Nach der Mittagspause nutze ich den Turn, um das flüssige Fahren zu üben. Entsprechend lud ich uns wieder eins, zwei Sekunden auf - während unser Henning jetzt schon weiter an Bestzeiten zu feilen schien. Er war nicht darum verlegen, mir immer wieder die letzte beste Runde kundzutun.
Unser Henning. Den es so gar nicht störte, dass es in Misano eine Niederlage für ihn gab. Und das sogar im Rennen.
Unser Henning. Der überhaupt gar nicht ständig schaute, was ich so gefahren war.
Unser Henning. Der eine Reihe vor mir stand und mich so klar in die Schranken verwiesen hatte.
Wir geben nicht auf. Die beiden Affen sahen sich fest entschlossen an. Noch nicht. Vielleicht würde ein Wunder geschehen. Ich kniff die Augen zusammen. Einfach losfahren. Guter Plan.
Zunächst lief ich einfach los, zum Klohaus. Wer viel Kaffee trinkt, der muss auch viel laufen. Dann prüfte ich die Reifenwärmer. Groß war die Sorge, dass der Capit mit Wackelkontakt dann doch zwischendurch unbemerkt den Geist aufgab. Alles war in Ordnung. Der Wuschel und der Irokesenmann wünschten uns viel Erfolg und verabschiedeten sich schon einmal.
Uh, noch schnell den Zopf neu wickeln, Hörenstopfel einlegen und dann den Helm aufsetzen.
Und dann war es soweit. Die Strecke war freigegeben. Irgendwo hinter dem Henning fuhr ich los und irgendwo hinter dem Henning hielt ich an. Es gab sogar Zuschauer.

"Na, dann mach mal nichts Peinliches", flüsterte ich zu mir selbst. Da war der Flaggenmann. Und ich fuhr einfach los. Langsam aber sicher bewegte sich die Kombination aus Andrea und R6. Links schoss ein oranger Blitz vorbei, aber auch das störte mich nicht. Der gehörte zwar nicht vor mich, aber das würden wir später noch geradebiegen. Nur der Henning fuhr irgendwie so gar nicht einfach los, aber wir wollten ja auch nichts überstürzen, war ja nur die Aufwärmrunde. Dachte ich mir.
Relativ gut und zügig fahren wir die Aufwärmrunde zuende, und es gibt keine Probleme mit dem Finden der richtigen Startposition. Läuft. So kann man Rennen fahren. Also theoretisch, denn praktisch ist es fürchterlich kalt und windig und ich möchte, dass es schnell vorbei ist. Wenn es denn mal angefangen hat.
Startsignal. Ich fahre einfach nur los und nehme noch den orangen Blitz zur Kenntnis, bevor ich ins stocken komme. Da parkt der Henning. Direkt vor mir. Also er parkt nicht direkt, aber gestartet scheint er auch nich zu sein, so dermaßen langsam, wie er rollt. Ich suche den Weg links vorbei. Und lasse, weil ich nett bin und weil ich nichts von Zickzack halte, dem Henning seinen Platz, den er wohl für seine aufsteigende Beschleunigung brauchen wird. Kurz bevor ich das linke Orange überholen kann, kommt ein Schwarzes von rechts - da schneidet mich ebendieser Henning von rechts außen und ich muss in die Bremse.
Das Resultat davon ist, dass ich die nächsten Kurven damit beschäftig bin, diejenigen auszusortieren, die so gar nicht vor mich gehören. Unser Henning fährt weg.
Irgendwann hänge ich hinter einem Neonmännchen auf einem kleinen, schwarzen Gerät. Später sollte ich lernen, dass das eine PC37 war. Ein Oldtimer. Wir spielen "wer überholt wen", und so lange ich noch Ambitionen habe, irgendwann den Henning einzusammeln, mache ich auch mit. Dann verfährt sich Neonmännchen. Ja, ich könnte innen vorbei, ja, das hätte gepasst, aber höflich wie ich bin, lasse ich Neonmännchen wieder auf die Strecke. Ich habe keine Lust mehr auf Überholspielchen. Er darf gerne vorfahren.
Unser Henning ist ein paar Plätze weiter vorne, den würde ich eh nicht kriegen. Und ehrlich gesagt, ist mir immer noch kalt. Es könnte also gerne abgewunken werden.
Wird es.
Nach der Korrektur dessen, was unser Henning angerichtet hatte, bis zum Verfahrer vom Neonmännchen konnte ich zumindest konstante 44er fahren. Runde für Runde. Und noch ein kleines bißchen besser als im Juni. Vielleicht wäre mit mehr Henning im Sichtbereich und weniger Neonmännchen im Weg noch eine hohe 43er drin gewesen. Wer weiß. Ich hatte mich irgendwo nach Runde zwei aktiv dazu entschlossen, nicht alles zu geben.
Schließlich wollte ich alles heil nach Spanien mitnehmen. Oktobersonne und Urlaub warteten auf mich.
Und das hier? Das hier war Oschersleben. Es war gruseliges Wetter. Unser Henning war noch fast zwei Sekunden schneller als ich, aber es könnte immer wieder irgendwann ein Oschersleben geben. Vielleicht sogar im nächsten Jahr.