Ich bin nun schon seit einiger Zeit hier im Forum stiller Mitleser und habe bisher viele wertvolle Tipps erhalten. Danke dafür. Auch dieses Thema hier sehe ich als wertvoll an, es zeigt nämlich wie die Bevölkerung bei diesem Thema "tickt".
Grundsätzlich ist Corona ein hochemotionales Thema, weil es jeden angeht. Egal, ob arm, ob reich, egal welches Alter, jeder will gesund bleiben, also hat auch jeder eine Meinung dazu, was prinzipiell richtig und wichtig für unsere Staatsform und das gesellschaftliches Zusammenleben in einer Demokratie ist.
Allerdings sehe ich seit gut einem Jahr wie sehr offensichtlich Meinungen durch Darstellungen, sagen wir mal, gelenkt werden.
Alles fing an mit den "Bildern aus Italien", die niemand bei uns sehen will. Bis heute weiß ich eigentlich nicht wirklich, was für Bilder da überhaupt gemeint sind. Ich erinnere mich noch gut an den Anfang der Pandemie als plötzlich Virologen allen voran Drosten und Streek überall zu sehen und zu hören waren, die schnell mit Zahlen um sich warfen, 5 % Letalitätsrate, uff. Gleichzeitig wurden Prognosen abgegeben wie schnell sich Corona in Deutschland verbreiten wird, ohne Maßnahmen Peak im Juni, mit Maßnahmen Peak im September, "Durchseuchung" erst wenn 2/3 der Bevölkerung Corona hatten, wer eins und eins zusammenzählen kann, der wusste, dieses Szenario hätte unsere Gesellschaft nur sehr schwer stemmen können. Zum Glück behielten sie nicht recht. Allerdings wurde eins damit erreicht: Die Bevölkerung war in Panik versetzt, die Deutschen kauften Toilettenpapier. Da sieht man mal wie irrational die Entscheidungen der Leute sind.
Im Sommer hatten wir dann relative Ruhe, die Politik warnte vor der 2. Welle, getan wurde wenig. Ähm, doch: wir tragen jetzt Masken, obwohl sowohl das RKI als auch die WHO keinen wissenschaftlichen Beleg kannten, dass es etwas bringt. Erst reichten Stoffmasken, die waren genau so gut wie andere, und ganz wichtig: Wir tragen Masken, weil wir andere schützen, nicht uns selbst. Wer keine trägt ist nicht gesellschaftsfähig, man könnte fast sagen asozial. Mitlerweile hatte man dann auch eine Begründung gefunden: um den Ausstoß von Aerosolen einzudämmen. Die gleichen Leute werden heute übrigens von der Politik ignoriert, weil deren Erkenntnisse gerade nicht ins Bild passen.
Dann kam die zweite Welle mit tausenden Toten, das Virus war in den Einrichtungen angekommen, wo die Schwächsten der Gesellschaft leben. 8 Monate Erkenntnisse reichten nicht um funktionierende Konzepte zu erarbeiten und diese Menschen zu schützen. Darüber hat aber keiner ein Wort verloren.
13 Monate später, sind wir in Deutschland, was die beschlossenen Beschränkungen betrifft, im Prinzip keinen Schritt weiter auf dem Weg in ein normales Leben. Die Menschen sollen Kontakte einschränken, Freizeitaktivitäten finden im Prinzip nicht statt, Großveranstaltungen schon gar nicht und überhaupt. Zuhause bleiben ist angesagt. Und das aller Schlimmste: Man hat keine Perspektive. Die Politik hatte schon relativ schnell propagiert: "Das Leben wie wir es kannten, wird es so nicht mehr geben."
Die brennensten Frage, die sich mir stellt: Wie wollen wir auch diesen Schlamassel jemals wieder herauskommen? Die Inzidenz, die irgenwann mal die Verdopplungszeit, den R-Wert oder weiß der Geier abgelöst hat, ist zur Entscheidungsfindung gänzlich ungeeignet. Man kann die Werte weder zeitlich, noch zwischen den Staaten miteinander vergleichen. Die Teststrategie wurde bei uns ständig geändert, mal brauchte man Sympthome, mal eine Kontaktperson, mal beides, jetzt einen positiven Schnelltest, usw. und das alles nur um zu dem "Goldstandard" den PCR-Test zugelassen zu werden, der dann zur Findung der Zahlen dient. Aber wie will man irgendetwas vergleichen? Wenn man nichts vergleichen kann, wie will man Maßnahmen ableiten? Wenn man dann doch irgendetwas ableitet, kommt dabei nur Murks raus - ein Aufhalten an der Ostsee ist nicht möglich - aber Urlaub in afrikanischen Staaten, die man im Allgemeinen als "Dritte-Welt-Länder" bezeichnet, ist ohne Probleme möglich - kein Risikogebiet. Warum nicht? Die haben andere Probleme als millionenfach zu testen. Über solche Dinge wird nicht berichtet, die Zahlen werden aber jeden Tag vorgelesen, hinterfragt wird rein gar nichts.
Viele wissenschaftliche Erkenntnisse, wie z.B. Antikörperstudien gibt es, finden aber in der öffentlichen Berichterstattung keine Beachtung. Streek war einer der Ersten, die damals in Heinsberg auf diesem Gebiet geforscht haben, mittlerweile ist er aus der breiten Wahrnehmung - im Gegensatz zu Drosten - weitgehend verschwunden. Aber um ein Infektionsgeschehen innerhalb einer Bevölkerung besser einschätzen zu können, ist das m.E. essentiell. Oder aber man testet eine repräsentative Stichprobe z.B. wöchentlich. Funktioniert doch bei Wahlergebnissen auch. Dann wüsste man genau wie sich das Infektionsgschehen entwickelt, kann früher entsprechende Maßnahmen treffen und vor allem kann man Zahlen vergleichen.
Was die Intensivbetten betrifft: Ich zweifle nicht an den Zahlen, die veröffentlicht werden. Allerdings macht mich stutzig: wir haben 5.000-Corona-Intensiv-Patienten und unser Gesundheitssystem steht kurz vorm Zusammenbruch? Unser Gesundheitsminister hat eine halbe Milliarde Euro für 10.000 zusätzliche Betten locker gemacht. Von diesen Betten ist irgendwie gar keine Rede (mehr). Gleichzeitig ist es für jeden, der danach sucht, offensichtlich, dass die Zahl der Insensivbetten vor Corona höher war. Ich verstehe, dass im Dezember und Januar viele Angestellte ausgefallen sind, weil sie selbst infiziert oder in Quarantäne waren. Diese Tatsachse galt damals, aber mittlerweile sollten sie doch alle geimpft sein? Wenn diese nicht mehr zur Verfügung stehen, muss das andere Gründe haben. Der mit Abstand größte Klinikbetreiber in Deutschland fährt gleichzeitig in einem Pandemiejahr einen Rekordgewinn durch zusätzliche staatliche Transferzahlungen und Einsparungen ein? Warum wird darüber nicht berichtet? Für mich ist das ein riesiger Skandal. Ich denke hier wäre die Politik auch in der Pflicht (gewesen).
Am meisten ärgere ich mich aber über die Berichterstattung der Proteste und Demonstrationen. Welche Möglichkeit habe ich aktuell um meinen Unmut über die Maßnahmen zu äußern? Ich kann nur auf die Straße gehen. Aber das wird entweder im Vorfeld verboten (schlimm genug, dass das überhaupt möglich ist - wir leben schließlich in einer Demokratie) oder aber ich muss mich in eine Schublade stecken lassen. Ich bin mit Sicherheit kein Querdenker, kein Impfgegner, kein Covidiot, kein Pandemieleugner, kein Verschwörungstheoretiker oder sonst irgendwas, aber dennoch hinterfrage ich Dinge und bin aufgrund dessen mit den auferlegten Tatsachen nicht immer einverstanden - größtenteils weil ich eben keine Antworten auf meine Fragen bekomme und vieles einfach willkürlich und nicht logisch ist.
Nach 13 Monaten bin ich irgendwie ausgelaugt und müde. Ich habe durch Corona bisher im Gegensatz zu vielen anderen keinen direkten finanziellen Nachteil (und auch keinen Vorteil wie wenige andere
). Ich arbeite auch nicht mehr oder weniger. Aber ich habe diese Gesamtsituation satt. Ich werde ständig hingehalten, ich kann nichts planen, ich kann mich auf nichts freuen. Viele Dinge, die früher selbstverständlich waren, gehen heute nicht mehr und wenn doch, dann nur unendlich kompliziert. Soziale Kontakte habe ich größtenteils nur noch zu meiner engsten Familie, meine Großeltern haben ihre Ur-Enkelkinder seit Monaten nur über ein Display gesehen. Ich bin sogar schon so weit und schaue mir täglich - obwohl ich weiß, dass sie nichts aussagen - die Corona-Zahlen an, nur um zu hoffen, dass unsere Politik vielleicht mal wieder die Zügel lockern könnte.