Der gelbe Aufkleber war mittlerweile ab. Ich durfte , obwohl mit P103 eigentlich nicht offiziell qualifiziert, in der Gruppe mit weniger Kurvenparkern bleiben. Das war das Netteste, was mir jemals ein Organisator geschenkt hat. Und irgendwie wird es wahrscheinlich auch dabei bleiben. Diese Art von Verständnis war exzeptionell. Nochmals vielen Dank dafür.
Circuit Catalunya, 18°C, die Frisur steckt in einen X-Lite 803, geplättet von einem miefendem Helmpolster. Kontaktlinsen habe ich schon seit gestern nicht mehr in Benutzung. Ich fahre ohne. Und ohne Brille. Zum Glück steht nirgends die Polizei. Es gibt wohl ein gewisses Risiko bei Verklag-mich-doch, aber bin kein Maulwurf, und wenn ich nicht richtig sähe, dann hätte ich vermutlich auch kein Interesse an hohen Geschwindigkeiten auf einem Zweirad. Oder fuhr ich genau deswegen neuerdings etwas schneller, weil ich eben nicht alles sah? Ich erinnerte mich an die Geschichten von Langstrecke im Dunkeln, wo alles irgendwie schattenhaft vorbeiflog, und man Linie eher intuitiv fand als durch Adleraugenanalyse. Ölfleck - weg. Asphaltübergänge - unsichtbar. Das Einzige, was zählte, hörte ich, sei die Erfahrung aus einer Vielzahl von Runden.
Also das konnte es hier ganz bestimmt nicht sein. Meine Vielzahl von Runden war hier doch sehr dürftig ausgefallen. Dennoch hatte es, während unser Henning auf einem gewissen Level feststeckte, zumindest Fortschritte gegeben.
Jetzt war es an der Zeit noch forter zu schreiten. Ich drehe mich mit der ganzen Körperhälfte nach links. Von hinten kommt niemand. Also dann. Steigung in Gang 2, dann oben am Bunten in 3 und dann 4, 3, aaaaaah, Scheiße, was denn nun? Mit mehr Speed wäre 4 wohl eine gute Option, ich belasse es dabei und schalte erst bei der orangen Feuerlöscherstelle in 4. Dann vielleicht ein bisschen später bremsen, nur ein bisschen, also nicht vor dem Strich, sondern an dem Strich? Und hier, da kann man doch schneller durch, mach doch einfach, ist doch nur ne Rechtskurve. Und dann zackig auf die Links zu und - oooooooooh, warum ist das hier so eng? - um die Ecke biegen. Jetzt aber schnell wieder raus und - nein, so nicht - ich hoppele beim Anbremsen über den Rüttelstreifen, der rot-weiß angemalt ist. Das machen wir so aber nicht noch einmal. Schnell rum und ordentlich rechts drehen, und zwar früh. Oben angekommen, muss ich vorm Einlenken in 4, sonst kann ich die weit öffnende Kurve nicht nutzen. Auf dem Weg auf den Eckenturm zu schalte ich in 5, um dann 50 Meter danach zu bremsen. Man kann nicht alles haben. Die passende Übersetzund gehört wohl dazu. Schon wieder den Berg hoch, aber in einem weiten Bogen mit Schwung, aber nicht zu weit, sonst kostet es zu viel Zeit. Also gerade in Gang 3 den Berg hoch, 2 passt irgendwie nicht. Oder doch? Shit, man bräuchte eine Datenanalyse. Und dann, dann sind sie endlich da, die Kurven des Grauens. Es geht zwei Mal rechts herum, breit, gut einsehbar, aber bergab. Hier ist so viel Platz, wieso nur hatten sich etliche ins Kiesbett links verabschiedet?!? Ich versuche, die Fragezeichen im Helm zu sortieren.
Ich fahre durch die zweite der beiden. "Schau auf die Werbung", flüstert mir eine Stimme zu, die zu einem Wuschel-Blondschopf gehörte. Die Werbung. Die Werbung! Was in Oschersleben funktionierte, muss doch hier auch klappen. Wieso hatte ich denn bisher immer auf die Tribüne gestarrt? Rechts am Boxengebäude blinkte eine gut sichtbare gelbe Werbetafel. Ich wollte zwar in Spanien kein Geld anlegen, aber diese Werbung war definitiv wichtig. Und wirksam. Ich schaue jetzt in jeder Runde nicht mehr auf das Kiesbett links, sondern nach rechts auf die Tribüne. Und wenn ich kurz vor der Tribüne bin, suchen die Augen das Werbeschild.
Trotz des Windes, der bereits jetzt die Linie interessant machte, und das Bremsen spannend, waren auf einmal zwei Sekunden weg.
Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee
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über die es sich lohnt zu sprechen!
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- campari Offline
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Bei unserem Henning war es genau so. Ich hatte mir Mühe gegeben, dass wir uns auf der Strecke nicht trafen. Wenn er sich nicht irgendwo versteckt hatte, um sich an mich ranzuhängen, hatte er wohl ganz allein herausgefunden, wie man hier noch schneller werden konnte. Vielleicht waren es auch die motivierenden Worte von Herrn Schuster. Egal, was es war. Wir hatten immer noch einen Zwei-Sekunden-Abstand. Und jetzt waren ja die Rennen dran. Oh, nein, was würden Adrenalin und Gruppenzwang da noch anrichten.
Nie hatte ich den Plan geäußert, den Henning auf diesem Kurs spalten zu wollen. Angesichts einer gewissen Gewohnheit hatte sich aber so langsam eine Idee davon eingeschlichen. Er kam einfach nicht voran, unser Henning. Er wurde nicht besser. Er steckte fest.
Durch das Fahrerlager wehten immer stärkere Böen. Wie gut, dass die Markise kein Problem mehr darstellte. Zwischendurch rappelte immer wieder etwas metallenes. Die roten Absperrelemente gaben auf. Reihenweise legten sie sich folgsam auf die Seite, wie der Wind befohlen hatte.
Es war mittlerweile Mittag. Und ich verkroch mich mit meinem Moped in den Windschatten, der immer kleiner wurde. Das Auto war schon strategisch geparkt als Windbrecher, aber es pustete immer mehr. Und nicht konstant. In Böen. Bremspunkt am Ende der Zielgeraden: flexibel. Einlenkpunkt: mitunter ganz weit links. Ich hoffte nur, dass es sich im Rennen ebenso verhielt wie auf einer Autobahn, dass alle Spuren gleichermaßen versetzt wurden. Aber was war, wenn jemand gerade nicht seine Linie weiterfahren wollte, sondern versuchte, links oder rechts an jemandem vorbeizugehen? Wind hatte auch Crashpotential. Unsere minderbehubraumten Gefährte, so hoffte ich, hatten bestimmt nicht die Power, einen Linienwechsel wie beabsichtigt durchzuziehen. Gewiss gabe es einen Parallelversatz.
Ich wartete auf den windbedingten Abbruch des 1000er-Rennens. Gab es keinen, sollte es doch fahrbar sein. Direkt danach sollte meine Klasse starten. Platz 20 war mir zugewiesen, mit einer Qualizeit, die ich längst hinter mir gelassen hatte. Ich musste hier und heute abliefern. Plätze zu verlieren, kam nicht in Frage.
Zum Mittagessen gab es Proteinjoghurt, und ich hoffte, dass ich weder Hunger bekam, noch zuviel Durst direkt vor meinem Einsatz. Der Wind war noch härter geworden. Ich hatte keine Zeit, in der Startaufstellung zu warten, kalte Reifen machten mir Sorgen. Die zwei Bremsungen hier würden mein Vorderrad nicht warm halten. Gäbe es einen Abbruch in den ersten Runden, würde ich ein DNS wählen müssen.
Das 1000er-Rennen war vorbei.
Nie hatte ich den Plan geäußert, den Henning auf diesem Kurs spalten zu wollen. Angesichts einer gewissen Gewohnheit hatte sich aber so langsam eine Idee davon eingeschlichen. Er kam einfach nicht voran, unser Henning. Er wurde nicht besser. Er steckte fest.
Durch das Fahrerlager wehten immer stärkere Böen. Wie gut, dass die Markise kein Problem mehr darstellte. Zwischendurch rappelte immer wieder etwas metallenes. Die roten Absperrelemente gaben auf. Reihenweise legten sie sich folgsam auf die Seite, wie der Wind befohlen hatte.
Es war mittlerweile Mittag. Und ich verkroch mich mit meinem Moped in den Windschatten, der immer kleiner wurde. Das Auto war schon strategisch geparkt als Windbrecher, aber es pustete immer mehr. Und nicht konstant. In Böen. Bremspunkt am Ende der Zielgeraden: flexibel. Einlenkpunkt: mitunter ganz weit links. Ich hoffte nur, dass es sich im Rennen ebenso verhielt wie auf einer Autobahn, dass alle Spuren gleichermaßen versetzt wurden. Aber was war, wenn jemand gerade nicht seine Linie weiterfahren wollte, sondern versuchte, links oder rechts an jemandem vorbeizugehen? Wind hatte auch Crashpotential. Unsere minderbehubraumten Gefährte, so hoffte ich, hatten bestimmt nicht die Power, einen Linienwechsel wie beabsichtigt durchzuziehen. Gewiss gabe es einen Parallelversatz.
Ich wartete auf den windbedingten Abbruch des 1000er-Rennens. Gab es keinen, sollte es doch fahrbar sein. Direkt danach sollte meine Klasse starten. Platz 20 war mir zugewiesen, mit einer Qualizeit, die ich längst hinter mir gelassen hatte. Ich musste hier und heute abliefern. Plätze zu verlieren, kam nicht in Frage.
Zum Mittagessen gab es Proteinjoghurt, und ich hoffte, dass ich weder Hunger bekam, noch zuviel Durst direkt vor meinem Einsatz. Der Wind war noch härter geworden. Ich hatte keine Zeit, in der Startaufstellung zu warten, kalte Reifen machten mir Sorgen. Die zwei Bremsungen hier würden mein Vorderrad nicht warm halten. Gäbe es einen Abbruch in den ersten Runden, würde ich ein DNS wählen müssen.
Das 1000er-Rennen war vorbei.

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