R6-Pille hat geschrieben: Ich weiß nicht von vom du die Aussage "Befüllung mit trockener Luft" hast, und sie mag auch korrekt sein, bisher konnte jedoch noch niemand diese Aussage physikalisch erklären.
Ich kann ja mal einen Versuch starten, um das mal ungefähr zu quantifizieren. Bisher haben wir (einige hier inkl. mir) ja nur geschätzt, dass es vermutlich keinen wesentlichen Unterschied macht.
Annahme: (von diversen Quellen bestätigt, kann man ganz schnell googeln)
Gase wie Luft, Stickstoff, feuchte Luft etc. verhalten sich bei den Druck- und Temperaturbereichen, wie wir sie in unseren Reifen finden, wie ideale Gase.
Daher gilt
1. : dT = dQ/C , dT= Temperaturerhöhung des Gases, dQ = zugeführte Wärmemenge, C= Wärmekapazität des Gases
2. : p/T = konstant, p= Reifendruck (absolut), T = Temperatur des Gases im Reifen
Wie genau diese Annahme ist:
Hier die Realgasfaktoren Z von Luft gemäss VDI Wärmeatlas. Das ist der Faktor, den man eigentlich noch berücksichtigen müsste, also der Faktor, um den das "konstant" in Annahme 2. nicht stimmt, weil es eigentlich "konstant x Z " ist:
1bar, 25°C --> Z = 0.9997
5bar, 25°C --> Z = 0.9984
1bar, 100°C --> Z = 1.0001
5bar, 100°C --> Z = 1.0006
Also bei Druckunterschieden von weniger als 0.5bar und Temperaturunterschieden von weniger als 50°C sprechen wir von max. 0.2 Promille Abweichung von der idealen Gasgleichung. Also wer jetzt noch das Gefühl hat, das ideale Gas sei "nur Theorie" und somit sinnlos, weil wir hier in der Realität sind, mal Hand heben.
Ich rechne mit der spezifischen Wärmekapazität für isobare Prozesse (cp). Dafür finde ich viele übereinstimmende Quellen. Eigentlich ist es weder ganz isobar noch ganz isochor, weil sich der Reifen ja auch bissi ausdehnt. Aber für den vergleich der verschiedenen Gase macht das absolut keinen Unterschied, zumal der Isentropenexponent kappa = cp/cv bei den hier diskutierten Gasen identisch ist und wir von vergleichsweise sehr kleinen Veränderungen sprechen in Bezug auf die Grösse der Konstanten
Folgende Gaseigenschaften (im Bereich von typischen Reifendrücken und -Temperaturen) finden sich u.a. auf Wikipedia:
kappa (Luft) = 1.4
kappa (Stickstoff) = 1.4
cp (feuchte Luft) = 1.030 kJ/kgK
cp (trockene Luft) = 1.05 kJ/kgK
cp (Stickstoff) = 1.040 kJ/kgK
cp (Wasserdampf) = 2.020 kJ/kgK
Szenario: Wir haben 90°C im Reifen (also das Gas im Reifen drin) bei 2 bar, unser Zieldruck im Rennen ohne Windschatten. Dann kommt die Windschattenfahrt, der Gummi erwärmt sich daher um ca. 30°C (grosszügige Annahme). Entsprechend transportiert er eine bestimmte Wärmemenge ins Gas im Reifen, dieses erwärmt sich, abhängig von der Wärmekapazität des jeweiligen Gases auf eine bestimmte Temperatur. Wenn wir jetzt also die Wärmemenge gleich halten und die Wärmekapazitäten berücksichtigen, dann können wir ausrechnen, wie sich die Gastemperaturen verschiedener Reifenfüllgasen entwickeln.
Also gehen wir erstmal von einer Temperaturerhöhung von feuchter Luft (100% Luftfeuchte) von 30°C aus, erhalten eine dafür benötigte Wärmemenge X. Wenn wir jetzt die gleiche Wärmemenge X auf trockene Luft oder Stickstoff geben, werden andere Temperaturerhöhungen rauskommen wegen der unterschiedlichen cp der verschiedenen Gase.
Mit 1. folgt also:
dT (100% feuchte Luft) = 30°C gemäss Szenario
dT (trockene Luft) = 30.7°C
dT (Stickstoff) = 29.7
Dies angewendet auf 2. ergibt also den Reifendruck nach dem Wärmeeintrag durch den Windschatten, wo sich feuchte Luft von 90°C auf 120°C erwärmen würde:
p (100% feuchte Luft) = 2.248 bar
p (trockene Luft) = 2.254 bar
p (Stickstoff) = 2.246 bar
Man beachte, dass sich die Druckerhöhung in etwa deckt mit den Aussagen der MotoGP Fahrer, die sprechen von bis zu 0.3bar Druckerhöhung. Die Annahmen und die Rechnung scheint also nicht grottenschlecht zu sein.
Wir reden also von nem halben Zehntel bar Druckunterschied von trockener gegenüber feuchter Luft bzw. Stickstoff. Wobei sich der Druck bei dry gas MEHR erhöht als bei feuchter Luft. Und hierbei hab ich nicht mal berücksichtigt, dass warme Luft mehr Wasser dampf enthalten kann als kalte, also das cp von feuchter warmer Luft wohl noch höher ist (vgl. cp(Wasserdampf)).
Mit Stickstoff ist die Druckerhöhung in der Tat am geringsten. Um satte zwei hundertstel bar gegenüber normaler Luft.
Fifth gear hat sogar ne grössere Druckerhöhung bei Stickstoff gemessen als mit Luft. Ist leider der einzige "Test" den ich gefunden habe, der unter einigermassen kontrollierten Bedingungen mit entsprechenden Angaben gemacht wurde (abgesehen von dem sonstigen Quatsch, den sie z.T verzapfen in dem Video). Ansonsten finden sich im Internet scheinbar wirklich nur blanke Behauptungen und theoriebasierte Schätzungen.
https://www.youtube.com/watch?v=kmnZ4-EUbIk
Nur falls es wen interessiert. Mich interessierts halt

Und man darf gerne begründet meine Rechnung und Überlegungen und Annahmen kritisieren.