scm hat geschrieben: ↑Sonntag 17. August 2025, 13:32
Elle hat geschrieben: ↑Montag 11. August 2025, 21:40
Nach meinen Aufzeichnungen werden auch Stahlpleuel, selbst die hochwertigsten, unrund.
Wie liesse sich das denn mit den gängigen wissenschaftlichen Erkenntnissen erklären?
Das Erste was mir dazu einfällt ist natürlich plastische Verformung infolge von Zugspannungen,
die die Streckgrenze überschreiten. Aber das kann doch nicht sein, dass das so knapp ausgelegt
wird? Bleibt eigentlich das Streckgrenzenverhältnis erhalten nach durch 10^? Lastwechseln herab-
gesetzter Zugfestigkeit?
Wünschenswert wäre für mich eine Möglichkeit die Dinger in 3D im Mikrometerbereich und darunter vermessen zu können. Das wird wohl ein Traum bleiben.
Naja, eigentlich sollte das (vielleicht nicht im sub-µ Bereich) doch kein Problem sein,
einen Maschinenbaubetrieb zu finden, der die Pleuel mal auf seine Koordinatenmess-
maschine legt!?
Ansonsten find' ich es schade, dass hier zwei User mit großer Sachkenntnis so derartig
aneinandergeraten. Eigentlich könnte das ein konstruktiver Dialog sein, zu dem beide viel
Interessantes beitragen.
Aber was red' ich, ich hab' mich in der Vergangenheit auch zu Äußerungen hinreissen lassen,
die ich im Nachhinein bedaure ...
Was sind gängige wissenschaftliche Erklärungen? Auch auf die Gefahr hin mich erneut unbeliebt zu machen: Alle Modelle sind falsch! Aber einige sind nützlich.
Fangen wir bei linearer Thermoelastizität und den Lamé Konstanten an: Diese kontinuumsmechanische Annahme ist ein Modell. Man muss nur genau genug messen um bleibende Verformungen (wo auch immer die herkommen mögen) selbst bei statischen Versuchen festzustellen, und schon wird dieses Modell infrage gestellt. Insbesondere bei polykristallinen Werkstoffen um die es ja hier geht. Einkristallbauteile bleiben vorerst den Gasturbinenherstellern vorbehalten, und zu diesen kann und möchte ich mich nicht äußern.
Sprich: das Hooksche Gesetz ist schon für statische Beanspruchung (was auch immer das sein soll; jeder Einfluss hat schlussendlich einen zeitlichen Verlauf) eine Idealisierung. Dennoch ist es aber für eine große Anzahl von Auslegungsfällen eine sehr sehr brauchbare Idealisierung. Insbesondere ist sie sinnvoll.
Das setzt sich fort bei Betrachtungen zur Dauerfestigkeit. Kubisch-raumzentrierte Legierungen verhalten sich anders als kubisch-flächenzentrierte Legierungen. Selbst im tollen Stahlpleuel bleibt mglw. unter einem von zehntausend wärmebehandelten Bauteilen ein Korn Restaustenit übrig - aus irgendwelchen Gründen. Schon hat man je nach Lage desselbigen eine Materialkerbe die selbst bei 100 prozentiger Röntgenkontrolle nicht auffallen
kann. Ein Herr namens Weibull und dessen nach ihm benannte zweiparametrige Verteilung kommt da ins Spiel.
Was titanbasierte Legierungen betrifft: Ein völlig anderes Monster! Es gibt im makroökonomischen Sinne
wesentlich weniger Erfahrung (und damit Niederschlag in entsprechenden Normen) als bei eisenbasierten Legierungen. Zu allem Überfluss kristallisiert die "Wald-und-Wiesen-Titanlegierung" TiAl6V4 auch noch in hdp Elementarzelle und benimmt sich am Hydropulsatorprüfstand nochmal anders; nur um ein Beispiel zu nennen. Die Anwendung titanbasierter Legierungen beschränkt sich heute aber nicht mehr auf hdp Typen. Selbst intermetallische Verbindungen kommen - erfolgreich - zu Anwendung. Versuch mal dafür ein Dauerfestigkeitsschaubild zu bekommen, womöglich noch bei erhöhter Einsatztemperatur! Insbesondere von denjenigen, die Pleuel und Ventile herstellen.....
Aus welchem Werkstoff die RN32 und ff. Pleuel bestehen wäre sicherlich interessant. Nicht weniger interessant wäre die technologische Kette die dahinter steht. Und dort kommt Robert Lusser - der Vater der Zuverlässigkeit - ins Spiel. Jeder technologische Schritt in Richtung Endprodukt - angefangen von der Exploration der Rohstoffe, über deren Förderung, bis zur Weiter-und Endverarbeitung - erzeugt erzwungenermaßen Imperfektionen im Endprodukt!
Sprich: aus der 1 wird 0.9999999. Wenn das zu oft passiert wirds Brühe....
Die Preisfrage besteht darin, ob diese Imperfektionen (und damit das Produkt der Ausfallwahrscheinlichkeiten) unter den vorgegebenen Lastannahmen zu statistisch gehäuften Ausfällen führt. Womöglich mit Schadensersatzforderungen an den Hersteller.
Das sehe ich persönlich nicht! Allerdings unter der Voraussetzung sich ans Kit Handbuch zu halten. Bei Honda steht da als Beispiel: exchange the conrod every 3000....3500km. Das Yamaha Handbuch hab ich grad nicht griffbereit.
Verlässt man diese Voraussetzung so befindet man sich im Niemandsland. Ich habe PC40 Motoren am laufen in WSSP Spezifikation bei denen sich die Kundschaft trotz Warnung dazu entschieden hat weiterzufahren bei max. Drehzahl 16400min^-1. Einige haben - man mag es glauben oder nicht - über 20000km Rennstrecke drauf. Nix abgerissen. Andere aus der CEV sind bei 2500km explodiert.
Schlussendlich bleibt es dabei: Es gibt in der Technik - wie im Leben - nichts was nicht kaputt geht. Ob es einen dann selbst trifft, ist eine andere Frage. Es gibt für nichts eine einhundertprozentige Sicherheit. Man kann nur zusehen das Risiko für einen Ausfall so gut es geht zu minimieren und die entsprechenden Folgen ingenieursmäßig zu bewerten. Sprich die Gebrauchsdauer
sinnvoll zu beschränken! Die Richtung geben die Hersteller vor. Aus gutem Grund!
Zu den Pankl Pleueln: Ich wiederhole mich ungern, aber das ist im Bereich aftermarket das höchstwertige verfügbare Produkt.
Ob das abreißt?
Ja! Irgendwann wird auch das abreißen!
Wann ist das der Fall? Mit einer statistische Sicherheit von 2*sigma....3*sigma wird das später abreißen als ein Serienpleuel. Hilft das dem Daniel? Ich hoffe! Bedeutet das, das das niemals und nimmer abreißt? Nein!
@scm: Nun, die Verformungen sind ja sozusagen ein mehrfaches Monster. Erstens hängen die gemessenen Verformungen vom Messprinzip ab. Zweitens sind die gemessenen Verformungen integraler Natur ( Summe der Verformungen = Verformungen durch Belastung+ Verformungen durch Tribologie+ Summe aus systematischen und zufälligen Messfehlern). Messen+Integral führt direkt zu Herrn Hadamard: Dies ist ein schlecht gestelltes inverses Problem! Ich habe im Moment erstens wenig Zeit und zweitens wenig Lust und drittens zu wenig Daten dieses zu regularisieren. Aber vielleicht ist das bei Dir ja anders.
Tante Edith sagt: Zur Verformungssumme kommen noch die unvermeidlichen Eigenspannunganteile hinzu.
"Development is only necessary because of the stupidity of designers" – Keith Duckworth.