An einem schönen Sonntag, zwei Wochen vor dem Oschersleben Termin, saß ich auf dem Fahrrad und machte mir Gedanken über die vorangegangenen Zündungen.
Über den Lausitztermin war schnell alles gedacht: Freitag aufgezündet. Beim Zeittraining zum R1 Cup eine 1.54 gefahren, das war für mich in Ordnung. Mit einem neuen Satz von diesen merkwürdigen Dunlop D208 würde ich schon wieder an meine alten Bestzeiten anknüpfen können.
Samstag: Regen, Regenreifen drauf, Angst, Letzter. Sonntag, wechselndes Wetter, Trockenreifen bei frisch besprengter Piste, Letzter. Aufzünden wurde vom Wasser gelöscht. 52 Stürze nur am Samstag ließen mich am Verstand der Zünder zweifeln...
Beim Prüfstandlauf bei Thomas Hömke lächelte mich dieser an und sagte, dass das lustige Springen meines Hinterrades nicht normal wäre. Es war auch merkwürdig, dass auf der
StartZiel- und Gegengraden das Motorrad dermaßen vibrierte, dass ich Bedenken hatte, die R1 würde sich einiger Anbauteile entledigen. Aber nicht immer. Es stellte sich heraus, dass die Hintere der „neuwertigen“ Felgen aus dem r4f Marktplatz einen ordentlichen Seitenschlag hatte.
In Gedanken daran, trat ich fester in die Pedale, so viel Pech und Ärger hatte ich die letzten Jahre zusammen genommen nicht gehabt! Ich lenkte meine Gedanken wieder an positivere Dinge...
Kurz nach dem Eurospeedway Debakel war der Meisterschaftslauf ohne R1 Cup am Hungaroring angesetzt. Socken wollte mit, ich wollte noch ein bisschen mit den 208ern und der R1 üben.
Antizünd war inzwischen mit seiner Schrankwand in mein Wohnzimmer eingezogen, Socken sagte ein paar Tage vorher ab. Alleine 1100km? Die Vernunft hatte mich aber im Griff, ich ließ die Kawa zuhause und fuhr zusammen mit der R1 nach Ungarn. Wir wollten uns ein paar schöne Tage machen.
Schönes Wetter, eine überschaubare Teilnehmerzahl und eine Kartbahn ähnliche Strecke versprachen ein paar schöne Schräglagen.
Die Kurve nach der StartZiel änderte ihren Radius so herrlich, dass man wunderbar in Schräglage die Strecke bemalen konnte.
Die Schikane war allerdings brandgefährlich, die Curbs waren gewaltig. Ich hatte immer eine Vision vor Augen: Die R1 in Schräglage rutschend wird über die Curbs direkt in die Einkaufspassage nach Budapest geschanzt...
Ich testete verschiedene Fahrwerkseinstellungen, allerdings gab mir das Federbein Rätsel auf. Nach 2 Runden hatte es Null Dämpfung, ich fuhr dann lustig springend auf der Feder rum.
Die Boxenkollegen bescheinigten mir das Ableben des neuen WP Federbeins. Mit ordentlich Federvorspannung war es aber halbwegs fahrbar. Ich streckte den Radstand durch ein Ritzel mit 2 Zähnen weniger und einem Kettenrad mit minus einem Zahn.
Durch den am Sonntag anstehenden Pirelli Cup konnte ich feststellen, dass so ein Pirelli hinten deutlich mehr Grip als unsere Dunlop D208 GP RACER hat.
Frank Lehmann war mit Pirellis 3 Sekunden schneller. Vorne verwendete ich den neuen Racetec Slick in der 1er Mischung, der meiner Meinung nach zu weich ist. Die Heimfahrt wurden mir vom deutschen Zoll veredelt, die mich nach einer kurzen Verfolgungsjagd stellten und mich, als Nicht-Schmuggler entlarvt, über mein Hobby ausfragten.
Lächelnd radelte ich durchs Knüllgebirge. Gott sei Dank wurden meine Gedanken von dem frickeligen Aus und Einbau des WP Federbeins abgelenkt, ich hätte sicherlich vor Wut den Lenker verbogen. Irgendwas stimmt mit dem Knie nicht, dachte ich nun...
Ein Tag später war mein rechtes Bein nicht mehr zu beugen. Erst am Mittwoch vor Oschersleben konnte ich wieder normal laufen, an Kniebeugen beziehungsweise Hang-off war nicht zu denken.
Egal, Donnerstag die Mopeds gefragt, wer mit will, R1 und Kawa haben sich dann freiwillig gemeldet.
Freitag um 7 Richtung Oschersleben aufgebrochen, um kurz nach halb Zehn den Vivaro ausgeladen. Da die 10er in Oschersleben jeden Curb persönlich kennt, nutzte ich den Racetec vorne und den 190/55 Pirelli Slick in Aufreißfreundlicher 2er Mischung aus dem Hungaro Pirelli Cup, um zu erproben was mit der R1 in Oschersleben geht. Hang-off in Rechts-Kurven war mit dem maladen Knie nicht möglich, aber nach ein paar Runden hatte ich mich an den lustig schleifenden Stiefel gewöhnt. Es war dann auch schnell eine 41 gefahren, die Vernunft war mit mir. Ich kaufte mir eben eine neue Hinterradfelge inklusive frischen D208. Nachdem die Tränen um die verlorenen Papierschnipsel getrocknet waren, war mit den Dunlops im Cup Zeittraining noch ein Sekündchen zu finden. Die Dunlops waren sehr viel handlicher als die Pirelli, allerdings war der Grip hinten mäßig. Sie rutschen nicht gleichmäßig, sondern „hackend“. Erste Highsider wurden von den Cup Kollegen gestanden. Nach diesem Zeittraining war ich nach dem heißen Tag am Boden zerstört. Null Fitness, das gewohnte harte Zündprogramm ohne Mittagspause ( ein Hoch auf BP!) ließen mich vor den Bus zu Boden sinken.
Die Kawa begehrte auf und wollte das BP 8 Runden Rennen Zeittraining fahren. Ich lies mich breitschlagen und fuhr gegen 18.30 (ein Hoch auf BP!) zum letzten Angriff.
Mit vorne einen 701er Dunlop Slick aus Most, hinten ein Michelin 1836B aus Almeria war die Kawa bestens gerüstet, im hohen Bogen in die Botanik zu fliegen, aber ein altes Pferd kennt den Weg. Wir fuhren ein paar 41er Zeiten und verließen für den Tag das Feld der Ehre.
Normen erprobte sensationelle Schräglagen und fuhr den ganzen Tag 1.35er Zeiten. Damit war er selbst sein einziger Gegner.
Später am Abend reiste Teamchef/Chefmechaniker/weltbeste Freundin Keks zusammen mit meiner Schwester an. Ich lag schon im Bus und machte den sterbenden Schwan.
Am nächsten Morgen hatte ich einen Muskelkater im linken Bein. Das einseitige Hang-off forderte seinen Tribut. Ich habe dann weiterhin mit den merkwürdigen Dunlop Reifen trainiert und zumindest mit dem Vorderreifen Freundschaft geschlossen.
Fürs Cup Rennen wurden die vorn und hinten aufgerissenen Pirelli/Metzeler gegen neue 208er getauscht. Des weiteren kaufte ich mir einen Satz von den neuen GoldFreens GP4 Bremsbelägen, die ein ähnliches Bremsverhalten wie die Original Beläge aufwiesen.
Mein Start war wieder sehr elegant, ich fuhr von Startplatz 12 auf 6 vor. In der ersten Runde flogen bei der Schikane komische Teile durch die Luft, ich konnte aber keinen Grund entdecken. Schnell kamen Meise, Lehmann und Sehn sauber vor verschieden Kurven an mir vorbei, mein Vertrauen ins Vorderrad liegt noch im Pannonischen Kiesbett. Sehn machte vor mir noch einen anSEHNlichen Highsider (gestanden), um sich dann langsam abzusetzen.
Ein Gaststarter zeigte vor der Triple Links innen sein Vorderrad, ich konnte nicht anders als ihm die Tür zuzumachen. Alberne Stelle, um überholen zu wollen. Ende Gegengrade hat er mich dann überholt, wenig später lag das Teil im Dreck. Komisch, dass ein Gaststarter Slicks verwendete, sollte nicht sein.
In Runde 5 gabs bei der Einfahrt auf StartZiel eine große Staubwolke, drei Mopeds nebst Fahrern lagen am Steckenrand. Das Rennen wurde abgebrochen.
Wie mir der daran beteiligte Alois Langmann erzählte, ist sein österreichischer Kollege Aschauer per Highsider abgestiegen und sowohl Alois und der zu überrundende Lars Creutzburg fuhren Aschauer über Ober- und Unterschenkel!!! Allerdings ist ihm nix passiert!!! Lars hatte schon beim Einfahren der R1 einen schweren Unfall, dieses war seit dieser Geschichte sein erstes Rennen. Ausgerechnet...
Des weiteren wusste Alois zu berichten, dass er in der ersten Runde in der Schikane einen Highsider hatte, mit dem Helm die Verkleidungsscheibe zertrümmerte und den Bremsflüssigkeitsbehälter von seiner Halterung riss. Er schlug mit dem Hals ein zweites Mal auf die Ecken der zerborstenen Scheibe und schnitt sich den Hals auf. Die Splitter flogen uns entgegen. Spätestens dann wäre ich sicher vom Gas gegangen, er checkte ab und zu, ob der Bremsbehälter noch da ist und fuhr blutend bis zum Sturz. Ich weiß nicht so richtig, was ich davon halten soll, er ist ein richtig netter Kerl, aber ich halte soviel Ergeiz für übertrieben.
Es gab für das Rennen halbe Punkte, ich wurde sechster mit 40er Zeiten.
Einzmann gewann das Rennen vor Gaststarter Chris. Einzmann verwendete dabei die Reifen, die er den ganzen Freitag gefahren hatte. Unglaublich, der Mann.
Die Kawa bekam dann einen aufreissfreundlichen SC2 in 180. Er lümmelte noch in meinem Keller rum. Der Dunlop war noch lange gut.
Mein Startplatz war 20, das reichte bei Verwendung eines Freens Stufe1 Starts für Platz 4 in der ersten Kurve. Ich wurde dann wieder bei verschiedenen Kurveneinfahrten gerichtet, aber ich hatte Spaß. Die Kawa lag wie ein Brett, der Reifen grippte fabulös und die Schräglagen waren einfach herrlich. In der letzten Runde merkte ich zwar, dass jemand hinter mir war, aber ausgerechnet auf StartZiel stieg die Kawa schön, ich nutzte die Gunst der Stunde und wheelte einen wunderschönen Wheelie. Statt dass FranzK3 den Traum eines ZX10R Doppelwheelies realisierte, fuhr er auf der Ziellinie an mir vorbei. Was solls, ob neunter oder zehnter, der Wheelie war gekonnt vorgetragen und ich fuhr geschmeidige 39er Zeiten.
Normen drehte völlig ab und fuhr eine 1.34. Er gewann gegen sich selbst. Kein Gegner weit und breit für den weltbesten Chefmechaniker. Keks erzählte von aberwitzigen Schräglagen.
Ich steckte schnell den ollen Michelin hinten in die Kawa, um aufzuzünden und den 2er für den Pirelli Cup zu schonen. Ernst „Cheffe“ Keller, unser R1 Cup Chefinstruktor, ermahnte mich zu mehr Kurveneinfahrtsgeschwindigkeit! Ansonsten war er zufrieden

Ich spürte an diesem Tag eine Verstärkung der Vernunft im Oscherslebener Fahrerlager. Bundy reiste an, um den Kupplungsdeckel einer Superduke zu erleichtern.
Abends gabs dann die Siegerehrung im Hotel, der feine Barchef war sich nicht zu fein, auf mein dreimalig vorgetragenes „Rotwein Cola“ den guten Chianti mit feinster Coca zu veredeln.
Sonntag morgens wars dann ordentlich kalt und es fing an zu regnen. Ich lies die 5 Rundenreifen in der R1 und der Wettergott beugte sich den Wünschen der versammelten r4f Gemeinde. Er hatte Angst vor Schuldzuweisungen in diversen Berichten und stellte den Regen vorläufig ein.
Der altbekannte Startplatz 12 empfing mich um 11.30 Uhr zum R1 Cup Hauptrennen mit einem freundlichen Gruß. Wir mochten uns. Ich sah, dass Einzmann neue Reifen aufzogen hatte, ich bekam Angst! Mein Start war diesmal nicht so souverän, allerdings ging die R1 besser in die Kurven. Ich hatte im Vorfeld das Fahrwerk gesoftet. Vorne Zugstufe raus, hinten Highspeed Druckstufe verringert. Kann aber auch sein, dass ich besser drauf war, meine Rundenzeiten bewegten sich im 39er Bereich. Ich wurde wieder überholt, bemerkenswert das Manöver eines Gaststarters, der nach dem Überholen auf StartZiel rausbeschleunigte und dann einen mächtigen Highsider stand. Wie er später erzählte, fuhr er direkt danach raus, um die Unterbuchse zu wechseln. Des weiteren wurde ich von Aschauer überholt, der mit seinen Schmerzen immer noch unter 40 fuhr. Schmerzfrei in reinster Form! Chris haderte mit seiner Schulter, ich kam immer näher. Reidi versuchte auch ein innen-vor-der-triple HaraKiri, ich winkte ihn vorbei. Er überholte Chris, dann wurden beide langsamer und ich überholte sie wieder. Reidi sollte was für die Fitness tun

Auf die Gegengrade hatte ich auch einen ordentlichen Highsider Ansatz. Die Reifen sind hinten sehr schwer zu fahren. 190er oder Slicks müssen schnellstens an den Start, bevor Gröberes passiert. Ich wurde Zehnter minus ein paar Gaststartern. Sogar kleine Hang offs rechts wurden möglich.
Für den Pirelli Cup bekam die Kawa vorne einen ollen Pirelli Sc2 verpasst, ich wollte locker gehen lassen bei dem gewaltigen Starterfeld von cirka 50 Fahrern. Bundy fuhr auch mit, ich war mir sicher, dass er mit seinen 38er Zeiten locker zu mir aufschliessen könnte. Eine gekonnt vorgetragene Kampf Kaninchen Linie wollte ich mir nicht entgehen lassen! Die Selbstversuche hatte ich schnell abgebrochen. Ich bekam den Startplatz 10 zugewiesen, auch dieser war sehr sympathisch. Beim Start kam ich ordentlich weg, direkt vor mir sah ich die Kette einer roten GSXR flattern. Ich zog nach links und rechnete mit einem Rennabbruch, sicher würde man die Gixxer erst von der StartZiel räumen müssen. Rot kam, ich ahnte nichts von den schrecklichen Dingen, die passierten und übte ein paar Wheelies ein. Ich wollte schon wieder in die Startaufstellung, als ich das Blaulicht sah. Philip Ludwig fuhr von ganz hinten in die stehende GSXR.....
Ich weiß nicht, was ich schreiben soll....die Nachricht, dass die beiden Schwerstverletzten wieder in Ordnung kommen, erleichtert mich sehr. Meine besten Wünsche sind ihnen sicher. Ich hoffe, dass ich so was nie mehr erleben muss!
Ich entschied mich bei der Abstimmung für den restart des Pirelli Cups, weil ich denke, dass das im Sinne von Philip wäre und mich Aufzünden auf andere Gedanken bringt. Die Nachricht, dass er stabil ist, setzte das voraus.
Allerdings lies ich es langsam angehen, der Spaß an erster Stelle, noch mehr als sonst.
Torte ging spektakulär an mir vorbei, ich fuhr ihm hinterher, mal gucken, was er so macht...
Prompt bediente er mich Ende Gegengrade mit einem schönen „huch-zu-spät“, die Gixxer keilte wild mit dem Hinterrad aus, und Torte fuhr gekonnt in die Wiese. Ich fuhr weiter, ein paar Runden später sah ich, wie Lehmann Frank am Streckenrand stand. Er wurde unnötiger weise abgeschossen, in Führung liegend. Keks beichtete von einer Normen Schräglage, die in soooooo schräg war, dass Normen "erschregte" und legte. Endlich kam Bundy vorbei und demonstrierte das völlig stressfreie Überholen. Ich dachte, ich wäre nicht da. Die richtige Kurveneinfahrt wurde mir live und in Farbe präsentiert. Ich überholte ihn noch mal, um eine weitere Darbietung zu erhaschen, ich wollte schließlich evolutionieren. Bundy kam meinem Wunsch nach und zeigte mir dann prompt die KK Linie in Vollendung. Sollte man erlebt haben, ich habe Tränen gelacht. Vor lauter Freude an der KK Linie wusste ich gar nicht mehr, ob ich hoch oder runterschalten sollte. Bundy machte in den folgenden Runden einige Meter gut, wartete dann aber geduldig auf den kleinen Freens. Schließlich waren noch einige Wheelies zu machen. Das war Aufzünden in der reinen Urform! Kein falscher Ergeiz, nur Schräglage, Wheelie und schwarze Striche.
Jeder im Fahrerlager sprach ehrfürchtig von dem Moment, in dem auch er von einer Superduke erlegt wurde. Bundy sollte Renntrainigs umsonst mitfahren, die Massen wären begeistert

Ich sah mir das GEC Rennen noch an, das an Niveau nur von der Speedweek zu toppen ist. Die ersten zehn 37er Zeiten. Wenn ich überlege, dass Genscher und ich die erste BP Langstecken Meisterschaft vor zwei Jahren gewonnen haben, pflege ich die Erinnerung und halte mich da raus.
Aufzünden und Knochen heil lassen!