Frühjahr 2008 - eine lange, lehrreiche und schmerzhafte Zeit.
Teil 1: Einleitung
Mein Vater lud meine Familie, darunter auch mich, auf einen letzten gemeinsamen Winter-Urlaub ein. Hintergrund war, dass ich bald meine Diplomarbeit beginnen und daher auch das Studium beenden würde und mein Bruder fing gerade an.
Ich fahre auf Schnee halt statt auf zwei Skiern auf einem Brett und gehe nicht gerade sanft mit dem Material und mir um. Aber ich mach für euch mal eine Zusammenfassung:
So stellte sich später heraus, dass ich mir jeden Tag eine andere Verletzung zugezogen habe. Der linke Fuß, die Seite, der Hals, der Rücken, und am letzten Tag eben die Schulter. Wie kam es dazu? Ich wollte meinem Dad am letzten Tag einfach mal zeigen was ich tolles draufhabe und wollte mit einem schicken Sprung in den Tiefschnee usw… naja das Ende vom Lied war, dass ich den Sprung verfehlt habe, nach mehreren Schrauben und Salti auf der Piste zu Boden ging und die Schulter ausgekugelt war. Ich lag dann da, mein Dad fragte wie es mir ginge. Ich, als starker Junge, liess ihn zwar merken, dass nicht grad alles perfekt läuft, aber dass es schon gehen würde und man auf GAR KEINEN FALL diese Sanis mit den Schlitten rufen solle. Also kugelte ich mir die Schulter nach ein paar Sekunden der inneren Ruhe wieder ein und bin auf dem Brett den Abhang runter und dann hab ich das Brett in die Ecke gefeuert und den Schmerz mit Alkohol bekämpft. Das ereignete sich am 1.4. .
Da ein Renntraining für den 5.4. gebucht war, habe ich den Urlaub verkürzt, zum Entsetzen meines Vaters, dass ich so was „Bescheuertes“ dem Ski-Urlaub vorziehe. Naja, er ist eben unwissend. So verbrachte ich also den 2.4. in Zürich mit einem Freund und bin abends zurück nach Berlin geflogen.
Am 3.4. hatte ich mich mit einem Bikerkollegen in der Garage verabredet, wo unsere Bikes zusammenstanden, um diese für die Renne fertig zu machen. Es sollte sein erstes Mal werden.
Ich musste also aufgrund mehrerer schlechter Aneinanderreihungen von Geschehnissen – nennt sich auch das Leben – alles, was ich im Winter erledigen wollte, in 2 Tagen schaffen.
Dank intensivem Schrauben, fluchen, basteln, und noch mehr fluchen gelang es mir dann schlussendlich das Bike am 4.4. fertig zu machen.
Auf jeden Fall haben wir dann seine RSV Mille und meine 7R verladen. Eine Bekannte, die mein Bikerkollege kannte, wollte unbedingt mit. Sie ging mir eigentlich gehörig auf den Keks, da diese mit Verspätung erschien und ich sowieso nur noch an Oschersleben und meine Freunde vor Ort denken konnte.
Wir machten uns dann zu dritt, mit 2 Bikes und viel Gerödel auf den Weg.
Auf dem Weg nach OSL regnete es natürlich und im Armaturenbrett leuchtete die ganze Zeit eine Anzeige, die mir sagte: Morgen wird es saukalt werden!
Langsam fing ich an mich zu fragen, wie ich bitte auf die Idee kommen konnte ein Renntraining in Dtld. Am 5.4. zu buchen. Dann fiel es mit wieder ein. Da ich im Jahr zuvor im Mai schon in kurzen Hosen rumlief, kann es im April nicht viel schlimmer sein. Naja zumindest was das die Aussage, die mir gegeben wurde, die ich auch noch geschluckt und geglaubt habe.
Also kamen wir an, natürlich regnete es, aber meine Freunde waren da und wir schlugen unser Lager auf.
Und irgendwann, nach vielen Benzingesprächen ging es für mich ins kalte Zelt in den kalten Schlafsack. Die Nacht sollte einfach wunderbar werden. Bei dem Gedanken bei so einem Wetter zu fahren wurde mir immer unheimlicher. Denn bis dato war ich nur einmal zuvor auf der Renne und nur Landstraßenfahrer. Ich bin zwar auch manchmal bei Regen gefahren, aber eher unfreiwillig und auch nicht gern (das änderte sich aber nach dem Tag).
Teil 2: Der Renntag und mein erster Sturz
Der Tag fing an, wie er nicht anders anfangen konnte: KALT UND NASS – ich war überglücklich! Mein zweites Mal auf der Renne und dann diese wunderbaren Bedingungen.
Als ich also unter der warmen Dusche stand, um meinen Körper auf mehr als die 7° Außentemperatur zu bringen, schoss mir wieder durch den Kopf, dass ich doch eben erst aus dem Skiurlaub wiederkam – aber die Schweiz schien so weit weg von Oschersleben auf der Landkarte, aber an diesem Tag war die Schweiz wirklich um die Ecke!
Aufgrund meiner Verletzungen aus dem Snowboardunfall, der wie gesagt nur 4 Tage zuvor endete, hatte ich ja auch Einschränkungen in Bezug auf schmerzfreie Bewegungen – es gab nämlich keine schmerzfreien mehr!
Also musste man mir in die Lederkombi helfen, denn die Schulter konnte ich ja nicht bewegen. Man musste mir in den linken Stiefel helfen usw… Ich zog daraus resultierend auch den Schluss, dass ich an dem Tag nichts mehr davon ausziehen werde, außer dem Helm. Der Regen bekräftigte mich auch dahingehend, da ich keine Lust hatte mich dann in eine nasse Kombi zu zwängen.
Es kam also zum ersten Turn der ersten Gruppe. Prompt stürzte einer aus unserer Truppe. Der Preis für den ersten Sturz 2008 in OSL ging also an uns – schon wieder fielen wir auf – das sollte sich bei den folgenden Trainings auch nicht mehr ändern.
Nun gut, in der nächsten Gruppe war ich dran. Ich liess meine Ninja also warmlaufen, nachdem ich zu ihr hingehumpelt bin, zwängte mich auf sie und fuhr los.
Erstaunlicherweise hatte ich in der Phötusstellung auf dem Bike keinen Schmerz mehr und dachte das wird schon werden. Aber es regnete und kalt war es immer noch.
Was soll ich sagen – ich rolle aus der Boxengasse raus, rolle rechts rum und fahre auf die Hasseröder zu. Ich wusste, dass es kalt ist, dass die Beläge kalt sind und überhaupt und sowieso… aber es kam, was kommen musste, das Vorderrad blockierte und das Bike ging unter mir weg – ich wusste, ich erlebte soeben meinen ersten Sturz und dann auch noch so einen lächerlichen+vermeidbaren. Egal, es war geschehen. Ich fiel samt Maschine nach links, drückte das Bike weg und landete, war ja klar, auf der kaputten Schulter. Mir ging noch durch den Kopf, während ich meinem Bike hinterher schaute, wie es sich unter Funken Richtung Wand bewegte, dass der Sturz ja gar nicht so schmerzte. Ich landete und wartete einfach bis ich zum stehen kam und hoffte, dass mich keiner über den Haufen fährt. Nachdem ich mich umsah und kein Bike entdeckte rettete ich mich mit einem beherzten Sprung hinter die Leitplanke und ging zum Streckeposten, der mein Bike in der Zwischenzeit aufhob und mich anschließend bat doch bitte als nächstes eine leichtere Maschine zu kaufen – dem sollte ich später folgen, ist aber ne andere Geschichte.
Nach dem Turn wurde ich samt Bike, bei dem ich ja nicht mal eine Kurve geschafft hatte zurück ins Fahrerlager geschleppt. So stelle ich es mir vor, wenn damals die römischen Gladiatoren in Ihren Streitwagen in die Arena einfuhren. Nur wurden diese bejubelt und nicht belächelt. Aber egal.
Im Lager angekommen wurde ich von meinen Freunden empfangen, die sich sofort ans Werk machten das Bike zum laufen zu bekommen. Und auch das Mädel, die ich mittlerweile gar nicht mehr nervig fand, hat mich nach meinem ersten Sturz „getröstet“
Größte Sorge bereitete mir die linke Fussraste, da das komplette Gestänge etc. kaputt war und ich suchte nach Ersatz.
@ Ketchup – ja ich hab es mit den Fussrasten
Fündig wurde ich an der RSV Mille meines Kollegen. Sein Schalthebel passte wunderbar an meine Schaltwelle. Dadurch hatte ich dann zwar eine Schaltumkehr, aber das wollte ich sowieso mal ausprobieren – man soll eben bei Allem das Gute sehen.

Wir teilten uns den Schalthebel dann bis er seine RSV auch ins Kies gesetzt hatte.
Meine Dicke fuhr, im Gegensatz zu seiner, nach ein paar Reparaturen auch wieder und es konnte weitergehen.
Um die Mittagszeit rum, als es „wärmer“ wurde, erfüllte das Mädel auch die Bedingung, die wir ihr gestellt hatten damit sie mit dürfe – Sie sollte sich was schickes anziehen als unser privates Grid-Girl. Und das tat sie dann auch.
Wie es sein musste ging sie Richtung Boxengasse und wartete auf uns harte Racer, was auch den anderen Trainingsteilnehmern auffiel, während sie mit/bei uns posierte. Im Nachhinein durfte ich mir anhören, dass manche sogar ihr Maschine abgewürgt haben – triebgesteuerte Ignoranten (wenn ich mal zitieren darf) – also mir hat’s gefallen!
Das Resultat des Tages: 1 Bike sprang erst gar nicht an, 3 Bikes im Kies und das von ingesamt 7 Bikes.
Am Abend haben wir dann noch etwas zusammen gegrillt und gefeiert bevor es dann wieder zurück nach Berlin ging.
Nebenbei bemerkt, hat sich unser privates Grid-Girl noch einige Wochen um mich gekümmert – Ich hatte schließlich meinen ersten Sturz und brauchte viel Trost und vor allem Ablenkung
Teil 3: Nach dem Schmerz ist vor dem Schmerz
Wieder in Berlin angekommen wollte ich mich dann doch mal um mich kümmern. Schließlich war ich ja nicht besonders umgänglich mit meinem Körper.
So ging ich also zum Sportmediziner und klärte ihn über die letzten Ereignisse auf. Ich hab nie ganz verstanden wieso alle den Motorradsturz als schlimmer erachtet haben als den Snowboardunfall. Aber ich habe das einfach wieder auf die Unwissenheit geschoben. Zudem fand das die Arzthelferin auch interessanter.
Auf jeden Fall kam raus, dass ich eine komplett zerstörte Schulter habe. Alles ausser dem Knochen war im Sack. Sehne abgerissen, Muskel war auch im Arsch usw. Dann noch 2 gerissene Bänder im linken Fuss, ein paar angebrochene Rippen, dann murmelte er noch irgendwas von Kopf/Hals/Wirbelsäule-irgendwas usw…auf jeden Fall kaputt.
Auf jeden Fall kam es soweit, dass eine OP für die Schulter hermusste. Für den Rest sollte ich mich nur schonen und mich nicht weiter verletzten.
So hatte ich also das Glück einen zeitnahen Termin beim Schulterspezialisten zu bekommen, der auch die Handballnationalmannschaft betreut, zu ergattern – am 2.5.
Ich musste natürlich vorsprechen und ihm erklären was/wann/wo passiert war. Ich habe dann immer noch nicht verstanden, warum alle so ein Riesending draus machten, denn mir ging es ja schließlich gut. OK, die Schulter durfte ich nicht belasten, aber sonst war alles im Lot.
Zumindest wollte er mir auf die Frage, wie viel Zeit bis zum nächsten Ritt vergehen müsste, nicht wirklich antworten. Erst faselte er was von mehreren Monaten schonen. Aber ab wann ich wieder aufs Bike steigen darf antwortete er zunächst nicht. Also stellte ich die Frage um: Wie viele Wochen muss ich warten bis ich die Armbinde, ablegen darf: 6 Wochen.
6 Wochen war keine gute Antwort, denn zum einen kann ich kaum ruhig sitzen und schon gar nicht 6 Wochen und zum anderen fand in 5 Wochen das 7R-Treffen statt und in 6 Wochen das Ninja-Treffen, an denen ich unbedingt teilnehmen wollte. Ja, ich weiss, super wichtiger Grund
Nunja, aber vorerst war ich noch im Krankenhaus. Am Tag nach der OP konnte ich meine Schulter 0,0005 mm bewegen und dann schlug mir ein Zwerg mit einem Nagelbespickten Hammer auf die Schulter ein.
Aber ich erwartete Besuch. Ein Forumskollege wohnte in der Nähe und wollte vorbeischauen.
Zudem galt ich unter den ganzen älteren Damen und Herren der Station, alle sicher Ü70, als der Rowdy, der Raser, halt als das Böse schlechthin und das gefiel mir. So liess ich es mir nicht nehmen mein Kawasaki-Shirt überzustreifen. Dafür nahm ich auch in Kauf dass dieser Zwerg die ganze Zeit auf meine Schulter einprügelte. Damit unterstrich ich mein böses Biker-Dasein und mein Forumskollege war begeistert.
Irgendwann war die schöne Zeit, in der ich das Böse repräsentierte vorbei und ich fuhr mit dem Zug nach Berlin zurück - 5h Fahrt und immer noch den Zwerg dabei.
Kaum in Berlin angekommen, so 6h nach der Entlassung, tauchte mein Bikerkollege, der sein RSV Mille geschrottet hatte, mit einer Honda eines Freundes auf. Und ich sprang sofort auf das Bike.
Ich fand es sehr schade, dass ich das Gesicht meines Vaters nicht sehen konnte, der das Ganze direkt per MMS bekam. Auch das Gesicht des Chirurgen, der das Bild per E-Mail erhielt, bekam ich nicht zu sehen. Aber man muss im Leben auch verzichten können
Nun kam es 5 Wochen nach der OP zum 7R-Treffen. Nach mehreren Telefonaten mit dem Chirurgen, erklärte er mir, dass ich sehr vorsichtig sein muss und wenn es nicht schmerzt Auto fahren darf, aber die Hand/Arm ruhen lassen sollte. Da ich üblicherweise mit rechts schalte und lenke, konnte ich also Autofahren und am Treffen, wenn auch ohne Bike, teilnehmen.
Eine weitere Woche später fand das Ninja-Treffen statt. Mittlerweile durfte ich ja die Armbinde ablegen und dies tat ich auch.
Mit Gepäck fuhr ich direkt von Berlin in den Harz. Das Bike hatte ich zwischen Renntraining und OP wieder straßentauglich gemacht.
Ich konnte die Schulter zwar ein wenig mehr bewegen, aber den Zwerg wurde ich noch nicht ganz los, aber er schlug schon weniger heftig zu. So konnte ich mich nicht auf den Tank legen, was Geschwindigkeiten über 180km/h sehr anstrengend machte, aber ich kam an.
Kaum dort angekommen ging der Spaß los – neue Leute kennen gelernt und einen zum Freund gewonnen, der gern und das ganze Wochenende mit mir durch den Harz gejagt ist. Auch die Leihmaschinen von Kawasaki musste ich ausprobieren. Endlich mal wieder 1000er fahren!
Das ging soweit, dass ich mich am Samstag-Abend nach dem Absteigen mich erstmal hinlegen musste – ihr ahnt es…der Zwerg.
Eine Woche später begann die Physiotherapie. Auf jeden Fall war die Dame sehr erstaunt wie gut ich meine Schulter schon bewegen konnte. Zu Anfang hab ich es mir verkniffen ihr mitzuteilen, dass ich schon wieder auf dem Motorrad gesessen habe. Aber ich wechselte die Therapeutin noch weitere zwei mal, da diese sich geweigert hatten mich härter ranzunehmen, damit ich schneller mehr Bewegung erlangen kann, um so schneller wieder auf Renntrainings fahren zu können.
Und bevor sich nun manche denken wie bekloppt ich sein muss. Sowohl der Chirurg als auch der Sportmediziner haben mir mitgeteilt, dass meine Schulter nach den 6 Wochen genau so stabil sei wie eine unverletzte von euch. Von daher schmerzte es einfach nur, aber kein erhöhtes Verletzungsrisiko.
Mein Vater fragte mich, ob ich was draus gelernt habe, da es ja doch eine verrückte Zeit war.
Und ja das habe ich…
Bei Regen kann man doch fahren und 2009 bin ich nicht in den Winterurlaub gefahren, sondern öfter auf die Renne
Und achja…das Grid-Girl fand mich wohl nachdem ich wieder auf dem Bike sass nicht mehr so interessant
