Habe diesen Thread bislang sehr genossen. Und nun mein Senf dazu:
Meine ersten Ausfahrten auf einem Motorrad (CB 250) endeten beinahe
an einem Baum, weil ich die Blickführung vernachlässigt habe. Bei dieser
Gelegenheit habe ich sehr schnell bemerkt, dass gewisse Grundlagen
beim Motorradfahren einfach "sitzen" sollten. Macht man beim Fahrradfahren
doch auch - man tritt in die Pedale und fährt, ohne darüber nachzudenken,
was man da eigentlich genau und zu welchem Zeitpunkt tut.
Jedem Neuling auf dem Motorrad oder auch jedem Wiedereinsteiger
empfehle ich dringend ein Sicherheitstraining, wo man hilfreiche Sachen
lernen kann. Auf die Renne würde ich mich als Neuling in Sachen
Motorrad ohne so ein Training nicht wagen.
Was habe ich gestaunt als ich nach 16 Jahren Abstinenz und nach zwei
Jahren des "Wiederfahrens" zum ersten Mal auf der Nordschleife fuhr.
Die breiteste Einbahnstraße, die ich bis dahin gesehen hatte. Spaß
gemacht hat mir die erste Runden allerdings nicht, das war purer Stress.
Keine Streckenkenntnis, als Motorradfahrer noch (oder wieder)
grün hinter den Ohren, und rechts und links pfiffen Mopetten mit
"DAU"-Kennzeichen an mir vorbei, ich war jedes Mal zu Tode
erschrocken.
Erst nachdem ich von ein paar "alten Hackfressen" Tipps bekam, gings
besser. Ich bin dann nur noch gefahren, gefahren, gefahren und nochmals
gefahren. Und immer mit Leuten, die das deutlich besser konnten als
ich, aber so habe ich am meisten gelernt. Es folgten zwei Jahre regel-
mäßiges Üben mit einer ZXR400 in Lille, Frankreich. Parallel dazu zwei
Jahre Supermoto, ein paar Rennen inklusive. Heute nur noch Trainings.
Ich denke nicht über technische Abläufe und Handgriffe nach, wenn ich
fahre. Auf der Landstraße (nur noch selten) konzentriere ich mich
nahezu ausschließlich auf die, die Valentino Rossi am Ende der DVD
"Faster" als "Fucking Idiots" bezeichnet, die einem das Fahren im
öffentlichen Straßenverkehr schwer machen, nicht auf meine Fahrerei,
die läuft mehr oder weniger automatisiert ab.
Auf der Renne konzentriere ich mich darauf, einen sauberen Strich zu
fahren und den anderen keine Überraschungen zu bieten
Mir gehts um den Spaß am Fahren, um nichts anderes. Das entspannt
wie nix auf der Welt!
Was hier zum Teil ausgeführt worden ist, erinnert mich in gewisser Weise
an meine Musiker-Karriere. Seit 1983 spiele ich Schlagzeug und war mit
den unterschiedlichsten Bands in den verschiedensten Stilrichtungen
zugange, Höhepunkt war eine Europatour zusammen mit 'ner Ami-Band
aus Pittsburgh, in 14 Tagen Deutschland, Schweiz, Niederlande, Belgien,
Spanien, England und Schottland. Aber das nur am Rande.
Wieso ich davon erzähle hat den Grund, dass ich in all den Jahren viele
Schlagzeug-Einsteiger kennenlernte, die tatsächlich nach Lehrbuch
trommelten: An dieser Stelle spiele ich diese Figur, an dieser Stelle
jene. Schwer zu erklären, aber es gibt bei der Trommelei bestimmte
Grundtechniken, so wie beim Mopedfahren auch. Gewisse Sachen muss
man einfach können, weil sonst das Ganze nicht funktioniert.
Wenn man die Grundlagen verinnerlicht hat, denkt man auch nicht mehr
darüber nach, wenn man loslegt. Wenn ich ein Drumfill spiele, spiele ich
das, was ich emotional empfinde, und was meiner Meinung nach gut klingt
Ich denke nicht mehr darüber nach, ob ich nun mit der linken Hand zwei
Schläge machen muss und mit der Rechten auch zwei, um einen
2-Stroke-Roll zu spielen.
Und beim Musikmachen mit dem Kopf und der Technik an alles
ranzugehen ist ebenso hölzern und "gefährlich" (weil es alles emotionale
in der Musik killt) wie mit dem Theoriekopf Moped zu fahren.
Man steuert auf den Refrain eines Songs zu und da gibt es tatsächlich
Leute, die dann denken "Jetzt muss ich einen Paradiddle spielen... ääh
rechts-links-rechts-rechts-links-rechts-links-links".
Ähnlich wie "Jetzt muss ich am Lenker ziehen, dann kippt das Motorrad
in Schräglage".
Funktioniert so nicht. Ist immer hakelig und gestolpert. Kein flow drin,
keine Harmonie. Sieht dann auch beim Mopedfahren scheisse aus.
Die geilste Mucke ist immer noch die, die mit "Guts" gespeilt wird,
die also aus dem Bauch kommt und "Eier" hat. Glaubt allen Ernstes
jemand, dass James Hetfield denkt "Jetzt muss ich den Distortion
einschalten"?
Jemand, der so denkt, sollte nicht in aller Öffentlichkeit Musik machen.
Weil sich das nämlich genau so dröge anhört. Und ich bin der Meinung,
dass jemand, der sich beim Fahren den Kopf darüber zerbricht, ob
er nun links ziehen oder rechts drücken muss, sein Hobby dringend
überdenken sollte.
Glück auf!
Pofpof
Man soll keine Dummheit zweimal begehen - die Auswahl ist schließlich groß genug!