angeregt durch "gaskrank" hab ich mich auchmal versucht. erwartet nicht zuviel
I once had a bad day.
Kennt ihr das Gefühl wenn man das Aufstehen am Morgen verflucht ?
Ich rede jetzt nicht davon, dass man beim Händewaschen auf einer öffentlichen Toilette das Wasser so dumm anstellt das die Flecken aussehen als ob man es nicht mehr rechtzeitig geschafft hat, sondern was wirklich Bescheidenes.
Wenn man am Abend im Bett liegt und denkt, dass hätte es auch sein können.
Ich mein zumindest wenn die Schmerzen nachlassen und man mal kurz die Zeit findet zum überlegen…
Die meiste Zeit ist man damit beschäftigt eine Stellung zu finden, in der man das wenigstens ein paar Minuten in ruhe aushalten kann.
Aber naja, fangen wir erstmal vorne an.
Es war im schönen Sommer 2005. Ich durfte endlich die SV offen bewegen. 72 PS nur für mich alleine. Sie war kürzer Übersetzt, hochgelegt und die MPP klebten wie sau. Von Freunden wurde ich liebevoll Wahnsinniger genannt und große Supersportler waren das Feindbild Nummer eins.
Viele lächelten wenn sie die kleine SV so am Straßenrand sahen und ich durfte mir ziemlich viele dumme Sprüche anhören. Erstaunlich daran ist eigentlich das sie sich alle für Kreativ halten, aber man die Sprüche pro Tag bestimmt 2-3 mal gehört hat …
Sobald sich die Kollegen dann die Reifen etwas genauer angesehen haben oder mich zufällig bei der ein oder anderen Kurvenfahrt beobachtet hatten, waren sie meist ruhig.
Soll jetzt nicht heißen das ich der heilige Gral bin oder war, es gibt immer noch genug Leute die mich aussehen lassen wie einen Anfänger, aber man neigt ja gerne mal zu Übertreibungen
Es war ein wunderschöner Sonntag und ich war mit 2 Arbeitskollegen verabredet zu einer gemütlichen Altherrentour.
Das Wetter war sehr warm und so kam es das sich die Fahrten durch Städte und Dörfer als ziemlich schwierig herausstellten und einige schon Probleme hatten in der Kombi nicht zu kollabieren.
Er muss wohl kurz davor gewesen sein, denn die rote Ampel an der wir standen war für unseren dritten Mann wohl etwas zu schnell umgesprungen und es krachte das erste Mal. Zum Glück nicht in meine Maschine sondern in die des zweiten Kollegen. Wir waren also nicht mal die hälfte der Strecke gefahren und hatten schon 2 ramponierte Mopeds, was in diesem fall 66% der gesamten Flotte bedeutete …
Zum Glück nichts Schlimmes und beide konnten weiter fahren. Ich hätte dieses Ohmen besser wahrnehmen und gleich umdrehen sollen. Tja, man ist ja aber blöd und das Wetter ist so schön…
Wir setzten unsere wilde Fahrt also fort. Ohne weitere Zwischenfälle kamen wir endlich an dem Ziel unserer Reise an.
Dies waren die Schmalfelder Kurven. Wer aus der Gegend kommt und Motorrad fährt hat diese zu kennen. Es sind die einzig geilen Kurven hier in der Umgebung. Übersichtlich, Applauskurve, alles was man so brauch um Cool zu sein.
Mir waren die Kurven sehr vertraut, denn in ihnen übte ich immer. Ich kannte sozusagen jede Bodenwelle, Schalt- und Bremspunkte waren mir auch vertraut.
Meine Kollegen brauchten unbedingt eine Pause, es war ja auch sehr Warm und die beiden schon nicht mehr im besten Alter …
Ich als Jungspund hatte natürlich noch genug Energie und fing an mich langsam warm zu pendeln. Es lief sehr gut, die Reifen genossen mein vollstes Vertrauen und die Rasten schliffen im Takt mit den Wechselkurven. Dazu kam noch die Sinfonie des V2 präsentiert von einem LeoVince mit altem DB-Eater.
Es brauchte nicht lange und ich hatte wieder alle Blicke auf mir, keiner traute sich jetzt noch raus, meine Stunde hatte geschlagen.
Da ich mich eigentlich für zumindest Teilweise nicht ganz so doof halte hatte ich mir eine Regel zum Grundsatz gemacht. Wenn das lächeln zu groß wird runter von der Bahn. Denn dann würde ich alle Vorsätze vergessen und es würde ein böses Ende nehmen. So war das zumindest immer beim MX fahren. Dieses breite Grinsen wandelte sich immer schnell in eine ziemlich zerknautschte Fresse die sich auf die Zunge biss, um nicht schreien zu müssen…
Die Wangenmuskeln erreichten gerade die Aussenkante des Visiers, und ich wusste es war jetzt Zeit zu gehen. Ich beschloss ein letztes Mal zu wenden und langsam zu den Kollegen zu fahren.
Ich fuhr das erste Mal langsam durch diese Kurven. Gott bin ich geeiert. Auf einmal verliefen die Kurven ganz anders und alles fühlte sich an als wenn ich diese Strecke noch nie gefahren bin.
Aber egal, jetzt bloß nichts mehr Riskieren und ganz gemütlich zu den auf mich wartenden Arbeitskollegen. Schließlich wollte ich ihre Lobeshymnen über meine von Gott gegebenen Fahrkünste hören.
Leider kam es nicht dazu. Ich erwähnte ja bereits, dass es sich um einen Sonntagmittag handelte mitten im Sommer. Es gibt vieles mit dem ich gerechnet hätte.
Zum Beispiel mit dem Angriff der Riesenpenisse aus dem All und dem kurz vor mir Auftauchendem Ghostrider der nur auf seine Thermonuklearisierung durch mich warten würde, aber es gab eine Sache mit der ich dort nie gerechnet hätte.
Neben der Strecke befanden sich Maisfelder, welche in einem Wundervollen Gelb leuchteten und wenn man wollte konnte man sich den ganzen Tag darin verlieren und das Moped einfach stehen lassen. Vielleicht hätte ich das mal besser machen sollen …
Es passierte also das unmögliche. Ein kleines Rehkids schlich sich heimlich in den Maisfeldern an mich heran. Wie ein Panther auf der pirsch muss es dort gelauert haben bis ich in seine Angriffsreichweite kam. Es machte 2 Riesensätze auf die Strasse um sich mir mit voller Pracht entgegen zu stellen.
In meinem Kopf rechnete ich mit Hilfe der Reibungszahl die größte mögliche Schräglage aus und verfiel sofort in diese um diesen Bösartigem Rehkids aus zu weichen. Leider bezogen sich meine Berechnungen auf das Weiterlaufen des Rehs.
Doch ich befürchte, dass dieses Reh genauso gerne der Sinfonie des Leos lauschte, was mir das Reh kurzzeitig Sympathisch machte, und so kam es das es stehen blieb.
Nun war ich mit meinem Mathematischem Latein am Ende und schlug unwillig in das Reh ein. Zu meinem Glück traf ich das Reh nur am hinteren ende und konnte meine Fahrt fortsetzen. Zumindest befand sich noch ein Bein auf den Rasten und dank des Adrenalins spürt man ja eh keine Schmerzen. Ich bekam es zwar noch hin ein wenig zu Bremsen, aber mir fehlte die Kraft dem Graben aus zu weichen. An dieser Stelle möchte ich dem Graben danken das er dort keine Bäume zugelassen hatte.
Dieser Graben war etwa 1.50 m tief und die SV lief wie auf Schienen in denselben.
Jetzt ist etwas passiert was ich bis heute nicht verstehe. Ich muss es irgendwie hinbekommen haben, mit nur einem Bein auf den Rasten mich zumindest ein wenig auf zu richten, denn die SV warf mich vorne über und ich Schlug etwa 10 m hinter der SV in der Überfahrt zum Feld ein.
Man wird es kaum glauben, aber in dem Moment in dem man nichts mehr Retten kann spielt sich nicht immer das Leben vor dem geistigen Auge ab, sondern man denkt einfach und Primitiv : Was ein Scheißtag !
So lag ich nun da. Kopfüber in dem Graben. Ich brauchte gefühlte 0.2 Sekunden um Aufzustehen und zum Moped zu gehen. Voller Kraft kletterte ich aus dem Graben und machte mir schon Pläne wie ich die SV aus dem Graben bekommen würde und dann gemütlich nach hause fahren würde.
Oben angekommen empfingen mich sogleich meine Bewunderer. Unter ihnen glücklicherweise auch ein Ersthelfer. Leider konnte ich mir seinen Namen nicht merken und die E-Mail Adresse in meiner Kombi konnte ich bis heute nicht entziffern.
Also falls du diese Geschichte irgendwann lesen solltest, noch mal ein großes Dankschön !
Stark wie ich war wollte ich natürlich gleich Hand anlegen und die SV wieder gerade biegen. Der genannte Ersthelfer ließ dies nicht zu. Ich verfluchte ihn.
Es gab jetzt wichtigere Dinge als mich und ich durfte nichts machen. Heute sage ich danke dafür.
Es kam also dazu, dass ich auf den Radweg gelegt wurde. Die Sonne brannte mir ins Gesicht, aber es ging mir gut. Wozu überhaupt liegen. Aber würde ich wieder versuchen auf zustehen befürchtete ich Schläge. Somit blieb ich liegen und sah im Augenwinkel die SV vorbeirollen. Sie hatte sich überschlagen, das Vorderrad musste etwa einen Meter tief im Schlamm gesteckt haben. Aber bis auf die verbogene Gabel nicht schlecht. Insgeheim orderte ich über Ebay schon mal Erstatzteile und die Reparatur war abgeschlossen.
Immer wieder wurden mir komische Fragen gestellt und man versuchte mich bei Laune zu halten mit schlechten Witzen, welche ich persönlich alle viel besser erzählt hätte, aber man ließ mich ja nicht …
Nach etwa 10 Minuten kam endlich mein extra für mich georderter Krankenwagen. Bis jetzt wusste ich immer noch nicht wozu überhaupt. Mein Kollege hatte einen Soziussitz und ich war Topfit.
Die netten Herren in Rotweiß stellen mir wieder unheimlich atemberaubende Fragen. Freundlich und voller Geistesanwesenheit beantwortete ich alles, waren sie auch noch so doof. Endlich kamen wir zu der entschiedenen Frage : „Können sie aufstehen ?"
Dies bejahte ich als echter Mann natürlich und brachte sogleich meinen Oberkörper in eine Aufrechte Sitzposition.
Das nächste was ich weis, ist das ich im Krankenhaus in Kaltenkirchen aufgewacht bin. Aber ich ahnte ja eh das es Schläge des Ersthelfers geben würde wenn ich versuchen würde auf zu stehen. Aber das er gleich so hart zuschlagen musste, war doch ein wenig Unfair mir gegenüber.
Ich schaute mich ein wenig um und erblickte eine Krankenschwester zu meiner rechten. Auf meine Frage nach einem Bier schob sie mich in einen ziemlich großen Raum. Dort stand ein riesiger weißer Apparat und ich vermutete, dass ich mir hier gleich meine Lieblingssorte selber aussuchen durfte, aber dieses Ding war nur für Bilder meines Innersten gut. Naja, war ja eh ein Scheißtag.
Ich wurde in ziemlich unanständigen Posen Fotografiert und mir viel auf das ich nicht mehr viel anhatte. Hatte ich mich überhaupt geduscht heute Morgen ? Intimrasur OK ?
So was geisterte in meinem Kopf umher.
Schien alles OK zu sein. Niemand sagte mir was, also ging ich davon aus alles sei in bester Ordnung.
Meine Kollegen waren erfreulicher Weise auch da und hatte sich schon um den Abtransport meiner SV gekümmert. Ich befand ihre Arbeit als erledigt und ließ sie ziehen.
Endlich kam mal jemand mit Ahnung und klärte mich auf.
Der Arzt fing das Gespräch mit den Worten : „Ich hab ne schlechte Nachricht für sie" an und ich war kurzzeitig hellwach.
Er sagte mir es sei nichts gebrochen. Ich verstand das nicht. Ist doch gut oder ? Es muss ungefähr knapp 3 Wochen später gewesen sein als ich dies endlich verstand …
Ich hatte so ziemlich überhall am Rücken und Rippen Knochenhautprellungen, Muskelfaserrisse im Rücken und am rechten Bein war der Abdruck des Knieschleifers noch ein halbes Jahr später zu sehen.
Meine Geistige Ohmachtung schieb man auf ein Schädel Hirn Trauma zurück.
Das einzig gute daran war das ich gleich wieder gehen kann, da ich genauso gut zu Hause rumliegen könnte. Den Rest können die Heimischen Ärzte machen.
Mir wurden also meine Sachen gebracht. Im Stil eines 129 jährigen zog ich mich also an und verließ das Krankenhaus durch den Haupteingang.
Draußen suchte ich mir eine Bank ganz für mich alleine und rief meine Schwester an welche mich abholen sollte. Sie sagte schon immer, dass sie meine Anrufe nicht leiden mag, da es immer was Schlimmes wäre, aber sie schien sich damit ab zu finden.
Sie brauchte etwa eine Stunde.
In dieser Stunde lernte ich viele Kennen die das gleiche Schicksaal teilten. Opfer der Landstrasse nannten diese sich.
Es wurde mir zumindest nicht langweilig und so langsam fing alles an ein wenig zu Schmerzen. Hatten sie mir doch was gegeben ?
Meine Schwester erreichte das Krankenhaus und parkte genau vor mir. Ihr Blick verhieß nichts Gutes aber sie sah ich war noch Heil und alleine auf den Beinen.
Also alles nicht so schlimm. Leider wurden die Schmerzen auf einmal verdammt groß als es darum ging auf zu stehen. Da saß ich nun. Aus dem Krankenhaus entlassen und nicht in der Lage alleine auf zu stehen. Tolle Welt …
Zum Glück ist meine Schwester nicht so schwach wie sie aussieht und sie schaffte mich in den Wagen.
Auf dem nach Hause weg erzählte ich ihr die Geschichte. Zu Hause angekommen musste ich erstmal alle beruhigen. Das ist gar nicht so leicht wenn sie einen die ganze Zeit durch die Gegend tragen müssen, aber man tut was man kann. Die andere Schwester hatte Pizza selber gemacht und ich würde töten für so eine Pizza also aßen wir erstmal alle zu Abendbrot.
Danach brachte ich dann meine persönlichen Krankenschwestern dazu mich ins Bett zu bringen. So weit so gut, dachte ich und das Schlafen ging wirklich gut.
Am nächsten Tag musste ich dann zum Hausarzt um mich noch mal durchchecken zu lassen. Ich war schon früh wach da ich keine Position mehr gefunden habe in der ich ohne Schmerzen liegen konnte.
Schon beim aufrichten wurde mir klar das ich die morgendliche Dusche wohl vergessen könnte. Auch brauchte ich allein 15 Minuten um einen Socken an zu ziehen. Nach etwa 1 Stunde und 30 Minuten hatte ich es endlich geschafft und war ausgehfertig. Es saß zwar nicht alles perfekt, aber zum wilden Rummachen mit Frauen fehlte mir ja eh die Kraft.
Mein persönliches Taxi lieferte mich beim Arzt ab und begleitete mich rein.
Der Arzt erzählte so ziemlich das gleiche und wiederholte das es recht dumm sei das nichts gebrochen war…
Die nächstes Wochen verliefen alle ziemlich gleich. Irgendwie wollten diese Schmerzen nicht nachlassen und ich versuchte mir so oft es geht Adrenalinstösse zu verpassen. Denn das Zeug war echt Geil wusste ich jetzt.
Man kommt sich echt schon ziemlich dämlich vor wenn man für alltägliche Sachen auf einmal 15-mal solange braucht und einem wird Klar wie wichtig Familie und Freunde sind. Geht's einem gut brauch man sie nur selten, Geht's einem schlecht kann man nicht auf sie verzichten. In diesem Sinne auch noch mal ein danke an alle die sich angesprochen fühlen.
Ich war 5 Wochen krankgeschrieben und konnte nicht viel anstellen. Der PC war mein bester Freund und meine Freundin redete mir ständig ein, dass es kein neues Motorrad mehr gäbe. Ich stimmte erstmalig zu um weiteren Gesprächen aus dem Weg zu gehen.
Die SV hatte Totalschaden. Sämtliche Rahmen waren verzogen und Selbst die Mutter der Gabelbrücke hatte das weite gesucht.
Man hat viel Zeit zum Nachdenken und die Fragen ob sich das alles überhaupt lohnt schießen einem immer wieder in den Kopf. Die Gesichter der Anderen, die Gestiken und die Worte die man zu hören bekommt. Alles lässt eigentlich nur einen Schluss zu. Aufhören sofort.
Tja, ich sagte schon mal, ich bin jung und doof. Als ich wieder einigermaßen laufen konnte, fing ich wieder an zu arbeiten. Ablenken. Ich überstand die Tage nur ziemlich vollgedröhnt und das Bein machte mir noch sehr zu schaffen.
Aber egal, an schönen Tagen hörte man das Dröhnen der Motoren und man Spürte den Juckreiz in der rechten Hand. Ich nahm meinen Vater zur Beratung hinzu.
Dieser sagte mir nur : Hast du aufgehört Fahrrad zu fahren nach dem ersten Sturz ?
Damit war es für mich klar. Jetzt musste ich nur noch die Freundin überreden.
Dies dauerte recht lange aber schließlich willigte sie ein und ich zog wieder los.
Das ganze ist jetzt knapp 3 Jahre her. Heute lacht man über so eine Geschichte. Die Freundin hat das weite gesucht und auch ansonsten ist nicht mehr viel so wie es war. Erst jetzt wird mir klar wie viel Glück ich damals hatte, dass die Auffahrt erst so spät kam, dass ich einen Rückenprotektor trug, dass ich es geschafft hatte mich auf zu richten und nicht unter dem Moped in einer Schicht aus Dreck und Wasser endete und dass ich zum ersten Mal langsam da lang gefahren bin. Hätte mir jemand was böses gewollt hätte ich locker im Rollstuhl landen können oder wäre jetzt nicht mehr hier.
Aber naja, ich fahre immer noch. Hauptsächlich auf Rennstrecken, aber aufhören könnte ich wohl nie.