Ich hatte noch vor der Hektik auf die Plazierungen geschielt und festgestellt, dass wir auf Platz 3 lagen und befanden uns mit Platz 2 und 4 in der gleichen Runde.
Feuer geben war angesagt! Bang Bang !
Ich verließ die Boxengasse mit Volldampf und griff in die Bremse, um in die erste Rechts einzubiegen. Es bremste nicht.
Mit einem großen Fragezeichen über’m Helm stellte ich mich schon auf Nr.2 heute ein. Dieses mal gleich am Anfang, nicht in der letzten sondern in der ersten Kurve des Turns?
Langsam, gaaanz zart fingen die Beläge an, sich mit der Bremsscheibe anzufreunden und verzögerten ausreichend schlecht, dass ich die Kurve in einem großen Bogen ausfahren konnte. Knapp.
„
CRQ’s brauchen Temperatur, du DEPP“ schießt es mir in den Kopf.
Mit leicht angelegten Belägen beschleunige ich den ersten Hügel rauf und lasse es dieses mal langsam angehen. Die Kurve meistere ich ohne Probleme mit einem schwammigen Gefühl für’s Vorderrad.
„Komisch, ich hab IN der Kurve nicht gebremst…“
Wieder mit leichtem Druck auf der Bremse beschleunige ich auf Hügel 2, überquere die Kuppe und greife voll, in Erwartung einer halbwegs passablen Bremsleistung, in die Bremse.
Die Fuhre taucht sofort ab, das Vorderrad quittiert die Reibung und rutscht.
„AAAaaalteeeerrr…“ entfleucht es mir, der Tank hinterlässt bei den Kronjuwelen einen bleibenden Eindruck. Ich hasse es, auf dem feuchten Sitz so wenig Halt zu haben….
Klar, die Beläge waren halt durch das viele Anlegen auf Temperatur gekommen. Und die Dinger verzögerten plötzlich brontal. Vom Bremsschreck erholt stolperte ich geradewegs in die nächste Panne.
Das Vorderrad tat nicht so wie gewohnt, irgendwas werkelte unmotivert vor sich hin. Ich hatte das Gefühl einer wackeligen Felge. Ein kurzer Blick nach hinten, es kam weit und breit keiner, und ich stand auf und beugte mich während der Fahrt über die Front.
Ich blickte auf vier, zwei rechts und zwei links, lose Schrauben der Achsklemmung.
„Du Vollhorst!“ schreie ich in den Helm.
In dem Moment musste ich unweigerlich an den Spruch meines Bruders denken
„Brot kann schimmeln, was kannst du?“
Ich fuhr so vorsichtig wie nötig mit wackeliger Front um den Kurst und reihte mich gleich wieder auf die Abbiegespur richtung Box ein.
Hembi erblickte mich, das kalte Entsetzen war ihm ins Gesicht geschrieben.
Entsetzt zeigt er auf mich, Reidi kam aus der Box geeilt und sah zu mir, Augen und Mund weiteten sich kurz und wurden dann verbittert zugekniffen.
Gerade in Hörweite angekommen schrie ich durch das geöffnete Visier
„12er Nuss, Ratsche, Werkstattwagen erste Schublade. GABELKLEMMUNG !!“
Keiner rührte sich.
„GABELKLEMMUNG LOSE !!“ schrie ich lauthals und kam vor der Box zum Stehen.
Hembi zuckte als erster.
„12er NUSS“ – schrie ich ihm hinterher.
Er eilte zum Werkzeug, war so clever die 12er UND die 10er Nuss zu greifen, und machte sich an der Klemmung zu schaffen.
Reidi lächelte verbittert: „Du bist ein Dödel“
„Es war ne 10er Nuss..“ verkündete der aufspringende Hembi und gab mir eins auf den Helm.
„Raus mit dir und….“ – ich gab Gas und rase los, das „…bleib sitzen“ verhallte ungehört in der Boxengasse.
Ich hatte ja so was von die Fresse voll, das kann ich euch sagen.
Der Sturz hatte uns schon 7 unnötige Minuten beschert, der Stopp eben noch mal mindestens 1,5 Minuten gekostet. Während des Stopps hatten wir bestimmt wieder die gerade eroberten Plätze verloren, wir waren ja in der selben Runde mit den Anderen.
Ich fühlte mich pudelwohl im Nassen.
Bremse gut, Reifen gut, TC „an“. Die „Brain-Off“ Notleuchte wurde aktiv, der Schalter war freigelegt.
"Ist der Lack erst runiniert..."
Kurzerhand drückte ich ihn und verlegte die Bremspunkte nach vorne. Wie im Trockenen.
Gedankennotiz: Ich bin im Trockenen wie ne Schwuchtel gefahren, wenn's im Nassen auch so geht
Was soll ich sagen…es funktionierte.
Runde um Runde vernaschte ich die Regenschwuchteln und katapultierte uns auf den 2ten Platz zurück. Was ich aber zu diesem Zeitpunkt nicht wusste. Als mich Hechi überholte und ich ihm „relativ“ gut folgen konnte, immerhin 1 komplette Runde blieb er in Sichtweite, kam ich ins Grübeln, ob ich nicht mein Glück zu sehr herausforderte.
„Egal – Pokal oder Spital“ – meinen Sturz für dieses Jahr hatte ich schon im ersten Turn erledigt. Und ich hatte verdammt viel gut zu machen beim Team, schließlich kamen alle Verzögerungen nur durch mich zustande.
Leider fing zu bald meine Tankleuchte an, mich nervös zu machen. Ich musste bald raus zum Tanken. Als ich auf S/Z rausfeuerte um den Wechsel anzuzeigen, vor mir baute eine Duke mit Gischt eine Wasserwand auf, rettete mir die TC den Arsch. Wahrscheinlich mehr als das.
Ich wollte die Duke erst außenrum spalten, wegen der Wasserwand wusste ich aber nicht, wo er war. Also holte ich weiter aus als sonst und zielte auf eine Vollstreckung innen durch, nah an der Boxenmauer fuhr sowieso keiner der ein bischen Schmalz in der Birne hat. Ich drehte am Griff und wurde sogleich von der Regellampe darauf hingeweisen, dass ich einen Scheiß Plan hatte.
Durch die Gischt hatte ich auch die riesigen Wasserpfützen nicht gesehen, durch die ich auf meinem Kurs unweigerlich durch musste. Das Hinterrad, an dem mit 165 PS gezerrt wurde, entledigte sich der sowieso nur verschleißfördernden Haftung und stellte sich sprichwörtlich quer.
Mir ging ganz schön der Kackstift. Mit wüst klingenden Aussetzern unterbrach die TC die Gewalten am Hinterrad und ermöglichte es mir, die etwas angenehmere und ursprüngliche Sitzposition zurück zu erlangen. Vor lauter Freude über’s Sitzenbleiben vergaß ich, dem Team den Wechsel anzuzeigen.
„Scheiße. Wechsel zeigen, 1 Runde fahren, Wechsel bestätigt bekommen, 1 Runde fahren, dann Box! Reicht das noch mal 3 Runden?“
Die Gedanken rasen. Ich will weder mit leerem Tank liegen bleiben, noch unangekündigt bzw. zu früh in die Box kommen, wenn Hembi noch nicht fertig ist.