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SV650 aus dem letzten Jahrtausend

Der Bereich für Eure Projekte, Um- und Aufbauten. Auch Tips und Tricks zu Feinheiten, aber keine Standardthemen wie: so wechselte ich die Bremsbeläge.

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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von froetz »

Knubbler hat geschrieben: Sonntag 23. März 2025, 15:06 Danke für das Interesse :D
Mir macht es auch Spaß, das Ganze erneut durchzugehen und zusammenzufassen. Man sagt, man hat etwas erst wirklich gut verstanden, wenn man es anderen auch verständlich erklären kann. Ich bekomme also auch ein besseres Verständnis von den Zusammenhängen hier durch :wink:
Der nächste Beitrag ist etwas aufwendiger, vielleicht komme ich morgen zur Fertigstellung.
Tolle Berichte von dir, aber das weisst ja wohl schon.

Zu meinen Azubis muss ich leider ab und zu mal sagen "Ich kann es für dich nochmal erklären, ich kann es aber leider nicht für dich verstehen..."
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Knubbler »

Das erinnert mich an meine Lehrzeit. Da hab ich den Meister mal um die Ecke reden hören: "was soll nur aus den Lehrlingen werden? Wenn die ein Loch in die Wand bohren müssten, dann würde der eine die Bohrmaschine halten und der andere drückt dann den Knopf".
Ich war bestimmt kein einfacher Lehrling :mrgreen:
Aber aus heutiger Sicht bin ich froh, dass ich erstmal zehn Jahre Erfahrung in der Berufswelt gesammelt hab, bevor ich wieder die Schulbank gedrückt habe. Sonst wäre aus mir wohl wirklich ein Theoretiker geworden :wink:
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Knubbler »

Teil 8

Hallo zusammen,
Der Moment auf den wir alle gewartet haben, es bewegt sich was am Prüfstand und die ersten Messwerte erscheinen am Bildschirm :D
Hier ein Einblick wie es am Motorprüfstand abläuft. Man sitzt hinter der Panzerglasscheibe, zieht am Gashebel, fährt entsprechende Lastpunkte an und genießt gedämpfte Röhren vom Motor.



Am Anfang ist das natürlich sehr aufregend. Man rechnet jeden Augenblick damit, dass der Motor plötzlich mit einem großen Knall in seine Bestandteile explodiert. Die Belastung ist allerdings auch nicht größer, als wenn man auf der Landstraße fährt. Da müsste man schon einen groben Fehler gemacht haben, wenn er bei mittlerer Last bereits kaputt geht. Bei voller Drehzahl und Last später gibt es aber durchaus die Möglichkeit vom großen Knall. Am Anfang stand aber sowieso erstmal das sanfte Einfahren auf dem Plan, mittlere Drehzahl und wenig Verbrennungsdruck, damit sich die neuen Kolbenringe und gehohnte Zylinderbohrung einlaufen können und richtig abdichten.
Das wird dann nach einigen Stunden etwas monoton und man fängt an mit den unzähligen Funktionen der Megasquirt Steuerung zu spielen.
Hier möchte ich Euch den Einfluss des Zündzeitpunktes live in der Zylinderdruck-Indizierung zeigen. Der Motor läuft bei 3000 Umdrehungen und niedriger Last. Der erste Anstieg in der Kurve ist die Kompression des Gemisches in Richtung OT. Zehn Grad bevor er oben angekommen ist, da erfolgt die Zündung. Im Gegensatz zum Drehen mit dem Anlasser, ist die Kurve jetzt nicht mehr symmetrisch, sondern auf der rechten Seite erhöht nach dem OT. Das ist die Verbrennung, welche sich Ausdehnen möchte, aber durch Raumbegrenzung nicht kann, es steigt also der Druck und der Kolben wird nach unten geschoben.



Der Zündzeitpunkt ist am Anfang vom Video im eher späten Bereich für die aktuell herrschende Verbrennungsgeschwindigkeit. Die Verbrennung findet dann erst dann statt, wenn der Kolben bereits nach unten fährt. Man könnte meinen das wäre nicht so tragisch, Hauptsache der Kolben wird runtergedrückt, oder?
Im Anschluss wird der Zündzeitpunkt auf 27° vor OT verlegt und man sieht einen direkten Unterschied im Druckverlauf. Dieser ist jetzt höher und dafür kürzer, genau das möchte man erreichen. Am Anfang hat der Motor im Schnitt 1,8bar Mitteldruck erzeugt und mit dem angepassten Zündzeitpunkt sind daraus 2,7bar bei gleicher Kraftstoffmenge geworden. Zuerst war die Verbrennung verschleppt und das führt dazu, dass wenig Druck auf den Kolben kommt und die im Kraftstoff enthaltene Energie sich in großer Wärme breit macht. Die Abgastemperaturen können dann schnell über 1000°C steigen und das mag das Material überhaupt nicht. Bauteile können schmelzen oder ganz versagen. Es können sich auch heiße Stellen im Brennraum bilden, welche wieder zur Glühzündung oder gar zum Klopfen führen können. Das bringt also vorallem Nachteile.
Die Verbrennung mit 27° vor OT Zündung verhält sich da ganz anders. Sie hat ihren Scheitelpunkt bei 11° nach OT, was ein sehr guter Wert für die Ausnutzung ist. Der Kolben ist zu diesem Zeitpunkt noch fast ganz oben und das Volumen im Brennraum entsprechend klein, deshalb bildet sich durch die Verbrennung ein hoher Druck aus und verbrennt auch noch schneller. Der Knackpunkt ist dann die folgende Expansion vom Brennraum. Wie uns die Thermodynamik lehrt, kühlt sich das Gas dadurch ab und die Abgastemperatur kann schnell mal auf 700°C sinken. Wir wissen dadurch zwangsweise, dass wir mehr von der im Kraftstoff enthaltenen Energie in mechanische Arbeit umgesetzt und nicht ungenutzt in den Auspuff geblasen haben. Demnach wäre es also anzustreben, die Zündung würde überall im ganzen Brennraum gleichzeitig stattfinden und die Verbrennung dann ohne Verzögerung ablaufen. Dann könnte man noch mehr Energie nutzbar machen, aber leider geht das in der Wirklichkeit nicht. Daher sind die sogenannten Verbrennungsverfahren und die Optimierung immer noch Gegenstand der aktuellen Forschung.

Schauen wir uns doch so eine Messung im Bestpunkt der Miller Verbrennung mal genauer an. Das pV-Diagramm zeigt den gemessenen Druck im Brennraum über die Kolbenposition an bzw. das Volumen, was mit der vorher gezeigten Berechnung ermittelt wurde. Im oberen Teil sieht man den kompletten Verlauf aus Arbeitsdruck und Ladungswechsel zusammen. Wegen des Größenunterschiedes wird im unteren Teil nur die Ladungswechselschleife vergrößert dargestellt. Wir gehen die 4 Takte einzeln durch und betrachten die Eigenschaften des Verlaufs. Der Motor läuft mit 3000 Umdrehungen in der Minute und die Drosselklappe ist voll geöffnet.
Im 1. Takt wird das Einlassventil geöffnet und der Kolben fährt nach unten. Ein leichter Unterdruck wird erzeugt und das Gemisch strömt in den Zylinder. Rechts, kurz vor UT sieht man den leicht nach unten geneigten "Miller Zipfel". Im 2. Takt sind die Ventile geschlossen und es wird komprimiert, indem der Kolben nach oben fährt. Man kann erkennen, dass der Zylinder eine deutlich reduzierte Füllung hat, denn bei Position 0,1 also 90% des Kolben-Weges nach oben, ist gerade mal ein Druck von 6bar aufgebaut. Der Otto-Betrieb hätte da schon einen deutlich höheren Gegendruck auf den Kolben, denn er müsste schon sehr früh zünden, durch die langsame Verbrennung. Im Kennfeld der Suzuki Hayabusa steht an der Stelle 70° Zündung vor OT, so langsam läuft da die Verbrennung als Extrembeispiel. Der Versuchsmotor mit dem Miller Zyklus und sehr hohen Strömungsturbulenz verbrennt sehr viel schneller und kann dadurch auch erst kurz vor OT gezündet werden, wodurch mehr Energie in Arbeit umgesetzt werden kann und nicht gegen den Kolben aufwärts wirkt. Details dazu schauen wir uns gleich an.
Kurz vor OT wird gezündet und der Druck im Brennraum steigt schnell auf 48bar, während der Kolben den oberen Totpunkt überschreitet und der 3.Takt beginnt. Der Brennraum expandiert und der Druck wird in mechanische Arbeit umgesetzt. Die Expansion kühlt das Gas zwangsläufig ab, eben das Gegenteil der Wärme durch Kompression. Die Verbrennung sollte abgeschlossen sein, während der Brennraum noch ein kleines Volumen hat. Eine verzögerte Nachverbrennung möchte man nicht, eine möglichst schnelle Verbrennung wird angestrebt. Als Letztes kommt der 4.Takt mit dem Ausschieben. Man sieht, bei der Aufwärtsbewegung wird ein leichter Druck aufgebaut und das Abgas in den Auspuff geschoben. Das ganze könnte noch unterstützt werden mit einer Abgasanlage, welche mit Gasdynamik und Saugwirkung bestimmte Bereiche beim Ausstoßen und der Ventilüberschneidung begünstigt, aber das war nicht Teil der Arbeit.

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Erinnern wir uns nochmal an die pV Skizzierung aus TEIL 2. Der normale Ottomotor müsste bei so einem niedrigen Lastpunkt durch die Drosselklappe stark am Ansaugen gehindert werden. Denn mit voll geöffneter Drosselklappe würde er einen Verbrennungsdruck in die Richtung 100bar erzeugen und entsprechend viel zu viel Drehmoment abgeben. Er muss also gedrosselt werden, was einen großen Unterdruck im Brennraum erzeugt und der dem Kolben deutlich mehr Arbeit abverlangt (rote Fläche). Gleichzeitig wird die Verbrennungsgeschwindigkeit im gedrosselten Otto Betrieb stark verschlechtert und das erfordert extreme Vorzündung. Viel von der im Kraftstoff enthaltenen Energie wird also schon auf dem Weg nach oben verbraucht und Spitzendruck ist nicht gerade hoch. Der Wirkungsgrad in diesem Bereich ist entsprechend schlecht und bewegt sich im Bereich von ~5-15% anstatt der 35-37% bei Last im oberen Drittel. Leider wird der schlechte Bereich im normalen Betrieb am häufigsten benutzt.

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Quelle: quizlet.com/de/grundlagen-der-technischen-verbrennung

Die Automobil-Hersteller betreiben seit Jahrzehnten einen großen Entwicklungsaufwand, diese Bereiche zu verbessern, ohne Spitzenleistung einzubüßen zu müssen. Denn sind wir ehrlich, der Großteil der Kunden möchte diese hohe Leistung haben, ob sinnvoll oder nicht. Siehe Audi A2 oder der Lupo 3L, was wirklich tolle Niedrigverbrauch-Ansätze gewesen sind, aber es waren absolute Ladenhüter. Wenn man sich die Zulassungszahlen heute anschaut, hat sich da nicht viel geändert. Der Trend zu großen, schweren Autos mit starken Motoren ist ungebrochen. Die Hersteller könnten sehr wohl sparsame Fahrzeuge bauen, aber der Markt wird von den Kunden bestimmt und der Politik, die das indirekt fördert.
Wenn ich seit dem Jahr 2000 mit alleine der Kraftstoffsteuer eine Billion(!) Euro eingenommen hätte, dann hätte ich wohl auch wenig Interesse daran, dass Fahrzeuge gebaut werden, die nur die Hälfte des Kraftstoffes verbrauchen. Steuern zu Hubraum, Leistung, Abgas, Umwelt etc. sind da noch garnicht berücksichtigt. Aber das ist ein anderes Thema, zurück zum Motor.

Jetzt kommen wir zur thermodynamischen Auswertung des pV Diagramms. Rechts sieht man die Mitteldrücke der Arbeits-Schleife und der negativen Ladungswechsel-Schleife. Zählt man diese mit der Arbeit zusammen, dann bleibt der resultierende Mitteldruck im Brennraum. Dieser kann genutzt werden, um daraus mechanische Arbeit zu erzeugen. Dieses Potenzial muss sich allerdings noch der innermotorischen Reibung stellen, bevor es den Motor verlassen kann. Das ist heutzutage ein ziemlich großes Thema geworden, was zu speziellen Leichtlauf-Ölen und allerhand Beschichtungen geführt hat. Das ist jedoch ein sekundäres Thema, da es beim indizierten Wirkungsgrad um die Entfaltung der im Kraftstoff enthaltenen Energie in nutzbaren Druck geht. Ohne erzeugten Druck, hilft die beste Beschichtung nichts.
Der linke Teil vom Bild ist allerdings viel interessanter, die Auswertung des Brennverlaufes. Die lila Kurve zeigt die Energiedichte der Verbrennung pro Grad Kurbelwelle. Und die gelbe Kurve summiert diesen Wert auf, das ist der sogenannte Summenbrennverlauf. Diese Kurven geben einem sehr nützliche Informationen, wie lange die Verbrennung dauert, wie stark sie ist, aber vorallem wo sich die Schwerpunktlage befindet.
Man möchte nicht, dass die 50% Schwerpunktlage der Verbrennung direkt im OT liegt, denn dann steht das Pleuel in der Flucht zum Kurbelradius und es kann keine Arbeit verrichtet werden. Außerdem müsste dafür sehr früh gezündet werden und der entstehende Druck wirkt dem Kolben auf dem Weg nach oben entgegen. Die Mittellage liegt üblicherweise bei 8-18° nach OT, je nach Anwendung und was die Klopfneigung zulässt. Wie farblich markiert, beginnt die Verbrennung in Höhe von 5% bei 4,5° vor dem oberen Totpunkt. Das ist ein sehr später Wert und kommt durch die geringe Frühzündung. Wie das möglich ist, ohne eine verschleppte Verbrennung zu erhalten, kommt gleich im Anschluss.
Die 50% Schwerpunktlage liegt bei knapp 8° so früh wie es gerade noch geht, ohne Einbußen zu erleiden. Und die Verbrennung endet, bei 90% des Summenbrennverlaufes definiert, schon bei 18° nach OT. Es ergeben sich die knapp 23° Brenndauer bei 6bar Mitteldruck und 3000 Umdrehungen. Aber was genau ist jetzt daran besonders, es sind doch nur irgendwelche Werte?

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Durch diesen Winkel und die Drehzahl lässt sich rückwärts rechnen, wie lange die Flammenfront braucht, um den Brennraum zu durchlaufen. Man kommt auf eine Geschwindigkeit von 40m/s und das ist ziemlich außergewöhnlich für diesen Betriebspunkt. Vergleicht man es mit normalen, drehfreudigen Motoren, dann zeigt sich das bereits beschriebene Verhalten der Verbrennungsgeschwindigkeit. Normale Motoren verbrennen bei niedriger Drehzahl und geringer Turbulenz im Brennraum deutlich langsamer. Bei Drosselung sogar noch weitaus schlechter.
Mit dem Miller Zyklus ist das Drosseln nicht notwendig, die Drosselklappe bleibt offen und der frühe Einlassschluss steuert die Gasmenge. Hier zeigt sich die Auswirkung vom Hochturbulenz Konzeptes vom Versuchsmotor, eine so schnelle Verbrennung kann spät gezündet werden und entfalten dadurch einen hohen Druck in kleinen Brennraum, wo die Verbrennung auch möglichst bald wieder endet. Hervorragende Bedingungen, um viel Energie aus dem Kraftstoff in Druck umzusetzen.

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Quelle: media.springernature.com/lw685/springer-static/image/chp%3A10.1007%2F978-3-658-39885-9_1/MediaObjects/394493_1_En_1_Fig4_HTML

Jetzt kommt der Moment, was drückt denn der 5-Ventil Motor, der aber nur auf einem Einlassventil im Miller-Zyklus läuft?
Am Getriebeausgang kommen 31Nm bei 2200rpm und 10PS bei 3000rpm an. Das ist von der Strömung her eine ziemliche Punktlandung von dem, wie der Einlasskanal ursprünglich mit der CFD Simulation ausgelegt wurde. Das war schonmal ein erster Teilerfolg.
Obwohl die Drosselklappe voll geöffnet ist, wird lediglich ein maximaler Mitteldruck von 5,7bar abgegeben, also für den Hubraum ein sehr kleines Drehmoment. Ein sportlicher Saugmotor könnte über das Doppelte an Mitteldruck erzeugen im besten Fall, das ist hier jedoch nicht gewollt, es geht um Effizienz.
Man erkennt durch das sehr früh anliegende Drehmoment das Miller-Zyklus Verhalten. Durch den frühen Einlassschluss vor UT, tritt die größte Füllung bei niedriger Drehzahl ein und fällt danach schnell ab. Ab ungefähr 2500 Umdrehungen ist der maximale Massenstrom im Einlasskanal erreicht und hält sich noch bis zur maximalen Leistung. Danach kann nicht mehr Luftmasse hindurchgesaugt werden, um die steigende Drehzahl zu bedienen. Außerdem steigt mit der Drehzahl auch die innere Reibung im Motor an, von daher sinkt die abgegebene Leistung ab 3000rpm wieder. Ohne Aufladung/Variablen Ventiltrieb beim Miller -Zyklus kann man daher nie zu einem Motor mit ausreichend Leistung oder breit nutzbaren Drehmoment kommen. Deshalb nutzt Toyota den Atkinson-Zyklus mit 14:1 Verdichtung und kommt auf einen indizierten Wirkungsgrad von 41% im Bestpunkt. Es war allerdings nicht das Ziel ein breites Drehzahlband oder hohe Leistung zu erzeugen, dafür gibt es hier den Otto-Betrieb mit der elektrischen Drosselklappe.
Mit den am Getriebeausgang abgegeben 10PS lassen sich je nach Reifen und Luftwiderstand eine Geschwindigkeit von 100-110km/h erreichen, also Überlandfahrten auf der Landstraße, genau dafür war das Ganze ausgelegt. Die Frage ist jetzt, welchen Wirkungsgrad erreicht der Motor und wie hoch wäre der Kraftstoffverbrauch? Das finden wir gleich heraus.

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Zuvor noch ein Beispiel, damit keine Verwirrung aufkommt, wenn die ganze Zeit zwischen Mitteldruck und Drehmoment gesprungen wird. Bei beiden Begriffen geht es um das Drehmoment, allerdings ist der Mitteldruck quasi unabhängig vom Hubraum und somit lassen sich damit wunderbar Saugmotoren von verschiedener Größe vergleichen. Ein sportlicher Benziner Saugmotor kann bis in den Bereich von 15bar Mitteldruck an der Kurbelwelle gehen, was um die 120Nm pro Liter Hubraum entspricht. Wenn jemand mit seiner 1000er vom Prüfstand zurückkommt und umgerechnet 16,2bar an der Kupplung anliegen, dann wisst ihr schon was los ist :wink:
Um die Ausbeute des Miller Motors ins Verhältnis zu setzen, wurde ein sportlicher V6 Bootsmotor aus dem Speicher darüber gelegt. Dieser hat ein ähnliches Drehzahl-Niveau und zeigt im Mitteldruck, wie verringert die Füllung durch den Miller-Zyklus ist. Genau das sollte erreicht werden. Die Leistung von dem Bootsmotor ergibt sich dann aus seinem Hubraum und dem Mitteldruck, das ist hier aber irrelevant, da es nur um die Füllung geht. Und jetzt kommen wir zum Verbrauch des Versuchsmotor.

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An der Stelle noch vielen Dank an den Prüfstands Dipl.-Ing. Bernhard W. für die Hilfe bei der Kalibrierung des Prüfstandes, Aufnahme der Daten und Auswertung dieser.
Es wurden verschiedene Drehzahl und Lastpunkte angefahren, um den Motor konstant dort zu betreiben. Man orientiert sich an dem Kraftstofffluss und der erzeugten Leistung und justiert noch Feinheiten an der Zündung, Kraftstoffmenge und Einspritzbeginn. Dann wurden alle Daten in dem Zustand für mindestens 60 Sekunden aufgezeichnet, da ein Ottomotor immer leichten Zyklusschwankungen unterliegt und man kein schwankendes Ergebnis haben möchte. Die oberen Messpunkte bilden wieder die Drehmomentlinie ab, angegeben in Mitteldruck pme. So konnte ein Kennfeld über die Punkte aufgespannt werden, die sogenannten Schlucklinien verbinden gleiche Bereiche. Knapp unter Volllast kommt der Motor auf einen indizierten Wirkungsgrad von 43%. Also wenn 1kg Kraftstoff knapp 10kWh an Energie beinhaltet, dann können davon 4,3kWh in nutzbaren Druck gewandelt werden. Ein üblicher Ottomotor müsste diesen Punkt gedrosselt anfahren und liegt dann im Bereich von 1-1,5kWh Ausnutzung, selbst im besten Punkt schafft er lediglich 3,7kWh. Das ist genau das, was mit dem Projekt gezeigt werden sollte, man kann bei geringer Last deutlich effizienter sein, als es ein normaler Motor bei hoher Last ist.
Ein Motorrad mit diesem Motor könnte auf der Landstraße mit ~1,8l/100km fahren, während die 1000er mitfährt und kaum unter 5l Verbrauch kommt. Auch ein Auto hätte auf der Landstraße einen ziemlich ähnlichen Verbrauchswert, da ein Kleinwagen bei 100km/h schon weniger Luftwiderstand hat als ein Motorrad, dafür ist die Reifenreibung größer, insgesamt also im ähnlichen Bereich.

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Das war ein voller Erfolg! Der Motor verhält ziemlich genauso wie vorher ausgelegt und hat quasi ab kleinster Last immer einen Wirkungsgrad von mindestens 35% :D
Jetzt wartet noch der letzte Teil, in dem es darum geht, wie sich der Motor im Otto-Betrieb mit allen fünf Ventilen unter voller Last und Drehzahl verhält. Wird er das überleben und kommt er überhaupt auf die Serienleistung? Schaltet nächste Woche wieder ein :wink:
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Tom-ek »

Extrem Geil das !
Und deine Erklärungen erst recht !!
Badeenten das ist es .... !!!!!!
****************************
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von R O L A N D »

Sehr sehr interessant, du erklärst das so gut, dass ich das meiste halbwegs zu verstehen glaube. Muss alles noch ein paar mal lesen....

Nochmal Danke für deine Mühe, uns teilhaben zu lassen!
...die Frage ist nicht ob (man stürzt), sondern wann und wie oft...

against rain on track...
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Rennsemme-Fahra »

Wäre so ein Umsetzung den auch auf einer alten SRX umsetzbar mit dem 4Ventil Kopf und Registervergaser?
Also mit Millernocke auf der Vergaserseite die bis 20% Last öffnet. ggf mit angepasster Kulisse, so das eine seite erst vollständig öffnet und dann die andere Unterdruckgesteuert?
Oder wird das Flächenmässig nix, da ja 1× Miller + 1× Scharf ne ganz andere Flächenverteilung hat als beim 5V Kopf.

Ansonsten sehr geile Beiträge :)
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Knubbler »

Hallöchen,
das ist eine interessante Frage. Technisch möglich wäre es auf jeden Fall. Die SRX hat ja vier Ventile und zwei getrennte Einlasskanäle. Der normale Registervergaser hat einen Schieber und einen Gleichdruckvergaser. Sobald der Schieber ungefähr bei der Hälfte ist, geht die Drosselklappe im Gleichdruckvergaser auf und der Unterdruckschieber beginnt zu arbeiten. Das lässt sich bestimmt ändern, damit es hintereinander abläuft. Die SRX hat allerdings nur 36mm Einlassventile. Wenn man einen Einlass als kleinen Millerkanal umfunktioniert, dann bleibt nur noch einer übrig.
Mein 660er Motor hat 3x 31mm Ventile. Den einzelnen Einlasskanal für den Miller musste ich sogar deutlich kleiner gestalten, um einerseits eine strömungsgünstige Form zu bekommen, aber auch damit der nicht zu groß wird und mehr Leistung als nötig produziert. Die verbleibenden 2x 31er Ventile haben knapp die Hälfte mehr Fläche als ein einzelnes 36mm Ventile. Das wird also schwierig da noch genügend Leistung aus dem SRX Motor zu bekommen, aber technisch möglich wäre es schon. Eben aus dem Grund bin ich schlussendlich auf den 5-Ventil Kopf gekommen.
Zugegeben war das nicht meine erste Idee für das Projekt. Ich bin viele potenzielle Motoren durchgegangen und hab mir teilweise auch die Zylinderköpfe davon zur Untersuchung geholt. Zuerst wurde der Honda SH300 Kopf analysiert und die Geometrie auf der Messmaschine erfasst. Allerdings hat er nur einen Kipphebel für zwei Ventile und daher machte es keinen Sinn.

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Dann hab es noch den BMW F800 Zylinderkopf mit den hübschen Schlepphebeln. Er hat eine Nocke für jedes Ventil und hätte daher auf einer Seite den Miller-Zyklus bekommen können. Dann hätte man allerdings die zwei Einlasskanäle je in der Mitte teilen müssen und das wurde dann doch zu aufwendig. Obwohl ich den Motor ansonsten ziemlich genial finde und deshalb habe ich mich auch etwas tiefer mit dem auseinandergesetzt. Vorallem wollte ich herausfinden, wie man die Form von Kipp-/Schlepphebel berechnen kann.

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Schlussendlich ist es dann der 660er Yamaha Motor geworden, welcher einige Vorteile bietet. Auch wenn mir ein Langhub-Motor mit kleinem Kolben und schönem Brennraum natürlich weitaus lieber gewesen wäre, aber man kann tatsächlich nicht alles haben. In diesem Fall geht es vorallem um die Machbarkeit und die kann man auch mit begrenzten Mitteln unter Beweis stellen :wink:
Danke für Euer Interesse und bleibt dran fürs Finale.
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Knubbler »

Teil 9 - Finale

Im letzten Teil geht es um den Otto-Betrieb von dem Versuchsmotor und der Frage, ob man diesem Hybriden auch Spaß haben könnte?
Denn mal ehrlich, mit 10PS im Super-Sparsam-Modus herumzufahren, das macht allerhöchstens an der Tankstelle Spaß, wenn man mit einem 16l Tank 900km weit gekommen ist. Aber zum Fahren an sich, da ist das ziemlich öde, wenn kurz das halbe Drehmoment schiebt und dann stark abfällt. Deshalb gibt es den ottomotorischen Betrieb, indem die elektrische Drosselklappe dazugeschaltet wird. Einmal während der Fahrt den Gasgriff schließen und den Power-Knopf drücken, dann folgt die Bosch Drosselklappe dem Signal der mechanischen Drosselklappe mittels PID Regler Ansteuerung. An sich ein simpler Gedanke, nur die Umsetzung ist es leider nicht ganz. Durch die hohe Verdichtung von 14:1 neigt der Motor bei hoher Füllung schnell zum Klopfen in den unteren Drehzahlen. Das schauen wir uns genauer an.
Zwischen diesen beiden pV-Diagramm Messungen liegen nur 40ms, es sind zwei aufeinanderfolgende Verbrennungen. Der Motor läuft mit 2978 Umdrehungen, der Verbrennungsspitzendruck liegt bei 30,6bar und der erzeugte Mitteldruck (Fläche der positiven Arbeitsschleife minus dem Ladungswechsel) liegt bei 5,7bar. Der Zündzeitpunkt ist bei 40° vor OT und die Verbrennung hat ihren Schwerpunkt bei 12° nach dem OT, soweit alles im normalen Bereich für eine Otto-Verbrennung in dem mittleren Lastpunkt. Wenn man sich den schnellsten Anstieg vom Druck ansieht, befindet sich dieser mit 0,65bar pro Grad im OT Bereich, der Kolben steht still und kann also nicht mehr zum Anstieg beitragen, es ist alleine das Fortschreiten der Verbrennung für die Druckerhöhung.
Die darauffolgende Verbrennung sieht allerdings deutlich anders aus.

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Der Druckverlauf ist typisch für eine klopfende Verbrennung, ein steiler Anstieg (2,3bar pro Grad) noch vor dem OT und gefolgt von diesen charakteristischen Schwingungen im Druck. Der Spitzendruck selbst hat sich hier verdoppelt. Da könnte man auf die Idee kommen, das wäre gut, den hohen Druck versuchen wir doch die ganze Zeit zu erreichen? Aber leider liegt die Schwerpunktlage zu weit vorne und diese Auswirkungen sieht man auch sofort. Die Drehzahl ist um 4% gesunken und der Mitteldruck sogar um 6%. Der starke Druckanstieg hindert den Kolben an der Aufwärtsbewegung und drückt im OT auf Kolben bzw. die Lagerung, es bleibt also unter dem Strich weniger geleistete Arbeit an der Kurbelwelle übrig und der Motor wird gebremst. Man hört die Anregung der Schwingung auch deutlich von Außen, wenn der Motor nicht gerade mit Volllast brüllt. Deshalb wird eine klopfende Verbrennung auch Klingeln genannt.
Diese Klopf-Messung konnte allerdings relativ gefahrlos aufgezeichnet werden, da es sich um den Teillastbereich handelt. Die plötzlich auftretenden 63bar tun dem Motor nicht viel, wenn er für bis zu 120bar ausgelegt ist. Das Problem dabei ist, so kann man den Motor natürlich nicht betreiben und schon garnicht nicht unter Volllast, dann würde es wirklich gefährlich für den Motor werden. Und wie kann man das Problem lösen?
Eigentlich ist das heutzutage normal, dass man sportliche Motoren in den meisten Bereichen nicht optimal betreiben kann/möchte, da sie dort entweder Klopfen oder entsprechend schlechte Abgase/Geräusche produzieren. Eine hohe Verdichtung, mit hoher Zylinderfüllung und einem optimalen Zündzeitpunkt führt zu einer ziemlich heißen Verbrennung. Und da die Luft zu 78% aus Stickstoff besteht, entwickeln sich bei hohen Temperaturen daraus Stickoxide und das will man tunlichst vermeiden, genauso wie eine unnötige Anfettung, was zu hohen Kohlenwasserstoff und Kohlenmonoxid-Anteilen im Abgas führt. Denn um HC/CO/NOx im Abgas zu reduzieren/oxidieren braucht es einen 3-Wege Katalysator, der einen Haufen Geld kostet und umso größer wird, umso mehr Rohemissionen aus dem Motor bearbeitet werden sollen. Das zwingt einen allerdings auch in den entsprechenden Bereichen um Lambda 0.98-1.02 zu oszillieren, um den Kat abwechselnd mit HC und O2 zu beladen für die jeweiligen Reaktionen. Der Hersteller hat da also wenig Interesse an hoher Leistung in den meisten Last-Bereichen, sondern daran dass der Kat nicht zu teuer wird und die Vorschriften eingehalten werden. Der einzige Ingenieur, welcher in der Serie heutzutage noch etwas zu melden hat, das ist der mit dem Rotstift in der Hand.

Man könnte jetzt sagen, es war doch klar, dass der Einzylinder mit dieser Verdichtung schnell zu Klopfen beginnt, aber so klar ist das gar nicht. Schaut man sich die Superduke 1290 an, da ist ein Zylinder ähnlich groß wie von dem 660er-Versuchsmotor, mit auch 13,6:1 Verdichtung und sogar nochmal deutlich größere Kolben --> sehr hohe Klopfgefahr. Allerdings hat die KTM auch einen viel schöneren Brennraum und wird daher nicht so früh anfangen zu Klopfen. Und wenn es dann doch zu Klopfen beginnt, was kann man dagegen machen? Die Flamme in Kraftstoff ersäufen, durch Anfetten bis Ultimo? Zumindest mit Katalysator eher nicht und auch sonst ist das nicht die feine Art, man macht das besser über die Reduzierung der Frühzündung. Schauen wir uns die Auswirkung kurz an einem Beispiel an.
Nehmen wir an, für diesen Betriebspunkt sind im Diagramm 30°vOT (blau) ein optimaler Zeitpunkt für die Zündung. Der Druck steigt früh an und erreicht einen hohen Spitzenwert. Durch die nachfolgende Expansion kühlt das Gas ab und nimmt einen tieferen Druck an. Die Energie im Kraftstoff wurde gut ausgenutzt. Aber was macht man, wenn im Druckanstieg schon vor OT und nach der Zündung sich das Gemisch sich bereits in den Ecken von alleine entzündet und aus der fortschreitenden Verbrennung, eine zerstörerische Explosion (Klopfen) wird? Man muss entsprechend später zünden und somit den Druckanstieg verzögern, so wie es die rote Kurve macht mit nur 10° Frühzündung. Statt 53 werden nur 37bar Spitzendruck erreicht und das deutlich später und bei einem größeren Brennraumvolumen. Es wird also weniger Kraftstoffenergie in Arbeit an der Kurbelwelle umgewandelt und diese Energie muss irgendwo hin. Das Druckniveau und insbesondere die Temperatur liegen deutlich über der früheren Zündung (hier etwas übertrieben dargestellt zur Verdeutlichung). Und so können wenige Grad Zündung zu extremen Temperaturen im Auslass führen.

Bild

Das Bild kennt ihr bereits aus dem Video, es ist entstanden bei der Abstimmung, um das Klopfen zu vermeiden. Nimmt man paar Grad Zündung zu viel raus, dann knackt man die 1000°C im Auslass recht schnell. Das sieht optisch nach viel Power aus, wie wir aber jetzt wissen, ist es nur verschwendete Energie durch eine verspätete Zündung. Der Motor hat das allerdings unbeschadet ausgehalten, da die Auslasssteuerzeiten/Anlauframpen recht kurz sind und die Auflagefläche der Ventilsitze relativ groß ist, um die Wärme wieder loszuwerden. Bei größeren Ventilen muss man jedoch zusätzlich aufpassen, da sich die Fläche zur Wärmeaufnahme mit dem Durchmesser quadratisch erhöht, aber die Auflagefläche zum Sitzring nur linear vergrößert. Eine 1299 Panigale mit riesigen 40mm Auslassventilen hat 12,5cm² Ventilfläche zum Brennraum und 1,3cm² Ventilsitzfläche zum kühlen. Eine R6 mit 23mm Auslassventilen hat 4,2cm² und 0,7cm² am Sitzring. Also 3x weniger Fläche, aber immer noch über die Hälfte an Kühlfläche. Den Fahrer interessiert das normalerweise erst, wenn der Entwickler da zu wenig Sicherheit eingeplant hat und das Ventil zum Auspuff hinausfliegt :wink:
Wenn man einen Motor allerdings dauerhaft bei extrem hohen Temperaturen betreiben möchte/muss, wie beispielsweise Turbomotoren durch den Abgasgegendruck zwangsläufig, dann sollte man doch besser auf Inconel (Hochtemperaturfeste, Nickel-Chrom-Legierung für die Luft- und Raumfahrt) basierte Ventile setzen.

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Die endgültige Abstimmung erzeugt nicht ganz so extreme Temperaturen und wandert mit kleinem Puffer an der Klopfgrenze entlang. Vom Optimum ist es aber schon eine Ecke weit entfernt, was wir gleich sehen werden. So konnte dann die Leistung von dem Motor gemessen werden. Das läuft ähnlich ab wie auf dem Rollenprüfstand. Man gibt Vollgas und erhöht dann die Drehzahl der Wirbelstrombremse in kleinen Schritten, bis der Begrenzer sanft einsetzt.



Und das ist das Ergebnis. Die Serienleistung vom 660er-Motor wurde kurzerhand aus den Zeitschriften von damals übernommen, sie dient lediglich als Referenz zum Vergleich. Darüber liegen die neu gemessenen Kurven von Leistung und Drehmoment des Versuchsmotors. Bis 5000 Umdrehungen drückt der neue Motor nur wenig mehr, als die Serie. Allerdings nicht, weil er nicht mehr leisten könnte, sondern weil die Zündung deutlich zurückgenommen wurde, um nicht in den Klopfgefahr-Bereich zu kommen bei voller Last. Man sieht an der angesaugten Luftmasse, welches Potenzial der Motor eigentlich hätte, wenn man ein Kraftstoff mit hoher Oktanzahl einsetzen würde statt dem Super95.
Richtiges Volllast-Klopfen kann in Sekundenbruchteilen zum Ende eines Motors führen. Aber da eine klopfende Verbrennung Zeit benötigt bei der Kompression, wird das Verhalten mit steigender Drehzahl immer besser. Über 5000rpm konnte man sich mit der Zündung wieder annähern und ab 6000 wieder optimal zünden, was sich deutlich im Diagramm zeigt.

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Schlussendlich war noch eine Frage offen, wie geht es der Nockenwelle und den Hartchrom-Kipphebelflächen, wurde alles richtig ausgelegt und hat gehalten?
Alles ist in bester Ordnung, die nitrierten Nocken sind nicht eingelaufen und die Kipper Chromschicht nicht beschädigt. Schön zu sehen, wenn so ein umfangreiches Projekt am Ende tadellos funktioniert, trotz des hohen Zeitdrucks. In den Lagerstellen sieht man übrigens noch die externe Ölzufuhr, auch die hat einwandfrei ihren Dienst verrichtet, was bei lediglich einer Öl-Förderpumpe ohne Druck nicht selbstverständlich ist.

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Der Zylinderkopf wurde demontiert und mit dem Zylinder abgezogen, um an den Kolben zu kommen. Wie man sieht, sieht man nichts. Schäden durch eine klopfende Verbrennung würde man zuerst an den äußeren Kanten vom Kolben erkennen, die dann total zerfressen wären. Da der Motor allerdings nicht in der Volllast geklopft hat, durch die angepasste Zündung, hat er auch keinen Schaden genommen. Im Endeffekt funktioniert eine automatische Klopfregelung im Serien Steuergerät genau auf diese Weise. Dem Körperschall des Motors zuhören und beim Ansatz vom Klopfen, wird die Frühzündung reduziert. So können hoch verdichtete Sportmotoren auch in Amerika mit 87 Oktan problemlos betrieben werden.

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Nachdem die Masterarbeit fertig war und der Motor in seiner Miller-Form nicht mehr gebraucht wurde, ist aus dem Zylinderkopf ein Anschauungsobjekt geworden. Ein schönes Andenken und man kann interessierten Leuten am Objekt zeigen, worum es bei dem Projekt ging. Nur die Nockenwelle fehlt, sie wurde für das Folgeprojekt mit einem anderen Zylinderkopf weiter auf dem Prüfstand gebraucht :wink:

Kürzlich wurde ich gefragt, ob ich den Versuchsmotor auch genau so konstruiert hätte, wenn ich ihn komplett neu hätte entwickeln dürfen. Und tatsächlich würde ich sehr ähnlich vorgehen und wieder das 5-Ventil Konzept wählen. Allerdings würde ich eine kleinere Bohrung und dafür deutlich längeren Hub verwenden, mit insgesamt mehr Hubraum. Dadurch sinkt das Drehzahlniveau (Reibung/Zeit für Verbrennung) und es kann ein sehr schöner Brennraum mit wenig Oberfläche und trotzdem hoher Verdichtung gestaltet werden, um die Wärmeverluste und die Klopfneigung zu senken. Die Ventile würden über Rollen-Schlepp/Kipphebel betätigt werden, die sind reibungsarm und vorallem sehr robust auf Flächenpressung. Heutzutage würde man natürlich noch einen variablen Ventiltrieb einsetzen, dann wird es allerdings aufwendig und kompliziert, aber das war nicht Teil der Anforderung. Motoren aus Autos sind da schon deutlich näher dran, als Motorräder. Wie man gesehen hat, lässt sich jedoch vieles ändern für den entsprechenden Einsatz. Yamaha hätte sicher auch nicht gedacht, dass dieser Motor einmal für so etwas eingesetzt wird :mrgreen:

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Fazit:

Ich bin äußerst zufrieden mit dem Ergebnis des Projekts. Angesichts des derart knappen Zeitplans, kann von einem vollen Erfolg sprechen !
Erneut vielen Dank an alle Beteiligten des Unterfangens, ich durfte viel von Ihnen lernen und bin sehr dankbar, diese Möglichkeit am Motorprüfstand bekommen zu haben.
Die Masterarbeit hat nach der Verteidigung die Note 1,3 bekommen, das freut mich sehr :D
Der Formel1 Professor hat mir im Anschluss angeboten, mich für eine Doktorarbeit zu betreuen. Das Angebot empfinde ich als große Wertschätzung und Ehre. Allerdings weiß ich nicht, ob das wirklich die Richtung ist, in die ich gehen möchte.

Zum Schluss auch an Euch vielen Dank für das Interesse an dem Projekt. Hat mir viel Freude bereitet, das nochmal durchzuarbeiten.
Wenn ich mit meinen aktuellen Spielereien am Ende angelangt bin, wird es dazu sicher auch mal einen Beitrag geben.

Bis dahin, guten Start in die neue Saison!
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Tom-ek »

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Badeenten das ist es .... !!!!!!
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von businesskasper »

Geiler Scheiß. Danke dafür!
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