Mittwoch, der 23.5.2007, Klinikum Kassel. Ein etwas blasser, aber dennoch sehr hübscher junger Mann, lag mit einem Thrombosestrumpf bekleidet auf dem Bett und unterhielt sich mit einem ebenso blassen, aber sehr hässlichen Mann namens Normen über Motorräder und die Albernheiten, die uns Menschlingen von Zeit zu Zeit so vor`s Vorderrad hüpfen.
Schuld war wie immer Kutte. Der größte Eigenknochenzerstörer der Nachkriegsgeschichte hatte mich vor einigen Wochen angerufen und mich gefragt, ob ich keine Lust hätte, mal ein paar italienische Superdukisti zu necken, und ich hatte natürlich zugesagt. Da der Bericht noch folgt, will ich keine Pointen vorwegnehmen, nur so viel:
Eine äußerst dümmliche Aktion hatte mein Knie dick gemacht und mir auf der Fahrt vom Flughafen Hahn nach Korbach, wo ich bei Conti noch ein paar Pellen für das 8h-GEC-Rennen am Läusering abholen wollte, große Schmerzen beschert. Da ich den Marcus von Conti nicht erreichen konnte, entschied ich mich dazu, erstmal ein Krankenhaus aufzusuchen und mir die Flüssigkeit aus dem Knie saugen zu lassen. Das Internetz beschied dem Klinikum Kassel einen hervorragenden Ruf als Unfallklinik, und so ließ ich mich dort untersuchen, röntgen, punktieren, und überzeugen, dass es bei 120 ml Blut durchaus angebracht sei, sofort eine Arthroskopie durchzuführen.
Diese wurde dann am Dienstag gemacht, und es war sehr lustig. So ein Knie sieht innen aus wie ein Korallenriff. Ich fragte den Chirurgen wie denn die ganzen Korallen und Fischlein in mein Knie kämen, woraufhin er lächelte und mir freundlicherweise noch die Menisken ein wenig rasierte.
Glücklicherweise waren aber alle Bänder noch ganz. Das Blut war durch einen Knorpelabriss neben der Kreuzbandaufhängung entstanden. Knorpel und Blut wurden also rausgespült und der Patient mit nem sexy Strumpf wieder auf Station gebracht, wo er sich überlegte, ob er es schaffen könnte, die ersten Cup-Läufe und vor allem den GEC-Lauf am Wochenende mitzufahren. Schließlich konnte er ja seine von Kutte rekrutierten Teamkollegen nicht im Stich lassen...
Als ein Techniker der Firma Antizünd mir eine Orthese anpasste, die ich bitte mindestens eine Woche tragen sollte, schwanden meine Hoffnungen auf 20%. Der Chefarzt murmelte bei der morgendlichen Stippvisite etwas von 8 Tage leicht belasten (20 kg), hoch lagern, ständig kühlen, nicht in die Sonne, und nach 10 Tagen wieder voll belasten. Hoffnungsstand: 0,34%.
Auf meine Frage, wann ich denn entlassen werden sollte, antwortete er: Samstag oder Sonntag. Okee, dann eben 0,00%.
Am Abend des Mittwoch kam mir aber eine brillante Idee. Ich hatte beim Klogang gespürt, dass ich das rechte Bein ohne die Orthese eigentlich ziemlich gut bewegen konnte, und ich war mir sicher, dass ich so auch an den Lausitzring fahren könnte. Ich wollte wenigstens zusehen und ein paar Koreen mit den unhübschen Anwesenden trinken.
So fragte ich die Schwester Renate mit treudoofem Blick, als sie das Abendessen abräumte, ob ich nicht vielleicht doch schon morgen nach Hause fahren könnte, weil meine Schwester einen Amerikaner geheiratet hat und jetzt doch schon am Freitag für Jahre oder gar Jahrzehnte nach Amerika fliegt, und ich sie gerne noch verabschieden würde. Und mein Kumpel mit den Cowboystiefeln, der heute da war, würde mich natürlich heimfahren. Davon war das meiste noch nicht mal gelogen, aber meine Schwester fliegt erst Anfang Juni, und Normen wusste auch nix von seinem Glück, dass er mich ins Allgäu fahren musste.
Ich bat Flisi, mir sicherheitshalber meine Cup-Kombi und ein paar frische Unterhosen mitzubringen, weil mir die KTM-Kombi ums Knie rum viel zu eng war. Vielleicht konnte ich ja in der perfekt angepassten PSI mal einen Versuch wagen....

Der Chefarzt gab am Donnerstag sein ok und verabschiedete sich sichtlich erfreut, weil das Zimmer wieder frei war für den nächsten Patienten, der schon auf dem Flur wartete.
Ich schwang mich voller Freude in mein Lupo-Wohnmobil und fuhr gen Osten.
Im Fahrerlager traf ich sie wieder, die Menschen, die verstanden haben, worum es in diesem seltsamen Leben geht - ich spürte den Geist der Freundschaft, der durch die Boxen wehte, die gute Laune, die mich sofort ansteckte, und plötzlich war ich mir nicht mehr so sicher, dass ich nicht würde fahren können....

