Winterblues und knifflige Upgrade-Fragen (ZX6R) - Revue Saison 2024
Alles rund ums Thema Racing bzw. was in anderen Rubriken nicht wirklich passt,
aber zum Thema Racing gehört.
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Most 26.-28.04.2024
FR-Cup: Erster & Zweiter Lauf SSP-600
Am Donnerstag, den 25.04.2024, ging es endlich los nach Most, wo die ersten beiden Läufe des FR-Cups anstanden. Ich freute mich wie ein Schnitzel, endlich die anderen Aufzünder wiederzusehen. Die Anreise nach Most ist für uns immer sehr komfortabel, nur ein Katzensprung über das Erzgebirge, und schon taucht das begehrte Asphaltband auf. (Ein unbedingter Tipp: nachts über Nebenstraßen das Erzgebirge passieren und dann versuchen, unten im Tal zu tanken. Die Kohlekraftwerke sehen dann aus wie Ufos, und in der Luft hängen mehr Partikel als bei der Abgasuntersuchung unseres Transporters!
Die Hose war gut voll, verdammt, Cup-Rennen ging es mir durch den Kopf. Gaststarts waren sonst immer sehr entspannt – schließlich ist man ja nur Gaststarter, und am Ende geht es um noch weniger als die sprichwörtliche Goldene Ananas. Aber jetzt, als offizieller Starter, fühlte sich die Sache doch ein bisschen anders an. Dennoch machte sich ein Grinsen breit: die Vorfreude auf die anderen Verrückten und die Rennen selbst sorgten für Vorfreude. Obwohl ich zur Kategorie der „Blümchenpflücker“ gehöre die anderen Teilnehmer auf der Strecke eher als Hindernisse/Ablenkungen empfinde, und Trackdays liebe, wo ich alleine meine Runden drehen kann, sind Rennen doch das Salz in der Suppe. Das Adrenalin, die Aufregung davor und der Kampf im Rennen sind unvergleichlich!
Nach dem Aufbau und der Absprache mit den anderen platzierten wir uns in „Windy-Corner“ (im Fahrerlager zwischen Kurve 9 und 10). Unser eigentlicher Geheimplatz in der Nähe des Zielturms war leider schon besetzt. Nach und nach trafen die üblichen Verdächtigen ein. Manu hatte mich zur Meldung überredet: „Cup fahren, in seiner Klasse anzutreten, fetzt, das macht schnell usw.“ Und er sollte Recht behalten. Rennen in der eigenen Klasse (in unserem Fall 600er) zu fahren, macht einen riesigen Unterschied. Just-for-Fun-Rennen, in denen sich alle Motorräder tummeln, sind einfach nicht dasselbe. Aber wie konnte ich auch nur an Manu zweifeln? In Fachkreisen trägt er den Titel „Triple-Crown-Champion“, und Aufzünder jeder Art begegnen ihm ehrfürchtig und tuscheln hinter vorgehaltener Hand: „Da ist er, der echte Triple-Crown-Champion.“ So einen Titel bekommt man nicht geschenkt, aber als dreifacher Back-to-Back-Gesamtsieger des TimeRoundCups der 600-ccm-Klasse ist er so etwas wie eine lebende Legende. Nur durch sein Zutun haben wir uns irgendwann am Spreewaldring in die schnellste Gruppe verirrt. Kurz gesagt, Manu ist zweiradverrückt mit 20 Jahren Rennsporterfahrung auf allem, was zwei Räder hat, und in allen Klassen. Und dieses Jahr ist er zusammen mit seiner besseren Hälfte ebenfalls in der 600er-Klasse im FR-Cup gemeldet. Nach herzlicher Begrüßung und der allgemeinen Versicherung, dass man im Winter nichts für seine körperliche Fitness getan hat und das Motorrad auf jeden Fall noch im Serienzustand ist, ging der Donnerstagabend mit den üblichen Formalitäten (Anmeldung, technische Abnahme usw.) dahin.
Aber was war das? In einsamer Nacht bahnte sich noch ein Knödel (Kfz der Firma Skoda) den Weg zum Autodrom, am Schweinehaken einen Hänger mit Seitenwänden. Daniel war endlich im Lager der Fahrer eingetroffen. Nach herzlicher Begrüßung (der Winter ist einfach zu lang) schauten alle Augen begierig Richtung Hänger. Im Winter hatten die bekannten Nachrichten-Apps schon erste Informationsfetzen auf mein Telefon gespült: neues Motorrad, etwas Schnelles, etwas richtig Schnelles sollte es sein. Daniel grinste und öffnete seinen Hänger. Zum Vorschein kam eine schwarze, Starfighter-mäßige R6, das Gerät sah böse und vor allem verdammt schnell aus. Ein Raunen ging durch die anwesenden Aufzünder. Es folgten Beschwichtigungsversuche von Daniel, der Motor sei nur ein bisschen gemacht und das Fahrwerk auch nicht mehr original, aber sonst wäre fast alles Serie. Wir glaubten ihm kein Wort und freuten uns mit ihm über sein neues Höllengeschoss. Hatte ich schon gesagt, dass es verdammt schnell aussah?!
Am Freitag standen Training und das 2-Stunden-Endurance-Rennen an. Wir waren am Donnerstag alle recht früh ins Bett gegangen, da die nächsten Tage ordentlich Fahrzeit auf dem Programm stand. Daniel und ich planten, dass 2-Stunden-Endurance als 2er-Team zu bestreiten und es einfach nur als zusätzliche Fahrzeit zu nutzen. Am Ende kam es wie immer anders. Daniel ließ sein Fahrwerk noch professionell vom JRacing Support (Fahrwerksprofis vor Ort) einstellen, dazu kamen noch Reifenwechsel und die ersten Turns. Also verpassten wir, ganz typisch für uns zwei Peiler, bis mittags die Anmeldung für das Endurance.
Die ersten Turns waren noch recht zäh, und so richtig was ging noch nicht. Die Wetterbedingungen waren okay, aber gerade am Freitagmorgen noch recht frisch. Es waren auch ein paar bekannte IDM-Fahrer (Alt, Zanetti, Hobelsberger, Finsterbusch usw.) da, die gleich richtige Zeiten in den Asphalt brannten. Es war eine wahre Freude, diesen gottgleichen Aufzündern bei der Arbeit zuzusehen, einfach ein ganz anderes Level. Wenn meine Erinnerung mich nicht täuscht, hatte Florian Alt an diesem Freitag gleich mal eine 1:34 in den heiligen Asphalt gebrannt, und das bei nicht optimalen Bedingungen, einfach völlig Banane!
Am Ende des Tages stand bei mir eine 1:52 zu Buche, was Platz 20 von 59 Fahrern in unserer Klasse bedeutete. Ich war ganz zufrieden, einigermaßen um den Kurs gekommen zu sein, hatte keinen Schrott produziert und mich langsam in den Kurs eingefühlt. Streckenplan zusammengebaut, wo bremsen, wo einlenken, welchen Gang und so weiter. Daniel hatte leider noch ordentlich an seiner Rakete zu schrauben. Bei Manu und Christina lief es ähnlich wie bei mir. Wir versicherten uns für den nächsten Tag, dass es zeitentechnisch schon noch klappen würde. Gestärkt durch allgemeine Aufmunterungsparolen und sehr optimistische theoretische Brems- und Einlenkpunkte fuhren Daniel und ich noch einmal Richtung Brüx. Gut getarnt in seinem heimischen Fabrikat (Knödel) rollten wir in die Stadt, die mir immer ein bisschen retortenmäßig vorkommt mit ihrem leicht sozialistisch angehauchten Baustil-Charme. Essen und Geld wurden gebraucht. Ersteres fand sich schnell in Form einer bekannten Supermarktkette, Zweites entpuppte sich als absoluter Kracher, aber der Reihe nach
Nach einigem Suchen fanden wir einen entsprechenden Geldautomaten. Während Daniel versuchte, dem Gerät Geld zu entlocken, starrte ich auf eine Art Riesen-Globus auf einem benachbarten Gebäude, der schön vor sich hin zu rosten schien. In meinem Kopf versuchte ich, Gedanken zusammenzubauen, was das sein könnte und warum man so etwas auf ein Dach baut, als Daniel auf einmal neben mir stand und meinte, es gehe nicht. Die Falten auf meiner Stirn wurden tiefer. Wie jetzt, lass mich mal. Daniel zuckte mit den Achseln, ich trat ans Gerät, Karte rein, Augen wurden groß, alles auf Tschechisch, ahh Englisch gefunden als Sprache. So, jetzt wird es wohl gehen, die Ungläubigkeit wurde noch größer, warum kann man denn hier nur „Czech koruna“ auswählen? Daniel stand neben mir, schallendes Lachen, ich stand auf dem Schlauch. Sekundenlang völlig perplex schaute ich abwechselnd den Automaten und Daniel an. Dieser hatte schon längst geschnallt, dass der Automat nur Landeswährung, tschechische Kronen, ausspucken konnte, aber keine Euros. Mir kam die Erkenntnis langsam, sehr langsam, aber dann habe ich mir fast eingeschifft vor Lachen. Half alles nichts, wir legten im Fahrerlager zusammen, es reichte, da wir das Geld für die Endurance-Anmeldung ja „gespart“ hatten.
Samstag – Quali und Renntag
Als Unterstützung war Marcus mal eben von Dresden zum Autodrom Most mit dem FAHRRAD gefahren. Und als ob das nicht schon bekloppt genug wäre, ist ihm leider auch noch die Schaltung auf dem Weg kaputt gegangen, und er musste im schwersten Gang übers Erzgebirge pressen. Eben ein in jedem Sinne positiv-Verrückter. Support war heute wichtig, Quali und Rennen standen auf dem Programm. Also früh noch schnell die 6 kg Windel umgeschnallt, damit auch nichts schief gehen konnte. Früh war es noch kalt und der Körper noch nicht richtig da, also riskierte ich nichts, da sich leider schon die Stürze der Teilnehmer häuften, und so rollte ich locker die ersten Turns um die Strecke. Gegen Mittag gab es dann die Quali, jetzt hieß es Arschbacken zusammen und mal eine schöne Runde zusammenbauen. Als Selbstmotivation bestätigte ich mir, „lange genug rumgeeiert“ zu sein, jetzt wird gezündet! Ich erwischte eine freie Runde, traf meine Punkte ganz gut und fuhr eine recht saubere Linie. Hier und da fehlte es auf der Bremse und am Gas noch an Wahnsinn, aber insgesamt bog ich ganz zufrieden ins Fahrerlager ab. An dieser Stelle ein wahrscheinlich nicht ganz so geheimer Geheimtipp, der mir allerdings geholfen hat: Für solche Sessions nehme ich, wenn es sich ausgeht, wirklich nur ein paar Liter mit und fahre nicht mit komplett vollem Tank. Zumindest in meinem Kopf geht die Maschine dann deutlich leichter um die Ecken
Meine Wahrnehmung war im Quali-Turn auf jeden Fall besser als am Tag zuvor am Geldautomaten. Eine 1:48 bedeutete Startplatz 16 von 42 fürs erste Rennen.
Fürs Rennen wünschte ich mir Platz 15, um einen Punkt in der Gesamtwertung zu holen. Marcus beschwor mich, ein sauberes Rennen zu fahren und keinen Mist zu machen. Manu stand mit 1:49 ganz in meiner Nähe, es wurden noch die üblichen Herbrenn-Aussagen getätigt, die ich sogleich retournierte. Dies aktivierte mein Wettkampf-Gen, in meinen Gedanken formulierten sich Sätze wie: Egal was kommt, die Hondas müssen zerspalten werden!
Gebannt warteten wir auf den dritten und letzten Aufruf zum Rennen. Marcus unterstützte mich als Reifenprinzessin mit massiven Oberarmen, zog die Reifenwärmer ab, schmiss mich förmlich auf mein Moped, um mich aus meiner Lethargie (die ich meist am Anfang vom Rennen habe) zu wecken, gab mir einen Fistbump, dass ein Ruck durch meine Hand, meinen Arm und meine Schulter ging, und ich mich wunderte, wie mein Handgelenk es schaffte, dieser Belastung standzuhalten, ohne auf der Stelle zu zerbersten. Nach diesem Schock war ich da, es konnte losgehen, das erste Rennen der Saison stand an. Wir rollten zum Start mit 42 anderen Bekloppten (36 SSP-offene-Wertung, 6 SSP-Bridgestone-Wertung) und ich spürte, wie dieses Grinsen kam.
Grinsen – Hose voll – Grinsen – Hose voll, diese Achterbahn wurde jäh durch eine rote leuchtende Ampel unterbrochen. Sogleich schwoll die Kakophonie von Tönen zu einem ohrenbetäubenden, Gänsehaut-verbreitenden musikalischen Gesamtkunstwerk an. Ampel aus – Feuer frei – Startreaktion war okay, beim Sprint bis zur ersten Kurve ließ ich einige Federn (Gänge sollten in so einem Szenario voll ausgedreht werden). Nach behutsamem Rumgewackel durch die erste Schikane stach meinem kontaktlinsengetunten Auge sogleich eine bekannte orangefarbene Lederkombi ins Auge. Grrr, Manu der Fuchs hatte sich schon vorbeigeschlängelt. Es sortierte sich alles nach und nach, und ich kam besser rein. Nach den Startrunden fand ich mich auf Platz 20 wieder und suchte den Anschluss nach vorn. Nach ein, zwei Runden war ich drin im Rennen und dran an den Jungs vor mir. Ich ließ die Power meiner Kawa für sich sprechen und spaltete einen auf der Geraden und noch einen weiteren Mitstreiter beim Anbremsen. Nach 7 Runden hatte ich endlich das Ziel der Begierde vor mir: eine berühmt-berüchtigte orangefarbene Lederkombi. Ich lauerte auf meine Chance, die lange Start/Zielgerade, ich saugte mich an und thermonuklarisierte dank überlegener Kawa-Power die böse CBR!
In der Folge stark euphorisiert fuhr ich meine Runden, zwar nicht mehr scheitelpunkttreffend, dafür einigermaßen gleichmäßig, was die Zeiten betraf. Es ging in die 10. und letzte Runde, ich fuhr meinen Streckenplan ab und versuchte, mich an meine Punkte zu halten. Den Eingang Matadorbogen getroffen, danach links ran, umlegen auf rechts, WASSS ist das, auf einmal steht Manu und diese elendige Honda da, ich muss kurz schlenkern, lade voll durch, das ist noch nicht das Ende. Noch haben wir drei Kurven, die nächste schnelle Links drehe ich den Gasgriff bis es in der Schelle knackt, das Heck wobbelt, das Messer zwischen den Zähnen sitzt, anbremsen vorletzte Kurve, alles oder nichts, ich kann mich noch etwa auf die Höhe von Manu schieben, ich warte und warte, unser Bremspunkt ist gefühlt schon vor Ewigkeiten gewesen, es nützt nichts, ich beiß auf die Zähne und werfe den Anker, die Kawa schlingert, er ist einen minimalen Ticken später auf der Bremse, trifft die Linie, ich lasse los, geschockt von den Ereignissen, ist die letzte Kurve für Manu Kür, für mich Pflichtprogramm und so schießen wir hintereinander über die Linie. Manu – ein ausgekochtes Schlitzohr, im Fahrerlager gibt es Shake Hands, was für ein Block Pass in der letzten Runde, was für ein geiles erstes Rennen, Dauergrinsen überall!
Manu ist taktisch gefahren, hat sich nach meinem Überholvorgang rangeheftet und mich studiert. Und dann gut vorbereitet eiskalt durchgezogen. Im RaceChrono konnten wir sehen, dass der letzte Sektor trotz unserer Kappelei sein schnellster letzter Sektor im gesamten Rennen war, unter anderem lag es daran, dass er die vorletzte Kurve trotz ultimativer Spätankerung noch so perfekt bekommen hatte. Angesichts solch formidabler Aufzünderleistung gratulierte ich und schwor sogleich fürchterliche Rache im zweiten Rennen!
Das Ganze wurde von uns noch in Bewegtbild-Produktion umgesetzt, falls Bedarf besteht, hier zu finden:
https://www.youtube.com/watch?v=T6C8gwVpiTU
Ergebnis vom ersten Rennen: Platz 18 gesamt, Platz 7 im Cup, 9 Punkte für die Gesamtwertung. Nach dem Adrenalinschub vom Glück beseelt ließen wir den Abend bei herrlichem Grillduft, Kaltgetränken und Benzingesprächen ausklingen.
Sonntag, freies Training und 2. Rennen
Im freien Training lief es jetzt ohne Anstrengung, dank der Fahrzeit der beiden Vortage, schon recht rund. Ich probierte noch 1-2 Sachen aus (Gänge, Brems-/Einlenkpunkte) und rollte mich mit einer 1:50 ein.
Für das zweite Sprintrennen war die Losung glasklar, Manu und seine Honda mussten thermonuklearisiert werden, die Schmach des genialen-letzte-Runde-BlockPass des Vortages musste weggemacht werden. Die Startreihenfolge entsprach nun den Bestzeiten des 1. Rennens und ich startete von Platz 17. An der Vorbereitung zum Start hin änderten wir nichts und wie durch ein Wunder zerbrach mein Handgelenk auch diesmal nicht.
Die Ampel ging an, die Motorräder zündeten, die Ampel ging aus und die Meute jagte los. Start war ein wenig besser als der im ersten Rennen, dennoch ließ ich wieder einige Mitstreiter durch. Im Augenwinkel sah ich den schnellsten Starter unter der Sonne schon wieder an mir vorbeihuschen. Manu war sehr gut weggekommen und reihte sich irgendwo vor mir ein. Ich versuchte schnell die Startschockstarre zu überwinden und in den Rennmodus zu schalten. Nach der ersten Runde heftete ich mich an das Hinterrad einer R6, im Kopf legte ich mir schon biblische Zerspaltungen zurecht, als Manu auf einmal vor uns erschien. In der vorletzten Kurve schlüpfte die vor mir fahrende R6 an Manu vorbei. Das kam mir schon sehr spanisch vor, aus der letzten Kurve heraus zersägte ich die CBR sowas von böse, dass in meinem Hinterkopf schon der Gedanke aufploppte, das ging zuuu leicht. Egal, es gab ja immer noch die R6 vor mir, aus der ersten Schikane nach Start und Ziel wurde auch diese eiskalt ausbeschleunigt, ganz offensichtlich hatte der bemühte Treiber der Stimmgabel Probleme beim Schalten. Bis Runde drei hatte ich die Rennstrecke so, wie ich sie liebe, mutterseelenallein, zog ich auf dieser genialen Strecke meinen Strich. Nicht zu sehr die Strecke genießen, rief ich mir selbst zu, du fährst Rennen – also zünde auch!
In der Ferne erspähte ich noch zwei Bücklinge, zwei Runden später war ich am ersten dran. Wir jagten beide Richtung Kompression, ich sah, dass er ein bisschen mehr rausnahm, rollte auf, nutzte die ganze Breite der Strecke und versuchte, schnell wieder am Gas zu sein. Ich konnte den Schwung in die nächste Bergauf Richtung Matador gut mitnehmen und streckte auch diese R6 nieder. Die nächste Stimmgabel war schon in Sicht, allerdings brauchte ich 3 Runden, bis ich in Schlagdistanz war. Der Aufzünder vor mir fuhr einen schönen Strich, und ich fand keinen Weg vorbei. Wir flogen gemeinsam um die Strecke, und ich spürte, wie sich ein riesiges Grinsen unter meinem Helm breit machte. Ich versuchte mich noch zu einer Attacke zu motivieren, aber inzwischen hatte der Spaß an der Sache längst überhandgenommen, und ich genoss die letzten Runden mit meinem neuen Spielgefährten mit der Nummer 95. Alleine wäre ich wahrscheinlich noch langsamer unterwegs gewesen und hätte die Blümchen am Wegesrand und die Sonne im Gesicht genossen. Später in der Auswertung sah ich, dass wir mit unseren konstanten 1:48er-Zeiten auf die zwei vor uns fahrenden Pillemänner am Ende sogar aufschlossen. Glücklich querte ich kurz hinter meiner Zugmaschine mit der Nummer 95 die Ziellinie und genoss das Glück des Augenblicks. Anschließend winkte ich heftig jedem Streckenposten, ob er wollte oder nicht (ich schwor mir irgendwann, wenn ich mal groß bin, lerne ich Wheelies und belustige alle Anwesenden in dieser letzten Runde damit!). Im Fahrerlager schmatzte Gerrit, eifrig angefeuert von seiner Chefin, die letzten Kilo Kartoffelsalat, während Marcus ganz zufrieden mit mir war. Nun vollends beseelt stellte ich meine dampfende grüne Boden-Boden-Rakete ab, dankte ihr für ihre unfassbare Power, mit der sich meine bescheidenen Fahrkünste mal wieder kaschieren ließen, und grinste bei dem Gedanken an all die stumpf-auf-der-Start-Ziel-Geraden-Hergebrannten. Apropos, da war ja noch die Sache mit Manu und seiner Honda, wie sich herausstellte, lag ich mit meiner Vermutung richtig. Bei Manu hatte kurz nach dem Start Antizünd zugeschlagen, aufgrund eines Fehlers lief die Gute nur noch in einer Art Sicherheitsmodus, was ihm letztlich auch noch die ohnehin schon begrenzte Power nahm. Aber er zog dennoch durch und sicherte sich wertvolle Punkte in der Bridgestone-Wertung.
Für das zweite Rennen stand als Resultat Gesamtplatz 17, im Cup Platz 6 und damit weitere 10 Punkte für die Gesamtwertung.
Ich spürte, nach dieser grandiosen Aufzünderei Zufriedenheit, Glück und vor allem Erschöpfung. Marcus fragte, ob ich noch fahren wollte, ich verneinte, und im nächsten Augenblick wurde mit Nachdruck unser Transporter eingeräumt. Unfähig, mich aus meinem Campingstuhl zu erheben, freute ich mich, solchen Support zu haben. Kurze Zeit später rappelte ich mich auf und versuchte mit meinem geschundenen Körper zu unterstützen, wo es ging. Wir bzw. Marcus hatte den Boiler in Rekordzeit eingeräumt, und wir verabschiedeten nach und nach die anderen Aufzünder.
Insgesamt hochzufrieden, dass die Technik gehalten, ich keinen Mist, wie Marcus so schön zu sagen pflegt, produziert hatte kehrte irgendwann Ruhe auf der Rückfahrt ein. In meinem Kopf wirbelten zwei Gedanken umher, das war zum Glück ganz gut gelaufen, und ich hatte ein paar Punkte holen können. Die nächste Strecke, den Pannoniaring, kannte ich allerdings noch gar nicht, und dann gab es ja da noch die aufgeschobene Upgradefrage…
Wie es uns in Ungarn ergangen ist, erfahrt ihr, bei Bedarf, im nächsten Teil!
FR-Cup: Erster & Zweiter Lauf SSP-600
Am Donnerstag, den 25.04.2024, ging es endlich los nach Most, wo die ersten beiden Läufe des FR-Cups anstanden. Ich freute mich wie ein Schnitzel, endlich die anderen Aufzünder wiederzusehen. Die Anreise nach Most ist für uns immer sehr komfortabel, nur ein Katzensprung über das Erzgebirge, und schon taucht das begehrte Asphaltband auf. (Ein unbedingter Tipp: nachts über Nebenstraßen das Erzgebirge passieren und dann versuchen, unten im Tal zu tanken. Die Kohlekraftwerke sehen dann aus wie Ufos, und in der Luft hängen mehr Partikel als bei der Abgasuntersuchung unseres Transporters!

Die Hose war gut voll, verdammt, Cup-Rennen ging es mir durch den Kopf. Gaststarts waren sonst immer sehr entspannt – schließlich ist man ja nur Gaststarter, und am Ende geht es um noch weniger als die sprichwörtliche Goldene Ananas. Aber jetzt, als offizieller Starter, fühlte sich die Sache doch ein bisschen anders an. Dennoch machte sich ein Grinsen breit: die Vorfreude auf die anderen Verrückten und die Rennen selbst sorgten für Vorfreude. Obwohl ich zur Kategorie der „Blümchenpflücker“ gehöre die anderen Teilnehmer auf der Strecke eher als Hindernisse/Ablenkungen empfinde, und Trackdays liebe, wo ich alleine meine Runden drehen kann, sind Rennen doch das Salz in der Suppe. Das Adrenalin, die Aufregung davor und der Kampf im Rennen sind unvergleichlich!

Nach dem Aufbau und der Absprache mit den anderen platzierten wir uns in „Windy-Corner“ (im Fahrerlager zwischen Kurve 9 und 10). Unser eigentlicher Geheimplatz in der Nähe des Zielturms war leider schon besetzt. Nach und nach trafen die üblichen Verdächtigen ein. Manu hatte mich zur Meldung überredet: „Cup fahren, in seiner Klasse anzutreten, fetzt, das macht schnell usw.“ Und er sollte Recht behalten. Rennen in der eigenen Klasse (in unserem Fall 600er) zu fahren, macht einen riesigen Unterschied. Just-for-Fun-Rennen, in denen sich alle Motorräder tummeln, sind einfach nicht dasselbe. Aber wie konnte ich auch nur an Manu zweifeln? In Fachkreisen trägt er den Titel „Triple-Crown-Champion“, und Aufzünder jeder Art begegnen ihm ehrfürchtig und tuscheln hinter vorgehaltener Hand: „Da ist er, der echte Triple-Crown-Champion.“ So einen Titel bekommt man nicht geschenkt, aber als dreifacher Back-to-Back-Gesamtsieger des TimeRoundCups der 600-ccm-Klasse ist er so etwas wie eine lebende Legende. Nur durch sein Zutun haben wir uns irgendwann am Spreewaldring in die schnellste Gruppe verirrt. Kurz gesagt, Manu ist zweiradverrückt mit 20 Jahren Rennsporterfahrung auf allem, was zwei Räder hat, und in allen Klassen. Und dieses Jahr ist er zusammen mit seiner besseren Hälfte ebenfalls in der 600er-Klasse im FR-Cup gemeldet. Nach herzlicher Begrüßung und der allgemeinen Versicherung, dass man im Winter nichts für seine körperliche Fitness getan hat und das Motorrad auf jeden Fall noch im Serienzustand ist, ging der Donnerstagabend mit den üblichen Formalitäten (Anmeldung, technische Abnahme usw.) dahin.
Aber was war das? In einsamer Nacht bahnte sich noch ein Knödel (Kfz der Firma Skoda) den Weg zum Autodrom, am Schweinehaken einen Hänger mit Seitenwänden. Daniel war endlich im Lager der Fahrer eingetroffen. Nach herzlicher Begrüßung (der Winter ist einfach zu lang) schauten alle Augen begierig Richtung Hänger. Im Winter hatten die bekannten Nachrichten-Apps schon erste Informationsfetzen auf mein Telefon gespült: neues Motorrad, etwas Schnelles, etwas richtig Schnelles sollte es sein. Daniel grinste und öffnete seinen Hänger. Zum Vorschein kam eine schwarze, Starfighter-mäßige R6, das Gerät sah böse und vor allem verdammt schnell aus. Ein Raunen ging durch die anwesenden Aufzünder. Es folgten Beschwichtigungsversuche von Daniel, der Motor sei nur ein bisschen gemacht und das Fahrwerk auch nicht mehr original, aber sonst wäre fast alles Serie. Wir glaubten ihm kein Wort und freuten uns mit ihm über sein neues Höllengeschoss. Hatte ich schon gesagt, dass es verdammt schnell aussah?!

Am Freitag standen Training und das 2-Stunden-Endurance-Rennen an. Wir waren am Donnerstag alle recht früh ins Bett gegangen, da die nächsten Tage ordentlich Fahrzeit auf dem Programm stand. Daniel und ich planten, dass 2-Stunden-Endurance als 2er-Team zu bestreiten und es einfach nur als zusätzliche Fahrzeit zu nutzen. Am Ende kam es wie immer anders. Daniel ließ sein Fahrwerk noch professionell vom JRacing Support (Fahrwerksprofis vor Ort) einstellen, dazu kamen noch Reifenwechsel und die ersten Turns. Also verpassten wir, ganz typisch für uns zwei Peiler, bis mittags die Anmeldung für das Endurance.
Die ersten Turns waren noch recht zäh, und so richtig was ging noch nicht. Die Wetterbedingungen waren okay, aber gerade am Freitagmorgen noch recht frisch. Es waren auch ein paar bekannte IDM-Fahrer (Alt, Zanetti, Hobelsberger, Finsterbusch usw.) da, die gleich richtige Zeiten in den Asphalt brannten. Es war eine wahre Freude, diesen gottgleichen Aufzündern bei der Arbeit zuzusehen, einfach ein ganz anderes Level. Wenn meine Erinnerung mich nicht täuscht, hatte Florian Alt an diesem Freitag gleich mal eine 1:34 in den heiligen Asphalt gebrannt, und das bei nicht optimalen Bedingungen, einfach völlig Banane!

Am Ende des Tages stand bei mir eine 1:52 zu Buche, was Platz 20 von 59 Fahrern in unserer Klasse bedeutete. Ich war ganz zufrieden, einigermaßen um den Kurs gekommen zu sein, hatte keinen Schrott produziert und mich langsam in den Kurs eingefühlt. Streckenplan zusammengebaut, wo bremsen, wo einlenken, welchen Gang und so weiter. Daniel hatte leider noch ordentlich an seiner Rakete zu schrauben. Bei Manu und Christina lief es ähnlich wie bei mir. Wir versicherten uns für den nächsten Tag, dass es zeitentechnisch schon noch klappen würde. Gestärkt durch allgemeine Aufmunterungsparolen und sehr optimistische theoretische Brems- und Einlenkpunkte fuhren Daniel und ich noch einmal Richtung Brüx. Gut getarnt in seinem heimischen Fabrikat (Knödel) rollten wir in die Stadt, die mir immer ein bisschen retortenmäßig vorkommt mit ihrem leicht sozialistisch angehauchten Baustil-Charme. Essen und Geld wurden gebraucht. Ersteres fand sich schnell in Form einer bekannten Supermarktkette, Zweites entpuppte sich als absoluter Kracher, aber der Reihe nach

Nach einigem Suchen fanden wir einen entsprechenden Geldautomaten. Während Daniel versuchte, dem Gerät Geld zu entlocken, starrte ich auf eine Art Riesen-Globus auf einem benachbarten Gebäude, der schön vor sich hin zu rosten schien. In meinem Kopf versuchte ich, Gedanken zusammenzubauen, was das sein könnte und warum man so etwas auf ein Dach baut, als Daniel auf einmal neben mir stand und meinte, es gehe nicht. Die Falten auf meiner Stirn wurden tiefer. Wie jetzt, lass mich mal. Daniel zuckte mit den Achseln, ich trat ans Gerät, Karte rein, Augen wurden groß, alles auf Tschechisch, ahh Englisch gefunden als Sprache. So, jetzt wird es wohl gehen, die Ungläubigkeit wurde noch größer, warum kann man denn hier nur „Czech koruna“ auswählen? Daniel stand neben mir, schallendes Lachen, ich stand auf dem Schlauch. Sekundenlang völlig perplex schaute ich abwechselnd den Automaten und Daniel an. Dieser hatte schon längst geschnallt, dass der Automat nur Landeswährung, tschechische Kronen, ausspucken konnte, aber keine Euros. Mir kam die Erkenntnis langsam, sehr langsam, aber dann habe ich mir fast eingeschifft vor Lachen. Half alles nichts, wir legten im Fahrerlager zusammen, es reichte, da wir das Geld für die Endurance-Anmeldung ja „gespart“ hatten.
Samstag – Quali und Renntag
Als Unterstützung war Marcus mal eben von Dresden zum Autodrom Most mit dem FAHRRAD gefahren. Und als ob das nicht schon bekloppt genug wäre, ist ihm leider auch noch die Schaltung auf dem Weg kaputt gegangen, und er musste im schwersten Gang übers Erzgebirge pressen. Eben ein in jedem Sinne positiv-Verrückter. Support war heute wichtig, Quali und Rennen standen auf dem Programm. Also früh noch schnell die 6 kg Windel umgeschnallt, damit auch nichts schief gehen konnte. Früh war es noch kalt und der Körper noch nicht richtig da, also riskierte ich nichts, da sich leider schon die Stürze der Teilnehmer häuften, und so rollte ich locker die ersten Turns um die Strecke. Gegen Mittag gab es dann die Quali, jetzt hieß es Arschbacken zusammen und mal eine schöne Runde zusammenbauen. Als Selbstmotivation bestätigte ich mir, „lange genug rumgeeiert“ zu sein, jetzt wird gezündet! Ich erwischte eine freie Runde, traf meine Punkte ganz gut und fuhr eine recht saubere Linie. Hier und da fehlte es auf der Bremse und am Gas noch an Wahnsinn, aber insgesamt bog ich ganz zufrieden ins Fahrerlager ab. An dieser Stelle ein wahrscheinlich nicht ganz so geheimer Geheimtipp, der mir allerdings geholfen hat: Für solche Sessions nehme ich, wenn es sich ausgeht, wirklich nur ein paar Liter mit und fahre nicht mit komplett vollem Tank. Zumindest in meinem Kopf geht die Maschine dann deutlich leichter um die Ecken

Meine Wahrnehmung war im Quali-Turn auf jeden Fall besser als am Tag zuvor am Geldautomaten. Eine 1:48 bedeutete Startplatz 16 von 42 fürs erste Rennen.
Fürs Rennen wünschte ich mir Platz 15, um einen Punkt in der Gesamtwertung zu holen. Marcus beschwor mich, ein sauberes Rennen zu fahren und keinen Mist zu machen. Manu stand mit 1:49 ganz in meiner Nähe, es wurden noch die üblichen Herbrenn-Aussagen getätigt, die ich sogleich retournierte. Dies aktivierte mein Wettkampf-Gen, in meinen Gedanken formulierten sich Sätze wie: Egal was kommt, die Hondas müssen zerspalten werden!

Gebannt warteten wir auf den dritten und letzten Aufruf zum Rennen. Marcus unterstützte mich als Reifenprinzessin mit massiven Oberarmen, zog die Reifenwärmer ab, schmiss mich förmlich auf mein Moped, um mich aus meiner Lethargie (die ich meist am Anfang vom Rennen habe) zu wecken, gab mir einen Fistbump, dass ein Ruck durch meine Hand, meinen Arm und meine Schulter ging, und ich mich wunderte, wie mein Handgelenk es schaffte, dieser Belastung standzuhalten, ohne auf der Stelle zu zerbersten. Nach diesem Schock war ich da, es konnte losgehen, das erste Rennen der Saison stand an. Wir rollten zum Start mit 42 anderen Bekloppten (36 SSP-offene-Wertung, 6 SSP-Bridgestone-Wertung) und ich spürte, wie dieses Grinsen kam.
Grinsen – Hose voll – Grinsen – Hose voll, diese Achterbahn wurde jäh durch eine rote leuchtende Ampel unterbrochen. Sogleich schwoll die Kakophonie von Tönen zu einem ohrenbetäubenden, Gänsehaut-verbreitenden musikalischen Gesamtkunstwerk an. Ampel aus – Feuer frei – Startreaktion war okay, beim Sprint bis zur ersten Kurve ließ ich einige Federn (Gänge sollten in so einem Szenario voll ausgedreht werden). Nach behutsamem Rumgewackel durch die erste Schikane stach meinem kontaktlinsengetunten Auge sogleich eine bekannte orangefarbene Lederkombi ins Auge. Grrr, Manu der Fuchs hatte sich schon vorbeigeschlängelt. Es sortierte sich alles nach und nach, und ich kam besser rein. Nach den Startrunden fand ich mich auf Platz 20 wieder und suchte den Anschluss nach vorn. Nach ein, zwei Runden war ich drin im Rennen und dran an den Jungs vor mir. Ich ließ die Power meiner Kawa für sich sprechen und spaltete einen auf der Geraden und noch einen weiteren Mitstreiter beim Anbremsen. Nach 7 Runden hatte ich endlich das Ziel der Begierde vor mir: eine berühmt-berüchtigte orangefarbene Lederkombi. Ich lauerte auf meine Chance, die lange Start/Zielgerade, ich saugte mich an und thermonuklarisierte dank überlegener Kawa-Power die böse CBR!

In der Folge stark euphorisiert fuhr ich meine Runden, zwar nicht mehr scheitelpunkttreffend, dafür einigermaßen gleichmäßig, was die Zeiten betraf. Es ging in die 10. und letzte Runde, ich fuhr meinen Streckenplan ab und versuchte, mich an meine Punkte zu halten. Den Eingang Matadorbogen getroffen, danach links ran, umlegen auf rechts, WASSS ist das, auf einmal steht Manu und diese elendige Honda da, ich muss kurz schlenkern, lade voll durch, das ist noch nicht das Ende. Noch haben wir drei Kurven, die nächste schnelle Links drehe ich den Gasgriff bis es in der Schelle knackt, das Heck wobbelt, das Messer zwischen den Zähnen sitzt, anbremsen vorletzte Kurve, alles oder nichts, ich kann mich noch etwa auf die Höhe von Manu schieben, ich warte und warte, unser Bremspunkt ist gefühlt schon vor Ewigkeiten gewesen, es nützt nichts, ich beiß auf die Zähne und werfe den Anker, die Kawa schlingert, er ist einen minimalen Ticken später auf der Bremse, trifft die Linie, ich lasse los, geschockt von den Ereignissen, ist die letzte Kurve für Manu Kür, für mich Pflichtprogramm und so schießen wir hintereinander über die Linie. Manu – ein ausgekochtes Schlitzohr, im Fahrerlager gibt es Shake Hands, was für ein Block Pass in der letzten Runde, was für ein geiles erstes Rennen, Dauergrinsen überall!

Manu ist taktisch gefahren, hat sich nach meinem Überholvorgang rangeheftet und mich studiert. Und dann gut vorbereitet eiskalt durchgezogen. Im RaceChrono konnten wir sehen, dass der letzte Sektor trotz unserer Kappelei sein schnellster letzter Sektor im gesamten Rennen war, unter anderem lag es daran, dass er die vorletzte Kurve trotz ultimativer Spätankerung noch so perfekt bekommen hatte. Angesichts solch formidabler Aufzünderleistung gratulierte ich und schwor sogleich fürchterliche Rache im zweiten Rennen!

Das Ganze wurde von uns noch in Bewegtbild-Produktion umgesetzt, falls Bedarf besteht, hier zu finden:
https://www.youtube.com/watch?v=T6C8gwVpiTU
Ergebnis vom ersten Rennen: Platz 18 gesamt, Platz 7 im Cup, 9 Punkte für die Gesamtwertung. Nach dem Adrenalinschub vom Glück beseelt ließen wir den Abend bei herrlichem Grillduft, Kaltgetränken und Benzingesprächen ausklingen.
Sonntag, freies Training und 2. Rennen
Im freien Training lief es jetzt ohne Anstrengung, dank der Fahrzeit der beiden Vortage, schon recht rund. Ich probierte noch 1-2 Sachen aus (Gänge, Brems-/Einlenkpunkte) und rollte mich mit einer 1:50 ein.
Für das zweite Sprintrennen war die Losung glasklar, Manu und seine Honda mussten thermonuklearisiert werden, die Schmach des genialen-letzte-Runde-BlockPass des Vortages musste weggemacht werden. Die Startreihenfolge entsprach nun den Bestzeiten des 1. Rennens und ich startete von Platz 17. An der Vorbereitung zum Start hin änderten wir nichts und wie durch ein Wunder zerbrach mein Handgelenk auch diesmal nicht.
Die Ampel ging an, die Motorräder zündeten, die Ampel ging aus und die Meute jagte los. Start war ein wenig besser als der im ersten Rennen, dennoch ließ ich wieder einige Mitstreiter durch. Im Augenwinkel sah ich den schnellsten Starter unter der Sonne schon wieder an mir vorbeihuschen. Manu war sehr gut weggekommen und reihte sich irgendwo vor mir ein. Ich versuchte schnell die Startschockstarre zu überwinden und in den Rennmodus zu schalten. Nach der ersten Runde heftete ich mich an das Hinterrad einer R6, im Kopf legte ich mir schon biblische Zerspaltungen zurecht, als Manu auf einmal vor uns erschien. In der vorletzten Kurve schlüpfte die vor mir fahrende R6 an Manu vorbei. Das kam mir schon sehr spanisch vor, aus der letzten Kurve heraus zersägte ich die CBR sowas von böse, dass in meinem Hinterkopf schon der Gedanke aufploppte, das ging zuuu leicht. Egal, es gab ja immer noch die R6 vor mir, aus der ersten Schikane nach Start und Ziel wurde auch diese eiskalt ausbeschleunigt, ganz offensichtlich hatte der bemühte Treiber der Stimmgabel Probleme beim Schalten. Bis Runde drei hatte ich die Rennstrecke so, wie ich sie liebe, mutterseelenallein, zog ich auf dieser genialen Strecke meinen Strich. Nicht zu sehr die Strecke genießen, rief ich mir selbst zu, du fährst Rennen – also zünde auch!
In der Ferne erspähte ich noch zwei Bücklinge, zwei Runden später war ich am ersten dran. Wir jagten beide Richtung Kompression, ich sah, dass er ein bisschen mehr rausnahm, rollte auf, nutzte die ganze Breite der Strecke und versuchte, schnell wieder am Gas zu sein. Ich konnte den Schwung in die nächste Bergauf Richtung Matador gut mitnehmen und streckte auch diese R6 nieder. Die nächste Stimmgabel war schon in Sicht, allerdings brauchte ich 3 Runden, bis ich in Schlagdistanz war. Der Aufzünder vor mir fuhr einen schönen Strich, und ich fand keinen Weg vorbei. Wir flogen gemeinsam um die Strecke, und ich spürte, wie sich ein riesiges Grinsen unter meinem Helm breit machte. Ich versuchte mich noch zu einer Attacke zu motivieren, aber inzwischen hatte der Spaß an der Sache längst überhandgenommen, und ich genoss die letzten Runden mit meinem neuen Spielgefährten mit der Nummer 95. Alleine wäre ich wahrscheinlich noch langsamer unterwegs gewesen und hätte die Blümchen am Wegesrand und die Sonne im Gesicht genossen. Später in der Auswertung sah ich, dass wir mit unseren konstanten 1:48er-Zeiten auf die zwei vor uns fahrenden Pillemänner am Ende sogar aufschlossen. Glücklich querte ich kurz hinter meiner Zugmaschine mit der Nummer 95 die Ziellinie und genoss das Glück des Augenblicks. Anschließend winkte ich heftig jedem Streckenposten, ob er wollte oder nicht (ich schwor mir irgendwann, wenn ich mal groß bin, lerne ich Wheelies und belustige alle Anwesenden in dieser letzten Runde damit!). Im Fahrerlager schmatzte Gerrit, eifrig angefeuert von seiner Chefin, die letzten Kilo Kartoffelsalat, während Marcus ganz zufrieden mit mir war. Nun vollends beseelt stellte ich meine dampfende grüne Boden-Boden-Rakete ab, dankte ihr für ihre unfassbare Power, mit der sich meine bescheidenen Fahrkünste mal wieder kaschieren ließen, und grinste bei dem Gedanken an all die stumpf-auf-der-Start-Ziel-Geraden-Hergebrannten. Apropos, da war ja noch die Sache mit Manu und seiner Honda, wie sich herausstellte, lag ich mit meiner Vermutung richtig. Bei Manu hatte kurz nach dem Start Antizünd zugeschlagen, aufgrund eines Fehlers lief die Gute nur noch in einer Art Sicherheitsmodus, was ihm letztlich auch noch die ohnehin schon begrenzte Power nahm. Aber er zog dennoch durch und sicherte sich wertvolle Punkte in der Bridgestone-Wertung.
Für das zweite Rennen stand als Resultat Gesamtplatz 17, im Cup Platz 6 und damit weitere 10 Punkte für die Gesamtwertung.
Ich spürte, nach dieser grandiosen Aufzünderei Zufriedenheit, Glück und vor allem Erschöpfung. Marcus fragte, ob ich noch fahren wollte, ich verneinte, und im nächsten Augenblick wurde mit Nachdruck unser Transporter eingeräumt. Unfähig, mich aus meinem Campingstuhl zu erheben, freute ich mich, solchen Support zu haben. Kurze Zeit später rappelte ich mich auf und versuchte mit meinem geschundenen Körper zu unterstützen, wo es ging. Wir bzw. Marcus hatte den Boiler in Rekordzeit eingeräumt, und wir verabschiedeten nach und nach die anderen Aufzünder.
Insgesamt hochzufrieden, dass die Technik gehalten, ich keinen Mist, wie Marcus so schön zu sagen pflegt, produziert hatte kehrte irgendwann Ruhe auf der Rückfahrt ein. In meinem Kopf wirbelten zwei Gedanken umher, das war zum Glück ganz gut gelaufen, und ich hatte ein paar Punkte holen können. Die nächste Strecke, den Pannoniaring, kannte ich allerdings noch gar nicht, und dann gab es ja da noch die aufgeschobene Upgradefrage…
Wie es uns in Ungarn ergangen ist, erfahrt ihr, bei Bedarf, im nächsten Teil!

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- chrismo Offline
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- Registriert: Samstag 12. Juni 2021, 08:01
- Motorrad: CBR600RR PC40
- Lieblingsstrecke: Oschersleben
Schön zu lesen!
Auch wenn ich dabei war melde ich auf jeden Fall Bedarf für den nächsten Teil an!
Grüße von der Bridgestone „Konkurrenz“
Auch wenn ich dabei war melde ich auf jeden Fall Bedarf für den nächsten Teil an!

Grüße von der Bridgestone „Konkurrenz“
- fredo Offline
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- Registriert: Samstag 2. Juni 2012, 21:03
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Bedarf ist da. Schöner Text!
Ist wie bei einer guten neuen Serie: Jetzt will ich auch wissen wie es weitergeht und freue mich auf die Fortsetzung!
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- Black Jack Offline
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- Motorrad: SV1000s
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Interessant und sehr schön zu lesen, mehr davon!
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- mashburner Offline
- Beiträge: 14
- Registriert: Sonntag 24. Juli 2022, 13:16
- Motorrad: Honda CBR600RR PC40
- Lieblingsstrecke: Pannonia
So, gerade durch mit lesen. Sehr geil.
ABER wo bleibt den nun endlich Ungarn???
ABER wo bleibt den nun endlich Ungarn???
