Hallöchen zusammen,
gerade herrscht das Sommerloch und ich verbringe die Zeit gerne im klimatisierten Motorenlabor. Das Projekt vom Versuchsmotor hat die finale Phase erreicht. Ob er da in einem Stück raus kommt oder mit Besen und Schaufel in eine Urne gekehrt werden muss, das wird sich noch zeigen
Allerdings hat der jetzige Motor nicht mehr viel mit der ersten Kraftstoffspar-Version zu tun, das wird spannend.
Darüber hinaus überlege ich, wie es danach dann weiter geht. Ich schwelge in Erinnerungen zur Inspiration und habe diesen Thread jetzt mal selbst von vorne durchgeblättert, habe mir quasi meine eigene Entwicklung der letzten zehn Jahre angeschaut. Daher habe ich mir gedacht, der Thread wird jetzt bald '10' und es ist Mal an der Zeit, einen kleinen Rückblick zu machen. Wie kam es denn überhaupt zu diesem Thread?
Am besten hangeln wir uns über die Zeit anhand der Seitenaufrufe.
Zu Beginn, wie so oft im Leben, startet man bei Null und heute sind es immerhin knapp 440.000 Aufrufe. Der Verlauf sieht aber eher merkwürdig aus, man erwartet da doch eher eine halbwegs gleichmäßige Kurve, oder? Stattdessen ein schleppender Anfang, steigende Mitte und am Ende ein riesen Sprung?
Den Teil bis 9,5 Jahre kann man sich noch verständlich erklären. Wenn man da eine Funktion drüberlegt, wäre es f(x)=3200x²+4000x mit x für die Jahre seit Beginn. Da könnte man jetzt sagen, es haben jedes Jahr 4000 als Standardleser geklickt und 3200*Jahre² hat sich quadratisch aufgebaut, weil es eben immer interessanter wurde

Also im ersten Jahr 3200 extra und im zehnten Jahr summiert 320.000 zusätzliche Interessen-Aufrufe. Somit hätte man auch das verbleibende halbe Jahr bis 10 Jahre approximieren können, das passt so aber mal garnicht. Den Sprung schauen wir uns später an, erstmal bei Null beginnen, wie ist es denn zu diesem Thread gekommen?
Das Schrauben, Verstehen und Verändern an Zweirädern war schon immer meins, erstes Fahrrad, direkt zerlegt und umlackiert. Um es mir dann kurze Zeit danach am Bahnhof klauen zu lassen

Dann doch besser motorisiert unterwegs sein, die Teile trägt man nicht so schnell weg. Mit 16 wurde es dann eine Simson S51. Tolles Teil, durfte offiziell 60km/h fahren und man hat gleich Kuppeln und Schalten gelernt. Leider ist meine flotte Ost-Biene gerade einmal 55 Sachen geflogen. Also im Winter meinen ersten Motor gemacht mit meinem alten Herrn, schon war ich angefixt. Was? Da kann man einen Temperatursensor in den Auspuff schweißen und so das Verhalten indirekt beobachten und dadurch den Vergaser passend abstimmen, WOW! Genau meine Welt. Wenn man ehrlich ist, dann mache ich heute eigentlich immer noch nichts anderes. Messen, Nachdenken, Verändern, wieder Messen. Mein Weg in die Wissenschaft war geebnet, bis dahin sollte es aber noch eine Weile dauern.
Ursprünglich habe ich mal eine Mechatroniker Berufsausbildung gemacht. Diesen Thread habe ich begonnen, als ich frisch, nach einigen Jahren in der eFahrzeug-Brennstoffzellen-Entwicklung, in die Experimentalphysik gewechselt bin. Laser-Ionen-Beschleunigung für medizinische Forschung wie Tumorbestrahlung. Und was hat man in der öffentlichen Wissenschaft massig? Genau, Zeit zum Nachdenken (und Kaffee trinken). So kam es zur Entstehung von diesem Thread, zu viel Zeit auf Arbeit
Mir war dann aber schnell klar, das Leben als Facharbeiter mit direkter Aussicht auf die Rente, das ist nicht meins. Deshalb habe ich meinen Job dort schnell fertig erledigt und mich für den staatlichen Kfz‑Techniker angemeldet. Das hat mir schon besser gefallen, endlich in erster Linie mit der Materie befassen, die mich interessiert. Daher war es auch keine große Überraschung, dass im Anschluss das Fahrzeugtechnik Studium kam.
Abseits der Tagesbeschäftigung, habe ich mich bis 2020 noch vorallem mit fremden Projekten beschäftigt, meistens für Rennsport Anwendung. Von Kleinigkeiten, über Baugruppen, aber meistens die ganzen Motoren. Irgendwann habe allerdings ich keinen Sinn mehr in dieser Tätigkeit gesehen. Zu viel Verantwortung, auch für Dinge, für die man nichts kann. Ihr habt den gebrochenen SV Tassenstössel damals gesehen. Sehr unüblicher Schaden, aber was will man da machen, alle belasteten Teile neu kaufen? Dann braucht man erst garnicht anzufangen. Am Ende war es doch mein Problem.
Der größte Erfolg war zweifelsohne die Rennsaison 2019 meines Fahrers, der mit dem 105PS SV-Motor, das 2h Rennen am Nürburgring gewonnen hat und auch noch die komplette TopTwin Meisterschaft. Viel wichtiger für mich war allerdings, dass der Motor beim Öffnen in 2020 nach 70 Renneinsätzen mit lediglich Ölwechsel und Ventile kontrollieren davor, innen immer noch ziemlich jungfräulich ausgesehen hat. Das war natürlich kein Zufall, sondern eine Frage der Auslegung. Man kann nicht pauschal behaupten, Motortuning und Rennsport machen das Material immer kurzlebig. Aber da geht es sehr tief in die Materie.
In dieser Zeit, nach fünf Jahren, hat dieser Thread seine ersten 100.000 Aufrufe generiert. Die gezeigten Projekte waren da noch eher handfest aus meiner Sicht, zumindest bis zur Bachelorarbeit.
Seit 2020 bin ich dann an einem anderen Experimentalphysik-Institut für Kernfusion unter gekommen und das ist genau meine Welt. Tiefe Forschung und unglaublich schlaue Leute um einen herum, dieses Umfeld ist sehr inspirierend für mich.
Kommen wir zum Mittelteil 5-9,5 Jahre nach Beginn des Threads. Seitdem mache ich vorallem nur noch das, was mich auch wirklich interessiert. Und da kann es auch schnell passieren, dass ich mir einen Tischrasenmäher-Motor aufbaue, um mehr über Prüfstände und programmierbare ECU's zu lernen
Die Themen wurden dann schon etwas tiefgründiger und gingen eher in die Richtung Zylinderkopf, Ventiltrieb und Strömung, meistens unter Verwendung von 3D/CAD als Hilfsmittel. Die Zusammenhänge von diesen Vorgängen im Ladungswechsel finde ich bis heute äußerst spannend und habe da noch sehr viel zu lernen. Auch ein Grund, weshalb ich meinen Versuchsmotor weiter aufgerüstet habe. Ab dem Winter 21/22 durfte ich mich dann auch an der damals neuen Aprilia RS660 austoben. Erwartet hatte ich einen technischen Überflieger, entwickelt vom MotoGP Team, wenn grade wenig zu tun war. Aber was ich da angetroffen habe, hat meine Erwartungen nicht erfüllen können. In einer Verbrennungsmotoren Vorlesung vom Masterstudium ging es dann um die Flammfront-Geschwindigkeit im Brennraum und deren Einflüsse/Auswirkungen. Das wollte ich praktisch anwenden und habe das Einlass Inlay für die RS660 entwickelt, wieder mit 3D und Strömung. Dass dieses unscheinbare Teil so gut funktioniert hat, war für mich persönlich der größte Erfolg in dieser Periode. Man hätte das sicher gut vermarkten können, zumindest war die Nachfrage da. In der Zwischenzeit haben das bestimmt auch andere Leute umgesetzt und das gönne ich Ihnen auch. Ich kann mich eben nicht für Produktion und Verkauf begeistern. Ich bleibe lieber bei den Dingen, die mich wirklich interessieren.
Kommen wir nun zum Sprung in der Kurve. Was kann denn sowas verursachen? Möglicherweise hatten viele Leute im Frühjahr gerade Langeweile und da war nichts besseres zu tun, als meinen Thread nochmal zu lesen
Jedenfalls stimmt dieser Zeitraum genau mit der mehrteiligen Präsentation meiner Masterarbeit zusammen.
Mit dieser Aufmerksamkeit hatte ich offen gestanden überhaupt nicht gerechnet. Aber das freut mich natürlich sehr!
Mein Anspruch war es immer, diese Themen verständlich und trotzdem gut beschrieben rüberzubringen. Einfach nur den Ingenieur raushängen lassen und mit Fachbegriffen um sich schmeißen, wie manch anderer hier, das finde ich eher fehl am Platz.
Von daher möchte ich mich an dieser Stelle einmal recht herzlich für die vergangenen 10 Jahre bei Euch bedanken! Es hat mir immer viel Freude bereitet, meine Projekte nochmal rückblickend durchzugehen und für einen Beitrag hier aufzubereiten.
Allerdings ist es an der Zeit mich weiterzuentwickeln und ich denke die Masterarbeit hier präsentieren zu können, diese Resonanz dafür zu bekommen, das ist ein wunderbarer Abschluss.