Auge sogleich eine bekannte orangefarbene Lederkombi ins Auge. Grrr, Manu der Fuchs hatte sich schon vorbeigeschlängelt. Es sortierte sich alles nach und nach, und ich kam besser rein. Nach den Startrunden fand ich mich auf Platz 20 wieder und suchte den Anschluss nach vorn. Nach ein, zwei Runden war ich drin im Rennen und dran an den Jungs vor mir. Ich ließ die Power meiner Kawa für sich sprechen und spaltete einen auf der Geraden und noch einen weiteren Mitstreiter beim Anbremsen. Nach 7 Runden hatte ich endlich das Ziel der Begierde vor mir: eine berühmt-berüchtigte orangefarbene Lederkombi. Ich lauerte auf meine Chance, die lange Start/Zielgerade, ich saugte mich an und thermonuklarisierte dank überlegener Kawa-Power die böse CBR!
In der Folge stark euphorisiert fuhr ich meine Runden, zwar nicht mehr scheitelpunkttreffend, dafür einigermaßen gleichmäßig, was die Zeiten betraf. Es ging in die 10. und letzte Runde, ich fuhr meinen Streckenplan ab und versuchte, mich an meine Punkte zu halten. Den Eingang Matadorbogen getroffen, danach links ran, umlegen auf rechts, WASSS ist das, auf einmal steht Manu und diese elendige Honda da, ich muss kurz schlenkern, lade voll durch, das ist noch nicht das Ende. Noch haben wir drei Kurven, die nächste schnelle Links drehe ich den Gasgriff bis es in der Schelle knackt, das Heck wobbelt, das Messer zwischen den Zähnen sitzt, anbremsen vorletzte Kurve, alles oder nichts, ich kann mich noch etwa auf die Höhe von Manu schieben, ich warte und warte, unser Bremspunkt ist gefühlt schon vor Ewigkeiten gewesen, es nützt nichts, ich beiß auf die Zähne und werfe den Anker, die Kawa schlingert, er ist einen minimalen Ticken später auf der Bremse, trifft die Linie, ich lasse los, geschockt von den Ereignissen, ist die letzte Kurve für Manu Kür, für mich Pflichtprogramm und so schießen wir hintereinander über die Linie. Manu – ein ausgekochtes Schlitzohr, im Fahrerlager gibt es Shake Hands, was für ein Block Pass in der letzten Runde, was für ein geiles erstes Rennen, Dauergrinsen überall!
Manu ist taktisch gefahren, hat sich nach meinem Überholvorgang rangeheftet und mich studiert. Und dann gut vorbereitet eiskalt durchgezogen. Im RaceChrono konnten wir sehen, dass der letzte Sektor trotz unserer Kappelei sein schnellster letzter Sektor im gesamten Rennen war, unter anderem lag es daran, dass er die vorletzte Kurve trotz ultimativer Spätankerung noch so perfekt bekommen hatte. Angesichts solch formidabler Aufzünderleistung gratulierte ich und schwor sogleich fürchterliche Rache im zweiten Rennen!
Das Ganze wurde von uns noch in Bewegtbild-Produktion umgesetzt, falls Bedarf besteht, hier zu finden:
https://www.youtube.com/watch?v=T6C8gwVpiTU
Ergebnis vom ersten Rennen: Platz 18 gesamt, Platz 7 im Cup, 9 Punkte für die Gesamtwertung. Nach dem Adrenalinschub vom Glück beseelt ließen wir den Abend bei herrlichem Grillduft, Kaltgetränken und Benzingesprächen ausklingen.
Sonntag, freies Training und 2. Rennen
Im freien Training lief es jetzt ohne Anstrengung, dank der Fahrzeit der beiden Vortage, schon recht rund. Ich probierte noch 1-2 Sachen aus (Gänge, Brems-/Einlenkpunkte) und rollte mich mit einer 1:50 ein.
Für das zweite Sprintrennen war die Losung glasklar, Manu und seine Honda mussten thermonuklearisiert werden, die Schmach des genialen-letzte-Runde-BlockPass des Vortages musste weggemacht werden. Die Startreihenfolge entsprach nun den Bestzeiten des 1. Rennens und ich startete von Platz 17. An der Vorbereitung zum Start hin änderten wir nichts und wie durch ein Wunder zerbrach mein Handgelenk auch diesmal nicht.
Die Ampel ging an, die Motorräder zündeten, die Ampel ging aus und die Meute jagte los. Start war ein wenig besser als der im ersten Rennen, dennoch ließ ich wieder einige Mitstreiter durch. Im Augenwinkel sah ich den schnellsten Starter unter der Sonne schon wieder an mir vorbeihuschen. Manu war sehr gut weggekommen und reihte sich irgendwo vor mir ein. Ich versuchte schnell die Startschockstarre zu überwinden und in den Rennmodus zu schalten. Nach der ersten Runde heftete ich mich an das Hinterrad einer R6, im Kopf legte ich mir schon biblische Zerspaltungen zurecht, als Manu auf einmal vor uns erschien. In der vorletzten Kurve schlüpfte die vor mir fahrende R6 an Manu vorbei. Das kam mir schon sehr spanisch vor, aus der letzten Kurve heraus zersägte ich die CBR sowas von böse, dass in meinem Hinterkopf schon der Gedanke aufploppte, das ging zuuu leicht. Egal, es gab ja immer noch die R6 vor mir, aus der ersten Schikane nach Start und Ziel wurde auch diese eiskalt ausbeschleunigt, ganz offensichtlich hatte der bemühte Treiber der Stimmgabel Probleme beim Schalten. Bis Runde drei hatte ich die Rennstrecke so, wie ich sie liebe, mutterseelenallein, zog ich auf dieser genialen Strecke meinen Strich. Nicht zu sehr die Strecke genießen, rief ich mir selbst zu, du fährst Rennen – also zünde auch!
In der Ferne erspähte ich noch zwei Bücklinge, zwei Runden später war ich am ersten dran. Wir jagten beide Richtung Kompression, ich sah, dass er ein bisschen mehr rausnahm, rollte auf, nutzte die ganze Breite der Strecke und versuchte, schnell wieder am Gas zu sein. Ich konnte den Schwung in die nächste Bergauf Richtung Matador gut mitnehmen und streckte auch diese R6 nieder. Die nächste Stimmgabel war schon in Sicht, allerdings brauchte ich 3 Runden, bis ich in Schlagdistanz war. Der Aufzünder vor mir fuhr einen schönen Strich, und ich fand keinen Weg vorbei. Wir flogen gemeinsam um die Strecke, und ich spürte, wie sich ein riesiges Grinsen unter meinem Helm breit machte. Ich versuchte mich noch zu einer Attacke zu motivieren, aber inzwischen hatte der Spaß an der Sache längst überhandgenommen, und ich genoss die letzten Runden mit meinem neuen Spielgefährten mit der Nummer 95. Alleine wäre ich wahrscheinlich noch langsamer unterwegs gewesen und hätte die Blümchen am Wegesrand und die Sonne im Gesicht genossen. Später in der Auswertung sah ich, dass wir mit unseren konstanten 1:48er-Zeiten auf die zwei vor uns fahrenden Pillemänner am Ende sogar aufschlossen. Glücklich querte ich kurz hinter meiner Zugmaschine mit der Nummer 95 die Ziellinie und genoss das Glück des Augenblicks. Anschließend winkte ich heftig jedem Streckenposten, ob er wollte oder nicht (ich schwor mir irgendwann, wenn ich mal groß bin, lerne ich Wheelies und belustige alle Anwesenden in dieser letzten Runde damit!). Im Fahrerlager schmatzte Gerrit, eifrig angefeuert von seiner Chefin, die letzten Kilo Kartoffelsalat, während Marcus ganz zufrieden mit mir war. Nun vollends beseelt stellte ich meine dampfende grüne Boden-Boden-Rakete ab, dankte ihr für ihre unfassbare Power, mit der sich meine bescheidenen Fahrkünste mal wieder kaschieren ließen, und grinste bei dem Gedanken an all die stumpf-auf-der-Start-Ziel-Geraden-Hergebrannten. Apropos, da war ja noch die Sache mit Manu und seiner Honda, wie sich herausstellte, lag ich mit meiner Vermutung richtig. Bei Manu hatte kurz nach dem Start Antizünd zugeschlagen, aufgrund eines Fehlers lief die Gute nur noch in einer Art Sicherheitsmodus, was ihm letztlich auch noch die ohnehin schon begrenzte Power nahm. Aber er zog dennoch durch und sicherte sich wertvolle Punkte in der Bridgestone-Wertung.
Für das zweite Rennen stand als Resultat Gesamtplatz 17, im Cup Platz 6 und damit weitere 10 Punkte für die Gesamtwertung.
Ich spürte, nach dieser grandiosen Aufzünderei Zufriedenheit, Glück und vor allem Erschöpfung. Marcus fragte, ob ich noch fahren wollte, ich verneinte, und im nächsten Augenblick wurde mit Nachdruck unser Transporter eingeräumt. Unfähig, mich aus meinem Campingstuhl zu erheben, freute ich mich, solchen Support zu haben. Kurze Zeit später rappelte ich mich auf und versuchte mit meinem geschundenen Körper zu unterstützen, wo es ging. Wir bzw. Marcus hatte den Boiler in Rekordzeit eingeräumt, und wir verabschiedeten nach und nach die anderen Aufzünder.
Insgesamt hochzufrieden, dass die Technik gehalten, ich keinen Mist, wie Marcus so schön zu sagen pflegt, produziert hatte kehrte irgendwann Ruhe auf der Rückfahrt ein. In meinem Kopf wirbelten zwei Gedanken umher, das war zum Glück ganz gut gelaufen, und ich hatte ein paar Punkte holen können. Die nächste Strecke, den Pannoniaring, kannte ich allerdings noch gar nicht, und dann gab es ja da noch die aufgeschobene Upgradefrage…
Wie es uns in Ungarn ergangen ist, erfahrt ihr, bei Bedarf, im nächsten Teil!
FR-Cup: Erster & Zweiter Lauf SSP-600
Am Donnerstag, den 25.04.2024, ging es endlich los nach Most, wo die ersten beiden Läufe des FR-Cups anstanden. Ich freute mich wie ein Schnitzel, endlich die anderen Aufzünder wiederzusehen. Die Anreise nach Most ist für uns immer sehr komfortabel, nur ein Katzensprung über das Erzgebirge, und schon taucht das begehrte Asphaltband auf. (Ein unbedingter Tipp: nachts über Nebenstraßen das Erzgebirge passieren und dann versuchen, unten im Tal zu tanken. Die Kohlekraftwerke sehen dann aus wie Ufos, und in der Luft hängen mehr Partikel als bei der Abgasuntersuchung unseres Transporters!

Die Hose war gut voll, verdammt, Cup-Rennen ging es mir durch den Kopf. Gaststarts waren sonst immer sehr entspannt – schließlich ist man ja nur Gaststarter, und am Ende geht es um noch weniger als die sprichwörtliche Goldene Ananas. Aber jetzt, als offizieller Starter, fühlte sich die Sache doch ein bisschen anders an. Dennoch machte sich ein Grinsen breit: die Vorfreude auf die anderen Verrückten und die Rennen selbst sorgten für Vorfreude. Obwohl ich zur Kategorie der „Blümchenpflücker“ gehöre die anderen Teilnehmer auf der Strecke eher als Hindernisse/Ablenkungen empfinde, und Trackdays liebe, wo ich alleine meine Runden drehen kann, sind Rennen doch das Salz in der Suppe. Das Adrenalin, die Aufregung davor und der Kampf im Rennen sind unvergleichlich!

Nach dem Aufbau und der Absprache mit den anderen platzierten wir uns in „Windy-Corner“ (im Fahrerlager zwischen Kurve 9 und 10). Unser eigentlicher Geheimplatz in der Nähe des Zielturms war leider schon besetzt. Nach und nach trafen die üblichen Verdächtigen ein. Manu hatte mich zur Meldung überredet: „Cup fahren, in seiner Klasse anzutreten, fetzt, das macht schnell usw.“ Und er sollte Recht behalten. Rennen in der eigenen Klasse (in unserem Fall 600er) zu fahren, macht einen riesigen Unterschied. Just-for-Fun-Rennen, in denen sich alle Motorräder tummeln, sind einfach nicht dasselbe. Aber wie konnte ich auch nur an Manu zweifeln? In Fachkreisen trägt er den Titel „Triple-Crown-Champion“, und Aufzünder jeder Art begegnen ihm ehrfürchtig und tuscheln hinter vorgehaltener Hand: „Da ist er, der echte Triple-Crown-Champion.“ So einen Titel bekommt man nicht geschenkt, aber als dreifacher Back-to-Back-Gesamtsieger des TimeRoundCups der 600-ccm-Klasse ist er so etwas wie eine lebende Legende. Nur durch sein Zutun haben wir uns irgendwann am Spreewaldring in die schnellste Gruppe verirrt. Kurz gesagt, Manu ist zweiradverrückt mit 20 Jahren Rennsporterfahrung auf allem, was zwei Räder hat, und in allen Klassen. Und dieses Jahr ist er zusammen mit seiner besseren Hälfte ebenfalls in der 600er-Klasse im FR-Cup gemeldet. Nach herzlicher Begrüßung und der allgemeinen Versicherung, dass man im Winter nichts für seine körperliche Fitness getan hat und das Motorrad auf jeden Fall noch im Serienzustand ist, ging der Donnerstagabend mit den üblichen Formalitäten (Anmeldung, technische Abnahme usw.) dahin.
Aber was war das? In einsamer Nacht bahnte sich noch ein Knödel (Kfz der Firma Skoda) den Weg zum Autodrom, am Schweinehaken einen Hänger mit Seitenwänden. Daniel war endlich im Lager der Fahrer eingetroffen. Nach herzlicher Begrüßung (der Winter ist einfach zu lang) schauten alle Augen begierig Richtung Hänger. Im Winter hatten die bekannten Nachrichten-Apps schon erste Informationsfetzen auf mein Telefon gespült: neues Motorrad, etwas Schnelles, etwas richtig Schnelles sollte es sein. Daniel grinste und öffnete seinen Hänger. Zum Vorschein kam eine schwarze, Starfighter-mäßige R6, das Gerät sah böse und vor allem verdammt schnell aus. Ein Raunen ging durch die anwesenden Aufzünder. Es folgten Beschwichtigungsversuche von Daniel, der Motor sei nur ein bisschen gemacht und das Fahrwerk auch nicht mehr original, aber sonst wäre fast alles Serie. Wir glaubten ihm kein Wort und freuten uns mit ihm über sein neues Höllengeschoss. Hatte ich schon gesagt, dass es verdammt schnell aussah?!

Am Freitag standen Training und das 2-Stunden-Endurance-Rennen an. Wir waren am Donnerstag alle recht früh ins Bett gegangen, da die nächsten Tage ordentlich Fahrzeit auf dem Programm stand. Daniel und ich planten, dass 2-Stunden-Endurance als 2er-Team zu bestreiten und es einfach nur als zusätzliche Fahrzeit zu nutzen. Am Ende kam es wie immer anders. Daniel ließ sein Fahrwerk noch professionell vom JRacing Support (Fahrwerksprofis vor Ort) einstellen, dazu kamen noch Reifenwechsel und die ersten Turns. Also verpassten wir, ganz typisch für uns zwei Peiler, bis mittags die Anmeldung für das Endurance.
Die ersten Turns waren noch recht zäh, und so richtig was ging noch nicht. Die Wetterbedingungen waren okay, aber gerade am Freitagmorgen noch recht frisch. Es waren auch ein paar bekannte IDM-Fahrer (Alt, Zanetti, Hobelsberger, Finsterbusch usw.) da, die gleich richtige Zeiten in den Asphalt brannten. Es war eine wahre Freude, diesen gottgleichen Aufzündern bei der Arbeit zuzusehen, einfach ein ganz anderes Level. Wenn meine Erinnerung mich nicht täuscht, hatte Florian Alt an diesem Freitag gleich mal eine 1:34 in den heiligen Asphalt gebrannt, und das bei nicht optimalen Bedingungen, einfach völlig Banane!

Am Ende des Tages stand bei mir eine 1:52 zu Buche, was Platz 20 von 59 Fahrern in unserer Klasse bedeutete. Ich war ganz zufrieden, einigermaßen um den Kurs gekommen zu sein, hatte keinen Schrott produziert und mich langsam in den Kurs eingefühlt. Streckenplan zusammengebaut, wo bremsen, wo einlenken, welchen Gang und so weiter. Daniel hatte leider noch ordentlich an seiner Rakete zu schrauben. Bei Manu und Christina lief es ähnlich wie bei mir. Wir versicherten uns für den nächsten Tag, dass es zeitentechnisch schon noch klappen würde. Gestärkt durch allgemeine Aufmunterungsparolen und sehr optimistische theoretische Brems- und Einlenkpunkte fuhren Daniel und ich noch einmal Richtung Brüx. Gut getarnt in seinem heimischen Fabrikat (Knödel) rollten wir in die Stadt, die mir immer ein bisschen retortenmäßig vorkommt mit ihrem leicht sozialistisch angehauchten Baustil-Charme. Essen und Geld wurden gebraucht. Ersteres fand sich schnell in Form einer bekannten Supermarktkette, Zweites entpuppte sich als absoluter Kracher, aber der Reihe nach

Nach einigem Suchen fanden wir einen entsprechenden Geldautomaten. Während Daniel versuchte, dem Gerät Geld zu entlocken, starrte ich auf eine Art Riesen-Globus auf einem benachbarten Gebäude, der schön vor sich hin zu rosten schien. In meinem Kopf versuchte ich, Gedanken zusammenzubauen, was das sein könnte und warum man so etwas auf ein Dach baut, als Daniel auf einmal neben mir stand und meinte, es gehe nicht. Die Falten auf meiner Stirn wurden tiefer. Wie jetzt, lass mich mal. Daniel zuckte mit den Achseln, ich trat ans Gerät, Karte rein, Augen wurden groß, alles auf Tschechisch, ahh Englisch gefunden als Sprache. So, jetzt wird es wohl gehen, die Ungläubigkeit wurde noch größer, warum kann man denn hier nur „Czech koruna“ auswählen? Daniel stand neben mir, schallendes Lachen, ich stand auf dem Schlauch. Sekundenlang völlig perplex schaute ich abwechselnd den Automaten und Daniel an. Dieser hatte schon längst geschnallt, dass der Automat nur Landeswährung, tschechische Kronen, ausspucken konnte, aber keine Euros. Mir kam die Erkenntnis langsam, sehr langsam, aber dann habe ich mir fast eingeschifft vor Lachen. Half alles nichts, wir legten im Fahrerlager zusammen, es reichte, da wir das Geld für die Endurance-Anmeldung ja „gespart“ hatten.
Samstag – Quali und Renntag
Als Unterstützung war Marcus mal eben von Dresden zum Autodrom Most mit dem FAHRRAD gefahren. Und als ob das nicht schon bekloppt genug wäre, ist ihm leider auch noch die Schaltung auf dem Weg kaputt gegangen, und er musste im schwersten Gang übers Erzgebirge pressen. Eben ein in jedem Sinne positiv-Verrückter. Support war heute wichtig, Quali und Rennen standen auf dem Programm. Also früh noch schnell die 6 kg Windel umgeschnallt, damit auch nichts schief gehen konnte. Früh war es noch kalt und der Körper noch nicht richtig da, also riskierte ich nichts, da sich leider schon die Stürze der Teilnehmer häuften, und so rollte ich locker die ersten Turns um die Strecke. Gegen Mittag gab es dann die Quali, jetzt hieß es Arschbacken zusammen und mal eine schöne Runde zusammenbauen. Als Selbstmotivation bestätigte ich mir, „lange genug rumgeeiert“ zu sein, jetzt wird gezündet! Ich erwischte eine freie Runde, traf meine Punkte ganz gut und fuhr eine recht saubere Linie. Hier und da fehlte es auf der Bremse und am Gas noch an Wahnsinn, aber insgesamt bog ich ganz zufrieden ins Fahrerlager ab. An dieser Stelle ein wahrscheinlich nicht ganz so geheimer Geheimtipp, der mir allerdings geholfen hat: Für solche Sessions nehme ich, wenn es sich ausgeht, wirklich nur ein paar Liter mit und fahre nicht mit komplett vollem Tank. Zumindest in meinem Kopf geht die Maschine dann deutlich leichter um die Ecken

Meine Wahrnehmung war im Quali-Turn auf jeden Fall besser als am Tag zuvor am Geldautomaten. Eine 1:48 bedeutete Startplatz 16 von 42 fürs erste Rennen.
Fürs Rennen wünschte ich mir Platz 15, um einen Punkt in der Gesamtwertung zu holen. Marcus beschwor mich, ein sauberes Rennen zu fahren und keinen Mist zu machen. Manu stand mit 1:49 ganz in meiner Nähe, es wurden noch die üblichen Herbrenn-Aussagen getätigt, die ich sogleich retournierte. Dies aktivierte mein Wettkampf-Gen, in meinen Gedanken formulierten sich Sätze wie: Egal was kommt, die Hondas müssen zerspalten werden!

Gebannt warteten wir auf den dritten und letzten Aufruf zum Rennen. Marcus unterstützte mich als Reifenprinzessin mit massiven Oberarmen, zog die Reifenwärmer ab, schmiss mich förmlich auf mein Moped, um mich aus meiner Lethargie (die ich meist am Anfang vom Rennen habe) zu wecken, gab mir einen Fistbump, dass ein Ruck durch meine Hand, meinen Arm und meine Schulter ging, und ich mich wunderte, wie mein Handgelenk es schaffte, dieser Belastung standzuhalten, ohne auf der Stelle zu zerbersten. Nach diesem Schock war ich da, es konnte losgehen, das erste Rennen der Saison stand an. Wir rollten zum Start mit 42 anderen Bekloppten (36 SSP-offene-Wertung, 6 SSP-Bridgestone-Wertung) und ich spürte, wie dieses Grinsen kam.
Grinsen – Hose voll – Grinsen – Hose voll, diese Achterbahn wurde jäh durch eine rote leuchtende Ampel unterbrochen. Sogleich schwoll die Kakophonie von Tönen zu einem ohrenbetäubenden, Gänsehaut-verbreitenden musikalischen Gesamtkunstwerk an. Ampel aus – Feuer frei – Startreaktion war okay, beim Sprint bis zur ersten Kurve ließ ich einige Federn (Gänge sollten in so einem Szenario voll ausgedreht werden). Nach behutsamem Rumgewackel durch die erste Schikane stach meinem kontaktlinsengetunten Auge sogleich eine bekannte orangefarbene Lederkombi ins Auge. Grrr, Manu der Fuchs hatte sich schon vorbeigeschlängelt. Es sortierte sich alles nach und nach, und ich kam besser rein. Nach den Startrunden fand ich mich auf Platz 20 wieder und suchte den Anschluss nach vorn. Nach ein, zwei Runden war ich drin im Rennen und dran an den Jungs vor mir. Ich ließ die Power meiner Kawa für sich sprechen und spaltete einen auf der Geraden und noch einen weiteren Mitstreiter beim Anbremsen. Nach 7 Runden hatte ich endlich das Ziel der Begierde vor mir: eine berühmt-berüchtigte orangefarbene Lederkombi. Ich lauerte auf meine Chance, die lange Start/Zielgerade, ich saugte mich an und thermonuklarisierte dank überlegener Kawa-Power die böse CBR!

In der Folge stark euphorisiert fuhr ich meine Runden, zwar nicht mehr scheitelpunkttreffend, dafür einigermaßen gleichmäßig, was die Zeiten betraf. Es ging in die 10. und letzte Runde, ich fuhr meinen Streckenplan ab und versuchte, mich an meine Punkte zu halten. Den Eingang Matadorbogen getroffen, danach links ran, umlegen auf rechts, WASSS ist das, auf einmal steht Manu und diese elendige Honda da, ich muss kurz schlenkern, lade voll durch, das ist noch nicht das Ende. Noch haben wir drei Kurven, die nächste schnelle Links drehe ich den Gasgriff bis es in der Schelle knackt, das Heck wobbelt, das Messer zwischen den Zähnen sitzt, anbremsen vorletzte Kurve, alles oder nichts, ich kann mich noch etwa auf die Höhe von Manu schieben, ich warte und warte, unser Bremspunkt ist gefühlt schon vor Ewigkeiten gewesen, es nützt nichts, ich beiß auf die Zähne und werfe den Anker, die Kawa schlingert, er ist einen minimalen Ticken später auf der Bremse, trifft die Linie, ich lasse los, geschockt von den Ereignissen, ist die letzte Kurve für Manu Kür, für mich Pflichtprogramm und so schießen wir hintereinander über die Linie. Manu – ein ausgekochtes Schlitzohr, im Fahrerlager gibt es Shake Hands, was für ein Block Pass in der letzten Runde, was für ein geiles erstes Rennen, Dauergrinsen überall!

Manu ist taktisch gefahren, hat sich nach meinem Überholvorgang rangeheftet und mich studiert. Und dann gut vorbereitet eiskalt durchgezogen. Im RaceChrono konnten wir sehen, dass der letzte Sektor trotz unserer Kappelei sein schnellster letzter Sektor im gesamten Rennen war, unter anderem lag es daran, dass er die vorletzte Kurve trotz ultimativer Spätankerung noch so perfekt bekommen hatte. Angesichts solch formidabler Aufzünderleistung gratulierte ich und schwor sogleich fürchterliche Rache im zweiten Rennen!

Das Ganze wurde von uns noch in Bewegtbild-Produktion umgesetzt, falls Bedarf besteht, hier zu finden:
https://www.youtube.com/watch?v=T6C8gwVpiTU
Ergebnis vom ersten Rennen: Platz 18 gesamt, Platz 7 im Cup, 9 Punkte für die Gesamtwertung. Nach dem Adrenalinschub vom Glück beseelt ließen wir den Abend bei herrlichem Grillduft, Kaltgetränken und Benzingesprächen ausklingen.
Sonntag, freies Training und 2. Rennen
Im freien Training lief es jetzt ohne Anstrengung, dank der Fahrzeit der beiden Vortage, schon recht rund. Ich probierte noch 1-2 Sachen aus (Gänge, Brems-/Einlenkpunkte) und rollte mich mit einer 1:50 ein.
Für das zweite Sprintrennen war die Losung glasklar, Manu und seine Honda mussten thermonuklearisiert werden, die Schmach des genialen-letzte-Runde-BlockPass des Vortages musste weggemacht werden. Die Startreihenfolge entsprach nun den Bestzeiten des 1. Rennens und ich startete von Platz 17. An der Vorbereitung zum Start hin änderten wir nichts und wie durch ein Wunder zerbrach mein Handgelenk auch diesmal nicht.
Die Ampel ging an, die Motorräder zündeten, die Ampel ging aus und die Meute jagte los. Start war ein wenig besser als der im ersten Rennen, dennoch ließ ich wieder einige Mitstreiter durch. Im Augenwinkel sah ich den schnellsten Starter unter der Sonne schon wieder an mir vorbeihuschen. Manu war sehr gut weggekommen und reihte sich irgendwo vor mir ein. Ich versuchte schnell die Startschockstarre zu überwinden und in den Rennmodus zu schalten. Nach der ersten Runde heftete ich mich an das Hinterrad einer R6, im Kopf legte ich mir schon biblische Zerspaltungen zurecht, als Manu auf einmal vor uns erschien. In der vorletzten Kurve schlüpfte die vor mir fahrende R6 an Manu vorbei. Das kam mir schon sehr spanisch vor, aus der letzten Kurve heraus zersägte ich die CBR sowas von böse, dass in meinem Hinterkopf schon der Gedanke aufploppte, das ging zuuu leicht. Egal, es gab ja immer noch die R6 vor mir, aus der ersten Schikane nach Start und Ziel wurde auch diese eiskalt ausbeschleunigt, ganz offensichtlich hatte der bemühte Treiber der Stimmgabel Probleme beim Schalten. Bis Runde drei hatte ich die Rennstrecke so, wie ich sie liebe, mutterseelenallein, zog ich auf dieser genialen Strecke meinen Strich. Nicht zu sehr die Strecke genießen, rief ich mir selbst zu, du fährst Rennen – also zünde auch!
In der Ferne erspähte ich noch zwei Bücklinge, zwei Runden später war ich am ersten dran. Wir jagten beide Richtung Kompression, ich sah, dass er ein bisschen mehr rausnahm, rollte auf, nutzte die ganze Breite der Strecke und versuchte, schnell wieder am Gas zu sein. Ich konnte den Schwung in die nächste Bergauf Richtung Matador gut mitnehmen und streckte auch diese R6 nieder. Die nächste Stimmgabel war schon in Sicht, allerdings brauchte ich 3 Runden, bis ich in Schlagdistanz war. Der Aufzünder vor mir fuhr einen schönen Strich, und ich fand keinen Weg vorbei. Wir flogen gemeinsam um die Strecke, und ich spürte, wie sich ein riesiges Grinsen unter meinem Helm breit machte. Ich versuchte mich noch zu einer Attacke zu motivieren, aber inzwischen hatte der Spaß an der Sache längst überhandgenommen, und ich genoss die letzten Runden mit meinem neuen Spielgefährten mit der Nummer 95. Alleine wäre ich wahrscheinlich noch langsamer unterwegs gewesen und hätte die Blümchen am Wegesrand und die Sonne im Gesicht genossen. Später in der Auswertung sah ich, dass wir mit unseren konstanten 1:48er-Zeiten auf die zwei vor uns fahrenden Pillemänner am Ende sogar aufschlossen. Glücklich querte ich kurz hinter meiner Zugmaschine mit der Nummer 95 die Ziellinie und genoss das Glück des Augenblicks. Anschließend winkte ich heftig jedem Streckenposten, ob er wollte oder nicht (ich schwor mir irgendwann, wenn ich mal groß bin, lerne ich Wheelies und belustige alle Anwesenden in dieser letzten Runde damit!). Im Fahrerlager schmatzte Gerrit, eifrig angefeuert von seiner Chefin, die letzten Kilo Kartoffelsalat, während Marcus ganz zufrieden mit mir war. Nun vollends beseelt stellte ich meine dampfende grüne Boden-Boden-Rakete ab, dankte ihr für ihre unfassbare Power, mit der sich meine bescheidenen Fahrkünste mal wieder kaschieren ließen, und grinste bei dem Gedanken an all die stumpf-auf-der-Start-Ziel-Geraden-Hergebrannten. Apropos, da war ja noch die Sache mit Manu und seiner Honda, wie sich herausstellte, lag ich mit meiner Vermutung richtig. Bei Manu hatte kurz nach dem Start Antizünd zugeschlagen, aufgrund eines Fehlers lief die Gute nur noch in einer Art Sicherheitsmodus, was ihm letztlich auch noch die ohnehin schon begrenzte Power nahm. Aber er zog dennoch durch und sicherte sich wertvolle Punkte in der Bridgestone-Wertung.
Für das zweite Rennen stand als Resultat Gesamtplatz 17, im Cup Platz 6 und damit weitere 10 Punkte für die Gesamtwertung.
Ich spürte, nach dieser grandiosen Aufzünderei Zufriedenheit, Glück und vor allem Erschöpfung. Marcus fragte, ob ich noch fahren wollte, ich verneinte, und im nächsten Augenblick wurde mit Nachdruck unser Transporter eingeräumt. Unfähig, mich aus meinem Campingstuhl zu erheben, freute ich mich, solchen Support zu haben. Kurze Zeit später rappelte ich mich auf und versuchte mit meinem geschundenen Körper zu unterstützen, wo es ging. Wir bzw. Marcus hatte den Boiler in Rekordzeit eingeräumt, und wir verabschiedeten nach und nach die anderen Aufzünder.
Insgesamt hochzufrieden, dass die Technik gehalten, ich keinen Mist, wie Marcus so schön zu sagen pflegt, produziert hatte kehrte irgendwann Ruhe auf der Rückfahrt ein. In meinem Kopf wirbelten zwei Gedanken umher, das war zum Glück ganz gut gelaufen, und ich hatte ein paar Punkte holen können. Die nächste Strecke, den Pannoniaring, kannte ich allerdings noch gar nicht, und dann gab es ja da noch die aufgeschobene Upgradefrage…
Wie es uns in Ungarn ergangen ist, erfahrt ihr, bei Bedarf, im nächsten Teil!

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- chrismo Offline
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Schön zu lesen!
Auch wenn ich dabei war melde ich auf jeden Fall Bedarf für den nächsten Teil an!
Grüße von der Bridgestone „Konkurrenz“
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- fredo Offline
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Bedarf ist da. Schöner Text!
Ist wie bei einer guten neuen Serie: Jetzt will ich auch wissen wie es weitergeht und freue mich auf die Fortsetzung!
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- Black Jack Offline
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Interessant und sehr schön zu lesen, mehr davon!
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- mashburner Offline
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So, gerade durch mit lesen. Sehr geil.
ABER wo bleibt den nun endlich Ungarn???
ABER wo bleibt den nun endlich Ungarn???

Pannonia-Ring 07.-09.06.2024
FR-Cup: 3ter & 4ter Lauf SSP-600
Pannonia-Ring – aus verschiedenen Informationsquellen erreichten mich sagenumwobene Geschichten um diesen heiligen Ring: wilde Asphaltwechsel, lustige Kurvenkombinationen, Wheelie-Sprung-Hügel, ein vorzügliches Restaurant, und Anekdoten über einen legendären Aufzünder, der in der Nähe der Strecke wohnte und Transponderzeiten checkte, bevor er selbst zum Training auf einer Gixxer ausrückte…
Es sollte also in den Süden gehen. Nach den Ereignissen in Most reifte in mir eine Idee, die ich mit einer sehr frühen Erfahrung in meinem Leben verbinden konnte. Die Erkenntnis können Menschen mit einer natürlichen Begabung für bestimmte Dinge (andere sagen auch Talent dazu) vielleicht weniger nachvollziehen – wir, also der Rest, ggf. dafür umso mehr
Anekdote, A.D. vor langer Zeit…
Vor vielen, vielen Monden stand das alljährliche Sportfest der 14ten Grundschule an. Für mich als damaliger Viertklässler eine lustige Sache, auf die ich mich freute. Als Schüler war ich zu diesem Zeitpunkt maximal durch meine Zurückgezogenheit und mein Desinteresse an allem, was da im Unterricht passierte, aufgefallen. Mein Tag begann immer erst nach der Schule. Ich liebte es, danach in den Hort bzw. zum Training zu gehen, mich zu bewegen. Aufgrund meines stillen und passiven Wesens hatten meine Eltern (die sportlich sehr aktiv sind) beschlossen, dass mich ein bisschen Sport vielleicht aktivieren würde. Rückblickend eine sehr gute Idee, und so kam es, dass ich damals schon mehrmals pro Woche zum Kanutraining ging, das in einem Verein an der Elbe stattfand. Viele Freunde aus der Schule taten das ebenfalls, sodass wir immer eine größere Gruppe waren. Ein normaler Tag sah so aus: Schule ohne Einschlafen oder Anschiss überstehen, dann raus und runter an die Elbe, Steine werfen. Meist hatten wir noch ein bis zwei Stunden Zeit, bis das Training im Verein begann. In dieser Zeit warfen wir Steine aller Art: Wer wirft am weitesten, wer am höchsten, wer schafft die meisten Sprünge mit seinem Stein übers Wasser („Ditscher“) usw. - ein Riesenspaß.
Zurück zum Sportfest – ich stehe in einer Reihe mit Mitschülern und wir warten darauf, dass wir einzeln nacheinander werfen dürfen. Nach und nach sind meine Klassenkameraden an der Reihe. Ich stehe ziemlich weit hinten in der Reihe, warte und beobachte die anderen. Endlich bin ich dran, bekomme meinen Schlagball, sage noch einmal meinen Namen und bekomme die Freigabe zum Werfen von unserem damaligen Hausmeister. Er ist mit seinen über zwei Metern aus der Sicht des vermutlich kleinsten Viertklässlers sehr groß. Er steht ca. zehn Meter vor mir und bellt: „Wirf!“. Ich nehme allen meinen Mut zusammen und frage, ob er noch ein Stück zurückgehen kann. Das Prinzip war, dass er schaute, wo der Ball aufschlug, der Schreiberin die Meterangabe zurief, den Schlagball zurück zum Nächsten warf und die Freigabe zum nächsten Wurf gab usw. Er funkelt mich mit dunklen Augen böse an, ging widerwillig noch ein bis zwei Meter zurück und rief: „Wirf, Junge!“. Ich schaute auf den Schlagball in meiner Hand und sagte mir: „Okay, du hast nur einen Versuch, also nutze ihn!“. Meine Wurfhand ist rechts, der Ball in meinen Fingern, mein Standbein rechts. Ich hebe mein linkes Bein an, drehe mein Oberkörper leicht ein, um Schwung zu holen. Mein Arm geht nach hinten, der Ellenbogen ist angewinkelt. Ich halte die Luft an, hole alle Kraft, die ich habe, aus meinen Beinen, folge dem Kraftimpuls über die Hüfte, öffne dabei meine Oberkörperdrehung, parallel lasse ich mein Schwungbein runtersausen. Der Impuls ist mittlerweile im Wurfarm angekommen, ich strecke diesen und gebe dem Ball meine maximale Kraft mit. Ich treffe den Abwurfwinkel gut, der Ball fliegt, fliegt über unseren Hausmeister hinweg. Ich verfolge den Ball, wie er etwa in der Mitte des Sportplatzes landet. Unser Hausmeister steht vor mir, in seinem Gesicht eine Mischung aus Entsetzen, Verblüffung und Verwirrung. Ich stehe inzwischen neben ihm: „Wie viele Meter waren das?“. Er dreht sich zu mir, schaute herunter, musterte mich mit seinen harten Zügen und brüllt anschließend: „Dorthin, warten!“. Nun bin ich derjenige, der verwirrt dreinschaut. Ich tue, wie mir gesagt, begebe mich zur besagten Stelle und warte. Meine Klasse war mit dem Werfen fertig, es folgten die drei Parallelklassen. Ich stand in der Sonne am Rande des Sportplatzes und hatte eine ausgezeichnete Sicht auf jeden, der warf. Da ich eh nichts zu tun hatte, beobachte ich jeden, der dran war. Manche ließen den Ball viel zu früh los, und er landete sofort im Dreck, andere warfen viel zu hoch. Bei vielen hatte ich das Gefühl, dass sie zum ersten Mal etwas so weit werfen sollten, wie sie konnten. Im Laufe des Nachmittags entdeckte ich bei fasten allen etwas im Bewegungsablauf, das nicht passte. Die Einzigen, die gut waren, waren meine Freunde, sie alle warfen überdurchschnittlich weit. In diesem Moment kam mir eine Erkenntnis, die ich für mein ganzes Leben mitnahm und weiter verfeinerte: Nein, es waren nicht die großen, starken Jungs/Mädchen, die gut und weit warfen, es waren diejenigen, die so wie ich in hunderten Stunden schon tausende Steine geworfen hatten. Also lag das Ergebnis nicht allein an der Veranlagung, sondern daran, wie oft man etwas tat.
Alle Schüler waren mit dem Werfen fertig, nur der Hausmeister, die Schreiberin und ich standen noch auf dem Platz. „Herkommen!“ Ich ging hinüber, er beugte sich zu mir, hielt mir einen Schlagball hin. Ich wollte ihn nehmen, er hielt ihn fest. Ich stockte, er schaute mich an, seine scharfen Gesichtszüge wurden plötzlich weich: „Du bekommst noch einen Wurf, nutze ihn!“. Ich nickte eifrig. Noch einen Versuch! Niemand bekam noch einen Versuch. Ich freute mich, grinste und trabte zum Abwurfpunkt. Ich nahm meine Abwurfposition ein, unser Hausmeister stand nun in der Mitte des Platzes. Ich wartete auf sein Zeichen, nahm mir Zeit und legte alles, was ich hatte, in diesen Versuch. Ich hatte diesen Wurf wunderbar getroffen. Der Ball flog und flog, er schlug wieder etwa in der Mitte des Platzes ein. Ich wartete aufgeregt auf die Weite. Unser Hausmeister kam gemächlich zur Schreiberin geschlendert. Ich stand daneben, er legt den Ball in eine Box, schaute zu mir herunter, lächelte (ich hatte das vorher noch nie gesehen) und sagte: „Gut gemacht, Kleiner“. Er wandte sich zur Schreiberin: 41 Meter. Ich hatte alle Weiten gehört und konnte es nicht glauben. Keiner hatte so weit geworfen. Ich hüpfte wie ein Flummi umher und freute mich!
Ich gewann das Sportfest in meiner Altersklasse. Ich war gut im Sprint, Sprung und Seilspringen, ein mittelmäßiger Ausdauerläufer und ein lausiger Schwimmer. Aber mit Schulrekord im Weitwurf reichte es. Da stand ich nun als kleiner Rotzlöffel ganz oben, ein bisschen schüchtern streckte ich meine Urkunde Richtung Himmel und freute mich. Aus meiner Sicht ganz links hinten außen, stand er, unser Hausmeister, wie ein Fels zwischen zu kleinen Menschen. Unsere Blicke trafen sich, er nickte mir zu und klatschte wie alle anderen.
Ende der Anekdote…
Was ich mir bis heute mitgenommen habe aus dieser Erfahrung, ist die Erkenntnis, dass egal wie deine Karten im Leben verteilt sind, du kannst daraus viel mehr machen als es im ersten Moment, von außen vielleicht den Anschein hat, wichtig ist nur das du deine Karten gut spielst. Talent ist in unserer Welt das meist überbewerteste was es gibt. Mit Leidenschaft, Freude an dem, was du tust, Zeit und Wiederholung kannst du mindestens 95% aller anderen Menschen in jedem Bereich (Sport, Schule, Studium, Job, Hobby usw.) übertreffen. Und auch wenn man niemals zulässt, dass es da draußen jemand gibt, der mehr trainiert – nein, man wird mit dieser Idee nicht automatisch Olympiasieger, das habe ich ausreichend probiert - ABER man kann damit, wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, sehr, sehr weit kommen
Zurück in die Gegenwart…
Mein kühner Plan war es also, einfach eine Woche früher zum Pannonia-Ring zu reisen. Dort bot Stardesign-Racing ein dreitägiges Event an - perfekt zum Üben, denn als Wanderschikane tue ich mich auf neuen Strecken naturgemäß schwer. Hier gilt der Grundsatz: "Viel hilft viel". Auf die Idee zur Umsetzung hatte mich Daniel, dieser verrückte Höllenhund, gebracht. Zwischen den beiden Events planten wir, die Woche in Neusiedl am See auf einem Campingplatz zu verbringen, um anschließend wieder an den Pan für das FR-Meisterschaftswochenende zu fahren. Ein genialer Plan, der mich mit großer Vorfreude alles packen ließ. Ein weiterer, sehr wichtiger Baustein in meiner Überlegung war Support. In Most hatte ich fantastische Unterstützung durch Marcus & Gerrit. Für Pannonien jemanden zu gewinnen, der sich den „Mist“ über eine Woche lang antut, würde schwer werden, jedoch kam wieder einmal alles anders als gedacht. Mein Vater sagte spontan zu, dass er mitkommt. An dieser Stelle noch drei Worte zu meinem Vater für den unkundigen Leser: Ich verehre diesen Menschen zutiefst, und sollte ich es in meinem Leben schaffen, nur einen Bruchteil von dem zu erreichen, was er in seinem Leben geleistet hat, wäre ich mit mir mehr als zufrieden. Am besten beschreibt meinen Vater eigentlich folgende Szene: Wir führten am Haus Abbrucharbeiten durch. Eine Wand sollte weg, der Fußboden aufgebrochen und alles neu betoniert werden. Wir schufteten also zu zweit wie die Schweine. Es war mehr Arbeit, als zu bewältigen war, knappe zehn Stunden waren rum bis zu dem Zeitpunkt, als ich körperlich nicht mehr konnte. Ich ließ meinen leidenden Kadaver auf einen Betonsack plumpsen, die Hände vorm Gesicht, entließ ich die Schmerzen aus meinem Körper. Als mein Vater plötzlich neben mir stand und folgendes sagte: „Tim, wenn du keine Lust mehr hast, kann ich dich auch nach Hause fahren“. Das war die erste, kurze Minipause in zehn Stunden Plackerei. Zwei Stunden später saßen wir gemeinsam beim Abendbrot, keiner sagte ein Wort. Plötzlich räusperte sich mein Vater und fragte, ob ich denn Lust hätte, morgen noch „ein bisschen“ zu helfen. Sofort sagte ich zu. In diesem Moment stellte mein Körper einige Fragen, sämtliche Knochen und Muskeln schmerzten. Was meine Moral wirklich zusammenklappen ließ, war aber die Tatsache das ich 30 Jahre jünger bin als mein Vater, im Training stehe und fit bin, aber er derjenige ist, der niemals jammerte. Er wusste das, ich wusste das, keiner sagte etwas, wir schmunzelten beide in dem Wissen, dass wir am darauffolgenden Tag nochmals heftig leiden würden.
Meine Eltern haben mich immer bei allem unterstützt, wenn sie gemerkt haben, dass ich es ernst meine und mir das Ganze Freude bereitet. So kam es, dass ich mir schon lange gewünschte hatte, dass mein Papa zu einem Event mitkommt. Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass er ausgerechnet zum Pannonia-Ring in Ungarn, den ich selbst gar nicht kannte, zusagte. Alles war somit arrangiert, und am Donnerstag den 30.05.2024, fuhr ich mit RedBull bewaffnet Richtung Ungarn los. Entspannte 600km lagen vor mir, ich setzte den Tempomat auf 100 km/h fest und rollte bestens gelaunt Richtung Süden.
Durch Tschechien ging es Richtung Österreich, von dort zum Grenzübergang Österreich-Ungarn „Sopron“. Als ich in Brünn noch weiter Richtung Süden abbog, grüßte das Automotodrom Brno, und ich musste schmunzeln - was für eine fantastische Rennstrecke! Während ich Richtung Wien fuhr und über mögliche Rundenzeiten sinnierte, die ich mir insgeheim wünschte, wollte Google Maps mich beständig von der Autobahn ableiten. Das Spiel hatte ich allerdings schon vor Brünn durchschaut, nachdem ich schon zweimal abgefahren war. Die rechte Spur stand komplett, LKW an LKW, dadurch dachte Maps, es wäre Stau, und schlug wilde Ausweichrouten vor. Ich blieb standhaft, widerstand allen Verlockungen der weiblichen Navigationsstimme und rollte Richtung Grenzübergang Österreich – Ungarn.
Über den Grenzübergang hatte ich schon alles gelesen, von „passiert gar nichts“ bis „du wirst komplett auseinandergenommen“. Ich war gespannt, die Gedanken schweiften ab. Vor meinem geistigen Auge sah ich Hobelsberger auf einer 600er (Honda!!! Warum nur müssen es immer Hondas sein?) seine 1:55iger Runde fahren, die ich auf Youtube gefunden hatte. Ich fuhr in Gedanken jede Kurve mit und hatte Probleme, den Boiler auf der Straße zu halten. Ich rief mich zur Selbstdisziplin und zündet mir die Zauberplörre aus Fuschl am See in Salzburg rein. Sogleich erwachten meine Lebensgeister. In Most hatte ich eine Runde von Hobelsberger gesehen, in der er 1:36-37 gefahren war. Meine völlig logische Annahme war also, dass ich am Pan ebenfalls 10sek langsamer sein würde. Während ich in Gedanken immer schneller wurde, passierte ich den Grenzübergang, der unbesetzt und verlassen wirkte.
Die Sonne war inzwischen untergegangen, und ich rollte durch ungarisches Niemandsland. Das Navi zeigte noch etwas weniger als eine Stunde. Mir wurde schlagartig klar, dass ich das nie schaffen würde: Schlaglöcher, so groß, dass kleine Autos darin verschwinden könnten, Autowracks am Wegesrand, verlassene Dörfer, kleine Straßen. Meine Vorfreude nahm ungeahnte Höhen an, und ich trommelte einen metallenen Klassiker auf das Lenkrad, während ich behutsam um gewaltige Straßenuntiefen navigierte. Irgendwann, als ich schon dachte, hier ist das Ende der Welt und du fällst jeden Moment von dieser verrückten Scheibe, konnte ich in der Nacht das Ortschild „Offzyndhausen“ oder so ähnlich erkennen. Ich lachte laut auf, das musste ein verdammter Witz sein, wir leben in einer Simulation! Kurz dahinter passierte ich endlose Felder. Wie im wilden Westen begleiteten mich schon seit einer Weile an der Straße elektrische Oberleitungen, und alle 50m stand ein windschiefer Holzpfahl. Rechter Hand kamen langsam Lichter aus der Nacht näher - das musste es sein, klar, wir waren ja gerade durch „Offzyndhausen“ gefahren!
Da stand es, Pannonia-Ring. Ich bog ein, shit, die Schranke war zu. Im Pförtnerhäuschen brannte noch Licht. Ich machte selbst Licht im Fahrerhaus an und winkte, und wie von Geisterhand hob sich die Schranke. Ich fuhr ins Lager der Fahrer (das rappelvoll war) ein und spürte sogleich den Aufzünder-Spirit - Gänsehaut, ah, was für ein Gefühl! Ich telefonierte kurz mit Daniel, wo ich hinsollte, stellte den Boiler ab, betete dreimal dankend das Vaterunser, dass die französische Großserientechnik mich unbeschadet hierhergebracht hatte, und begrüßte Daniel. Dieser wunderbare Wemser stellt mir sogleich die beiden Aufzünder von „dunkelbuntracing“ vor, mit denen wir uns die Box teilten. Ich sah in der Box ruhig und riesig eine SRAD still auf ihren Ständern stehen. Da wusste ich, das sind ganz besondere Menschlinge. Nach der Begrüßung und Ausladetetris tauschten wir noch einige Räuberpistolen aus und legten uns hin, als die Sterne schon hoch über uns standen.
Nach der obligatorischen Fahrerbesprechung, der technischer Abnahme und der Gruppenaufkleber-Abholung enterte ich zum ersten Mal dieses heilige Asphaltband. Das Erste, was ich wahrnahm, waren Regentropen auf meinem Visier. Naja, nützt ja nichts. Ich rollerte drei Runden, damit ich wenigstens eine Idee davon bekam, wo es langging, und fuhr wieder rein. Die Box erwies sich als äußerst praktisch. Während draußen der Weltuntergang tobte, berieten wir, was zu tun wäre. Ich erkannte die Zeichen, das musste die Konstellation sein, auf die ich immer gewartet hatte. Es wurde freies Fahren bzw. freies Schwimmen ausgerufen, es war warm, und ich war noch nie im Regen gefahren. Angesteckt von der SRAD-Treiberin, die mir beständig sagte, wie toll es doch wäre, im Regen zu fahren, nahm ich alle meine Cojones zusammen, baute um und wechselte auf Regenreifen.
Eine gute Stunde später war ich bereit, das erste Mal im Regen aufzuzünden. Was jetzt folgte, war eine Offenbarung, die ich insgeheim schon erahnt hatte. Regen oder, wie in diesem Fall, sinnflutartige Bedingungen zeigen den Unterschied zwischen Mann und Memme. Ich eierte also aus der Box raus und bog langsam in die ersten Kurven. Mir wurde schlagartig bewusst, warum ich dies vorher nie gemacht hatte. Diese Bedingungen teilten mir nicht angenehm mit, dass ich eine verdammte, talentlose Memme war. Nein, diese Bedingungen schrien es so laut heraus, dass es bis „Offzyndhausen“ zu hören sein musste und den ungarischen Racing-Veteranen ein verschmitzt haben-wir-doch-gewusst-das-die-Jugend-nichts-kann-Lächeln ins Gesicht zaubern musste. Hinten, vorne, es rutschte einfach überall. Jede Kurve, jeder Gasstoß, jedes Anbremsen war ein Krampf. Ich kämpfte darum, auf der Strecke zu bleiben, und war zeitgleich in Schockstarre. Mit meinem Kopf schaffte ich es langsam, diese zu überwinden. Inzwischen hatte die SRAD mich schon mehrfach gespalten.
Es reichte, ich befahl meinem Körper, sich zu entspannen, und atmete tief durch. Die ersten Runden hockte ich so unglaublich verkrampft auf der Kiste, dass ich nicht wusste was eher nachgab: meine Lenkerstummel oder meine Unterarme. Nach und nach fuhr ich ein bisschen flüssiger. Der Hinterreifen eierte und wobbelte in alle Richtungen, und die ganze Maschine schüttelte sich albern bei jeder Gelegenheit. Ich hatte gar keine Zeit, mich auf die Strecke zu konzentrieren, und war nur daran interessiert, dass das Vorderrad keine Gelegenheit bekam, einzuklappen. Nach 15 Runden mit 3 Minuten pro Runde steuerte ich wieder die Box an. Zitternd stellte ich meine geliebte Kawa ab und ließ mich in den erstbesten Campingstuhl fallen. Ich schilderte Daniel und den beiden anderen Aufzündern meine Erlebnisse und bekam großes Gelächter zu hören. Es kam zur Sprache, was ich denn für Regenreifen fahren würde. Ich stutzte kurz. Marcus hatte die Contis irgendwo supergünstig besorgt, gebraucht, 5 Jahre alt. Mir meiner Antwort bewusst, blinzelte ich, erntete Erstaunen und dann wieder Gelächter!
Ich fuhr an diesem Tag noch weitere 30 Runden im Regen. Ganz ganz langsam bekam ich ein besseres Gefühl für diese plierige Misere. Zum Ende des Tages sah es wieder nach besserem Wetter aus. Ich baute um und fuhr bei trockenen Bedingungen noch sechs Runden. Puhh, das war was ganz anderes! Auf einmal ging‘s ab. Am Anfang hatte ich Probleme, überhaupt Schräglagen zu fahren oder richtig das Gas aufzuziehen. In meinem Kleinhirn war noch der Regenmodus hinterlegt. Jede Runde wurde schneller, ohne dass ich eine Ahnung von der Ideallinie hatte oder wusste, wie man wo was am besten machen sollte. Ich fuhr einfach nur, und es fühlte sich fantastisch an - ein riesiges Grinsen unterm Helm, trockene Bedingungen und eine geniale Strecke zum Aufzünden. Was will man mehr vom Leben? Nach sechs Runden schwenkten die Streckenposten mit albernen Fahnen, und der erste Tag ging zu Ende. Zu Buche standen meine allerersten Meter im Nassen und 2:15 bei trockenen Bedingungen.
Der zweite Tag begann wie der erste: Der Himmel hatte seine Schleusen geöffnet. Fröhlich pfeifend baute ich auf meine Regen-Contis um. Nach zwölf feucht-fröhlich-rutschenden Runden im Regen klarte es auf, und ich bog in die Box zum Umbauen ab. Während ich meine Reifen umbaute und meine Kette pflegte, gab es neben mir auf einmal einen Aufschrei. Ich bin bis heute dankbar, dass - nennen wir sie S. (ich weiß nicht, ob sie in diesem Forum mit Klarnamen auftauchen möchte) - mein Kettenrad so genau inspiziert hatte. An einer Stelle war deutlich zu sehen, dass es zu brechen begann! Nach dem Ausbau und genauerer Betrachtung war klar: So konnte es nicht weitergehen. Da ich immer mit Minimal-Equipment (also nix) unterwegs bin, stromerten wir durchs Fahrerlager auf der Suche, ob es noch irgendwo einen heroischen Kawatreiber gab, der vielleicht eine andere Übersetzung dabeihatte. Glück im Unglück, wir fanden einen lustigen polnischen Aufzünder. Wir verstanden uns auf Anhieb blind. Ich zeigte ihm mein Kettenrad, er machte große Augen und lachte. Ich zeigte auf seine Kawa, er verstand, und wir wurden uns einig. Er fragte, was ich für Rundenzeiten fahren würde. Ich brabbelte was von drei Minuten. Er schaute ungläubig. Ich fragte ihn, er sagte was von zwei Minuten. Ich schaute ungläubig. Wir lachten. Ich bin so froh, dass es noch solche Menschen gibt. Erwähnte ich schon, dass mein und sein Englisch erstklassig war?!
Ich dankte allen und versprach, das nächste Kaltgetränk geht auf mich.
Nach dem ganzen Schreck baute ich gemütlich um, prüfte alle Schrauben und alles andere, was ich mit meinen zwei linken Händen erreichen konnte, und fuhr noch für 16 Runden in vier Turns raus. Leider gab es jetzt sehr viel Stürze. Daniel hatte nun auch seine ersten Runden gedreht und war ebenfalls ganz verzückt von dieser genialen Strecke!
Unser dritter und letzter Tag begann trocken und mit strahlendem Sonnenschein. Am Vortag hatte ich die letzten vier Turns genutzt, um mir Gedanken über Brems- und Einlenkpunkte und all solche Sachen zu machen. Sprich, ich hatte mir den Streckenplan geschnappt und angefangen, wilde Pläne auszuarbeiten. Mit meinen neuen Erkenntnissen wollte ich gleich richtig durchstarten. Ich stellte mich vorn hin und hatte frei Bahn, Sonne im Gesicht und Rückenwind - was sollte da schief gehen? Befreit fuhr ich auf, stellte aber fest, dass das 43iger Kettenblatt hinten vermutlich bis 300 km/h reichen würde. Ich spielte ein bisschen mit den Gängen und fand dann eine ganz passende Kombination, um die Strecke rum. Mit einem breiten Grinsen rollte ich nach fünf Runden wieder in die Box. In einer Runde hatte ich die kritischen Stellen ganz gut zusammenbekommen und war nun neugierig auf die Rundenzeit. 2:10 leuchtet hinter meinem Namen auf. Da ich noch nicht im Knocking-on-Heavens-Door-Modus unterwegs gewesen war, freute ich mich über die Zeit und sah im Augenwinkel noch, dass es Rennen gab. Aufgeregt berichtete ich den anderen, und wir meldeten uns alle an. In den folgenden drei Turns passierte nicht mehr viel. Ich eierte noch ein bisschen rum und suchte schon mal nach Stellen für gnadenlose Zerspaltungen, sollte ich im Rennen in die Verlegenheit kommen.
Aufgrund unserer Zeiten wurden wir leider in unterschiedliche Rennen eingeteilt. Daniel und die anderen beiden waren vor mir an der Reihe. Daniel stand auf Position 3, Front-Row! Geil! Ich wünschte allen Glück und stürmte den Zielturm. Der Polsetter war nicht da. Die Einführungsrunde begann, aus Sicherheitsgründen wurde bei ihnen fliegend gestartet. Daniel saugte sich in der Einführungsrunde nah an den Führenden heran und schnappte ihn sich sofort. Ich schrie vor Begeisterung den Zielturm zusammen. Die anderen Zuschauer dreht sich schon verstört um, als ich lautstark die pechschwarze-Tarnkappen-Starfighter-R6 bei jeder Start-Ziel-Durchfahrt anfeuerte. Die anderen beiden Wemser hatte sich im Mittelfeld platziert und fighteten dort um Positionen. Daniel fuhr vorn einen immer größeren Vorsprung heraus. Belustig korrigierte ich zwei Zuschauer, die sich fragten, wie viel PS die schwarze R1 wohl hätte? Nix Kilokübel, das ist eine R6 mit einem Geisteskranken drauf! Als Daniel als Erster die karierte Flagge passierte, war ich nahe einem Herzinfarkt, und alle anwesenden Zuschauer schreckten vor mir zurück. Ich sprintete zur Box runter und wartete auf Daniel. Als er da war, riss ich ihn förmlich von seinem Hobel und schüttelte ihn. Dieser Verrückte hatte gerade das geschafft, was sich am Ende vermutlich fast jeder von uns Hobbyracern einmal wünscht: Er hatte ein verdammtes Rennen gewonnen! Hemmungslos ließ ich meinen Emotionen freien Lauf und stellte Daniel tausend Fragen, während er langsam seinen Helm abnahm. Auf meine zweihundertfünfundfünfzigste Frage, wie es denn nun war, antwortete er: „Joa, gut“. Haha, hehe, höhö, wie kann man nur sein?
Der Junge ist so abgebrüht, das geht gar nicht. Egal, ein bisschen anstecken konnte ich ihn mit meiner überschwänglichen Euphorie, und wir grinsten um die Wette. Die anderen beiden klatschte ich ebenfalls noch ab und beeilte mich dann, zu meinem Rennen zu kommen.
Ich startete als Zehnter in der SBK750 (was für eine Farce, 600er ist die einzig wahre Klasse!
) und kam gut rein. Hier und da konnte ich einen unvorsichtigen Wemser spalten. Ich fühlte mich wie im Himmel und preschte über die Bahn. Wie im Rausch verging Runde für Runde. Meine grüne Boden-Boden-Rakete funktionierte erstklassig, und ich befand mich auf dem Weg nach vorn, als plötzlich eine alberne karierte Fahne in meinem Blickfeld geschwenkt wurde. Uff, was ein Rennen! Zur Belustigung wedelte ich allen Streckenposten überschwänglich zu und versuchte mich an kläglichen Wheelies. Am Ende Stand Platz 5 auf‘m Zettel, mit einer Bestzeit von 2:09. Das hätte für Platz 2 gereicht. Hätte, hätte, Fahrradkette, thats Racing! Glücklich stapften wir zur Siegehrung und brüllten alles heraus, was ging, als Daniel seinen großen Pott entgegennahm!
Danach begannen die anderen beiden einzupacken, während Daniel und ich noch die letzten 20 Minuten freies Fahren genossen. Dort konnte ich nochmal was zusammenbauen, und es reichte für eine 2:08. Überglücklich stellten wir unsere Geschosse ab, und dann gab es zur Feier des Tages erst einmal ein herrliches, kühles Hopfengetränk. Was für ein Tag! Mir wurde mal wieder bewusst, das Leben ist schön.
Ich weiß nicht, wie lange wir da noch so saßen, in Glückseligkeit versunken, den anderen Wemsern beim Packen zuschauten und uns die Sonne ins Gesicht scheinen ließen. Irgendwann fingen auch wir an zu packen. Es war schon dunkel, als wir, frisch geduscht dieses geniale Asphaltband verließen und Richtung Campingplatz losfuhren. Da an diesem Tag schon einiges hinter mir lag, halfen jetzt nur noch zwei Sachen: RedBull und Schwere-metallene-Musik. Fenster auf, ging es durch die Nacht. Es lagen rund 100 km vor uns bis zum Campingplatz. Daniel hatte noch angerufen und geklärt, dass wir erst sehr spät aufschlagen würden. Ich hatte Mühe, auf den ungarischen „Straßen“ an Daniels Kombi dranzubleiben. Er umfuhr die Kleinwagen-großen-Unebenheiten so selbstsicher, dass er regelmäßig auf mich warten musste.
Wir näherten uns einem Grenzübergang nach Österreich, zumindest piepste mein Navi mir dies zu. Daniel brauste an der Grenzhütte samt Personal einfach vorbei. Daraufhin sprang ein schwerbewaffneter Grenzsoldat auf die Straße und gab mir unmissverständlich zu verstehen, dass ich anzuhalten hätte. Ich drosselte die dröhnende Musik, er trat ans Fenster: „Motorle aus! Passportle! Wohine?! Wohere?! Warume!?!“ Ich tat, wie mir gesagt, und beantwortete alle Fragen. Danach hieß es: „Aussteigene, aufmachene!“ Mir schwante, dass dies länger dauern könnte. Ich tat abermals, was verlangt war. Als ich draußen stand, hieß es: „Aufmachene! Hintene! Langsame!“ Ich tat bemüht langsam. Der Grenzer, im Abstand von 5m zu mir, vermutlich bereit, mich oder was auch immer aus dem Boiler kommen würde, niederzumähen, öffnete ich die hinteren Türen. Fröhlich poltern flog ein leerer Benzinkanister heraus und landete mit einem metallenen Klirren auf dem Asphalt. Ich musste gegen ein aufkommendes Lachen ankämpfen und schaute den Grenzer an, der ebenfalls gerade mit sich rang und so aussah als ob er überlegte zu lachen. Ich sollte zur Seite treten, und er leuchtete noch ein bisschen im Boiler herum. Ich hob derweil den Benzinkanister auf und wartete. Der Grenzer schien zufrieden zu sein: „zumachene, weiterfahrene, wiederschaune!“ Ich bedankte mich, wünschte noch einen guten Abend und fuhr weiter.
Gott, musste ich danach lachen! Dieser österreichische Akzent (dem man nie böse sein kann, klingt einfach zu lustig) gepaart mit dieser komischen Situation – herrlich! Daniel hatte ein paar Kilometer hinter der Grenze gewartet. Ich schilderte ihm in knappen Worten, was passiert war, und wir setzten unsere Fahrt fort. Irgendwann war um uns herum nur noch Schilf, mindestens drei Meter hoch. Ich hatte das Gefühl, wir würden jeden Moment wortwörtlich in den See fahren. Es war nach Mitternacht und ging auf 1 Uhr zu, als wir am Campingplatz bzw. der Schrank dazu ankamen. Es begann eine Art nächtliche Schnitzeljagd nach einem Transponder. Daniel hatte die Info, dass sich irgendwo eine Art Kasten befinden sollte, der sich mit einem Zahlencode öffnen ließe. Einzig was uns fehlte, war die Info, wo dieser verdammte Kasten denn sein sollte. Also suchten wir im Dunkeln auf dem großzügigen Gelände alles ab. Irgendwann, wir hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben, fanden wir den Kasten und entlockten ihm seinen Inhalt.
Wir rollten äußerst geräuschvoll auf den Campingplatz und stellten uns zwischen verschieden große Wohnmobile. Die Menschlein, die bis dahin tief, fest und friedlich schliefen, taten mir fast ein bisschen leid, aber wir mussten entsprechend noch herumkurbeln, bis wir einigermaßen ordentlich standen, und erzeugten dabei gefühlt mehr Dezibel als eine offene Akra-Racing-Anlage beim Lärmtest. Nach einer Katzenwäsche legten wir uns in unsere Kfz´s. Daniel baute seinen Kombi noch ein wenig um, und ich schlief wie mein großes Idol Joey Dunlop einfach vorn im Boiler. Hinlegen war aufgrund meiner geringen Ausmaße kein Problem, lediglich die knapp 40 Grad im Fahrerhaus waren schweißtreibend. Die einzige Möglichkeit war, die Fenster zu öffnen, draußen warteten allerdings 100 Mio. blutdurstige Mücken auf Beute. So schlief ich mit meinen Gedanken beim legendären „King of the Mountain“ und langsam herunterlaufenden Schweißtropfen auf meinem Rücken ein. Am nächsten Tag kletterte ich zermatscht ausm Boiler und trank erstmal zwei Liter. Nach einem kleinen Frühstück stand jetzt die Königsdisziplin an: Die Idee war, sämtliche Sachen aus meinem Boiler in Daniels Hänger zu laden, unseren Pavillon samt Biertischgarnitur aufzubauen und unser Lager zu errichten. Unsere nächtliche Ankunft war, wie befürchtet, nicht unbemerkt geblieben. Wir waren jetzt schon Zentrum sämtlicher misstrauischer Beobachtung. Was für ein Spaß! Auf die Spitze getrieben wurde dies, als wir den Boiler Stück für Stück ausräumten und am Ende zwei Rennmopeds + sämtliches Material auf dem Campingplatz standen. Hier und da wurde es den ersten Rentnern zu viel, und sie konnten aus Ungläubigkeit, was da vor Ihren Augen passierte, es nicht mehr mit ansehen. Wir räumten fleißig weiter, und zum Mittag hatten wir unsere Homebase so gut es geht errichtet.
Die nächsten beiden Tage füllten wir unsere Vorräte auf und erledigten, was sonst noch zu tun war. Dazu erkundeten wir die Umgebung mit unseren Rennrädern, die wir dabei hatten. Hier viel mir sofort auf, wie saufit Daniel auf‘m Rennrad war. Ich kämpfte meist im Windschatten ums Überleben. Daniel hatte eine ausgezeichnete Idee: Wir könnten ja mal den See mit den Fahrrädern umrunden. Gesagt, getan. Wir starteten früh, und ich verfluchte mich, dass ich mich darauf eingelassen hatte. Ich könnte jetzt am See sitzen, die Beine im Wasser baumeln lassen und das Leben genießen. Nein, stattdessen ballerten wir auf einem Fahrradweg um diesen gottverdammten See. Irgendwann gegen Mittag, die Sonne stand hoch, und es war sauheiß, befanden wir uns irgendwo in Ungarn auf einer einsamen Bundesstraße. Daniel prügelte vornweg, als ob es „no-tomorrow“ gäbe, und ich dachte nur, wenn ich jetzt abreißen lasse, dann fall ich um und bleibe einfach liegen. Vor meinem geistigen Auge sah ich schon Kojoten an meinen speckigen Knochen nagen, als Daniel endlich das Tempo ein bisschen drosselte. Er motivierte mich mit einigen Pausen und wir zogen durch.
Kurz vorm Ende hatte ich noch ein heftiges emotionales Tief zu überwinden. Daniels Fahrradcomputer war der Überzeugung, wir wären schon rum. Darauf hatte ich mich bis dahin verlassen. Nach einigem Hin und Her fanden wir heraus, dass es noch 25km und somit fast noch eine Stunde bis zum Campingplatz war. Puhh, da half nur noch ein kräftiger Schokoriegel und natürlich Daniels Windschatten!
Nach dem Tag brauchten wir eine Pause und ruhten uns aus. Die Woche ging auf Donnerstag zu, und unser Schlachtplan sah wie folgt aus: Wir würden zuerst nach Wien eiern, meinen Vater einsammeln, der mit dem FlixBus dort ankommen sollte, und dann zum Pan weiterfahren.
Also starten wir am Donnerstag früh, um pünktlich in Wien zu sein. Dort angekommen, hätte uns die Großstadt fast verschluckt. Den einzigen freien Platz zum Parken fanden wir bei einer Tankstelle. Daniel besorgte Kaffee und kam mit der nicht so guten Nachricht wieder, dass wir schon intensiv beobachtet würden und, wenn wir nicht gleich woanders hinfahren würden, wir abgeschleppt werden würden. Ich grinste. Wien gefiel mir, fast so nett wie der Grenzer knapp eine Woche zuvor!
Daraufhin drehten wir einige Runden um den FlixBus-Spot, bis irgendwann der herbeigesehnte grüne Bus eintraf. Ich manövrierte den Boiler zwischen verschiedene Busse, Menschenmassen und Taxis sodass mein Vater gut einsteigen konnte. Nach kurzer Begrüßung rollten wir abermals Richtung Pannonia-Ring. Wir steuerten den Grenzübergang „Sopron“ an und freuten uns auf die bevorstehenden Tage mit all den anderen redlichen Aufzündern. Ich erzählte meinem Vater von unseren letzten Tagen und was uns so widerfahren war. Er erzählte nicht ganz so „leckere Geschichten“ aus‘m FlixBus. Am Grenzübergang war wieder nichts los, und wir rollten unbehelligt auf ungarischen Boden. Wir tankten noch einmal unsere Kanister voll, und ich war gespannt wie ein Bettlacken, wann endlich das jetzt schon legendäre Ortschild mit dem Namen „Offzyndhausen!“ auftauchen würde. Irgendwann hatten wir alle Schlaglochfallen gemeisterte und bogen ins Fahrerlager ein. Diesmal hatten wir keine Box und errichteten unsere Homebase mit rotem Pavillon relativ zentral im Fahrerlager. Später kamen noch Manu und Christina dazu, die eine gefühlte Weltreise hinter sich hatten. Nach dem üblichen organisatorischen Kram schnappten Papa und ich unsere Fahrräder und fuhren eine gemeinsame Runde um dieses geniale Asphaltband. Ich erklärte Papa alle Tücken der Strecke und merkte dabei, dass die ca. 130 gefahrenen Runden des Wochenendes zuvor Spuren hinterlassen hatten. Ich konnte jeden Brems-, Einlenk-, und Blickpunkt sowie Besonderheiten, die ich für mich herausgefahren hatte, für jede Kurve benennen. Abschließend stellten wir Papas Fahrrad auf die Pole-Position und machten ein Foto auf der Start-Ziel-Geraden, das es bis in den alljährlichen Familien-Wandkalender geschafft hat!
Am Freitag ging es mit Training los. Wir ließen es ruhig angehen und drehten unsere Runden. Erstmals gab es auch im Training eine reine 600er Gruppe. Erstklassig! Die am letzten Wochenende gedrehten Runden machten sich bemerkbar, und ich kam gut rein. Bremsen, Gänge, Kurven - alles passte soweit. Frohen Mutes stiefelten wir mittags zur Anmeldung fürs Endurance. Diesmal wollten Daniel und ich mitfahren. Die Anmeldung klappte, jedoch zogen am Horizont schon wieder sehr dicke Regenwolken auf. Ich ergriff die Chance und baute nach einem vorzüglichen Mittagessen auf Regen um. Inzwischen war Open Track, aber nur sehr wenige drehten ihre Runden. Ich rollerte raus und hatte sogar fast ein bisschen Spaß an der elenden Rutscherei!
Leider wurde der Spaß sehr schnell unterbrochen, als ich in Kurve 16 war. Sämtliche Streckenposten schwenkten die rote Flagge, und ich rollte wieder in die Box. Dort angekommen, informierte Daniel mich, dass jeden Moment das Endurance-Race starten würde. Wir tankten die Kawa, und ich rollte wieder raus zum Start für das 2-Stunden-Rennen. Mit mir standen nur vier weitere Fahrer in der Startaufstellung. Inzwischen kübelte es respektlos auf den Planeten. Ich bestaunte noch das Wasser in meinen Stiefeln, als die Startfahne runterging. Ich flitzte los, schwang mich auf meine Kawa, die mittlerweile in einer schönen, großen Pfütze stand und von Daniel festgehalten wurde. Die grüne Rakete zündet sofort, und ich flog los. In der ersten Runde sammelten mich zwei Teams wieder ein. Ich spielte mit den Bedingungen und fuhr so entspannte wie möglich meine Runden. Nach 45min signalisierte mir eine kleine gelbe Lampe, dass ich reinmusste. Daniel und mein Vater hatten aufmerksam zugeschaut und sprinteten Richtung Homebase. Wir kamen zeitgleich an, und Daniel füllte sogleich neuen Brennstoff in die Rakete. Weitere 45min fuhr ich recht ereignislos meine Runden, immer in Habachtstellung, dass mir das Vorderrad nicht wegrutschte. Ein-, zweimal war es knapp mit den Curbs, denen ich noch weniger traute als sonst. Mittlerweile hatte ich ein ganz gutes Gefühl fürs Hinterrad, nur vorn machte mir Sorgen, und ich fuhr sehr bedacht. Nach ca. 30min klarte es auf, und die Strecke wurde immer trockener. Zum Schluss war ich nur noch auf der Suche nach nassen Flecken, als die gelbe Lampe abermals nach 45min anging, fuhr ich rein. Daniel stand schon bereit. Ich gab ihm mit, an welcher Ecke es noch feucht war, und er düste für seinen 30min Trocken-Turn los. Raus aus der Kombi und den Handschuhen sahen meine Hände lustig blau und aufgeweicht aus, wie als ob ich zu lange in einer kalten Badewanne gelegen hätte. Ohne Fahrtwind und mit trockenen Klamotten war es allerdings sehr angenehm, und wir eilten zum Zielturm. Daniel drehte unbeirrt seine Runde, als uns plötzlich auffiel, dass unser Transponder keine Runden mehr zählte. Wir hatten mehr als fünf Runden Vorsprung, aber jede Runde schmolz nun einfach so weg. Uns rutschte das Herz in die Hose. Nach kurzer Rücksprache bei anderen Teams gab es leider vereinzelt Transponder-Probleme. Wir zählten die Minuten runter und hofften auf jede Runde, die zählte. Am Ende reichte es knapp. Mal wieder musste Daniel dran glauben und meine überschwängliche Freude ausbaden. Wir hatten das Endurance in der 600er-Klasse tatsächlich gewonnen!
Viele Teams hatten zu spät auf Regen umgebaut und dadurch das Rennen erst später aufgenommen - ein Vorsprung, der für uns reichte, einfach genial! Bei der Siegerehrung kam der nächste Knaller, und wir schifften uns vor Lachen fast ein. Unser Teamname bei der Anmeldung war „Team Insanity“ gewesen, danach ist scheinbar irgendwas verrutscht, und wir waren plötzlich Team „Team Jusanity“. Wir streckten unsere Pokale Richtung Himmel und freuten uns gemeinsam mit Manu und Christina, die sich noch den dritten Platz schnappen konnten. Einer anschließenden Sektdusche entgingen wir durch vorherige Absprache mit den anderen Teams.
Gefeiert haben wir nur im kleinen Rahmen, da am nächsten Tag das erste Sprintrennen und vorher die Qualifikation dafür anstanden. Am Abend lauschten wir noch ehrfürchtig zwei alten Aufzündern, die aberwitzige Geschichten vom Aufzünden vor der Jahrtausendwende erzählten. Erstklassige Wemser, die schon alles gesehen und erlebt hatten. Wir verabschiedeten uns dennoch recht früh. Die morgige Aufzünderschlacht warf ihre Schatten voraus. Irgendwann begann nachts Regen auf den Boiler zu prasseln. Ich stand widerwillig auf und schob die Seitentüre, die sonst bei den sehr angenehmen Temperaturen nachts immer offenstand, zu. Ich lugte durch die Ladebordwand zur Frontscheibe heraus. Mittlerweile hatte der Regen etwas Sinnflutartiges. Ich fragte meinen Vater, ob wir noch irgendwas sichern müssten. Er verneinte. Inzwischen meinte ich, in der Dunkelheit ganze Wohnmobile auszumachen, die einfach wegschwammen. Rückfrage bei meinem Vater, die ich inzwischen rufen musste, so prasselte der Regen aufs Dach, und jetzt? „Nein!“ Das Spiel wiederholte sich noch ungefähr 15-mal, bis ich irgendwann endlich einschlief.
Am nächsten Tag herrschte bestes Wetter. Wir schälten uns ins geliebte Ledergewand und schwangen uns auf unsere Rösser. Während ich meine Runden drehte, kam mir die Strecke am mittlerweile fünften Fahrtag schon wie Heimat vor. Ich enterte voller Freude jede Kurve, rutschte über verschiedenste Asphaltbeläge und spielte mit winzigen Wheelies am „Sprunghügel“. Im Zeittraining bekam ich eine 2:09 zusammen und war ganz zuversichtlich für die anschließende Qualifikation. Ich nahm mir fest vor, den Hammer fallen zu lassen. Es gab ja immer noch die bösen Hondas und den Triple-Crown-Champion, der mittlerweile schon wieder viel zu schnell unterwegs war. Hochmotiviert durch die eigne Erklärung, wie wenig Leistung so eine 600er Honda-Luftpumpe eigentlich wirklich hatte, fuhr ich frohen Mutes raus und ließ es fliegen. Ich erwischte alle Ecken gut, baute keine groben Schnitzer ein und war mit mir und der Welt zufrieden. Leider war der Spaß nach drei Runden aufgrund eines Abbruchs schon wieder vorbei. Am Ende kam eine 2:07 und damit Startplatz 9 heraus. Top Ten! Ich musste unweigerlich schmunzeln. Da hatte sich das Training am Wochenende vorher doch schon ausgezahlt!
Manu stand in der Startaufstellung direkt hinter mir. Fürs Rennen nahm ich mir fest vor, Manu und seine Honda auf keinen Fall vorbeizulassen. Die 600er-Klasse eröffnete am frühen Nachmittag die Rennen. Während wir uns in unserer Homebase alle vorbereiteten und den anderen jeweils die unglaublichsten Zerspaltungs-Ankündigungen versprachen, kam die beiden alten Aufzünder vom Vortag zu uns. Sie standen in unserer Klasse ganz vorn. Während ich gerade noch einmal in mich ging und überlegte, wie das Rennen so laufen könnte, wurde mir auf einmal die Hand geschüttelt, fest in die Augen geschaut und Folgendes gesagt: „Sitzen bleiben!“. Ich war völlig verdutzt, fand die Aktion klasse und erwiderte das Gleiche. Was für geniale Wemser, halt mit allen Wassern gewaschen.
3ter Lauf SSP-600 - Race 1 Pan
13:40 Uhr rückte näher, und wir rückten zum Rennen aus. Wir sortierten uns in der Startaufstellung. Es folgte die Warm-Up-Lap, und ich versuchte noch eine Idee davon zu bekommen, wo man ungefähr für die erste Kurve anbremsen könnte. Dabei entstand ein Bild was die Schlitzohrigkeit des Triple-Crown-Champions in voller Blüte zeigt. Wir standen in Fahrtrichtung beide ganz links in der Startaufstellung, ich eine Reihe vor ihm. Während ich mich recht mittig in meine Startbox stellte, stand Manu ganz links außen. Ampel an, Gas zwischen 8.000 und 10.000 U/min halten, Ampel aus, Feuer frei! Meine Boden-Boden-Rakete schießt los und im ersten Moment denke ich noch, gut getroffen, als ich den schnellsten Starter unter der Sonne plötzlich links an mir vorbeischießen sehe. Egal, in die erste Kurve wird reingehalten, ein, zwei Wemser werden wieder eingesammelt. Stehe voll auf der rechten Raste, wuchte die Maschine um die zweite Kurve, ziehe dabei auf und… bleibe förmlich stehen. Verdammt, im Eifer des Gefechts einfach vergessen, auf drei runterzuschalten! In diesem Augenblick kommen wieder zwei Pillemänner vorbei. Ab diesem Moment mache ich keine Gefangenen mehr. Das diabolische Grinsen kommt, und ich kann nichts mehr dagegen tun. Ich liebe den Zweikampf Rad an Rad und versuche, alles aus meiner Kawa rauszuholen. Manu hat sich vor uns platziert und wirkt jetzt regelrecht als Korken. Auch die anderen Aufzünder tun sich schwer beim Überholen. In Runde vier kann ich den Triple-Crown-Champion dann schließlich schnappen. Ab da an gibt es kein Halten mehr. Zwei Runden später kann meine Kawa den nächsten unvorsichtigen Wemser auf Start und Ziel thermonuklearisieren. In der Ferne sehe ich die nächsten beiden und arbeite mich innerhalb der zwei darauffolgenden Runden ran. Das Adrenalin hämmert. Noch ein bisschen später bremsen, noch ein bisschen eher beschleunigen, noch ein bisschen stärker turnen. Der Schweiß läuft. Wie im Tunnel geht’s von Kurve zu Kurve. Tief im Inneren spüre ich, dass ich genau für diese Momente lebe. Nichts auf dieser Welt gibt mir mehr das Gefühl, am Leben zu sein. Mein Grinsen wird nur noch vom Helm eingefangen. Ich lege mir die beiden Aufzünder vor mir zurecht. Den ersten hole ich beim Anbremsen auf Kurve vier, der nächste wird beim Anbremsen auf Kurve zehn zerspalten. Zwei in einer Runde! Vor mir freie Bahn, besser kann es nicht mehr werden. In rasender Ekstase fliege ich um die Strecke. Wie ein wildes Tier jagt meine grüne Rakete brüllend um den Kurs. Eine alberne karierte Flagge beendet meinen rauschhaften, tranceartigen Zustand und holt mich zurück in die Realität. Es wird so vielen Streckenposten wie möglich überschwänglich gewunken. Ich schreie in meinen Helm und freue mich über den Moment, über dieses Rennen. In unserer Homebase angekommen, danke ich meiner Kawa für ihre überirdische Power. Anschließend ziehe ich noch Reifenwärmer auf, meine Kombi aus und lege mich neben mein Moped auf den Boden. Was war das nur für ein Trip? Ich schließe die Augen, grinse. Das Leben ist schön.
Daniel holt mich irgendwann mit den Worten: „Joa ich bin im zweiten Gang gestartet“ zurück: Hehe, höhö, haha wasss? Dieser Mensch ist einfach wunderbar. Wir grinsen beide. Viel später am Abend, das Adrenalin ist weg, mein Körper hat sich inzwischen gemeldet und bedankt sich für das Gemetzel mit schweren Armen und Beinen. Schlendere ich mit meinem Papa durchs Fahrerlager. Wir setzen uns auf die große steinerne Tribüne und gehen noch einmal das Rennen durch. Ich lausche seiner Perspektive aufs Rennen. Interessant ist, dass er beobachtet hat, was ich schon im Rennen gespürt habe. Er kann mir als interessierter, aber unkundiger Beobachter gutes Feedback geben. Er beschreibt, wie ich in vielen Kurven von außen sichtbar andere Linien fahre als die anderen. Als ich dann alleine unterwegs war, eigentlich alle Kurven durch motiviertes Reinentern überschieße, keinen Scheitel treffe und es so aussieht, als ob ich das Moped in der Kurve nicht gestoppt bzw. gedreht bekomme. Ich bin sprachlos. Mal wieder hat er den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich erkläre ihm, dass er vollkommen recht hat. Dieses Phänomen wird stärker, wenn ich engagierter fahre und/oder Kraft verliere. Woran es liegt, kann ich leider nicht erklären. In meinem Hinterkopf flammt ein Gedanke auf: „Upgradefrage -> Fahrwerk als Antwort!?“ An diesem Abend kann ich mich nicht festlegen, ob es an meiner Unfähigkeit liegt oder am Fahrwerk. Wir lassen den Abend bei wunderbarer Pizza und leckeren Kaltgetränken im Paddock-Restaurant ausklingen. Für Rennen 1 steht Platz 7 gesamt, Platz 5 im Cup und eine 2:06 zu Buche.
4ter Lauf SSP-600 - Race 2 Pan
Am nächsten Morgen erwachte ich bestens gelaunt. Heute war der letzte Tag unseres Pannonia-Ring-Abenteuers. Es war die letzte Möglichkeit, auf dem Feld der Ehre - Ruhm einzuheimsen. Zum Training rollte ich ohne Attacke um den Kurs. Ich spürte die viele Fahrzeit in den Knochen. Ich fragte mich, ob heute noch einmal eine Zeitensteigerung drin war. Mein Körper signalisierte mir Momente der intensiven Nutzung. Auf der anderen Seite stand, dass ich jetzt am Peak meiner Fahrzeit angekommen war. Es war der sechste Tag Pannonia-Ring. Gefühlte 300 Runden hatte ich in den letzten beiden Wochen hier absolviert.
11:20 Uhr rückte näher. Die Sonne stand hoch am Himmel, und es war keine Wolke in Sicht. Jeder begann mit seiner Rennvorbereitung. Ich rief mir noch einmal das Gespräch mit meinem Vater vom Vorabend ins Gedächtnis. Ich würde versuchen, in der Hitze des Gefechts so lange wie möglich so sauber wie möglich meine Linie zu fahren. Natürlich klatschte ich vorher mit Manu ab und versprach ihm dieses Mal einen ordentlichen Start und somit keine Chance auf leichte Zerspaltung. Wir rückten pünktlich zum letzten Tanz aus. Dieses Mal stand ich ganz rechts. Die Ampel ging an, und sogleich brüllten die 600er-Kehlen ihre Jagdlust in den Himmel. Ampel aus, Feuer frei! Ich traf den Start dieses Mal wirklich gut, kein Manu in Sicht. Was mir später per Video von meinem Vater zugetragen wurde, war, dass Manu sich ein bisschen mit der Kupplung vertan hatte und somit am Start loszog wie ein Reiter auf einem wilden Ross - spektakulär und schmerzhaft, aber leider nicht schnell. Wir sortierten uns nach der ersten Kurve, alles dicht beisammen. Auf der kurzen Anfahrt zur zweiten Kurve wurde ich außenherum überholt, grrr, natürlich von einer Honda! Platzierte mich für die zweite Kurve gut, winkelte ab und… hatte wieder vergessen, die drei reinzutreten. Sogleich sprudelten nicht jugendfreie Wörter und Flüche aller Art aus meinem Mund. Wie konnte man nur so doof sein! Im selben Moment zog einer von den Aufgeregten hinter mir vorbei. Vorn sah ich, wie ein Zug an Fahrern auscheckte. Ich versprach mir selbst, ab jetzt keine albernen Fehler mehr zu machen, und robbte mich an das Hinterrad vor mir ran. Am Ende der Geraden mit dem Sprunghügel war ich dran, jedoch fehlten mir die Cojones beim Anbremsen auf Kurve 13/14 innen reinzuhalten. Auf Start und Ziel kam ich mit Überschuss und rollte neben den Bückling. Wir zogen nebeneinander kräftig am Kabel. Jedoch hatte die R6 mehr Power als meine grüne Rakete. Blasphemie, das konnte nicht sein! Wir flogen in engerer Formation als die Blue Angels um den Kurs. Beim Anbremsen auf Kurve 6 setzte ich mich links neben ihn. Der Vorderreifen zitterte, und ich nahm noch ein klitzekleines bisschen raus, bevor ich voll nach rechts abwinkelte. Die Idee war, in der überhöhten Linkskurve 7 dann innen zu sein. Durch meine memenhafte-Bremsaktion war ich jetzt aber hinter ihm und musste die Kurve von innen nach innen fahren. Der Pillemann zog weg. Ich hatte Platz und ließ die Kurven 8 und 9 stehen. Dadurch hatte ich so einen Überschuss, dass ich ihn in Kurve 10 außen herum holen konnte. Erst dachte ich, puhh, das wird knapp, aber zum Glück ist der Curb in dieser Rechtskurve links außen sehr großzügig. Ich rumpelte voll drüber und war vorbei. Als ich bei Start und Ziel drüber donnerte, sah ich ganz in der Ferne (nennen wir ihn E., da ich nicht weiß ob er hier mit Namen genannt werden will) E. rumrollern. Natürlich, wie konnte es anderes sein, pilotierte E. eine elendige CBR600, also das perfekte Jagd-Ziel. Die nächsten Runden versuchte ich alles und vor allem sauber zu fahren, merkte aber, wie ich schon wieder anfing Kurvenscheitel zu überschießen und die Linie in vielen Kurven nicht halten konnte. Dennoch sah ich, dass E. immer näher kam. Die nächsten vier Runden fuhr ich wie ein Uhrwerk tiefe 2:06er Zeiten und robbte mich heran. In der siebten Runde auf Start und Ziel hatte ich ihn in perfekter Sichtweite, nicht zu nah, nicht zu weit weg. Im sechsten Gang Vollgas drehte ich erst kurz hinter der Kuppe die Brause zu, bremste schmeichelhaft spät für die erste Rechts. Steppte zwei Gänge runter (natürlich ohne Blipper, denn Kawafahrer sind von Natur aus eher auf der Anti-Memen-Seite und gleichen technische Spielereien durch puren Wahnsinn & Einsatz aus
) und versuchte, möglichst weit innen zu sein. In meiner Vorstellung versuche ich immer, mit dem Vorderrad auf der weißen Linie zu fahren, ohne die Curbs zu berühren. Ich ließ mich von dieser Mutkurve mit herumziehen, bremste auf die nächste Rechts, ganz weit außen an, und schaltete runter auf drei. Ich hinter-schnitt diese Kurve, indem ich so spät wie möglich die Kawa nach rechts abwinkelte. Fuhr sehr spitz, um sogleich wieder durchfeuern zu können, stand voll in den Rasten um den Hubbel zwischen Kurve 2 und 3 auszugleichen, gleichzeitig drückte ich die vier rein. Die nächste Links ist wieder eine Mutkurve. Ich versuche soweit wie möglich innen reinzukommen, und lasse so viel wie möglich stehen. Nehme den Curb rechts außen mit, schalte auf drei und dann beim harten Anbremsen auf die wunderbare Linkskurve 4 auf zwei runter. Diese Kurve fahr ich mit einem angedeuteten V und versuche, so schnell wie möglich wieder aufzurichten. E. kommt vor mir immer näher, während ich abermals am Kurvenausgang voll über die Curbs brettere. Die nächste Kurve ist ein bisschen tricky. Bis dahin schalte ich auf der Welle zwischen den beiden Kurve von drei in vier und lasse die Kawa infernalisch brüllen. In Kurve 5 bleiben viele lange außen, um möglichst gut über den Riss (welcher einen Belagwechsel beinhaltet) zufahren. Meine alternative Linie sieht frühes Einlenken Richtung rechten Curb vor. Dann wird’s tricky. Ich überschieße die Kurve, aber nur soweit, dass ich nicht noch einmal über den Belagwechsel komme. Wenn ich zu weit überschieße, muss ich aufmachen, weil das Vorderrad dann ganz alberne Sachen in Schräglage macht. In diesem Fall geht es gut. Ich lasse mich bis kurz vor den Aspahltwechsel in der Mitte durch meinen Überschuss tragen, dreh das Gas zu und fahr einen zweiten Scheitelpunkt in die Kurve rein, um ganz nah an den rechten Curb zu kommen. Dies sichert mir wichtige Meter im Kampf mit E. Des Weiteren kann ich ganz früh aufstellen und die Pferdchen meiner Kawa freilassen. Leider kann ich trotz meiner genialen Linie mein schlechtes Turning nicht vollständig kompensieren und hämmere gnadenlos über die Curbs links außen am Ende der Kurve. Jedes Mal denke ich mir beim Durchschütteln an dieser Stelle, welcher Witzbold hat die Rasengittersteine dort so schön grün angemalt. Ich zieh am Kabel und lasse bis Kurve 6 voll stehen. Auf der kurzen Geraden gibt es wieder eine Welle, über die man hoppelt. Ich versuche, lange außen zu bleiben, um die Kurven 7, 8 und 9 vorzubereiten. Die Kurve 6 ist der Anfang einer sehr lustigen Passage und bietet viel Grip. Ich versuche sehr weit nach rechts innen zu kommen ohne dabei auf den Curb zu fahren, es geht ein bisschen bergauf und es folgt die Kurve 7. Diese Linkskurve ist ein absoluter Leckerbissen. Die Kurve geht nach links, hängt aber nach außen, rechts runter und bietet daher in Linksschräglage nur begrenzt Grip. Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, beinhaltet die Kurve Höhenunterschiede – anfangs leicht bergauf – anschließend beim Öffnen bergab. Mein Fahrplan sieht vor, sehr spät links innen zu sein, was mir leidlich gelingt. Als nächstes folgen wieder zwei Mutkurven, die mit sehr viel Schwung gefahren werden können. Kurve 8 ist im Prinzip eine Verlängerung der Linkskurve 7. Der Scheitelpunkt stellt in etwa den Boden einer kleinen Senke zwischen Kurve 7 und 9 dar. Es geht zwischen Kurve 8 und 9 nochmal über einen kurzen Asphaltwechsel. Die anschließende Rechtskurve 9 lässt sich sehr schnell fahren, allerdings gibt es einen Asphaltriss, für den ich keinen guten Plan gefunden habe. Sprich, ich muss zweimal drüberrumpeln, am Anfang zwischen Kurve 8-9 und dann noch einmal beim Anbremsen auf Kurve 10. Kurve 10 ist eine enge Rechtskurve, in die ich maximal reinbremse und sofort wieder ganz rausfahre, um den Curb links außen mitzunehmen. Ich habe hier, vermutlich aufgrund meiner langen Übersetzung, immer mit den Gängen gespielt und war mir nie sicher, was schneller war, zweiter oder dritter Gang. Es folgt eine S-Kurve, erst rechts, dann links. Trotz guter Vorbereitung in Kurve 10 bekomme ich die Kawa schlecht von einer Seite auf die andere. Ich platziere mich für die nächste Gerade und zünde voll durch. Was für ein Gefühl, wenn man hier am „Sprunghügel“ zum ersten Mal einen Mini-Wheelie macht, ganz großes Kino!
Die Kurve 13 ist ein kleiner Rechtsknick vor der eigentlichen richtigen Linkskurve 14. Ich versuche von ganz außen relativ gerade durch die 13 zu bremsen. Bin in der 14 anschließend schon ganz links innen, überschieße die Kurve komplett, drehe die Kawa und ziele so, dass die Maschine in einer Flucht mit den weißen Curbs am Ende steht. Sobald ich diese sehe, wird wieder durchgeladen. Jetzt kommt meine persönliche Lieblingskurvenpassage. Die 15 ist nur ein kleiner Linksknick und geht voll. In der Kurve 16 habe ich alles probiert, aber immer das Gefühl gehabt, ich könnte noch später reinankern. Die Kurve ist genial, und ich treffe den Scheitel wunderbar. Gas im Anschlag, kurz beim Ausgang noch über die äußeren Curbs räubern. Jetzt kommt das Grande Finale. Die Kurven 17 und 18 sind eine Doppelrechts. Natürlich ist hier die Idee, für die anschließende Start- und Zielgerade so viel Schwung wie möglich mitzunehmen. Ich versuche, lange außen zu bleiben, fahre in der 17 sehr weit nach rechts rein, lass mich dann wieder raustragen, um für die 18 den Sack komplett zuzumachen. Innen wieder rein, meine kleine Rakete drehend Richtung Start/Ziel ausgerichtet, voll durchziehen, außen Curb mitnehmen und klein machen. Das war meine bisher beste Runde am Pan. E. hat mich inzwischen bemerkt, den Blümchenpflücker-Modus abgelegt und zieht ebenfalls am Kabel. Innerliche Freude steigt auf. Mir wird bewusst, besser als letzte Runde geht es nicht mehr. Das ist jetzt, hier und heute mein Limit. E. und ich fliegen gemeinsam die letzten drei Runden um den Kurs. Ich genieße die letzten Kurven, bestaune E´s.-Fähigkeiten, wie er seine Honda um die Ecken wirft. Mhh, vielleicht ist doch was dran. Schließlich baut Kawasaki auch Öltanker. Zumindest komme ich mir auf meinen alternativen Linien jetzt im direkten Vergleich so vor. Die letzten Runden gehen dahin. Ich nehme noch einmal ganz bewusst so viele Eindrücke wie möglich mit. Ein letztes Mal wird den Streckenposten überschwänglich gewunken und zur Unterhaltung werden winzig kleine Mini-Wheelies versucht. Beim Abbiegen in die Box gratuliere ich E. noch zum Rennen und steuere danach unsere Homebase an.
Am Ende hat es insgesamt für Platz 7, Platz 4 im Cup und zu einer 2:05 gereicht.
Viel, viel später an diesem Tag hatte ich noch ein letztes Mal die Chance, zwei Hondas auf einen Streich zu verpressen. Wir winkten Manu und Christina beim Überholen auf der Autostrada. Irgendwann wurde es ruhig im Boiler, ich steuerte diesen schönen Kasten französischer Großenserientechnik Richtung Heimat. Während ich die vorbeiziehende Landschaft und die Lichter der Autobahn beobachtete, begann ich langsam zu realisieren, was in den letzten zwei Wochen geschehen war.
Hehe, „viel hilft viel“ hat sich wieder mal bewahrheitet. Den ein oder andern konnte ich durch ein bisschen Geheimtraining vorher ärgern. Ich bin sehr dankbar und glücklich, all die verrückten Menschen kennengelernt, den Weg auf die Rennstrecken dieser Welt gefunden zu haben, den Support, den ich immer wieder erfahren darf, und der einzigartigen Möglichkeit, dass wir zusammen so geil aufzünden können.
Danke an alle Wemser, Aufzünder und sonstigen verrückten da draußen. Danke, dass es euch gibt!
Bleibt so schön, wir hören uns, bei Bedarf zum nächsten Bericht aus Brünn!
FR-Cup: 3ter & 4ter Lauf SSP-600
Pannonia-Ring – aus verschiedenen Informationsquellen erreichten mich sagenumwobene Geschichten um diesen heiligen Ring: wilde Asphaltwechsel, lustige Kurvenkombinationen, Wheelie-Sprung-Hügel, ein vorzügliches Restaurant, und Anekdoten über einen legendären Aufzünder, der in der Nähe der Strecke wohnte und Transponderzeiten checkte, bevor er selbst zum Training auf einer Gixxer ausrückte…
Es sollte also in den Süden gehen. Nach den Ereignissen in Most reifte in mir eine Idee, die ich mit einer sehr frühen Erfahrung in meinem Leben verbinden konnte. Die Erkenntnis können Menschen mit einer natürlichen Begabung für bestimmte Dinge (andere sagen auch Talent dazu) vielleicht weniger nachvollziehen – wir, also der Rest, ggf. dafür umso mehr

Anekdote, A.D. vor langer Zeit…
Vor vielen, vielen Monden stand das alljährliche Sportfest der 14ten Grundschule an. Für mich als damaliger Viertklässler eine lustige Sache, auf die ich mich freute. Als Schüler war ich zu diesem Zeitpunkt maximal durch meine Zurückgezogenheit und mein Desinteresse an allem, was da im Unterricht passierte, aufgefallen. Mein Tag begann immer erst nach der Schule. Ich liebte es, danach in den Hort bzw. zum Training zu gehen, mich zu bewegen. Aufgrund meines stillen und passiven Wesens hatten meine Eltern (die sportlich sehr aktiv sind) beschlossen, dass mich ein bisschen Sport vielleicht aktivieren würde. Rückblickend eine sehr gute Idee, und so kam es, dass ich damals schon mehrmals pro Woche zum Kanutraining ging, das in einem Verein an der Elbe stattfand. Viele Freunde aus der Schule taten das ebenfalls, sodass wir immer eine größere Gruppe waren. Ein normaler Tag sah so aus: Schule ohne Einschlafen oder Anschiss überstehen, dann raus und runter an die Elbe, Steine werfen. Meist hatten wir noch ein bis zwei Stunden Zeit, bis das Training im Verein begann. In dieser Zeit warfen wir Steine aller Art: Wer wirft am weitesten, wer am höchsten, wer schafft die meisten Sprünge mit seinem Stein übers Wasser („Ditscher“) usw. - ein Riesenspaß.
Zurück zum Sportfest – ich stehe in einer Reihe mit Mitschülern und wir warten darauf, dass wir einzeln nacheinander werfen dürfen. Nach und nach sind meine Klassenkameraden an der Reihe. Ich stehe ziemlich weit hinten in der Reihe, warte und beobachte die anderen. Endlich bin ich dran, bekomme meinen Schlagball, sage noch einmal meinen Namen und bekomme die Freigabe zum Werfen von unserem damaligen Hausmeister. Er ist mit seinen über zwei Metern aus der Sicht des vermutlich kleinsten Viertklässlers sehr groß. Er steht ca. zehn Meter vor mir und bellt: „Wirf!“. Ich nehme allen meinen Mut zusammen und frage, ob er noch ein Stück zurückgehen kann. Das Prinzip war, dass er schaute, wo der Ball aufschlug, der Schreiberin die Meterangabe zurief, den Schlagball zurück zum Nächsten warf und die Freigabe zum nächsten Wurf gab usw. Er funkelt mich mit dunklen Augen böse an, ging widerwillig noch ein bis zwei Meter zurück und rief: „Wirf, Junge!“. Ich schaute auf den Schlagball in meiner Hand und sagte mir: „Okay, du hast nur einen Versuch, also nutze ihn!“. Meine Wurfhand ist rechts, der Ball in meinen Fingern, mein Standbein rechts. Ich hebe mein linkes Bein an, drehe mein Oberkörper leicht ein, um Schwung zu holen. Mein Arm geht nach hinten, der Ellenbogen ist angewinkelt. Ich halte die Luft an, hole alle Kraft, die ich habe, aus meinen Beinen, folge dem Kraftimpuls über die Hüfte, öffne dabei meine Oberkörperdrehung, parallel lasse ich mein Schwungbein runtersausen. Der Impuls ist mittlerweile im Wurfarm angekommen, ich strecke diesen und gebe dem Ball meine maximale Kraft mit. Ich treffe den Abwurfwinkel gut, der Ball fliegt, fliegt über unseren Hausmeister hinweg. Ich verfolge den Ball, wie er etwa in der Mitte des Sportplatzes landet. Unser Hausmeister steht vor mir, in seinem Gesicht eine Mischung aus Entsetzen, Verblüffung und Verwirrung. Ich stehe inzwischen neben ihm: „Wie viele Meter waren das?“. Er dreht sich zu mir, schaute herunter, musterte mich mit seinen harten Zügen und brüllt anschließend: „Dorthin, warten!“. Nun bin ich derjenige, der verwirrt dreinschaut. Ich tue, wie mir gesagt, begebe mich zur besagten Stelle und warte. Meine Klasse war mit dem Werfen fertig, es folgten die drei Parallelklassen. Ich stand in der Sonne am Rande des Sportplatzes und hatte eine ausgezeichnete Sicht auf jeden, der warf. Da ich eh nichts zu tun hatte, beobachte ich jeden, der dran war. Manche ließen den Ball viel zu früh los, und er landete sofort im Dreck, andere warfen viel zu hoch. Bei vielen hatte ich das Gefühl, dass sie zum ersten Mal etwas so weit werfen sollten, wie sie konnten. Im Laufe des Nachmittags entdeckte ich bei fasten allen etwas im Bewegungsablauf, das nicht passte. Die Einzigen, die gut waren, waren meine Freunde, sie alle warfen überdurchschnittlich weit. In diesem Moment kam mir eine Erkenntnis, die ich für mein ganzes Leben mitnahm und weiter verfeinerte: Nein, es waren nicht die großen, starken Jungs/Mädchen, die gut und weit warfen, es waren diejenigen, die so wie ich in hunderten Stunden schon tausende Steine geworfen hatten. Also lag das Ergebnis nicht allein an der Veranlagung, sondern daran, wie oft man etwas tat.
Alle Schüler waren mit dem Werfen fertig, nur der Hausmeister, die Schreiberin und ich standen noch auf dem Platz. „Herkommen!“ Ich ging hinüber, er beugte sich zu mir, hielt mir einen Schlagball hin. Ich wollte ihn nehmen, er hielt ihn fest. Ich stockte, er schaute mich an, seine scharfen Gesichtszüge wurden plötzlich weich: „Du bekommst noch einen Wurf, nutze ihn!“. Ich nickte eifrig. Noch einen Versuch! Niemand bekam noch einen Versuch. Ich freute mich, grinste und trabte zum Abwurfpunkt. Ich nahm meine Abwurfposition ein, unser Hausmeister stand nun in der Mitte des Platzes. Ich wartete auf sein Zeichen, nahm mir Zeit und legte alles, was ich hatte, in diesen Versuch. Ich hatte diesen Wurf wunderbar getroffen. Der Ball flog und flog, er schlug wieder etwa in der Mitte des Platzes ein. Ich wartete aufgeregt auf die Weite. Unser Hausmeister kam gemächlich zur Schreiberin geschlendert. Ich stand daneben, er legt den Ball in eine Box, schaute zu mir herunter, lächelte (ich hatte das vorher noch nie gesehen) und sagte: „Gut gemacht, Kleiner“. Er wandte sich zur Schreiberin: 41 Meter. Ich hatte alle Weiten gehört und konnte es nicht glauben. Keiner hatte so weit geworfen. Ich hüpfte wie ein Flummi umher und freute mich!

Ich gewann das Sportfest in meiner Altersklasse. Ich war gut im Sprint, Sprung und Seilspringen, ein mittelmäßiger Ausdauerläufer und ein lausiger Schwimmer. Aber mit Schulrekord im Weitwurf reichte es. Da stand ich nun als kleiner Rotzlöffel ganz oben, ein bisschen schüchtern streckte ich meine Urkunde Richtung Himmel und freute mich. Aus meiner Sicht ganz links hinten außen, stand er, unser Hausmeister, wie ein Fels zwischen zu kleinen Menschen. Unsere Blicke trafen sich, er nickte mir zu und klatschte wie alle anderen.
Ende der Anekdote…
Was ich mir bis heute mitgenommen habe aus dieser Erfahrung, ist die Erkenntnis, dass egal wie deine Karten im Leben verteilt sind, du kannst daraus viel mehr machen als es im ersten Moment, von außen vielleicht den Anschein hat, wichtig ist nur das du deine Karten gut spielst. Talent ist in unserer Welt das meist überbewerteste was es gibt. Mit Leidenschaft, Freude an dem, was du tust, Zeit und Wiederholung kannst du mindestens 95% aller anderen Menschen in jedem Bereich (Sport, Schule, Studium, Job, Hobby usw.) übertreffen. Und auch wenn man niemals zulässt, dass es da draußen jemand gibt, der mehr trainiert – nein, man wird mit dieser Idee nicht automatisch Olympiasieger, das habe ich ausreichend probiert - ABER man kann damit, wenn die genannten Voraussetzungen erfüllt sind, sehr, sehr weit kommen

Zurück in die Gegenwart…
Mein kühner Plan war es also, einfach eine Woche früher zum Pannonia-Ring zu reisen. Dort bot Stardesign-Racing ein dreitägiges Event an - perfekt zum Üben, denn als Wanderschikane tue ich mich auf neuen Strecken naturgemäß schwer. Hier gilt der Grundsatz: "Viel hilft viel". Auf die Idee zur Umsetzung hatte mich Daniel, dieser verrückte Höllenhund, gebracht. Zwischen den beiden Events planten wir, die Woche in Neusiedl am See auf einem Campingplatz zu verbringen, um anschließend wieder an den Pan für das FR-Meisterschaftswochenende zu fahren. Ein genialer Plan, der mich mit großer Vorfreude alles packen ließ. Ein weiterer, sehr wichtiger Baustein in meiner Überlegung war Support. In Most hatte ich fantastische Unterstützung durch Marcus & Gerrit. Für Pannonien jemanden zu gewinnen, der sich den „Mist“ über eine Woche lang antut, würde schwer werden, jedoch kam wieder einmal alles anders als gedacht. Mein Vater sagte spontan zu, dass er mitkommt. An dieser Stelle noch drei Worte zu meinem Vater für den unkundigen Leser: Ich verehre diesen Menschen zutiefst, und sollte ich es in meinem Leben schaffen, nur einen Bruchteil von dem zu erreichen, was er in seinem Leben geleistet hat, wäre ich mit mir mehr als zufrieden. Am besten beschreibt meinen Vater eigentlich folgende Szene: Wir führten am Haus Abbrucharbeiten durch. Eine Wand sollte weg, der Fußboden aufgebrochen und alles neu betoniert werden. Wir schufteten also zu zweit wie die Schweine. Es war mehr Arbeit, als zu bewältigen war, knappe zehn Stunden waren rum bis zu dem Zeitpunkt, als ich körperlich nicht mehr konnte. Ich ließ meinen leidenden Kadaver auf einen Betonsack plumpsen, die Hände vorm Gesicht, entließ ich die Schmerzen aus meinem Körper. Als mein Vater plötzlich neben mir stand und folgendes sagte: „Tim, wenn du keine Lust mehr hast, kann ich dich auch nach Hause fahren“. Das war die erste, kurze Minipause in zehn Stunden Plackerei. Zwei Stunden später saßen wir gemeinsam beim Abendbrot, keiner sagte ein Wort. Plötzlich räusperte sich mein Vater und fragte, ob ich denn Lust hätte, morgen noch „ein bisschen“ zu helfen. Sofort sagte ich zu. In diesem Moment stellte mein Körper einige Fragen, sämtliche Knochen und Muskeln schmerzten. Was meine Moral wirklich zusammenklappen ließ, war aber die Tatsache das ich 30 Jahre jünger bin als mein Vater, im Training stehe und fit bin, aber er derjenige ist, der niemals jammerte. Er wusste das, ich wusste das, keiner sagte etwas, wir schmunzelten beide in dem Wissen, dass wir am darauffolgenden Tag nochmals heftig leiden würden.
Meine Eltern haben mich immer bei allem unterstützt, wenn sie gemerkt haben, dass ich es ernst meine und mir das Ganze Freude bereitet. So kam es, dass ich mir schon lange gewünschte hatte, dass mein Papa zu einem Event mitkommt. Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass er ausgerechnet zum Pannonia-Ring in Ungarn, den ich selbst gar nicht kannte, zusagte. Alles war somit arrangiert, und am Donnerstag den 30.05.2024, fuhr ich mit RedBull bewaffnet Richtung Ungarn los. Entspannte 600km lagen vor mir, ich setzte den Tempomat auf 100 km/h fest und rollte bestens gelaunt Richtung Süden.
Durch Tschechien ging es Richtung Österreich, von dort zum Grenzübergang Österreich-Ungarn „Sopron“. Als ich in Brünn noch weiter Richtung Süden abbog, grüßte das Automotodrom Brno, und ich musste schmunzeln - was für eine fantastische Rennstrecke! Während ich Richtung Wien fuhr und über mögliche Rundenzeiten sinnierte, die ich mir insgeheim wünschte, wollte Google Maps mich beständig von der Autobahn ableiten. Das Spiel hatte ich allerdings schon vor Brünn durchschaut, nachdem ich schon zweimal abgefahren war. Die rechte Spur stand komplett, LKW an LKW, dadurch dachte Maps, es wäre Stau, und schlug wilde Ausweichrouten vor. Ich blieb standhaft, widerstand allen Verlockungen der weiblichen Navigationsstimme und rollte Richtung Grenzübergang Österreich – Ungarn.
Über den Grenzübergang hatte ich schon alles gelesen, von „passiert gar nichts“ bis „du wirst komplett auseinandergenommen“. Ich war gespannt, die Gedanken schweiften ab. Vor meinem geistigen Auge sah ich Hobelsberger auf einer 600er (Honda!!! Warum nur müssen es immer Hondas sein?) seine 1:55iger Runde fahren, die ich auf Youtube gefunden hatte. Ich fuhr in Gedanken jede Kurve mit und hatte Probleme, den Boiler auf der Straße zu halten. Ich rief mich zur Selbstdisziplin und zündet mir die Zauberplörre aus Fuschl am See in Salzburg rein. Sogleich erwachten meine Lebensgeister. In Most hatte ich eine Runde von Hobelsberger gesehen, in der er 1:36-37 gefahren war. Meine völlig logische Annahme war also, dass ich am Pan ebenfalls 10sek langsamer sein würde. Während ich in Gedanken immer schneller wurde, passierte ich den Grenzübergang, der unbesetzt und verlassen wirkte.
Die Sonne war inzwischen untergegangen, und ich rollte durch ungarisches Niemandsland. Das Navi zeigte noch etwas weniger als eine Stunde. Mir wurde schlagartig klar, dass ich das nie schaffen würde: Schlaglöcher, so groß, dass kleine Autos darin verschwinden könnten, Autowracks am Wegesrand, verlassene Dörfer, kleine Straßen. Meine Vorfreude nahm ungeahnte Höhen an, und ich trommelte einen metallenen Klassiker auf das Lenkrad, während ich behutsam um gewaltige Straßenuntiefen navigierte. Irgendwann, als ich schon dachte, hier ist das Ende der Welt und du fällst jeden Moment von dieser verrückten Scheibe, konnte ich in der Nacht das Ortschild „Offzyndhausen“ oder so ähnlich erkennen. Ich lachte laut auf, das musste ein verdammter Witz sein, wir leben in einer Simulation! Kurz dahinter passierte ich endlose Felder. Wie im wilden Westen begleiteten mich schon seit einer Weile an der Straße elektrische Oberleitungen, und alle 50m stand ein windschiefer Holzpfahl. Rechter Hand kamen langsam Lichter aus der Nacht näher - das musste es sein, klar, wir waren ja gerade durch „Offzyndhausen“ gefahren!
Da stand es, Pannonia-Ring. Ich bog ein, shit, die Schranke war zu. Im Pförtnerhäuschen brannte noch Licht. Ich machte selbst Licht im Fahrerhaus an und winkte, und wie von Geisterhand hob sich die Schranke. Ich fuhr ins Lager der Fahrer (das rappelvoll war) ein und spürte sogleich den Aufzünder-Spirit - Gänsehaut, ah, was für ein Gefühl! Ich telefonierte kurz mit Daniel, wo ich hinsollte, stellte den Boiler ab, betete dreimal dankend das Vaterunser, dass die französische Großserientechnik mich unbeschadet hierhergebracht hatte, und begrüßte Daniel. Dieser wunderbare Wemser stellt mir sogleich die beiden Aufzünder von „dunkelbuntracing“ vor, mit denen wir uns die Box teilten. Ich sah in der Box ruhig und riesig eine SRAD still auf ihren Ständern stehen. Da wusste ich, das sind ganz besondere Menschlinge. Nach der Begrüßung und Ausladetetris tauschten wir noch einige Räuberpistolen aus und legten uns hin, als die Sterne schon hoch über uns standen.
Nach der obligatorischen Fahrerbesprechung, der technischer Abnahme und der Gruppenaufkleber-Abholung enterte ich zum ersten Mal dieses heilige Asphaltband. Das Erste, was ich wahrnahm, waren Regentropen auf meinem Visier. Naja, nützt ja nichts. Ich rollerte drei Runden, damit ich wenigstens eine Idee davon bekam, wo es langging, und fuhr wieder rein. Die Box erwies sich als äußerst praktisch. Während draußen der Weltuntergang tobte, berieten wir, was zu tun wäre. Ich erkannte die Zeichen, das musste die Konstellation sein, auf die ich immer gewartet hatte. Es wurde freies Fahren bzw. freies Schwimmen ausgerufen, es war warm, und ich war noch nie im Regen gefahren. Angesteckt von der SRAD-Treiberin, die mir beständig sagte, wie toll es doch wäre, im Regen zu fahren, nahm ich alle meine Cojones zusammen, baute um und wechselte auf Regenreifen.
Eine gute Stunde später war ich bereit, das erste Mal im Regen aufzuzünden. Was jetzt folgte, war eine Offenbarung, die ich insgeheim schon erahnt hatte. Regen oder, wie in diesem Fall, sinnflutartige Bedingungen zeigen den Unterschied zwischen Mann und Memme. Ich eierte also aus der Box raus und bog langsam in die ersten Kurven. Mir wurde schlagartig bewusst, warum ich dies vorher nie gemacht hatte. Diese Bedingungen teilten mir nicht angenehm mit, dass ich eine verdammte, talentlose Memme war. Nein, diese Bedingungen schrien es so laut heraus, dass es bis „Offzyndhausen“ zu hören sein musste und den ungarischen Racing-Veteranen ein verschmitzt haben-wir-doch-gewusst-das-die-Jugend-nichts-kann-Lächeln ins Gesicht zaubern musste. Hinten, vorne, es rutschte einfach überall. Jede Kurve, jeder Gasstoß, jedes Anbremsen war ein Krampf. Ich kämpfte darum, auf der Strecke zu bleiben, und war zeitgleich in Schockstarre. Mit meinem Kopf schaffte ich es langsam, diese zu überwinden. Inzwischen hatte die SRAD mich schon mehrfach gespalten.
Es reichte, ich befahl meinem Körper, sich zu entspannen, und atmete tief durch. Die ersten Runden hockte ich so unglaublich verkrampft auf der Kiste, dass ich nicht wusste was eher nachgab: meine Lenkerstummel oder meine Unterarme. Nach und nach fuhr ich ein bisschen flüssiger. Der Hinterreifen eierte und wobbelte in alle Richtungen, und die ganze Maschine schüttelte sich albern bei jeder Gelegenheit. Ich hatte gar keine Zeit, mich auf die Strecke zu konzentrieren, und war nur daran interessiert, dass das Vorderrad keine Gelegenheit bekam, einzuklappen. Nach 15 Runden mit 3 Minuten pro Runde steuerte ich wieder die Box an. Zitternd stellte ich meine geliebte Kawa ab und ließ mich in den erstbesten Campingstuhl fallen. Ich schilderte Daniel und den beiden anderen Aufzündern meine Erlebnisse und bekam großes Gelächter zu hören. Es kam zur Sprache, was ich denn für Regenreifen fahren würde. Ich stutzte kurz. Marcus hatte die Contis irgendwo supergünstig besorgt, gebraucht, 5 Jahre alt. Mir meiner Antwort bewusst, blinzelte ich, erntete Erstaunen und dann wieder Gelächter!

Ich fuhr an diesem Tag noch weitere 30 Runden im Regen. Ganz ganz langsam bekam ich ein besseres Gefühl für diese plierige Misere. Zum Ende des Tages sah es wieder nach besserem Wetter aus. Ich baute um und fuhr bei trockenen Bedingungen noch sechs Runden. Puhh, das war was ganz anderes! Auf einmal ging‘s ab. Am Anfang hatte ich Probleme, überhaupt Schräglagen zu fahren oder richtig das Gas aufzuziehen. In meinem Kleinhirn war noch der Regenmodus hinterlegt. Jede Runde wurde schneller, ohne dass ich eine Ahnung von der Ideallinie hatte oder wusste, wie man wo was am besten machen sollte. Ich fuhr einfach nur, und es fühlte sich fantastisch an - ein riesiges Grinsen unterm Helm, trockene Bedingungen und eine geniale Strecke zum Aufzünden. Was will man mehr vom Leben? Nach sechs Runden schwenkten die Streckenposten mit albernen Fahnen, und der erste Tag ging zu Ende. Zu Buche standen meine allerersten Meter im Nassen und 2:15 bei trockenen Bedingungen.
Der zweite Tag begann wie der erste: Der Himmel hatte seine Schleusen geöffnet. Fröhlich pfeifend baute ich auf meine Regen-Contis um. Nach zwölf feucht-fröhlich-rutschenden Runden im Regen klarte es auf, und ich bog in die Box zum Umbauen ab. Während ich meine Reifen umbaute und meine Kette pflegte, gab es neben mir auf einmal einen Aufschrei. Ich bin bis heute dankbar, dass - nennen wir sie S. (ich weiß nicht, ob sie in diesem Forum mit Klarnamen auftauchen möchte) - mein Kettenrad so genau inspiziert hatte. An einer Stelle war deutlich zu sehen, dass es zu brechen begann! Nach dem Ausbau und genauerer Betrachtung war klar: So konnte es nicht weitergehen. Da ich immer mit Minimal-Equipment (also nix) unterwegs bin, stromerten wir durchs Fahrerlager auf der Suche, ob es noch irgendwo einen heroischen Kawatreiber gab, der vielleicht eine andere Übersetzung dabeihatte. Glück im Unglück, wir fanden einen lustigen polnischen Aufzünder. Wir verstanden uns auf Anhieb blind. Ich zeigte ihm mein Kettenrad, er machte große Augen und lachte. Ich zeigte auf seine Kawa, er verstand, und wir wurden uns einig. Er fragte, was ich für Rundenzeiten fahren würde. Ich brabbelte was von drei Minuten. Er schaute ungläubig. Ich fragte ihn, er sagte was von zwei Minuten. Ich schaute ungläubig. Wir lachten. Ich bin so froh, dass es noch solche Menschen gibt. Erwähnte ich schon, dass mein und sein Englisch erstklassig war?!

Nach dem ganzen Schreck baute ich gemütlich um, prüfte alle Schrauben und alles andere, was ich mit meinen zwei linken Händen erreichen konnte, und fuhr noch für 16 Runden in vier Turns raus. Leider gab es jetzt sehr viel Stürze. Daniel hatte nun auch seine ersten Runden gedreht und war ebenfalls ganz verzückt von dieser genialen Strecke!
Unser dritter und letzter Tag begann trocken und mit strahlendem Sonnenschein. Am Vortag hatte ich die letzten vier Turns genutzt, um mir Gedanken über Brems- und Einlenkpunkte und all solche Sachen zu machen. Sprich, ich hatte mir den Streckenplan geschnappt und angefangen, wilde Pläne auszuarbeiten. Mit meinen neuen Erkenntnissen wollte ich gleich richtig durchstarten. Ich stellte mich vorn hin und hatte frei Bahn, Sonne im Gesicht und Rückenwind - was sollte da schief gehen? Befreit fuhr ich auf, stellte aber fest, dass das 43iger Kettenblatt hinten vermutlich bis 300 km/h reichen würde. Ich spielte ein bisschen mit den Gängen und fand dann eine ganz passende Kombination, um die Strecke rum. Mit einem breiten Grinsen rollte ich nach fünf Runden wieder in die Box. In einer Runde hatte ich die kritischen Stellen ganz gut zusammenbekommen und war nun neugierig auf die Rundenzeit. 2:10 leuchtet hinter meinem Namen auf. Da ich noch nicht im Knocking-on-Heavens-Door-Modus unterwegs gewesen war, freute ich mich über die Zeit und sah im Augenwinkel noch, dass es Rennen gab. Aufgeregt berichtete ich den anderen, und wir meldeten uns alle an. In den folgenden drei Turns passierte nicht mehr viel. Ich eierte noch ein bisschen rum und suchte schon mal nach Stellen für gnadenlose Zerspaltungen, sollte ich im Rennen in die Verlegenheit kommen.
Aufgrund unserer Zeiten wurden wir leider in unterschiedliche Rennen eingeteilt. Daniel und die anderen beiden waren vor mir an der Reihe. Daniel stand auf Position 3, Front-Row! Geil! Ich wünschte allen Glück und stürmte den Zielturm. Der Polsetter war nicht da. Die Einführungsrunde begann, aus Sicherheitsgründen wurde bei ihnen fliegend gestartet. Daniel saugte sich in der Einführungsrunde nah an den Führenden heran und schnappte ihn sich sofort. Ich schrie vor Begeisterung den Zielturm zusammen. Die anderen Zuschauer dreht sich schon verstört um, als ich lautstark die pechschwarze-Tarnkappen-Starfighter-R6 bei jeder Start-Ziel-Durchfahrt anfeuerte. Die anderen beiden Wemser hatte sich im Mittelfeld platziert und fighteten dort um Positionen. Daniel fuhr vorn einen immer größeren Vorsprung heraus. Belustig korrigierte ich zwei Zuschauer, die sich fragten, wie viel PS die schwarze R1 wohl hätte? Nix Kilokübel, das ist eine R6 mit einem Geisteskranken drauf! Als Daniel als Erster die karierte Flagge passierte, war ich nahe einem Herzinfarkt, und alle anwesenden Zuschauer schreckten vor mir zurück. Ich sprintete zur Box runter und wartete auf Daniel. Als er da war, riss ich ihn förmlich von seinem Hobel und schüttelte ihn. Dieser Verrückte hatte gerade das geschafft, was sich am Ende vermutlich fast jeder von uns Hobbyracern einmal wünscht: Er hatte ein verdammtes Rennen gewonnen! Hemmungslos ließ ich meinen Emotionen freien Lauf und stellte Daniel tausend Fragen, während er langsam seinen Helm abnahm. Auf meine zweihundertfünfundfünfzigste Frage, wie es denn nun war, antwortete er: „Joa, gut“. Haha, hehe, höhö, wie kann man nur sein?

Ich startete als Zehnter in der SBK750 (was für eine Farce, 600er ist die einzig wahre Klasse!


Danach begannen die anderen beiden einzupacken, während Daniel und ich noch die letzten 20 Minuten freies Fahren genossen. Dort konnte ich nochmal was zusammenbauen, und es reichte für eine 2:08. Überglücklich stellten wir unsere Geschosse ab, und dann gab es zur Feier des Tages erst einmal ein herrliches, kühles Hopfengetränk. Was für ein Tag! Mir wurde mal wieder bewusst, das Leben ist schön.
Ich weiß nicht, wie lange wir da noch so saßen, in Glückseligkeit versunken, den anderen Wemsern beim Packen zuschauten und uns die Sonne ins Gesicht scheinen ließen. Irgendwann fingen auch wir an zu packen. Es war schon dunkel, als wir, frisch geduscht dieses geniale Asphaltband verließen und Richtung Campingplatz losfuhren. Da an diesem Tag schon einiges hinter mir lag, halfen jetzt nur noch zwei Sachen: RedBull und Schwere-metallene-Musik. Fenster auf, ging es durch die Nacht. Es lagen rund 100 km vor uns bis zum Campingplatz. Daniel hatte noch angerufen und geklärt, dass wir erst sehr spät aufschlagen würden. Ich hatte Mühe, auf den ungarischen „Straßen“ an Daniels Kombi dranzubleiben. Er umfuhr die Kleinwagen-großen-Unebenheiten so selbstsicher, dass er regelmäßig auf mich warten musste.
Wir näherten uns einem Grenzübergang nach Österreich, zumindest piepste mein Navi mir dies zu. Daniel brauste an der Grenzhütte samt Personal einfach vorbei. Daraufhin sprang ein schwerbewaffneter Grenzsoldat auf die Straße und gab mir unmissverständlich zu verstehen, dass ich anzuhalten hätte. Ich drosselte die dröhnende Musik, er trat ans Fenster: „Motorle aus! Passportle! Wohine?! Wohere?! Warume!?!“ Ich tat, wie mir gesagt, und beantwortete alle Fragen. Danach hieß es: „Aussteigene, aufmachene!“ Mir schwante, dass dies länger dauern könnte. Ich tat abermals, was verlangt war. Als ich draußen stand, hieß es: „Aufmachene! Hintene! Langsame!“ Ich tat bemüht langsam. Der Grenzer, im Abstand von 5m zu mir, vermutlich bereit, mich oder was auch immer aus dem Boiler kommen würde, niederzumähen, öffnete ich die hinteren Türen. Fröhlich poltern flog ein leerer Benzinkanister heraus und landete mit einem metallenen Klirren auf dem Asphalt. Ich musste gegen ein aufkommendes Lachen ankämpfen und schaute den Grenzer an, der ebenfalls gerade mit sich rang und so aussah als ob er überlegte zu lachen. Ich sollte zur Seite treten, und er leuchtete noch ein bisschen im Boiler herum. Ich hob derweil den Benzinkanister auf und wartete. Der Grenzer schien zufrieden zu sein: „zumachene, weiterfahrene, wiederschaune!“ Ich bedankte mich, wünschte noch einen guten Abend und fuhr weiter.
Gott, musste ich danach lachen! Dieser österreichische Akzent (dem man nie böse sein kann, klingt einfach zu lustig) gepaart mit dieser komischen Situation – herrlich! Daniel hatte ein paar Kilometer hinter der Grenze gewartet. Ich schilderte ihm in knappen Worten, was passiert war, und wir setzten unsere Fahrt fort. Irgendwann war um uns herum nur noch Schilf, mindestens drei Meter hoch. Ich hatte das Gefühl, wir würden jeden Moment wortwörtlich in den See fahren. Es war nach Mitternacht und ging auf 1 Uhr zu, als wir am Campingplatz bzw. der Schrank dazu ankamen. Es begann eine Art nächtliche Schnitzeljagd nach einem Transponder. Daniel hatte die Info, dass sich irgendwo eine Art Kasten befinden sollte, der sich mit einem Zahlencode öffnen ließe. Einzig was uns fehlte, war die Info, wo dieser verdammte Kasten denn sein sollte. Also suchten wir im Dunkeln auf dem großzügigen Gelände alles ab. Irgendwann, wir hatten die Hoffnung schon fast aufgegeben, fanden wir den Kasten und entlockten ihm seinen Inhalt.
Wir rollten äußerst geräuschvoll auf den Campingplatz und stellten uns zwischen verschieden große Wohnmobile. Die Menschlein, die bis dahin tief, fest und friedlich schliefen, taten mir fast ein bisschen leid, aber wir mussten entsprechend noch herumkurbeln, bis wir einigermaßen ordentlich standen, und erzeugten dabei gefühlt mehr Dezibel als eine offene Akra-Racing-Anlage beim Lärmtest. Nach einer Katzenwäsche legten wir uns in unsere Kfz´s. Daniel baute seinen Kombi noch ein wenig um, und ich schlief wie mein großes Idol Joey Dunlop einfach vorn im Boiler. Hinlegen war aufgrund meiner geringen Ausmaße kein Problem, lediglich die knapp 40 Grad im Fahrerhaus waren schweißtreibend. Die einzige Möglichkeit war, die Fenster zu öffnen, draußen warteten allerdings 100 Mio. blutdurstige Mücken auf Beute. So schlief ich mit meinen Gedanken beim legendären „King of the Mountain“ und langsam herunterlaufenden Schweißtropfen auf meinem Rücken ein. Am nächsten Tag kletterte ich zermatscht ausm Boiler und trank erstmal zwei Liter. Nach einem kleinen Frühstück stand jetzt die Königsdisziplin an: Die Idee war, sämtliche Sachen aus meinem Boiler in Daniels Hänger zu laden, unseren Pavillon samt Biertischgarnitur aufzubauen und unser Lager zu errichten. Unsere nächtliche Ankunft war, wie befürchtet, nicht unbemerkt geblieben. Wir waren jetzt schon Zentrum sämtlicher misstrauischer Beobachtung. Was für ein Spaß! Auf die Spitze getrieben wurde dies, als wir den Boiler Stück für Stück ausräumten und am Ende zwei Rennmopeds + sämtliches Material auf dem Campingplatz standen. Hier und da wurde es den ersten Rentnern zu viel, und sie konnten aus Ungläubigkeit, was da vor Ihren Augen passierte, es nicht mehr mit ansehen. Wir räumten fleißig weiter, und zum Mittag hatten wir unsere Homebase so gut es geht errichtet.
Die nächsten beiden Tage füllten wir unsere Vorräte auf und erledigten, was sonst noch zu tun war. Dazu erkundeten wir die Umgebung mit unseren Rennrädern, die wir dabei hatten. Hier viel mir sofort auf, wie saufit Daniel auf‘m Rennrad war. Ich kämpfte meist im Windschatten ums Überleben. Daniel hatte eine ausgezeichnete Idee: Wir könnten ja mal den See mit den Fahrrädern umrunden. Gesagt, getan. Wir starteten früh, und ich verfluchte mich, dass ich mich darauf eingelassen hatte. Ich könnte jetzt am See sitzen, die Beine im Wasser baumeln lassen und das Leben genießen. Nein, stattdessen ballerten wir auf einem Fahrradweg um diesen gottverdammten See. Irgendwann gegen Mittag, die Sonne stand hoch, und es war sauheiß, befanden wir uns irgendwo in Ungarn auf einer einsamen Bundesstraße. Daniel prügelte vornweg, als ob es „no-tomorrow“ gäbe, und ich dachte nur, wenn ich jetzt abreißen lasse, dann fall ich um und bleibe einfach liegen. Vor meinem geistigen Auge sah ich schon Kojoten an meinen speckigen Knochen nagen, als Daniel endlich das Tempo ein bisschen drosselte. Er motivierte mich mit einigen Pausen und wir zogen durch.
Kurz vorm Ende hatte ich noch ein heftiges emotionales Tief zu überwinden. Daniels Fahrradcomputer war der Überzeugung, wir wären schon rum. Darauf hatte ich mich bis dahin verlassen. Nach einigem Hin und Her fanden wir heraus, dass es noch 25km und somit fast noch eine Stunde bis zum Campingplatz war. Puhh, da half nur noch ein kräftiger Schokoriegel und natürlich Daniels Windschatten!

Also starten wir am Donnerstag früh, um pünktlich in Wien zu sein. Dort angekommen, hätte uns die Großstadt fast verschluckt. Den einzigen freien Platz zum Parken fanden wir bei einer Tankstelle. Daniel besorgte Kaffee und kam mit der nicht so guten Nachricht wieder, dass wir schon intensiv beobachtet würden und, wenn wir nicht gleich woanders hinfahren würden, wir abgeschleppt werden würden. Ich grinste. Wien gefiel mir, fast so nett wie der Grenzer knapp eine Woche zuvor!


Am Freitag ging es mit Training los. Wir ließen es ruhig angehen und drehten unsere Runden. Erstmals gab es auch im Training eine reine 600er Gruppe. Erstklassig! Die am letzten Wochenende gedrehten Runden machten sich bemerkbar, und ich kam gut rein. Bremsen, Gänge, Kurven - alles passte soweit. Frohen Mutes stiefelten wir mittags zur Anmeldung fürs Endurance. Diesmal wollten Daniel und ich mitfahren. Die Anmeldung klappte, jedoch zogen am Horizont schon wieder sehr dicke Regenwolken auf. Ich ergriff die Chance und baute nach einem vorzüglichen Mittagessen auf Regen um. Inzwischen war Open Track, aber nur sehr wenige drehten ihre Runden. Ich rollerte raus und hatte sogar fast ein bisschen Spaß an der elenden Rutscherei!


Gefeiert haben wir nur im kleinen Rahmen, da am nächsten Tag das erste Sprintrennen und vorher die Qualifikation dafür anstanden. Am Abend lauschten wir noch ehrfürchtig zwei alten Aufzündern, die aberwitzige Geschichten vom Aufzünden vor der Jahrtausendwende erzählten. Erstklassige Wemser, die schon alles gesehen und erlebt hatten. Wir verabschiedeten uns dennoch recht früh. Die morgige Aufzünderschlacht warf ihre Schatten voraus. Irgendwann begann nachts Regen auf den Boiler zu prasseln. Ich stand widerwillig auf und schob die Seitentüre, die sonst bei den sehr angenehmen Temperaturen nachts immer offenstand, zu. Ich lugte durch die Ladebordwand zur Frontscheibe heraus. Mittlerweile hatte der Regen etwas Sinnflutartiges. Ich fragte meinen Vater, ob wir noch irgendwas sichern müssten. Er verneinte. Inzwischen meinte ich, in der Dunkelheit ganze Wohnmobile auszumachen, die einfach wegschwammen. Rückfrage bei meinem Vater, die ich inzwischen rufen musste, so prasselte der Regen aufs Dach, und jetzt? „Nein!“ Das Spiel wiederholte sich noch ungefähr 15-mal, bis ich irgendwann endlich einschlief.
Am nächsten Tag herrschte bestes Wetter. Wir schälten uns ins geliebte Ledergewand und schwangen uns auf unsere Rösser. Während ich meine Runden drehte, kam mir die Strecke am mittlerweile fünften Fahrtag schon wie Heimat vor. Ich enterte voller Freude jede Kurve, rutschte über verschiedenste Asphaltbeläge und spielte mit winzigen Wheelies am „Sprunghügel“. Im Zeittraining bekam ich eine 2:09 zusammen und war ganz zuversichtlich für die anschließende Qualifikation. Ich nahm mir fest vor, den Hammer fallen zu lassen. Es gab ja immer noch die bösen Hondas und den Triple-Crown-Champion, der mittlerweile schon wieder viel zu schnell unterwegs war. Hochmotiviert durch die eigne Erklärung, wie wenig Leistung so eine 600er Honda-Luftpumpe eigentlich wirklich hatte, fuhr ich frohen Mutes raus und ließ es fliegen. Ich erwischte alle Ecken gut, baute keine groben Schnitzer ein und war mit mir und der Welt zufrieden. Leider war der Spaß nach drei Runden aufgrund eines Abbruchs schon wieder vorbei. Am Ende kam eine 2:07 und damit Startplatz 9 heraus. Top Ten! Ich musste unweigerlich schmunzeln. Da hatte sich das Training am Wochenende vorher doch schon ausgezahlt!


3ter Lauf SSP-600 - Race 1 Pan
13:40 Uhr rückte näher, und wir rückten zum Rennen aus. Wir sortierten uns in der Startaufstellung. Es folgte die Warm-Up-Lap, und ich versuchte noch eine Idee davon zu bekommen, wo man ungefähr für die erste Kurve anbremsen könnte. Dabei entstand ein Bild was die Schlitzohrigkeit des Triple-Crown-Champions in voller Blüte zeigt. Wir standen in Fahrtrichtung beide ganz links in der Startaufstellung, ich eine Reihe vor ihm. Während ich mich recht mittig in meine Startbox stellte, stand Manu ganz links außen. Ampel an, Gas zwischen 8.000 und 10.000 U/min halten, Ampel aus, Feuer frei! Meine Boden-Boden-Rakete schießt los und im ersten Moment denke ich noch, gut getroffen, als ich den schnellsten Starter unter der Sonne plötzlich links an mir vorbeischießen sehe. Egal, in die erste Kurve wird reingehalten, ein, zwei Wemser werden wieder eingesammelt. Stehe voll auf der rechten Raste, wuchte die Maschine um die zweite Kurve, ziehe dabei auf und… bleibe förmlich stehen. Verdammt, im Eifer des Gefechts einfach vergessen, auf drei runterzuschalten! In diesem Augenblick kommen wieder zwei Pillemänner vorbei. Ab diesem Moment mache ich keine Gefangenen mehr. Das diabolische Grinsen kommt, und ich kann nichts mehr dagegen tun. Ich liebe den Zweikampf Rad an Rad und versuche, alles aus meiner Kawa rauszuholen. Manu hat sich vor uns platziert und wirkt jetzt regelrecht als Korken. Auch die anderen Aufzünder tun sich schwer beim Überholen. In Runde vier kann ich den Triple-Crown-Champion dann schließlich schnappen. Ab da an gibt es kein Halten mehr. Zwei Runden später kann meine Kawa den nächsten unvorsichtigen Wemser auf Start und Ziel thermonuklearisieren. In der Ferne sehe ich die nächsten beiden und arbeite mich innerhalb der zwei darauffolgenden Runden ran. Das Adrenalin hämmert. Noch ein bisschen später bremsen, noch ein bisschen eher beschleunigen, noch ein bisschen stärker turnen. Der Schweiß läuft. Wie im Tunnel geht’s von Kurve zu Kurve. Tief im Inneren spüre ich, dass ich genau für diese Momente lebe. Nichts auf dieser Welt gibt mir mehr das Gefühl, am Leben zu sein. Mein Grinsen wird nur noch vom Helm eingefangen. Ich lege mir die beiden Aufzünder vor mir zurecht. Den ersten hole ich beim Anbremsen auf Kurve vier, der nächste wird beim Anbremsen auf Kurve zehn zerspalten. Zwei in einer Runde! Vor mir freie Bahn, besser kann es nicht mehr werden. In rasender Ekstase fliege ich um die Strecke. Wie ein wildes Tier jagt meine grüne Rakete brüllend um den Kurs. Eine alberne karierte Flagge beendet meinen rauschhaften, tranceartigen Zustand und holt mich zurück in die Realität. Es wird so vielen Streckenposten wie möglich überschwänglich gewunken. Ich schreie in meinen Helm und freue mich über den Moment, über dieses Rennen. In unserer Homebase angekommen, danke ich meiner Kawa für ihre überirdische Power. Anschließend ziehe ich noch Reifenwärmer auf, meine Kombi aus und lege mich neben mein Moped auf den Boden. Was war das nur für ein Trip? Ich schließe die Augen, grinse. Das Leben ist schön.
Daniel holt mich irgendwann mit den Worten: „Joa ich bin im zweiten Gang gestartet“ zurück: Hehe, höhö, haha wasss? Dieser Mensch ist einfach wunderbar. Wir grinsen beide. Viel später am Abend, das Adrenalin ist weg, mein Körper hat sich inzwischen gemeldet und bedankt sich für das Gemetzel mit schweren Armen und Beinen. Schlendere ich mit meinem Papa durchs Fahrerlager. Wir setzen uns auf die große steinerne Tribüne und gehen noch einmal das Rennen durch. Ich lausche seiner Perspektive aufs Rennen. Interessant ist, dass er beobachtet hat, was ich schon im Rennen gespürt habe. Er kann mir als interessierter, aber unkundiger Beobachter gutes Feedback geben. Er beschreibt, wie ich in vielen Kurven von außen sichtbar andere Linien fahre als die anderen. Als ich dann alleine unterwegs war, eigentlich alle Kurven durch motiviertes Reinentern überschieße, keinen Scheitel treffe und es so aussieht, als ob ich das Moped in der Kurve nicht gestoppt bzw. gedreht bekomme. Ich bin sprachlos. Mal wieder hat er den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich erkläre ihm, dass er vollkommen recht hat. Dieses Phänomen wird stärker, wenn ich engagierter fahre und/oder Kraft verliere. Woran es liegt, kann ich leider nicht erklären. In meinem Hinterkopf flammt ein Gedanke auf: „Upgradefrage -> Fahrwerk als Antwort!?“ An diesem Abend kann ich mich nicht festlegen, ob es an meiner Unfähigkeit liegt oder am Fahrwerk. Wir lassen den Abend bei wunderbarer Pizza und leckeren Kaltgetränken im Paddock-Restaurant ausklingen. Für Rennen 1 steht Platz 7 gesamt, Platz 5 im Cup und eine 2:06 zu Buche.
4ter Lauf SSP-600 - Race 2 Pan
Am nächsten Morgen erwachte ich bestens gelaunt. Heute war der letzte Tag unseres Pannonia-Ring-Abenteuers. Es war die letzte Möglichkeit, auf dem Feld der Ehre - Ruhm einzuheimsen. Zum Training rollte ich ohne Attacke um den Kurs. Ich spürte die viele Fahrzeit in den Knochen. Ich fragte mich, ob heute noch einmal eine Zeitensteigerung drin war. Mein Körper signalisierte mir Momente der intensiven Nutzung. Auf der anderen Seite stand, dass ich jetzt am Peak meiner Fahrzeit angekommen war. Es war der sechste Tag Pannonia-Ring. Gefühlte 300 Runden hatte ich in den letzten beiden Wochen hier absolviert.
11:20 Uhr rückte näher. Die Sonne stand hoch am Himmel, und es war keine Wolke in Sicht. Jeder begann mit seiner Rennvorbereitung. Ich rief mir noch einmal das Gespräch mit meinem Vater vom Vorabend ins Gedächtnis. Ich würde versuchen, in der Hitze des Gefechts so lange wie möglich so sauber wie möglich meine Linie zu fahren. Natürlich klatschte ich vorher mit Manu ab und versprach ihm dieses Mal einen ordentlichen Start und somit keine Chance auf leichte Zerspaltung. Wir rückten pünktlich zum letzten Tanz aus. Dieses Mal stand ich ganz rechts. Die Ampel ging an, und sogleich brüllten die 600er-Kehlen ihre Jagdlust in den Himmel. Ampel aus, Feuer frei! Ich traf den Start dieses Mal wirklich gut, kein Manu in Sicht. Was mir später per Video von meinem Vater zugetragen wurde, war, dass Manu sich ein bisschen mit der Kupplung vertan hatte und somit am Start loszog wie ein Reiter auf einem wilden Ross - spektakulär und schmerzhaft, aber leider nicht schnell. Wir sortierten uns nach der ersten Kurve, alles dicht beisammen. Auf der kurzen Anfahrt zur zweiten Kurve wurde ich außenherum überholt, grrr, natürlich von einer Honda! Platzierte mich für die zweite Kurve gut, winkelte ab und… hatte wieder vergessen, die drei reinzutreten. Sogleich sprudelten nicht jugendfreie Wörter und Flüche aller Art aus meinem Mund. Wie konnte man nur so doof sein! Im selben Moment zog einer von den Aufgeregten hinter mir vorbei. Vorn sah ich, wie ein Zug an Fahrern auscheckte. Ich versprach mir selbst, ab jetzt keine albernen Fehler mehr zu machen, und robbte mich an das Hinterrad vor mir ran. Am Ende der Geraden mit dem Sprunghügel war ich dran, jedoch fehlten mir die Cojones beim Anbremsen auf Kurve 13/14 innen reinzuhalten. Auf Start und Ziel kam ich mit Überschuss und rollte neben den Bückling. Wir zogen nebeneinander kräftig am Kabel. Jedoch hatte die R6 mehr Power als meine grüne Rakete. Blasphemie, das konnte nicht sein! Wir flogen in engerer Formation als die Blue Angels um den Kurs. Beim Anbremsen auf Kurve 6 setzte ich mich links neben ihn. Der Vorderreifen zitterte, und ich nahm noch ein klitzekleines bisschen raus, bevor ich voll nach rechts abwinkelte. Die Idee war, in der überhöhten Linkskurve 7 dann innen zu sein. Durch meine memenhafte-Bremsaktion war ich jetzt aber hinter ihm und musste die Kurve von innen nach innen fahren. Der Pillemann zog weg. Ich hatte Platz und ließ die Kurven 8 und 9 stehen. Dadurch hatte ich so einen Überschuss, dass ich ihn in Kurve 10 außen herum holen konnte. Erst dachte ich, puhh, das wird knapp, aber zum Glück ist der Curb in dieser Rechtskurve links außen sehr großzügig. Ich rumpelte voll drüber und war vorbei. Als ich bei Start und Ziel drüber donnerte, sah ich ganz in der Ferne (nennen wir ihn E., da ich nicht weiß ob er hier mit Namen genannt werden will) E. rumrollern. Natürlich, wie konnte es anderes sein, pilotierte E. eine elendige CBR600, also das perfekte Jagd-Ziel. Die nächsten Runden versuchte ich alles und vor allem sauber zu fahren, merkte aber, wie ich schon wieder anfing Kurvenscheitel zu überschießen und die Linie in vielen Kurven nicht halten konnte. Dennoch sah ich, dass E. immer näher kam. Die nächsten vier Runden fuhr ich wie ein Uhrwerk tiefe 2:06er Zeiten und robbte mich heran. In der siebten Runde auf Start und Ziel hatte ich ihn in perfekter Sichtweite, nicht zu nah, nicht zu weit weg. Im sechsten Gang Vollgas drehte ich erst kurz hinter der Kuppe die Brause zu, bremste schmeichelhaft spät für die erste Rechts. Steppte zwei Gänge runter (natürlich ohne Blipper, denn Kawafahrer sind von Natur aus eher auf der Anti-Memen-Seite und gleichen technische Spielereien durch puren Wahnsinn & Einsatz aus


Am Ende hat es insgesamt für Platz 7, Platz 4 im Cup und zu einer 2:05 gereicht.
Viel, viel später an diesem Tag hatte ich noch ein letztes Mal die Chance, zwei Hondas auf einen Streich zu verpressen. Wir winkten Manu und Christina beim Überholen auf der Autostrada. Irgendwann wurde es ruhig im Boiler, ich steuerte diesen schönen Kasten französischer Großenserientechnik Richtung Heimat. Während ich die vorbeiziehende Landschaft und die Lichter der Autobahn beobachtete, begann ich langsam zu realisieren, was in den letzten zwei Wochen geschehen war.
Hehe, „viel hilft viel“ hat sich wieder mal bewahrheitet. Den ein oder andern konnte ich durch ein bisschen Geheimtraining vorher ärgern. Ich bin sehr dankbar und glücklich, all die verrückten Menschen kennengelernt, den Weg auf die Rennstrecken dieser Welt gefunden zu haben, den Support, den ich immer wieder erfahren darf, und der einzigartigen Möglichkeit, dass wir zusammen so geil aufzünden können.
Danke an alle Wemser, Aufzünder und sonstigen verrückten da draußen. Danke, dass es euch gibt!
Bleibt so schön, wir hören uns, bei Bedarf zum nächsten Bericht aus Brünn!

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Danke für den geilen Bericht.
Ich mußte ihn ohne absetzen durchlesen, nein mitfahren!
Ich mußte ihn ohne absetzen durchlesen, nein mitfahren!