Der Fahrlehrer, die gemeinsame Dusche und der Abschied.
Ich muss ihn erst einmal abholen. Das dauert ein wenig. Wie ich da so stehe und warte, flöte ich ihm noch ein „wenn ich keinen Bock mehr habe, dann fahre ich raus; kann sein, dass das nicht sehr lange dauern wird“ zu. Große Augen, wie hat sie das denn gemeint? „Ist ja schon wieder so warm“ schiebe ich hinterher.
Es geht raus. Was soll das denn? Ich hatte doch gesagt, ich wolle mal vorneweg fahren. Das war wohl nichts. Also hinterher. Eine Runde, dann winkt er mich vorbei. Na toll, jetzt hat er mich langsam gefahren (Teufelchen). Was soll denn die überhebliche Scheiße? (Engelchen). Teufelchen motzt noch eine Weile und ich setze mich davor. Ende Start-Ziel habe ich vergessen, dass der Fahrlehrer hinter mir ist. Zandvoort macht Spaß. Mit dem Knie wird es nix. Dafür aber mit dem Daumen. Daumen hoch, als die Vorführrunde vorbei ist. Engelchen freut sich. Teufelchen hat nichts zu melden. April ist kein guter Monat für Teufelchen. Es ist schon wieder tierisch anstrengend geworden und mein rechtes Knie wird langsam matschig. Drei Tage Aragon waren nicht ansatzweise so anstrengend wie die Hälfte der Zeit Zandvoort. Also läute ich die Mittagspause ein. Das Mopped aufgeständert suche ich schnell den Ausgang aus meiner Klamotte. Schweineheiß hier. Wie soll das erst im Sommer werden?
Es dauert nicht lang, und der Fahrlehrer kommt angelaufen. Warum ich denn abgehauen wäre, das wär doch gut gewesen. Hab ich doch gesagt, dass ich rausfahre, wenn ich keinen Bock mehr habe. Hm. War wohl nicht eindeutig genug. Naja, auf jeden Fall wäre das viel besser gewesen als gestern und auf jeden Fall viel besser. Und besser. Und, ach, der Gabelbinder, das wär ja auch perfekt so. Und ich wär ja ne Frau mit einer eigenen Meinung, aber das wäre ja auch gut so. Hääää? Eigene Meinung. Ja, nee, is klar. Später höre ich vom Fahrer etwas über das Büro, das der Fahrlehrer in meinem Kopf eröffnet sah und ihm gegenüber entsetzt erwähnte. Vermutlich eine Versicherungsvertretung.
Ich höre, wie der Fahrlehrer meine „Anlagen“ lobt. Schön. Aber besser werden, das möchte ich schon noch. Und dazu bringe ich kurz ein technisches Hilfsmittel zur Erfassung der Rundenzeiten ins Gespräch. Böser Fehler. Ob ich denn Rennen fahren wollte. Rennen? (Gerne, wenn denn 80% der Fahrer 15 s langsamer sind als ich, kein Problem.) Nein, natürlich nicht. Ja, dann bräuchte ich das auch nicht. Ja, aber das wäre doch vielleicht ganz gut, wenn man denn direkt vergleichen könnte, wo man meint, dass man gut ist und ob man wirklich gut gewesen ist. Ja, nein, ich will doch nicht während der Fahrt draufschauen, sondern kurz danach. Der Fahrlehrer bleibt hart. Ich würde schon wissen, dass ich alles richtig gemacht habe, wenn ich alle außenrum überholen würde. Mir ging es eher um den Weg dahin.
Der Fahrlehrer zieht seines Wegs und ich rutsche erschöpft in meinen Stuhl. Auch der Fahrer sieht angestrengt aus. Seinen Nacken hatte ich längst eingecremt. Für die schöne Zeit bis dahin hätte ich noch viel mehr eingecremt. Aber ich musste eigentlich gar nichts dafür tun. Ich war einfach nur da. Na, gut, ich hab mich ein bisschen ums Essen machen gekümmert. Es war ungewöhnlich, nicht für jeden Scheiß verantwortlich zu sein, außer für mich selbst, meine Klamotten und mein Moped. So muss es sich anfühlen, wenn man glücklich ist.
Wie es sich anfühlt, wenn es schweineheiß ist, hatte ich bei dem ganzen Glück ganz vergessen. Als ich mich um halb vier wieder in die Klamotten zwänge, sind es immer noch fast 30°C im Schatten.
Die Hitze sorgt dafür, dass ich die letzten zwei Turns nicht ganz zuende fahre. Und 5 sec langsamer als am Vormittag bin ich auch. Aber es fühlt sich an, wie das Rennen meines Lebens. Auch wenn ich nicht schneller geworden bin als am Vortag, habe ich zwischen den Dünen Ruhe gefunden. Piesacken? Lass mich noch ein bisschen üben, dann werd ich auch noch schneller.
Gemütlich geht der Tag leider nicht zuende. Die Osterrenntage stehen vor der Tür und die LKW im Fahrerlager. Schnell grillen wir den Rest auf und packen alles zusammen. Wurst und Nackensteak dürfen auf dem Pappteller zwischen uns beiden sitzen. Noch eben in die Dusche. Ich habe Glück, bin als erstes in die Kabine gehüpft. Dann kommt der Fahrer dazu. Und der PSW. Natürlich alle in separaten Kabinen. Damit ich zumindest nicht hier die langsamste von allen bin, mache ich schnell. Noch Haare Fönen und dann fertig. Ob wir uns denn gut verstanden hätten. Ja, klar, denke ich. Warum auch nicht. Dass ich mit stetig piesackendem Vater aufgewachsen bin, konnte der Fahrer ja nicht wissen. Es war fast alles so wie früher zuhause. Nur netter. Bis jetzt. Jetzt wird es ernst. Ein bisschen zickig, das wäre ich ja schon. Zickig? Wie bitte? Alles, bloß das nicht. Diesen Angriff auf meine Ehre kann ich nicht so stehen lassen, da muss ich den Fahrer leider etwas zusammenstutzen. Und bin leicht entsetzt angesäuert.
Krisen festigen die Beziehung. Die richtige Autobahn um Amsterdam herum zu finden, war eine große Krise. Erleichtert rollen wir weiter in die beabsichtigte Richtung. Es wird langsam dunkel und ich schläfrig. Irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass die Musikauswahl nicht mehr ganz so modern ist wie auf dem Hinweg. Immer mal wieder passe ich auf, dass der Fahrer fährt und nicht schläft. Gewohnheit. Ich warte auf den Moment, wo ich fahren muss. Muss ich aber nicht. Ich muss wieder navigieren. Wir sind da.
Anhänger ab. Sachen auspacken. Und das Moped losmachen. Ja, das mache ich gleich. Ich will den Fahrer nicht länger aufhalten, schließlich fährt er noch eine Weile. Schön war es schon, bis auf den kleinen Ausfall am Ende. Deswegen muss ich ihn noch mal in die Arme nehmen. Natürlich rein mütterlich. Er muss das offensichtlich auch tun, natürlich rein Zünder-zu-Zünder-lich. Ein kleiner Abschied nach fast drei schönen Tagen.
Als ich in den Anhänger krabbele, merke ich, dass es stockfinster ist. Der Fahrer merkt das auch und leuchtet mir noch eine Weile, bevor er davonfährt. Ich packe mein Zeug, krame den Hausschlüssel hervor und betrete Schwiegermutterhausen. Es ist schon nach 24 Uhr und ich bin saumüde, aber nachdenklich. Der Fahrer, der Fremde, der war humorvoll, konnte mit mir umgehen und hatte echt gute Manieren. Da bin ich fast ein wenig traurig, dass ich zickig gewesen sein sollte. So sollte das nicht laufen. Nach einigen nachdenklichen Tagen wird mir bewusst, Piesacken war das. Hat ja auch nichts mehr geholfen, keine doofen Bemerkungen über mein heißgeliebtes Moped. Und untermotiviert war ich jetzt auch nicht mehr. Ach so. Dann war es ja nicht so schlimm.
VIELEN DANK an
Den Göttergatten, dass er mich mit dem Fahrer fahren ließ´.
Den Fahrer, dass er mit mir gefahren ist.
Den Fahrlehrer, dass er alles gegeben hat.
Den PSW, dass er mir auch einen Fahrer besorgen wollte, zur Not sich selbst.
Den Veranstalter, dass die zwei Tage so gut organisiert waren.
Die Teilnehmer, dass sich alle gut benommen haben.
Zandvoort, das mit bestem Wetter die Veranstaltung und das Drumherum versüßte.
Ich freue mich schon jetzt auf das nächste Mal. Natürlich wieder mit dem MSC Münster. Hoffentlich ist es dann im Sommer 2012 nicht ganz so heiß…bis dahin freue ich mich auf den Lausitzring im September.