Brennerophobie. So nannte man das wohl, wenn man auch nur bei dem Gedanken an eine Überquerung der Alpen in Angstschweiß ausbrach. So ähnlich mussten Hannibals Männer sich gefühlt haben. Und die Karawane mag ähnlich ausgesehen haben, in der gemächlich schaukelnde Elefanten sich zusammen mit eilendem Fußvolk voranschoben, um die Höhenmeter hinter sich zu bringen.
Ich hasste diese Strecke. Es war einfach gruselig. Nirgendwo anders gab es eine nervtötendere Mischung aus überbudgetierten Münchenern, urlaubenden Senioren und Lastverkehr. Und als Krönung ein dekadenkilometerlanges Überholverbot. Gespanndiskriminierung in ihrer Vollendung. Und während man verständnislos Wohnmobile in Schleichfahrt auf der linken Spur vor sich hinjuckeln sah, steckte man selbst hinter den auf 60 km/h heruntergeregelten LKW.
Ich hasste diese Strecke.
Noch war es nicht so weit. Erst morgen. Ich sah abermals in Richtung Berge, an denen sich - wie bei allen anderen Anreisen irgendwie auch - Wolken vehakt hatten. Und es hatte wieder geregnet, auf dem letzten Stück. Ich hatte den Anhänger unter unüberhörbar lauten Zurechtweisungen eingeparkt. (Jawohl: Ich) Und vorher hatte ich alle vier mehr oder weniger geduldig über die Autobahnen zu Christls Parkplatz gefahren. Die Kindschaft hatte schon eingecheckt, und ich bepackte mich mit was ich so tragen konnte, um dann an einem Rudel Silbernacken vorbeizuschlurfen. Und während ich ein bruchstückhaftes "...wie kommen wir hier wieder weg..." vernahm, was direkt mit einem gedanklichen "...mir doch egal, da parken wir immer, und das soll auch so, ihr werdet wohl den Rückwärtsgang noch finden..." beantwortet wurde, quetsche ich ein "Moin" heraus. Verständnislosigkeit gegenüber.
Mir war das egal. Nach 10 Stunden Autofahren war mir nicht nach Diskussionen zumute. Mir war überhaupt selten nach Diskussionen zumute. Heute Abend gab es nur 3 Ziele:
1. Schnitzel oder so und einen tollen Salat und eins, zwei Flötzi - und für die Kindschaft was auch immer als Belohnung zählte
2. Duschen
3. Ins Bett fallen und gemütlich schnarchen
Was hatte die Frau an der Rezeption denn da fantasiert? Heute nicht viel los?!? Christls Gaststube war voll. Die Bedienung entspannte die Situation unverzüglich und bot uns Plätze an, während auch sie nicht ganz nachvollziehen konnte, warum denn heute nichts los sein sollte. Wir hatten Sitzplätze. Dann hatten wir eine Speisekarte und Getränke. Und dann gab es Essen. Natürlich irgendwas mit Schnitzel. Zwei (für) Kinder-Schnitzel, ein großes Schnitzel und ein Cordon-Bleu mit Bergkäse. Das war superlecker und hatte wieder die feinen Kümmelbratkartoffeln.
Während Jan vor seinem Stapel Kartoffelstäbchen schon fast kapitulierte, bestellte sich Lea zum Nachtisch noch ein Schnitzelchen.
Ziel 1 - Check.
Niemand wollte sich mit mir um einen Platz in der Dusche streiten. Ziel 2 - Check.
Und das Bett war soooooo angenehm. Ziel 3 - aaaaah, Ziel 3. Während ins Bett hereinzufallen keine schwere Übung war, musste ich mal wieder feststellen, dass ein Cordon-Bleu mit Bergkäse zwar zu Schnarchen führte, aber nicht unbedingt zum Schlafen. Roll, roll. Wühl, wühl. Und immer, wenn ich an die Strecke ab Innsbruck dachte, wurde es an den Händen feucht, und die Nackenhaare stellten sich auf. Am Ende klappte es doch noch. Glücklicherweise hatten wir ein Zimmer, was nicht direkt in Richtung A 8 lag. Was immer morgen vor uns lag, es kam erst morgen. Jetzt wurde geschlafen.