Ich schreibe hier mal einen Erfahrungsbericht der etwas anderen Art. Vielleicht finden sich ja Leidensgenossen, oder es hilft irgendwann verunfallten Racern, die ersten verzweifelten Tage nach einer Verletzung besser zu überstehen.
Im August 2023 hatte ich einen mittelschweren Unfall auf der Rennstrecke mit Radiusfraktur im Handgelenk links, sowie Schlüsselbeinbruch und Kreuzbandriss rechts. Mir blieb zunächst also noch eine von zuvor vier funktionierenden Extremitäten übrig. Dies waren meine ersten größeren Verletzungen im Zuge des Rennsports, wenn man mal eine Schultereckgelenksprengung (Tossy2) aus den ersten Tagen eines Kurventrainings außen vor lässt.
Trotz der Vielzahl an Verletzungen hatte ich während der ganzen Genesungszeit über ein positives Mindset. Stürze passieren und auch eine Verletzung kann immer mal passieren. Hand und Schlüsselbein wurden mit Platten versorgt, das Kreuzband ist konservativ behandelt worden. Auch wenn die Saison 2024 keine neuen Bestzeiten für mich parat hatte, so konnte ich schmerz- und angstfrei fahren. Der Spaß und die Begeisterung sind nicht verloren gegangen und unterm Strich hatte ich eine gute Saison. Für 2025 sollten dann die Platten raus sein und somit dem sorgenfreien Heizen nichts mehr im Wege stehen.
Die Platte im Handgelenk ist im November letzten Jahre rausgekommen. Da das Schlüsselbein immer eine etwas längere Heilungszeit benötigt, stand diese OP erst nach 1,5 Jahren an und sollte Anfang März 2025 stattfinden.
Ehrlicherweise haben die Platten mich nicht sonderlich gestört. Klar, Schlüsselbein nervt irgendwie immer, da die Platte direkt unter der Haut liegt. An der Hand hatte ich die Begleiterscheinung, dass mir die Daumensehne immer mal wieder wehtat. Mein Orthopäde meinte dann, dass das an der Platte liegt, da Sehnen und Bänder nicht so laufen, wie sie es ohne Platte machen würden. Also raus mit dem ganzen Krempel. Zumal man ja immer die abenteuerlichsten Aussagen hört, was passieren könnte, wenn man mit Platte stürzt.
Die Hand OP lief planmäßig und die Schmerzen hielten sich in Grenzen. Der Daumen hat auch keine Begleiterscheinungen mehr und das Handgelenk ist voll umfäglich beweglich. Alles top!
Nun war also das Schlüsselbein dran. Auch diese Platte wurde mir durch meinen behandelnden Orthopäden ambulant entnommen. Die Schmerzen waren diesmal eine andere Hausnummer, zumal anscheinend auch einige Nerven in Mitleidenschaft gezogen wurden, die in Brust und Achsel ausgestrahlt haben.
Nach zwei Wochen konnten die Fäden raus und ich war nahezu schmerzfrei. Auf die Frage, wann der Arm wieder voll einsatzbereit wäre, sagte mein Orthopäde „Sie können das voll belasten, das hält.“
Nun ja, anhand des Titels kann man erahnen, was jetzt kommt….
Es hielt natürlich nicht…. Ich habe nichts Schweres gehoben, hatte (noch) keinen Sport gemacht. Lediglich eine längere Wanderung mit Rucksack und dreimal Kurzstrecke mit dem Fahrrad. Alles in allem nichts Spektakuläres, aber in Summe vielleicht nicht ganz optimal. Ich bin dann ein bisschen ungeschickt vom Rad abgestiegen, sodass mir meine Tasche blöd runtergerutscht ist. Der aufkommende Schmerz in der Schulter ließ nichts Gutes verheißen, was mir Abends in der Praxis auf einem erneuten Röntgenbild bestätigt wurde. Der Knochen hatte sich auch verschoben bzw ein Dreieck gebildet, sodass das durch die Schultereckgelenksprengung außen normalerweise hochstehende Schlüsselbein auf einmal ganz flach und eben war.
OP oder keine OP war dann die Frage. Mein Orthopäde war leider im Urlaub. Trotz seiner etwas optimistischen Einschätzung, dass ich das sofort voll belasten könne, hege ich keinen Groll gegen ihn, weil ich mich dort grundsätzlich immer gut aufgehoben gefühlt habe.
Sein Kollege empfahl mir, das jetzt konservativ heilen zu lassen. Zugleich sollte ich mir im Krankenhaus aber noch eine Zweitmeinung einholen. Wie von ihm prophezeit, rieten die dortigen Kollegen zur OP. Aufgrund der unklaren Umstände, weshalb es zu einer Refraktur gekommen ist, wurde auch empfohlen, Material aus dem Beckenkamm als „Knochenwuchs-Booster“ zu verpflanzen. Die Aussage hat mich dann so verschreckt, dass ich das auf gar keinen Fall machen lassen wollte, ich mir aber dennoch etwas Bedenkzeit erbeten habe. Am Ende war die Aussage eines Rennstrecken-Kumpels ausschlaggebend, dessen letzter Schlüsselbein Bruch nicht mit Platte versorgt wurde. Er hat seitdem immer noch Schmerzen und auch das Motorradfahren fühlte sich bei ihm nicht so super an.
Zudem habe ich mir (langfristig) Sorgen um die doppelt malträtierte Schulter gemacht: 1,5 Bänder weniger plus verkürztes Schlüsselbein, was eine herabhängende Schulter zum Ergebnis hatte. Die Ärzte konnten dahingehend zwar keine eindeutige Aussage treffen, aber das kann im Alter doch nichts Gutes verheißen….
Also rauf auf den OP Tisch und nach ganzen drei Wochen ohne Platte bitte einmal neu.
Seit der Refraktur fahren meine Gedanken Achterbahn. Mein damaliges positives Mindset nach dem Unfall ist irgendwie abhanden gekommen. Diese Verletzung ist einfach soooo sinnlos! Mir ging es gut, ich hatte keine Schmerzen, die Platte hat nicht über die Maßen gestört. Die Sonne kommt raus und die Saison steht vor der Tür. Mit Beginn von WSBK und MotoGP juckt es in den Fingern und man hat richtig Bock auf die bevorstehende Saison. Und nun das!
Natürlich habe ich mir jede Menge Vorwürfe gemacht: Hätte die Platte einfach noch drin bleiben sollen? Hätte ich nicht aufs Fahrrad steigen sollen? Hab ich hier oder da den Arm doch zu viel belastet? Und klar, hinzu kam auch die Aussage meines Orthopäden mit der möglichen Vollbelastung. Meine Gedanken kreisten unentwegt....
Die Ärztin im Krankenhaus sagte mir, dass sowas leider passieren kann und ich mir keine Vorwürfe machen solle. In meiner Verzweiflung habe ich dann viel gelesen und auch Studien gefunden, in denen es heißt, dass es bei 4-9% der Fälle zu einer Refraktur in der 4.-8. Woche nach Plattenentnahme kommen kann. Gut, mir ist es jetzt bereits in der dritten Woche passiert. Aber da ich ein sehr aktiver Mensch bin, wäre mir bei zunehmender Aktivitätssteigerung wohl spätestens in ein paar Wochen der Kram wieder durchgeknackt. Das Schlüsselbein soll ja ein nicht so gut heilender Knochen sein und vielleicht war meiner selbst nach 1,5 Jahre noch nicht vollständig durchgeheilt. Zudem soll es einen Heilungsunterschied zwischen Männern und Frauen geben und mit zunehmenden Alter wird das Ganze auch nicht besser. Es spielt auch der Vitamin D Haushalt bei der Knochenheilung eine Rolle und möglicherweise war mein Wert da auch nicht besonders gut. Diese Überprüfung steht zwar noch aus, aber unterm Strich muss ich einfach versuchen, das Ganze unter „dumm gelaufen“ oder „Pech gehabt“ zu verbuchen.
Lange Rede, kurzer Sinn: mein Saisonauftakt verschiebt sich nun erstmal auf unbestimmte Zeit. Auch hier gehen die Meinungen völlig auseinander. Laut der Ärztin solle ich die gesamte Saison abschreiben. Der operierende Arzt sagte im Vorgespräch etwas von 12 Wochen, bis er nach der OP meinte, ich solle mir mal überlegen, das Motorradfahren ganz sein zu lassen. Bitte? Aufgrund eines Schlüsselbeinbruchs?!?
Wenn ich solche Aussagen höre, weiß ich nicht, ob ich eher Wut verspüre oder Mitleid mit diesen Menschen habe sollte. Die können bei solchen Äußerungen doch nicht im Ansatz ein Hobby oder eine Leidenschaft haben, die ihnen so viel Adrenalin, Freude und Glücksgefühle beschert, wie unseres. Das vollständige Abschalten und fokussiert sein auf den Moment, mit dem Speed, den Emotionen und dem Nervenkitzel. Dazu das Fahrlager Flair mit Gleichgesinnten, die genauso ticken wie man selbst. Wieviel kann einem eine Sache bedeuten, bei der man bewusst Risiken eingeht und seine Gesundheit u.U. aufs Spiel setzt? Und dann soll man das sein lassen, weil ein läppisches Schlüsselbein gebrochen ist?! Ohne Worte!
Natürlich geht es weiter und ich zähle täglich im Kalender die Anzahl der Wochen bis zu meinen ursprünglich geplanten Events, um zu schauen, was nicht vielleicht doch schon gehen könnte. Für sechs Wochen steht jetzt erstmal keinerlei Belastung an. Aufgrund der Refraktur kann man angeblich auch nicht die „normalen“ Schlüsselbein Heilungszeiten veranschlagen. Aber ich denke, wenn ich nun 12-16 Wochen pausiere, sollte das passen. Das Thema wurde im Forum ja schon öfter behandelt und ich weiß, dass die Meinungen da sehr auseinander gehen. Zum Glück gehört auch mein Orthopäde zu denjenigen, die sagen, dass ein Schlüsselbein ggf. bricht wie es bricht. Also mit oder ohne Platte.
Da meine Platte aufgrund der Refraktur nun eh zwei bis drei Jahre drin bleiben soll, stellt sich die Frage nach Fahren mit Platte oder Pause auch gar nicht. Nun heißt es eine angemessene Zeit zu warten, damit das Ganze zumindest wieder halbwegs zusammengewachsen und stabil ist und ich dieses Jahr noch ein paar Runden drehen kann!
Jetzt ist es doch ein recht langer Erfahrungsbericht geworden. Die „Unversehrten“ haben vielleicht längst abgebrochen zu lesen. Aber vielleicht hat der ein oder andere von Euch ja ähnliche Erfahrungen mit einer Refraktur gemacht und mag diese mit mir teilen. Auch wenn es fies klingt und für die Betroffenen schwierig ist, aber am Ende habe ich in meiner Verletzungsphase „gerne“ von Leidensgenossen gelesen und festgestellt, dass man mit seinem Elend nie alleine ist. Im besten Fall kann also auch ich mit meiner Geschichte für Aufheiterung oder Motivation sorgen.
In diesem Sinne, Euch allen einen schönen und erfolgreichen Saisonstart! Ich stoße dann später hinzu….
