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Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Wir brachten mehr Zeit im Laden zu als gedacht und fanden mal wieder nicht das, was wir als "Frühstück" sinnvoll fanden. Willkommen im Land von Dolci per prima Colazione! Süßkram, Kekse und Fertigkuchen - ein einfaches Croissant oder Brioche - nicht zu kriegen. In der Nähe von Misano war zumindest ein Lidl mit Standardbackwerk aus der Bake-off-Station. Hier aber war man kulturell voll integriert. Die Kindschaft hatte mittlerweile Kohldampf und der Conad City glücklicherweise Kleinpackungen Eis mit "Löffel". Egal, was da kein Löffel war, Hauptsache man hatte ein Werkzeug für das Eis.

Wegen der Kalorien und so ließen wir das Auto stehen. Jetzt hatte ich langsam Kohldampf. Eingeweihte wissen, dass das nicht nur suboptimale Laune bedeutete, sondern auch extremen Futterneid und völligen Bestellkontrollverlust. Anstelle eine Rückfrage zu stellen, nickte ich nur, als der Kellner "tre porzioni?" fragte und hatte nach sehr kurzer Wartezeit eine Riesenplatte Bruschetta der allerfeinsten Art neben mir stehen. Es hätte für zwölf als Vorspeise gereicht. Und niemand mochte so richtig Tomaten, außer mir.

Oh, je, auf mich wartete noch eine Riesenportion Tortellini alla Panna und da war noch das Ragù mit Spaghetti, was der Jan vielleicht auch nicht aufessen würde. Und Leas Pizza, die bekam sie sonst auch nie ganz weggemampft. Die konnte man zumindest mitnehmen. Ich hoffte, dass wir etwas von den Nudeln dem Henning unterschieben konnten, dem sein Limonenschnitzel vielleicht nicht ganz so munden würde.

Schweren Herzens ließ ich einige der Bruschetta zurückgehen. Es brachte mich fast um, so gutes Essen einfach nicht zu essen. Es ging nicht. Da stand schon die Schale Tortellini und wollte gegessen werden.

Nach einigen Runden Teller Tauschen war fast alles aufgegessen, und wir hatten alle den oberen Füllstandsmelder erreicht. Den Weg zum Auto gingen wir etwas gemütlicher, was mir Zeit gab, nicht nur das Essen sondern auch Gedanken zu verarbeiten. Es war meine letzte Saison. Und hierher wollte ich nicht mehr fahren. Ich hätte die ganze Speisekarte bestellen können, um für die nächsten Jahre vorzusorgen. "Zum Mitnehmen, bitte!" Und dann? Einfrieren? Transport, Lagerung, alles witzlos. Das Einzige, was blieb, war die Aussicht, einfach nur Urlaub zu machen. Irgendwo in Italien.

Wieder am Anhänger angekommen, war der gesellige Abend nebenan schon wieder voll im Gange. Was soll's. Ich würde eh nicht schlafen. Vollgestopft mit Bruschetta und Tortellini und Spaghetti und Pizza war es nicht nur der Knoblauch, der für die Schlaflosigkeit sorgte. Mir war soooo warm und ich war soooo vollgestopft. Zum ersten Mal freute ich mich heute Abend darüber, dass es sowieso kein Frühstück gab. Hunger bekäme ich wohl bis zur nächsten Mittagspause nicht.
:horseshit:

Öfter mal die Hände waschen!!!
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Re: Von Angst, Ambitionen und Asphaltmalereien - Ein Resümee

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Beitrag von campari »

Guten Morgen, guten Morgen, guten Morgen italienischer Tenor.

Es schallte zum zweiten Mal Lokalmusik über den weitläufigen Platz. Falls sich irgendwann mal jemand über mangelnde Infrastruktur am Circuito de Mugello beschweren wollte, über die Lautsprecheranlage gäbe es nichts zu mäkeln.

Abermals froh, dass noch Schatten auf meine Sitzecke und das kleine Gelbe schien, ging ich mit dem Becher Kaffee in der Hand noch einmal die Punkte durch, die sich durch das Liegen auf dem Kopfkissen (ob ich geschlafen habe, weiß ich immer noch nicht) in meinem Gehirn verfestigt hatten. Nicht weit von mir saß ein kleiner Jan und baumelte mit den Beinen. Ein Frühaufsteher. "Der Arme", dachte ich, "jetzt schon immer so wach und nie Pause". Ich wusste nur zu gut, was es bedeutete, den Tag am frühen Morgen zu beginnen und die Arbeit vor der Pause zu erledigen. Ich wünschte sehr, dass er nicht auch in ein permanentes Dauer-An rutschte. Lea konnte das nicht passieren. Die lag noch immer drinnen und versuchte zu schlafen.

Also heute alles wie gestern, nur schneller. As simple as that.

Turn 1 brachte eine 2:15.

Turn 2 - 2;14.

Turn 3 - 2,14 - knapp keine 2:13

Die Mittagspause brachte einen vollen Autotank, Frühstück und Proviant und Eis, dass sich schnell in Kinderhände verteilte und im Gefrierfach bis morgen liegen sollte. Für die Einkaufenden in Borgo San Lorenzo brachte es ein wundersames Spektakel, war ich doch in meinem Unteranzug, nur mit kurzer Hose und Top darüber unterwegs. Und für die Autofahrer brachte es wohl die eine oder andere Überraschung. Mit meinen Kontaktlinsen konnte ich so gar nichts sehen. Auf der Strecke, gerade auf dieser breiten, ging es gerade noch. Aber auch hier merkte ich, dass die Grenzen des Möglichen langsam erreicht waren. Anstelle die Belüftung des Helms zu öffnen, je wärmer es wurde, verschloss ich nach und nach alles, um den trockenen Luftzug zu begrenzen.

Und dann überkam mich doch die Müdigkeit. Ich wollte gern schlafen, aber daran war nicht zu denken. Ein tiefer Schlaf hätte den ganzen Nachmittag ruiniert. Ich entschied mich also dazu, vor mich hin zu sumseln und ein bißchen zu dösen. Es war doch wärmer als gestern. Zum Kopf-Hand-Tuch kam alle zwanzig Minuten Wasser auf Arme und Gesicht zu verteilen. Und eine extra große Dosis vor dem Anziehen für Turn 5.

Als der Helm endlich ab war, war ich nicht so überzeugt, dass ich groß etwas geleistet hatte. Und es stimmte. Ich hing an der 2:14 fest. Also nochmal: Rechtsabbiegepfeil, ja-haaaa, aber doch nicht wie blöd bis auf 20 Meter davor raufglotzen wie doof! Ich wusste, was das Problem war, aber es dauerte lange, sich davon zu überzeugen, einfach einzulenken und den Berg runter zu fahren. Und immer wieder war ich mit den Augen auf dem blöden Schild hängengeblieben. Du gucke - du fahre. As simple as that.

Turn 6 bestand dann endlich aus einigen 2:13ern und einer 2:12. Etappenziel erreicht.

Ich war so zufrieden, dass es endlich in die richtige Richtung gegangen war, dass ich fast vergessen hatte, dass wir morgen nach Ende der Veranstaltung schon abreisen wollten. Nein, morgen keine Pizza. Und Jan, wenn du unbedingt die Strecke mit dem Fahrrad bewältigen möchtest, dann muss es heute sein. In dieser Konstellation würden wir vermutlich nicht noch einmal hier sein. Man musste alle Chancen nutzen. Einmal noch Tagliata di Manzo.

Ich träumte schon vor mich hin, von diesem Gericht vorzüglicher Qualität, was ich da heute Abend verspeisen wollte. Und dann schoss es mir in dem Kopf "Wo ist Jan?" Der Kleine war noch immer nicht zurück von seiner Sreckenrundfahrt. Ich malte mir schon aus, in welcher Kurve der Arme blutend und weinend lag. Vermutllich irgendwo unten bei Arrabiata. Was dieser kleine Mensch auf Rennstrecken schon geleistet hatte...unter anderem die Superbikevariante Aragon mit dem Tretroller und jetzt dieses Bergaufstück.

Gerade als ich losziehen wollte, um nachzusehen, kam er geradelt. Puh.
:horseshit:

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