Heute ist ein schöner Tag. Die Sonne scheint. Ich habe die schnelle Unterwäsche an. Die gute von Held. Mit einer Flasche Wasser und meinem Faltstuhl zockele ich in Richtung Coaching-Box. Glücklicherweise sind wir uns alle einig, dass ich vor zehn nicht fahre.
Mir ist doch etwas mulmig. Mit dem besten Frenglish, was ich habe, schildere ich mein Problem und was ich gerne von dem Coaching hätte. Er ist nett und hört brav zu. Und dann testen wir die Kommunikation. Alo, Alo? Ich höre was. Und es scheint laut genug zu sein. Der Monsieur wird mir mit einer Kamera hinterherfahren. Ich werde also alles auf Video bekommen, was wir heute zusammen fahren. Dachte ich...
Ich werde also in meinem rechten Ohr einen kleinen Monsieur sitzen haben.
Erste Kurve - ich höre FRANZÖSISCH.

kann doch nicht wahr sein. Das passiert immer wieder, egal in welcher Sprache. Es hört sich ausreichend ordentlich an (die zwei Wörter, die ich kann) und dann quasseln die Leute los. Mein Frenglisch war so überzeugend, dass ich wohl eine Steilvorlage für ein Coaching auf Französisch geliefert habe. Er fährt mir brav hinterher. Das Französisch, was ich höre, ist auf jeden Fall zu leise. Dann fährt Monsieur le Coach auch mal vorne und dann weg. So schnell kann ich nicht abbiegen. Außerdem finde ich spontanes Verlassen der Strecke ohne vorherige Anzeige doof. Bei mir piepts. Dann ist der Turn zuende und ich kann den Helm absetzen. So schnell und so freundlich wie möglich versuche ich, klarzumachen, dass ich zwar, aber nicht sooo gut fahren, hören und zusehen kann und bitte für den nächsten Turn um die englische Version.
Auf meiner Uhr standen 2:16-17-18 und was mit Verkehr noch so möglich war. Aber das war mir zu dem Zeitpunkt weder bekannt noch wichtig.
Wir schauen das Video. Monsieur le Coach hat nicht viel zu meckern. Auch, wenn mir das etwas peinlich ist, wie ich da um die Kurven biege. Wieder alles stock und steif, dabei wollte ich das doch gar nicht. Aber er hat einen Tipp für die kurveninnere Seite. Ich soll den Stummel doch lieber etwas eingedreht anfassen. Dann kommt der Ellenbogen automatisch mehr nach vorne und die Schulter auch. Hm. Da hatte ich nie drüber nachgedacht. Und ich lenke zu früh ein. Moaaah, wie konnte das passieren.

Ich war eigentlich immer, also früher, sehr spät mit dem Einlenken, sogar so spät, dass es zu spät für das Vorderrad war. Danach gab ich mir Mühe, früher einzulenken. Deswegen wollte ich nicht mehr hinfallen. Und jetzt war es zu früh.
Und dann das Anbremsen vor der Corkscrew: "you brake here - I want you to break at 100." "same here" " and here." "here, you break at 200, not 300." Ooooh. Das auch noch. Mimimiii.
Während ich in meinem Faltstuhl versuche, die müden Beine, Arme und Schultern zu entspannen, sickert der Input langsam durch mein Gehirn. Anders anfassen...später einlenken. 100.200.
Der nächste Turn ist unser letzter vor dem Rennen. Ich nehme mir vor, gewissenhaft zu üben, aber mich nicht zu sehr auszupowern. Als ich den Helm aufsetze, habe ich den rechten Hörenstopfel absichtlich weggelassen, damit ich ja gut zuhören kann. Solange er hinter mir ist, klappt es koordinativ noch ganz gut. Ich höre sogar öfter "good". Und ich gab mir wirklich Mühe, denn nichts ist nervtötender als der beratungsresistente nicht lernfähige Schüler. Das wollte ich nicht sein.
Und dann fuhr er vor mir her. Und ich war verloren. Monsieur le Coach erklärte mir, was ich machen sollte auf Englisch, ja, aber mit französischem Akzent und Motorengeräusch im Hintergrund, während ich versuchte zu begreifen wie er fuhr, um dann hinterherzufahren. Egal ob mit oder ohne Affen. Das war nicht zu schaffen. Das rechte Ohr schaltete ab und ich versuchte, mich auf das reine Hinterherfahren zu konzentrieren.
Am Ende des Turns war ich fix und fertig. Und hatte nicht einmal mehr eine Stunde bis zum Rennstart. War ich überhaupt qualifiziert? Keine Ahnung, eventuell hatte die 2:15 gereicht. Aber wir waren hier mit schnellen Franzosen und Speer. Da hatte ich vielleicht doch nichts verloren.
Monsieur le Coach erklärt mir, dass ich doch mal eine Pause während der Fahrt machen sollte. Ich säße ja komplett aufrecht. Ich will das nicht glauben, aber er hat den Videobeweis. Er grinst mich an und sagt: "you need to put the boobs on the tank", ich entgegne, dass ich das doch schon täte, es wären nur ziemlich große Boobs. Wir lachen. Ernsthaft betrachtet versuche ich, mir eine Strategie auszudenken, wie ich noch platter auf den Tank passen könnte. Und da hat er auch einen Hinweis. Ich möge doch die Arme anwinkeln auf den Geraden und mal locker durchatmen.

Das ist neu. Zumindest für mich. Für die Kollegen MotoGP eher nicht.
Und wie immer, die Linie ist nicht ganz schlecht, aber in der letzten Kurve, da muss ich noch mehr Schwung mitnehmen, kann noch weiter raus, noch schneller im Scheitelpunkt, noch weiter an das Bunte ran. Ich hatte endlich den Plan für das fehlende Drittel.
Irgendwann kommt Henning mit den kleinen Terroristen vorbei und bestätigt, dass ich tatsächlich starten darf. Jetzt aber schnell noch ein kleines Rennfahrermittag und dann ist es schon so weit. Mein rechtes Ohr dröhnt noch. Ich wusste nicht, dass die kleine R6 so laut ist. Kein Wunder, dass alle was gegen Rennstrecken haben. Vorm Rennen bloß die beiden Stopfel nicht vergessen...Tanken nicht vergessen...Airbag nicht vergessen...Pipi nicht vergessen.
Das 1000er Rennen läuft schon. Es gibt eine Verzögerung. Pipi nochmal nicht vergessen. Und was trinken. Und dann nochmal Pipi.
Ich bin fast gar nicht nervös.
