Grüß Dich,
der SC33 Motor läuft inzwischen wieder. Demnächst macht sich mein alter Herr ans Abstimmen der Vergaser. Die olle Doppelzündspulen CDI (4 Zyl. aber nur 2 Spulen) wird in den Ruhestand geschickt. Ich schreibe ein Kennfeld für die programmierbare Zündung und rüste auf GSXR Coil Plugs um, damit jeder Zylinder seinen eigenen Funken bekommt. Das ist notwendig, weil die alte Feuerklinge eine IMU Traktionskontrolle mit Wheelycontrol bekommt, das gehört doch heute zum guten Ton
Auf dem Prüfstand war sie vor dem Umbau bewusst nicht, da sie leider nicht dem Originalzustand entsprach (Airbox Basteleien vom Vorbesitzer, anderer Luftfilter und Auspuff, alles ohne Abstimmung). Daher wäre das nicht wirklich vergleichbar. Ich hoffe der Prüfstandbetreiber hat eine normale SC33 im Speicher, ansonsten muss ich mich mal nach einer Serien SC33 zum Vergleich umschauen. Werde berichten, wenn sich da was tut.
Jetzt kommen wir zum interessanten Teil, dem vorerst letzten Bericht für dieses Semester
In den letzten zwei Beiträgen gab es schon Andeutungen, um was es gehen wird, nämlich die 750er-Rennmaschinen der WSBK um die Jahrtausendwende. In diesem Fall geht es um die Suzuki Bikes auf Basis der GSX-R 750 SRAD, den XR Werksmaschinen. Diese hatten um die 170PS aus dem selben Hubraum, anstatt der serienmäßigen grob 130PS der SRAD. Das entspricht ziemlich der selben Literleistung wie die SBK heute hat, nur eben schon 25 Jahre zuvor.

Quelle: motoprint.co.za
Wer sich für die SRAD Boliden von damals interessiert, dem kann ich diesen Kanal wärmstens empfehlen:
https://www.facebook.com/XRTech.Info/
Der liebe ChefKoch ist auch der Grund für diesen Beitrag, denn er hat mir einen aufgeschnittenen Werkskopf der XR09 Werksreihe zum Untersuchen zur Verfügung gestellt.

Quelle:
ChefKoch's Feuerstuhl Thread
Um den Vergleichen zu können, wurde mir noch einen Serien 98er Einspritzer SRAD Zylinderkopf zum Vergleichen geliehen. Auf den ersten Blick gibt es wenig Unterschiede, aber der Teufel steckt wie so oft im Detail
Der äußere Guss ist tatsächlich gleich, das war's dann aber auch schon wieder. Innen drin kann der Hersteller beliebig viel ändern, auch während der Serienproduktion und das ohne eine neue Gussform. Die Innereien können mit anders geformten Sandkernen geändert werden und der Rest wird bei der maschinellen Bearbeitung erledigt.
Bei dem XR09 Kopf fallen vorallem die Kaskaden im Einlass auf. Diese sind aber nicht als aerodynamische Trickserei gedacht, sondern bilden eine Aufnahme für verschiedene Strömungs Inlays (siehe Bild oben). Damit lässt sich die Leistungscharakteristik des Motors für verschiedene Rennstrecken anpassen mit verschiedenen Steglängen. Auch die Auslassform sieht man so bei keinem Serienmotor. Die Tassenstössel sind zwei Nummern größer als bei der SRAD, um extrem scharfe Nocken verwenden zu können. Mit scharf meine ich allerdings nicht unendlich lange Steuerzeiten, denn das wird schnell kontraproduktiv, damit meine ich erhöhte Ventilbeschleunigung und -Geschwindigkeit, um schneller den Durchflussquerschnitt freizugeben und weiter zu öffnen. Hier sieht man den Vergleich zur Serie, die Öffnungszeit ist nur ein klein wenig länger mit +8%, jedoch ist die Höhe der Kurve massiv angestiegen auf +22%. Das ist nur mit entsprechend großen Tassenstössel möglich, da man sonst die Abnehmer Kreisfläche verlassen würde.
Die Sitzringe sind nicht aus einer Stahllegierung, sondern aus giftigen Beryllium-Kupfer für eine bessere Wärmeabfuhr (Den Bearbeitungsstaub sollte man nicht einatmen, gebunden ist es jedoch kein Problem).
Die Ventile stehen insgesamt um 3° steiler zueinander, um einen flacheren Brennraum für mehr Verdichtung bei selber Bohrung zu bekommen. Somit können auch die steileren Kanäle den Massenstrom mit weniger Umlenkung durchlassen, was dem Ladungswechsel zugute kommt. Außerdem sind die Ventile auch in der Position leicht geschwenkt, was auch größere Ventile ermöglicht, die in anderen Versionen des Zylinderkopfes auch eingesetzt wurden. Dieser untersuchte Kopf hatte jedoch die gleichen Ventildurchmesser wie die SRAD Serie, was es optimal für einen Vergleich macht. Man möchte ja meinen, durch die selben Ventile könnte auch nur der selbe Durchfluss hindurch gehen, aber ist das auch wirklich so?
Da kein Inlay mit dabei war, welches zum Strömungs messen benötigt wird, musste ein Ersatz her. Zum Glück wurden die CAD Daten vom ChefKoch serviert und so konnte oben direkt ein Trichter zum Messen drauf gesetzt werden und das Teil dann 3D gedruckt werden.
Die Flow Bench Messbox wurde kürzlich um ein Rohr erweitert, in dem sich eine Staudruck Messung (Prandtlsche Röhre) befindet, welche als zusätzlicher Messwert zur normalen MFM Messung genommen wird. Die Werte decken sich erstaunlich gut mit dem elektronischen Massenstrom Signal und so spare ich mir die Umrechnung in CFM in Abhängigkeit mehrerer Variablen. Außerdem ist mir die doppelte Sicherheit über zwei unterschiedliche Messprizipe einfach lieber, als einer elektronischen Blackbox blind zu vertrauen (auch wenn ich sie kallibriert habe).
Dann wurden die zwei Zylinderköpfe unter den selben Bedingungen gemessen. Man stellt unter den Ventilen einen Differenzdruck von einer 28 inch Wassersäule (~70mbar) ein und schaut wie groß der Durchfluss bei dem jeweiligen Ventilhub ist. Eigentlich recht simpel. Hier das Ergebnis:
Das ist wirklich ein sehr großer Unterschied für die selben Ventile. Normalerweise, wenn man am Einlasskanal "rumschleift", dann sieht man auf der Bench kaum, dass sich die Linien voneinander abheben. Aber woran liegt dieser große Unterschied? Die Serien Sitzringe und der Bereich dahinter sind bei der SRAD natürlich deutlich grobschlächtiger ausgeführt, aber das ist nicht der alleinige Grund für so eine Differenz. Es bedarf also einer genaueren Untersuchung und es kam die Frage auf, könnte man aus dem Serien SRAD Kopf nicht etwas machen, das der Werksmaschine nahe kommt? Sehr interessante Aufgabenstellung. Also direkt ans Werk gemacht.
Wie üblich wurden zuerst Abgüsse der Kanäle gemacht und diese mittels 3D Scan digitalisiert, um Form und Verlauf beurteilen und verarbeiten zu können.
Beim SRAD Abguss vom Einlass sieht man schön den angesprochenen Bereich oberhalb der Ventile. Die beiden Größenverläufe wurden übereinandergelegt und der Prozent mäßige Unterschied auf der rechten Achse dargestellt. Da hätte ich ehrlich gesagt größere Unterschiede erwartetet.
Die XR09 ist im Sitzring und kurz vor dem Ventilschaft einen Tick größer, aber nicht dramatisch. Was bei der SRAD stark auffällt, sind rechts die ersten 50mm in den Kopf hinein, die weit größer ausfallen als bei der XR09 Werksmaschine, was vorallem an dem fehlenden Mittelsteg liegr. Die Serien GSX-R750 SRAD hatte auch ziemlich riesige 46mm Drosselklappen damals (zum Vergleich, die SV650 hatte 2mm größere Einlassventile und nur 39mm Klappen). Aber warum fließt dann nicht durch den SRAD Kopf genauso viel oder gar mehr? Dafür müssen wir noch etwas tiefer hineinschauen. Die 3D-Modelle wurden dazu übereinander gelegt.
Man tut sich dabei einen großen Gefallen, wenn man die Ventile als Referenz mit digitalisiert. Denn so können die Modelle leicht übereinander gelegt werden, indem die Ventilschäfte und Dichtflächen fluchten. Das blaue Modell ist jeweils die XR09 und grün die SRAD. Da der Kanal der XR09 aufgesplitted ist, wurde nur eine Hälfte verwendet und für die Serie der komplette Kanal, also nicht wundern.
Man sieht sofort, trotz der ähnlichen Größe, ist die Form deutlich verändert. Die grüne SRAD Form erinnert mich stark an die TL1000R, welche auch zur selben Zeit entwickelt wurde. Sie hat diesen schönen Bogen, der innen wie ein D geformt ist (D-Shape). Diesen aerodynamischen Trick habe ich auch erst kürzlich bei der CBR SC33 genutzt. Er hat den Vorteil einer verbesserten Füllung, auch schon bei mittleren Drehzahlen. Aber der Bogen hat auch einen entscheidenden Nachteil, er lenkt den Gasstrom um und das mag dieser bei hoher Geschwindigkeit nicht gerne. Kurz gesagt, der Strömungswiderstand steigt an. Die XR09 zeigt dazu einen schönen Kontrast, denn der Kanal geht einfach nur gerade hindurch, man schaut quasi vom Ansaugtrichter in den Brennraum gerade rein. Noch dazu macht die Werksmaschine im Größenverlauf nicht solche großen Sprünge wie die SRAD und somit wird das Gas besser beschleunigt für den Nachladeeffekt bei höchster Drehzahl. Dafür ist die Füllung von geraden Kanälen bei im ersten Drittel bis zu den mittleren Drehzahlen oft nicht ganz so gut wie die gebogenen Kanäle. Aber ich behaupte mal, das wird die Werksteams wenig gestört haben, solange oben rum ordentlich Feuer kommt
Die große Frage bleibt aber noch, könnte man den Serien Kanal von der Form dem Werkskopf entsprechend angleichen?
Dafür wurde untersucht, wo dem Serien GSXR 750 SRAD Kanal Material fehlt und wo zu viel davon vorhanden ist. Auf den ersten zwei Bildern wurde das SRAD Model aus dem XR09 heraus geschnitten. Man sieht also wo die Serie zu viel Material hat, was einfach durch Materialabnahme gelöst werden könnte. Der Bereich über dem Sitzring müsste etwas ausgearbeitet werden, der D-Shape komplett entfernt werden und ein wenig an der einlaufenden Wand.
Jetzt geht es genau anders herum. Es wurde das XR09 Model aus dem SRAD Kanal geschnitten und somit sieht man, wo zu wenig Material vorhanden ist. Der Bereich um den Ventilschaft bräuchte etwas mehr, das könnte man zB. auch mit Kaltmetall oder klassisch mit Schweißen lösen. Wie das obere Größenvergleichsdiagramm uns schon gezeigt hat, fehlt im Kanal Eingangsbereich einiges an Material. Da könnte man ein entsprechendes Inlay gestalten, was in die Serien SRAD Form hinein passt und auch die zwei Passagen trennt.
Als Beispiel für die Wandstärke, an dieser Stelle ist die Differenz bei 1mm, welche aufgefüllt werden müsste.
Auf diese Weise würde man der Werks-Kanalform schon sehr nahe kommen und vom Durchfluss damit auch in die selbe Region. Für den Auslass bleibt wegen der Temperatur nur das Aufschweißen oder ein Stahl Inlay, aber auch da kommt man ziemlich gut an das Vorbild heran.
Mir ist natürlich bewusst, dass ich hier einiges stark vereinfacht habe und "nur" durch so einen Zylinderkopf wird aus einem 130PS Serienmotor noch lange kein 170PS Bolide. Der britische Artikel über die Honda Werks 750er zeigt deutlich, was damals für ein enormer Aufwand in diese Klasse geflossen ist. Es würde aber den Rahmen etwas zu sehr ausdehnen, noch Aspekte wie Abgasanlage, Ansaugtrakt etc. zu beleuchten, der Bericht ist ja auch so schon lang genug
Von daher vielen Dank für die Treue und bis bald!