Aber Spulen wir nochmal kurz zurück. Im Jahr 2011 wollte ich mir ein anderes Motorrad zulegen und daher wurde getestet, was so am Markt verfügbar war. Bin die S1000RR, ZX-10R, Honda Fireblade und CB1000R Test gefahren. Auch gebraucht die GSX-R1000 K5/6, um mal zu wissen, warum die so legendär sein soll

Habe dann aber schnell für mich entschieden, dass ein Supersportler auf der Straße für mich keinen Sinn macht. Das würde über kurz oder lang den Führerschein oder sogar die Gesundheit kosten.
Geworden ist es dann eine beherrschbare und vorallem noch sehr verbesserungswürdige 'SV650 aus dem letzten Jahrtausend'. Nach unserem kleinen Actionurlaub 2012 hat der Umbau erst so richtig Fahrt aufgenommen und ich war eigentlich mehr am Umbauen, als am Fahren. Vor 10 Jahren kam daher der Gedanke, sich der Reproduktionsmedizin zuzuwenden und siehe da, die zweite Track SV war als nackter Babyrahmen geboren. Leider hab ich das Projekt immer wieder beiseite geschoben, um dann doch an der Straßen SV zu bauen und andere Projekte voranzutreiben, ob sie mir das später übel nehmen wird? So hat es bis 2019 gedauert, dass sie überhaupt das Laufen gelernt hat und ihre ersten 500km sanftes Motor Einfahren abspulen konnte. Seitdem ist nicht mehr wirklich etwas passiert und sie durfte weiterhin hübsch aussehen am Rande meiner Werkstatt.
Doch wie es das Schicksal will, kaum vergehen wieder 10 Jahre, kommt Bewegung in die Sache. Es stand ein mehrtägiges Trackevent in Rijeka vor der Tür, die Gelegenheit schlechthin! Da wollte ich nicht schon wieder mit der Straßen SV aufkreuzen.
Leider standen dem Termin die Prüfungsphase und zwei Studienprojekte gegenüber, was den Zeitplan mehr als sportlich knapp gestaltete. Am Ende waren nur noch fünf freie Tage übrig, bevor es losging, es musste also vorher während dem Lernen und obendrein der Arbeit am Institut vieles parallel laufen. Das ist normalerweise überhaupt nicht meins, da die Arbeitsweise prädestiniert für Fehler und spätere Probleme ist. Ich konzentriere mich lieber auf weniger Dinge, aber dafür entsprechend tiefgreifend. Hilft aber nichts, aufgegeben wird nicht.
Zur Erinnerung, das war der Ausgangszustand: Vorheriger Stand 2018
Zuerst geht es ums Fahrwerk. Mir ist bewusst geworden, dass ein Serien-Federbein, welches für ein Gesamtgewicht von 0,4 Tonnen gemacht wurde, niemals eine passende Dämpfungs-Charakteristik für ein leichtes Rennfahrzeug haben kann. Da kann man sich jetzt denken "Dreh doch einfach an Deinen Druck- und Zugstufen Schrauben bis es passt". Aber genau das ist eben zu einfach gedacht, die Einstellschrauben sind lediglich Bypass Ventile. Der Chef der Charakteristik sind die Druckabhängigen Shim Pakete und die kann man mit den Schrauben nicht verändern. Da möchte ich jetzt garnicht so tief ins Detail gehen, sonst sprenge ich den Rahmen dieses Beitrages.
Das SRAD750 Federbein wurde zerlegt und hat abgeänderte Shims und eine weichere Feder bekommen, plus einen sanften Endanschlag für 130mm Federweg zum "echten" Ausnutzen.


Ich habe mich dann etwas tiefer mit den Vorgängen im Fahrwerk während der Fahrt beschäftigt und vorallem die Kinematik der Hinterrad-Führung hat sich als komplexer herausgestellt, als ich es bisher angenommen hatte. Stichwort imaginäres Federbein.

Kurz erklärt, je nachdem wie die Schwinge zum Ritzel Drehpunkt steht und wie groß die Kettenblätter sind, erzeugt der Zug der Kette ein Moment auf den Schwingendrehpunkt (Bild, roter Hebel mit Kraftpfeil) und die Schwinge wird dadurch nach unten gedrückt. Diese Kraft sollte nicht vernachlässigt werden. Wenn man Gas gibt, dann kommen schnell mal über 100kg dynamische Radlastverteilung zusätzlich aufs Hinterrad dazu, was logischerweise ein tiefes Einfedern hinten zur Folge hätte. Diese Schwingen-Aufstellkraft wirkt dem jedoch entgegen, kann sogar so stark sein, dass die Maschine trotzdem aus den Federn gedrückt wird, anstatt hinein und es hinten unnötig hart wird beim Gasgeben. Wenn man sich die Fahrwerks Geometrien echter GP Rennmaschinen im Detail anschaut, sieht man deutliche Unterschiede zu kaufbaren Straßenbasis Maschinen. Aus diesem Grund gibt es verstellbare Schwingen Drehpunkte.
Von diesen Gesichtspunkten ist die SV serienmäßig wirklich nicht gerade gut ausgelegt für meine Zwecke. Auch die Federbein Umlenkung hat eine zu starke Progression, was dem Fahrer viel zu wenig nutzbaren Federweg zur Verfügung stellt und sich nicht die gewünschte Fahrwerksgeometrie während verschiedenen Fahrsituationen einstellt. Da hilft es auch wenig sich ein 1600€ Federbein einzubauen, wenn die Kinematik so weit weg vom Ziel ist.
Daher wurde die Fahrwerksgeometrie der SV vermessen und ins CAD als bewegliches Modell übertragen. So konnten verschiedene Varianten durchgespielt werden und eine deutliche Verbesserung gefunden werden zur Serie.

Meistens wird in Diagrammen nur der Hinterradweg alleine betrachtet, doch ich finde es aussagekräftiger sich das variable Übersetzungsverhältnis von Schwinge zu Federbein abzuleiten. Somit kann man einschätzen was passiert, wenn der Gesamtschwerpunkt in eine bestimmte Richtung drückt (zB sich vergrößernde Schräglage in Kurvenfahrt), wie die Feder belastet wird oder wie die Dämpfung bei Änderung mit Geschwindigkeit X sich verhält, dafür braucht man aber die Dämpferkennlinien. Da wären wir wieder beim Thema, dass man seine Shimpakete/Dämpferverhalten kennen muss und nicht nur die Bypässe verdrehen, bis eine Situation zufällig passend abgedeckt wird. Aber auch dieses Thema würde den Rahmen hier überschreiten.
Am Ende wurde sich für eine Umlenkung entschieden, die bei konstanten geradeaus Fahrten mit leichten Einfederbewegungen sanft reagiert und ab dem halben Federweg in ein lineares Übersetzungsverhältnis übergeht ohne weitere Progression.
Mit diesen Maßen konnte eine neue Umlenkungsgeometrie entworfen werden.

Diese wurde mittels CNC Drahterodieren aufs µ genau aus hochfesten Aluminium gefertigt (Danke an Felix!). Unten rechts sieht man noch das Originalteil zum Vergleich.

So sah dann fertige Teil aus, auf die richtigen Außenmaße gefräst, Ecken verrundet und gestrahlt.

Eingebaut und gleich mal überprüft, ob der Nenn Lenkkopfwinkel der Planung entspricht. Das ist schon deutlich sportlicher, als die 65° der Serie.

Somit war das Chassis soweit bereit. Fehlte noch der funktionale Teil des Erscheinungsbildes. Wie ihr bei meiner Straßen SV gesehen habt, bin ich zweckmäßig lange mit dem Tank der Kante SV (03-08) herumgefahren. Der passt allerdings eher mittelmäßig auf den Rahmen und lässt einen riesigen Freiraum darunter. Gleich werdet ihr noch sehen, warum es ein originaler Knubbel Tank sein musste

Ich hab es auch mal mit dem originalen Vergasertank und einer externen Pumpe versucht, aber das ging nur bis der Motor heiß war und das Benzin Blasen in der Leitung geschmissen und der Motor gestottert hat. Es sollte also auf eine versenkte Benzinpumpe hinauslaufen.
Hier sieht man erste Überlegungen, eine gesamte Gladius Tank Bodenplatte einzuschweißen.

Am Ende lief es auf Stückelung und Teile davon hinaus. Sieht erstmal wild aus, kann man später aber kaum noch vom original unterscheiden. Der Tank wurde dann natürlich Leckgeprüft und zusätzlich mit 2K Versiegelung innen behandelt.

Das selbsttragende 1,9kg Kohlefaser Heck (Nochmal Danke an Georg) wurde auch endlich gefillert und geschliffen. Schön wie sich da die Kohlefaser Struktur abzeichnet als Unebenheit.

Und schlussendlich durfte mein alter Senior noch seine handwerklichen Künste in seinem "Lackierzelt" unter Beweis stellen


Das Heck ist fast zu schön zum Anschrauben geworden, tolle Arbeit!

Das war dann die Anprobe der lackierten Teile.

Mit dem Tank, wo man hier die fertige Unterseite nochmal sieht, wurde in enormer Detailarbeit eine riesige Kohlefaser Airbox darauf angepasst. (Vielen Herzlichen Dank an Gerald und Horst für den Support mit Tank und Airbox!)
Normalerweise wäre der Tank als Deckel gedacht gewesen, aber ich wollte unbedingt ein echten Deckel für später geplante Versuche auf dem Prüfstand. Hab dann sogar einen Deckel in doppelter Ausführung bekommen, einen für Sensoren etc. zum Zerschneiden

(Wer Interesse an der Airbox hat, ich vermittle gerne den Kontakt)

Auch in meinen Rahmen mit Motor hat dieses Schmuckstück perfekt gepasst wie ein Herz in die Brust des neuen Empfängers.


Zu der Zeit begann dann langsam die Zeitnot. Die Prüfungen waren zwar rum und bestanden, die Studienprojekte und Berichte dazu liefen allerdings noch und es waren nicht mal mehr zwei Wochen bis Rijeka. Das hat dann oft auf dem Klappbett neben der Maschine geendet.

Als Basis für die neue Einspritzung diente eine 2002er DL1000 Einspritzbrücke mit 45mm Drosselklappen.

Das ist für meinen geplanten Luftdurchsatz noch ein wenig zu klein, daher wurden die Bodies auf 47mm aufgespindelt, bevor es weiter ging. Bisher hatte ich die Shower Einspritzung der Ducati mit 54mm verwenden wollen, aber das hätte kaum noch Gewinn an Durchfluss gebracht, jedoch wird damit pro Grad Drehwinkel zu viel Fläche der Drosselklappe freigegeben. Sprich das Gasgeben wird unsensibel und unnötig schwer zu dosieren. Zu wenig ist nicht gut, zu viel oft eben auch nicht


Die DL1000 Einspritzung hat sekundäre Drosselklappen oben, welche natürlich nicht benötigt werden. Desweiteren soll die Ansauglänge tendenziell kurz werden, um der Gassäule im Einlass nicht zu viel Trägheit aufzubürden. Daher wurden die Bodies in der Mitte zersägt und nur die Einspritzdüsen Halter stehen gelassen.

So sah das mit sauber ausgedrehter Kontur dann aus und mit den originalen Halteplatten. Erste Anprobe im Rahmen mit Ansaugstutzen. Sieht schon mal vielversprechend aus.

Die Ansaugtrichter sollten dieses Mal nicht mehr mit den Bodies fest verbunden sein, um sich für später die Variabilität in Länge und Form offenzuhalten. Deshalb wurde ein Flansch mit Gewinden und Zentrierung konzipiert, der fest mit den Bodies verbunden werden sollte.

So sah das ganze dann fest verklebt aus, bereit um die Trichter aufzunehmen.

Als Nächstes wurden neue, größere Drosselklappen angefertigt und Alu-Adapter angepasst, um die DL1000 Ansaugstutzen auf den SV Kopf befestigen zu können.

Außerdem wurde ein moderner kleiner TPS Sensor adaptiert, da der große der DL an der Airbox angestanden hätte. Die Vierkantwelle musste etwas kleiner geschliffen werden, eine Führungshülse eingesetzt und ein kleiner Adapter zum Festschrauben gesetzt werden.

Um die Halteplatten auf den neuen Abstand und Winkel der Einspritzung anzupassen, durch zB. Vermessen und neue Platten Lasern lassen, war leider keine Zeit mehr. Deshalb wurden die Teile kurzerhand auseinandergesägt und passend zusammen geschweißt. Nicht schön, aber tut seinen Zweck.

Hier dann mal der direkte Vergleich zwischen SV Serie (39mm) und den neuen Klappen. Da geht schon eine Ecke mehr Luft durch.

Die passenden Trichter sind dann im CAD entstanden und wurden wieder 3D gedruckt. Da sie relativ kurz sind, gibt es Löcher um die Schrauben drehen zu können, das tut der Strömung an der Stelle aber nicht wirklich was.

Meine Dimple Kanäle sind etwas zu klein, für den schnellen Größen Anstieg auf die 47er Klappen. Das würde sich nur mit einem langen Adapter lösen lassen, was entsprechend kontraproduktiv wäre, da es kurz sein soll. Somit blieb nur die Nacharbeit. Die Kanäle wurden zuerst verstopft und dann oben zu gegossen, um Fräsen zu können.

Die Einlässe wurde entsprechen vergrößert und das hat leider die oberen Dimples gekostet.

Nach mühevoller Kleinarbeit sieht es wieder aus wie zuvor, nur eben einige Millimeter größer.

So sieht es dann endgültig aus. Die Adapter befestigen die Airbox zum Zylinderkopf und auf diese werden die Ansaugstutzen verschraubt. Für die Abdichtung jeweils reicht ein wenig Dichtmasse.

Für die Luftzufuhr hatte ich ursprünglich viele Ideen, die bedauerlicherweise wegen knapper Zeit erstmal alle verworfen wurden. Es wurden einfach flexible Elektriker Kabelrohre durch den Rahmen gesteckt und thermisch geformt.

Von der Außenseite wurden sie erhitzt und eine Art Einlass Trichter geformt. Wirklich nicht meine schönste Arbeit, aber auch hier gilt Form Follows Zeitdruck.

Deshalb wurden auch die schönen Luftfilter und Luftführungspläne in der Airbox erstmal zurückgestellt. Ein mittelfeines Gitter und die gute alte Heißklebepistole haben den Job erstmal erledigt.

Das war der letzte Blick in die Airbox, bevor alles wieder ausgebaut wurde. Denn nach der Mechanik beginnt das Strippenziehen.

Bei dieser Gelegenheit wurden dann auch die scharfen Nockenwellen eingebaut und Steuerzeiten eingestellt. Dafür mussten zuerst die Ventilfedern nochmal raus, da die nicht für einen Ventilhub von über 10mm ausgelegt waren ursprünglich.
Für den Anfang wurde für die Steuerzeiten ein Mix zwischen Drehmoment und Leistung gewählt, da das Steuergerät serienmäßig auf 10200rpm begrenzt ist. Der Motor ist zwar für 12200 /min konzipiert, aber das bleibt für eine spätere Ausbaustufe mit Shower Düsen und Prüfstandabstimmung aufgespart.


Den Schaltplan dafür habe ich mal aus Langeweile während Corona aus dem Serienplan gemacht. Eigentlich besteht er nur noch aus Stromversorgung und allem was direkt an der ECU hängt, eine Sicherung, fertig.

Daher musste erstmal sehr viel aus dem originalen Kabelbaum herausgeschnitten werden. Ein paar Drähte sind allerdings auch hinzugekommen, deshalb liegt da mein Kabel Sammelsurium.

Zum Schluss wurde der originale Tacho kurz angeschlossen an den Datenbus, welchen ich einfach kurzerhand auf den Service Stecker gelegt habe, um eventuelle Fehlermeldungen auszulesen und den TPS einstellen zu können (das geht tatsächlich nur am Tacho). Praktisch für die Zukunft, ich kann den originalen Tacho einfach am Heck zum Testen anstecken. Das Bild ist am letzten Abend vor der Reise entstanden, wie man sieht war es immer noch eine riesen Baustelle und viele Kleinigkeiten offen. Es wurde dann notgedrungen die komplette Nacht durch gearbeitet. Zu dem Zeitpunkt hieß es Machen oder Lassen.

Und das war der Morgen der Abfahrt. Eigentlich liegt eine schmale Vollverkleidung hier, aber das war zeitlich einfach nicht mehr drin. Deshalb ist es eine etwas zu groß geratene RC8 Maske als Windschutz geworden. Hat zumindest hohen Wiedererkennungswert


Noch schnell das Öl, Kühlflüssigkeit und 9l Sprit in den Tank (eigentlich würden ja 2,5l pro Turn reichen) und ab auf die Waage. Das kann sich doch sehen lassen!

Den Motor einmal kurz gestartet, ist auch sofort angesprungen. Und so durfte sie dann draußen auf Ihre Abholung warten, was für ein Rennen gegen die Zeit.

Da stand sie nun auf dem kleinen Hänger meines Spezl's und seiner GSX-R. Nur wenige Sekunden gelaufen, kein bisschen abgestimmt oder getestet, aber zumindest just in time fertig geworden.

Jetzt bleiben natürlich noch die großen Fragen offen. Haben wir es nach Rijeka geschafft? Ist meine SV überhaupt einen Meter auf der Strecke gefahren oder ist sie schon beim ersten Draufsitzen auseinander gefallen? Das und noch viel mehr gibt es dann im zweiten Teil
