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Überlegungen zum Motortuning

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Überlegungen zum Motortuning

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Beitrag von ER6-Treiber »

Als Ergänzung zum Bericht über die ER6, hier einige meiner Überlegungen zum Thema Motortuning. Damit will ich den Baubericht nicht vollstopfen. Wen es interessiert, der kann es ergänzend lesen. Ich erhebe weder Anspruch auf Richtigkeit, noch auf Vollständigkeit.

Vorweg meine Definition von Motortuning:
Für mich beginnt „Tuning“, wenn am Motor selbst oder der Umgebung etwas mechanisch verändert wird.
Das reine Abstimmen mit z.B. mit einem PCV fällt für mich nicht unter die Definition von Motortuning. Auch wenn es da manchmal viel Leistung und Fahrbarkeit für wenig Geld gibt.

Überlegung 1: Wo liegen die theoretischen Grenzen?
Da das Gemisch bei einem Saugmotor nur durch den atmosphärischen Druck in den Zylinder gedrückt wird, ist das mögliche Drehmoment begrenzt. Damit ich einen erreichten Stand überhaupt beurteilen kann, muss ich wissen, wo die Grenzen des theoretisch Machbaren liegen. Das ist zum Glück recht einfach. Es gibt 2 Grenzwerte, die hier das Spielfeld bestimmen. Einmal das max. mögliche Drehmoment eines Saugmotors von ca. 120 Nm/L und auf der anderen Seite die Grenzdrehzahl, die der Motor kann, ohne auseinander zu fliegen. Die sich daraus ergebende Leistung ist dann nur noch eine Rechengröße. Für die ER6 sähen solche Kurven, besser Geraden (rote Linien), dann wie folgt aus.
Bild_2021-05-06_174625.png
Bei 120 Nm/L und 650 ccm Hubraum errechnet sich für die ER6 ein Drehmoment von 78 Nm als Limit. Kawasaki gibt für den Motor eine Grenzdrehzahl von 12.000 U/min an. Die roten Linien zeigen, was damit theoretisch möglich wäre. Bei den möglichen 12.000 U/min wären es beachtliche 133 PS. „Theoretisch möglich“ heißt noch lange nicht, dass ein ER6-Motor auf diese Werte zu bekommen wäre. Aber nennenswert mehr als das geht mit keinem Motor der Welt. Zum Vergleich, was die Damen und Herren in den Werken in einem Großserienmotor so abliefern können, eine GSXR 1000 K6 auf 650 ccm runter gerechnet. Ja, wäre wirklich schön zu haben ….

Überlegung 2: Leistung oder Drehmoment?
Für mich ist das Drehmoment eines Motors die deutlich aussagekräftigere Größe, weil es direkt die Füllung des Zylinders widerspiegelt. Mit dem Drehmoment kann ich bei jeder Drehzahl sehr leicht sehen, wie weit der Motor vom Möglichen entfernt ist. Mit dem Drehmomentverlauf über die Drehzahl läßt sich ein Motor auch recht einfach einschätzen. Um ein Gefühl zu bekommen, mal eine Aufstellung verschiedener Motorräder.
Bild_2021-05-06_175027.png
Selbst der 3,0 Liter F1 Motor von Mercedes tanzt da nicht aus der Reihe. Rechnet man nach, kommt man auf vergleichbare Werte. 980 PS bei ca. 19.000 U/min aus 3,0 L Hubraum mach auch „nur“ 121,67 Nm.
Wie man sieht, sind die meisten Sportler seit vielen Jahren nahe an der Grenze des max. möglichen Drehmomentes. Mehr Drehmoment ist also kaum möglich, zumindest nicht am Punkt des max. Drehmomentes. In der Folge wird auch kein Tuner bei dieser Drehzahl mehr Leistung in den Motor bekommen.

Überlegung 3: Was ist das Ziel?
Klar, das Ziel ist es, 78 Nm vom Standgas bis 12.000 U/min zu haben. Leider gibt es nur eine Möglichkeit, dieses Ziel auch wirklich zu erreichen… Elektromotor einbauen. Der kann das und deswegen gehen die Teile bei relativ geringer Höchstleistung auch so brachial. Für einen Sauger ist das leider nicht zu erreichen. Was bei niedriger Drehzahl für Drehmoment sorgt, killt es dir bei hoher Drehzahl und umgekehrt. Ich denke daher, wenn die ER ab ca. 5.000 U/min ordentlich läuft und das Drehmoment ab dem Maximum bis über 11.000 U/min möglichst wenig abfällt, wäre ich mehr als zufrieden.

In der ersten Grafik habe ich zum Vergleich den Drehmomentverlauf einer serienmäßigen ER6 mit aufgenommen. Die hat nur 63 Nm bei 7.000 U/min und fällt darüber dramatisch ab. Das max. Drehmoment der Serien-ER6 hat damit ca. 24 % Platz bis zum theoretischen Maximum. Bei einer Suzuki GSXR 1000 K6 sind es z.B. nur 1,56 %. Hinzu kommt, dass das Drehmoment der ER6 bei 11.000 U/min auf nur noch 35 Nm (122% bis Max.) zusammenbricht.

Damit sind 2 Ziele zu definieren:
1) Anheben des maximalen Drehmomentes. Schön wäre es, hier einen Wert zwischen 72 Nm und 75 Nm zu erreichen. Aktuell steht die V2 bei 68 Nm im Maximum und bei 62 Nm bei 10.500 U/min.
2) Halten des maximalen Drehmomentes möglichst weit über den Punkt des max. Drehmomentes hinaus bis an den Begrenzer.

Überlegung 4: Warum ist das bei der ER6 wie es ist?
Die ER6 ist bekanntlich als Allround- und Einsteigermotorrad ausgelegt. Es war also bei den vom Werk festgelegten 650 ccm und einer angepeilten Leistung von um die 70 PS wohl eher kontraproduktiv, sich hinsichtlich einer optimalen Füllung große Mühe zu geben. Andernfalls würde der kleine Zweizylinder aus dem Anfängermotorrad den 750ern echte Konkurrenz machen, wäre ja geschäftsschädigend. Was ungefähr möglich gewesen wäre zeigt die runtergerechnete Drehmomentkurve der GSXR1000K6… 74 Nm bei 9.500 U/min und 108 PS bei 11.000 U/min. Letztlich wurde das Ganze so gestaltet, das der Motor in einem breiten mittleren Bereich ein ausreichendes Drehmoment liefert und oben deutlich verliert, damit die angepeilte Leistung nicht überschritten wird. Umgesetzt wurde der Plan mit relativ zahmen Steuerzeiten, einem geringen Ventilhub und einem eher klein dimensionierten Einlasstrakt, wobei trotzdem relativ große Ventile genutzt wurden. Auch die Verdichtung ist mit 11,3 : 1 noch weit vom Möglichen entfernt.

Überlegung 5: Wie ändern?
Ein Motor lebt mit und von seinen Steuerzeiten. Erste Bürgerpflicht ist es folglich, dem Motor Steuerzeiten zu spendieren mit denen er länger und mehr Luft holen will. Also Nockenwellen mit längeren Öffnungszeiten und größerem Hub einbauen. Das hilft aber nur bis zu der Grenze weiter, an der andere Elemente, vor allem im Ansaugtrakt, den Gasstrom begrenzen. Um das grob einschätzen zu können, einfach mal die freien Querschnitte an verschiedenen Stellen eines Ansaugkanals ermitteln. Macht wenig Sinn, wenn die Kanäle vor den Ventilen 1/4 weniger Querschnitt haben, als die beiden Ringspalte an den Ventilen selbst. Im Ansaugtrakt sind die möglichen „baulichen Veränderungen“ allerdings durch die vom Werk vorgegebene Form des Einlasskanals und dessen Wandstärke recht begrenzt. Leider verstehen sich die Werke inzwischen verdammt gut auf einen dünnwandigen Aluguss, daher sind größere Änderungen der Kanalform leider nicht möglich. Folglich weder die 78 Nm kaum und die 133 PS auf Grund des hohen erforderlichen Gasdurchsatzes mit einem ER6-Kopf gar nicht zu erreichen sein. Schade aber auch.
Ist die Grundvoraussetzung eines im Rahmen der vorgegebenen Möglichkeiten möglichst widerstandsarmen Gasflusses im Einlasskanal geschaffen, kommen die restlichen Komponenten wie Resonanzen auf der Einlass- und Auslassseite, oder eine erhöhte Verdichtung an die Reihe. Wurde das alles ausgeschöpft, ist der Motor halt am Ende seiner Möglichkeiten. Dann hilft nur noch ein neuer, entsprechend konstruierter Zylinderkopf weiter.

Soweit meine Überlegungen zum Thema Tuning und mögliche Motorleistung. Die Umsetzung wieder im Baubericht.
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Re: Überlegungen zum Motortuning

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Beitrag von Saftschubse »

Wow, danke für das Teilen!
Das Leben ist wie ein beschissenes Adventure-Game, aber die Grafik ist geil
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Re: Überlegungen zum Motortuning

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Beitrag von Klappverdeck »

Wird es hier noch mehr Einträge geben? :)
Ich fand es super interessant was du geschrieben hast.
  • sasonic Offline
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Re: Überlegungen zum Motortuning

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Beitrag von sasonic »

Interessant und gut be/geschrieben. Wäre cool wenns noch weiter geht... Danke. :)
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Re: Überlegungen zum Motortuning

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Beitrag von Benni2994 »

Hut ab! Würde mich sehr freuen wenn du das und vielleicht andere Themen in der Richtung weiter verfolgst und mit uns teilen würdest! War sehr interessant zu lesen :wink:
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Re: Überlegungen zum Motortuning

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Beitrag von techam »

Diese 120Nm/L halte ich für eine eher unwichtige Zahl.
Mag ja sein, dass ein F1 Sauger bei Maximaldrehzahl nicht mehr als 120Nm/L schafft, aber das sind extreme Kurzhuber die zu 100% auf Drehzahl abgestimmt sind. Vorher wird das Drehmoment sicher schon deutlich höher gelegen haben. Leider sind verlässliche Zahlen zum Maximal-Drehmoment von F1 Motoren sehr rar.
Die alten V8 2,4L sollen aber so in der Spitze 360-390Nm gehabt haben, womit man dann schon bei 150-160Nm/L ist.

Zwar ist das maximale Drehmoment eines Wärme-Kreisprozesses über einen maximalen Wirkungsgrad begrenzt, die absolute physikalische Obergrenze wäre hier der Carnot-Wirkungsgrad. Aber für den realen (fahrbaren) Motor gibt es wichtigere Größen:

Kolbengeschwindigkeit, Verdichtung, Mitteldruck, Füllungsgrad, Zündzeitpunkt, Klopfgrenze, Lambdawert usw.

Thermodynamisch wird der Otto-Motor-Kreisprozess (Gleichraumprozess) sogar (fast) nur von der Verdichtung limitiert.

Auch ist es nicht ganz korrekt, dass man lediglich atmosphärischen Druck am Einlass anliegen hat, durch Resonanzen im Ein- und Auslasstrakt kann man je nach Drehzahl gewaltige Druckspitzen erzielen, das ist ja auch der Hintergrund warum man soviel mit den Trichterlängen rumspielt. Nachteil ist halt, dass diese Druckspitzen eben nur bei bestimmten Drehzahl anliegen.

Ob das verschieben des Maximaldrehmoments weiter zur Maximaldrehzahl hin sinnvoll ist, ist auch fraglich, du erhälst dadurch ein sehr enges und spitzes Drehzahlband, das Gegenteil von Fahrbarkeit.

Viel wichtiger als das Drehmoment ist immer die Leistung eines Motors, denn diese "bereinigt" das Drehmoment des Motors über die Drehzahl und ist damit ein viel genauerer indikator für die am Hinterrad leistbare Vortriebskraft. Dazwischen sind ja immerhin noch mehrere Untersetzungen und du willst ja Beschleunigen und keine Schraube anziehen.

Das Drehmoment und dessen Verlauf sind nur ein Werkzeug um die gewünschte Leistungskurve zu erzielen.

Zudem ist einer der wichtigsten Aspekte des Motortunings immer die Reduktion der Verlustleistung, ein Motor verliert nicht selten zwischen 10 und 20% seiner Leistung durch innere Reibung, diese zu reduzieren sollte eigentlich die erste Handlung sein, denn da die Verlustleistung oftmals prozentual mit der Leistung steigt, verpufft ein merklicher Teil des Leistungszuwachs schnell wieder.

Aber es gefällt mir gut, dass du dich in die theoretischen Grundlagen von Verbrennungsmotoren einarbeiten willst, das ist ein entscheidener Grundpfeiler um sinnvolles Tuning zu betreiben. Sehr empfehlen kann ich, dir vor Allem die thermodynamischen und physikalischen Grundlagen zu lernen, sprich Kreisprozesse (Carnot->Gleichraum->Seiliger) und physikalischen Leistungszusammenhänge.
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Re: Überlegungen zum Motortuning

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Beitrag von FP24 »

Ich vor der Lektüre dieses threads:

"Ich habe schon ein passables Wissen über Verbrennungsmotoren, doch doch."

Ich jetzt:

"Etwas macht Peng und dann fährt das Motorrad. Mehr weiß ich nicht."
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Re: Überlegungen zum Motortuning

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Beitrag von ER6-Treiber »

FP24 hat geschrieben:Ich vor der Lektüre dieses threads:

"Ich habe schon ein passables Wissen über Verbrennungsmotoren, doch doch."

Ich jetzt:

"Etwas macht Peng und dann fährt das Motorrad. Mehr weiß ich nicht."
Reicht doch um Spaß dabei zu haben.
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Re: Überlegungen zum Motortuning

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Beitrag von FP24 »

ER6-Treiber hat geschrieben:
FP24 hat geschrieben:Ich vor der Lektüre dieses threads:

"Ich habe schon ein passables Wissen über Verbrennungsmotoren, doch doch."

Ich jetzt:

"Etwas macht Peng und dann fährt das Motorrad. Mehr weiß ich nicht."
Reicht doch um Spaß dabei zu haben.
Klar tut es das. Es ist halt auch einfach immer wieder spannend, wie viel hinter den Grenzen des eigenen Tellerrandes noch an Wissen steckt. Ich lese sowas sehr gern!
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Re: Überlegungen zum Motortuning

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Beitrag von ER6-Treiber »

Hallo techam,

danke für die Rückmeldung. Ganz eindeutig, da spricht der Ingenieur.

Da habe ich wohl vergessen, die Basis und Zielsetzung meiner Überlegungen darzulegen.

Basis & Zielsetzung der Überlegungen
Basis der Überlegungen sind die in Sportmotorrädern verbauten Motoren. So ganz elementar sind die Unterschiede in der Auslegung der unterschiedlichen Motoren ja nicht.
Ich stelle diese Überlegungen an, um das Ergebnis der Änderungen an meinem ER6-Motor oder anderen vergleichbaren Sportmotoren beurteilen zu können. Ich will dabei beurteilen können, ob der Motor noch ganz, ganz weit vom Möglichen entfernt ist, oder ob ich mich gerade riesig freuen sollte, weil sich noch 1 PS gefunden hat.
Dies sollen ausdrücklich keine Überlegungen zu grundlegenden physikalischen und thermodynamischen Prozessen sein. Davon verstehe ich einfach zu wenig, um mich dazu auch nur in Ansätzen qualifiziert äußern zu können.

Diese 120Nm/L halte ich für eine eher unwichtige Zahl.
Mag ja sein, dass ein F1 Sauger bei Maximaldrehzahl nicht mehr als 120Nm/L schafft, aber das sind extreme Kurzhuber die zu 100% auf Drehzahl abgestimmt sind. Vorher wird das Drehmoment sicher schon deutlich höher gelegen haben. Leider sind verlässliche Zahlen zum Maximal-Drehmoment von F1 Motoren sehr rar.
Die alten V8 2,4L sollen aber so in der Spitze 360-390Nm gehabt haben, womit man dann schon bei 150-160Nm/L ist.

Ich habe mal bei Wiki nachgesehen: https://de.wikipedia.org/wiki/Ferrari_Typ_056

Hubraum: 2,4 L
Drehzahl: 19.000 U/min
Leistung: 785 PS

Da bei solchen Rennsportmotoren das maximale Drehmoment und die maximale Leistung auf dem Drehzahlband meist sehr eng beieinander liegen, komme ich beim Nachrechnen wieder auf die runden 120 Nm/L. Ich kann mir nicht vorstellen, dass bei einem F1-Motor die maximale Leistung bei einem Drehmoment anliegt, das zwischen 25 % und 33 % unter dem maximalen Drehmoment (egal bei welcher Drehzahl) liegt. Schau dir doch die Entwicklung der 1.000er Supersportler an. Zwei Dinge sind in den letzten 20 Jahren passiert:

1) Das max. Drehmoment liegt quasi unverändert bei knapp unter 120 Nm/L
2) Alle Leistungssteigerungen wurden erzielt, indem hohe Drehmomente in immer höhere Drehzahlen verschoben wurden.

Stellt sich mir die Frage, warum niemand auf die Idee kommt, das Drehmoment anzuheben und alle die Leistungssteigerung über die Drehzahl machen. Die einzig logische Erklärung ist für mich, dass es schlicht nicht geht.

Also, wenn Du einen Motor kennst, der die 150 Nm oder gar mehr bringt, würde ich das sehr gerne erfahren. Wäre ja extrem spannend zu ergründen, warum der so viel besser ist, als alle anderen Motoren.

Zwar ist das maximale Drehmoment eines Wärme-Kreisprozesses über einen maximalen Wirkungsgrad begrenzt, die absolute physikalische Obergrenze wäre hier der Carnot-Wirkungsgrad

Carnot-Wirkungsgrad heißt vereinfacht ja nichts anderes, als das mit steigender Temperaturdifferenz des Arbeitsgases zwischen höchster und niedrigster Temperatur der Wirkungsgrad einer Wärmekraftmaschine steigt. Das ist eine Größe, die kann ich bei den gegebenen Vorgaben fast gar nicht beeinflussen. Wenn ich es so richtig sehe, hab ich hier nur die Möglichkeit, die Verdichtung anzuheben. Alternativ könnte ich das Gemisch abmagern damit es heißer verbrennt. Hätte den Nachteil, dass nicht aller vorhandene Sauerstoff verbrannt wird. Was wiederum mehr Leistung kosten würde, als die höhere Temperatur bringt. Daher fährt man die Motoren ja mit AFR 13 und nicht AFR 14,7 oder drüber. Lieber Sprit übrig behalten, als unverbrannten Sauerstoff zurück lassen. Bleibt noch ein anderer Brennstoff, der von Haus aus mit einer höheren Temperatur verbrennt. Sprechen 2 Punkte dagegen. Ich wüsste jetzt keinen mit dem ich es probieren wollte (Nitromethan will ich wirklich nicht im Tank haben) und das Reglement schreibt Benzin mit max. 102 Oktan vor.

Aber für den realen (fahrbaren) Motor gibt es wichtigere Größen:
Kolbengeschwindigkeit, Verdichtung, Mitteldruck, Füllungsgrad, Zündzeitpunkt, Klopfgrenze, Lambdawert usw.


Stimmt absolut. Aber nur einen Teil dieser Werte kann ich beeinflussen. Die Kolbengeschwindigkeit gibt der Motor mit Drehzahl und Hub vor. Die Verdichtung wird vom vorgeschriebenen Benzin limitiert. Hier könnte man evtl. noch das eine oder andere Zehntel gewinnen, wenn man im Brennraum perfekt alle heißen Stellen beseitigt. Ganz großes Kino wäre es, wenn man anfängt, Keramikventile einzubauen, da diese weniger Wärme an das Gas abgeben. Die restlichen Werte sind genau das, mit dem ich versuche zu arbeiten. Aber hier fehlt es mir halt einfach an Erfahrung. Ich habe eben noch keine 100 Motoren gemacht um zu wissen, wie die Teile auf eine bestimmte Änderung reagieren. Aber das macht´s ja gerade so spannend.

Thermodynamisch wird der Otto-Motor-Kreisprozess (Gleichraumprozess) sogar (fast) nur von der Verdichtung limitiert.

Siehe eins höher. Kann ich nur sehr, sehr eingeschränkt beeinflussen.

Auch ist es nicht ganz korrekt, dass man lediglich atmosphärischen Druck am Einlass anliegen hat, durch Resonanzen im Ein- und Auslasstrakt kann man je nach Drehzahl gewaltige Druckspitzen erzielen, das ist ja auch der Hintergrund warum man soviel mit den Trichterlängen rumspielt. Nachteil ist halt, dass diese Druckspitzen eben nur bei bestimmten Drehzahl anliegen.

Stimmt natürlich, ändert aber auch nichts daran, dass sich all dies unter den immer gleichen Bedingungen von eben dem „normalen“ Umgebungsluftdruck abspielt. Darum ging es mir eigentlich. War wohl nicht präzise genug ausgedrückt.

Ob das verschieben des Maximaldrehmoments weiter zur Maximaldrehzahl hin sinnvoll ist, ist auch fraglich, du erhälst dadurch ein sehr enges und spitzes Drehzahlband, das Gegenteil von Fahrbarkeit.

Ja, aber nur, wenn ich durch das Verschieben im genutzten Drehzahlbereich unter dem Höchstwert Drehmoment verliere. Bleibt das unverändert, gibt es obenrum einfach nur mehr Leistung. Wenn ich jetzt z.B. 70 Nm bei 7.000 U/min als Maximum habe ergibt das 69,63 PS. Schiebe ich das Maximum von 70 Nm im Drehzahlband nach oben, z.B. auf 8.000 U/min, wären es 79,69 PS. Bleibt das Drehmoment bei 7.000 U/min unverändert bei 70 Nm bleibt auch die Leistung gleich und ich habe über 7.000 U/min einfach nur mehr Leistung und das Drehzahlband bleibt unverändert.
Ab es ist schon richtig, geht das Drehmoment unten zurück, weil man das Maximum nach oben verschiebt wird das nutzbare Drehzahlband schmaler und das Mopped somit schlechter fahrbar. Viel Beschleunigung gibt es nur, wenn die Fläche unter der Leistungskurve im Bereich des genutzten Drehzahlbandes möglichst groß ist. Einzelne Spitzen bringen hier nichts. Von der leichteren Fahrbarkeit eines breiten Drehzahlbandes ganz abgesehen.

Viel wichtiger als das Drehmoment ist immer die Leistung eines Motors, denn diese "bereinigt" das Drehmoment des Motors über die Drehzahl und ist damit ein viel genauerer indikator für die am Hinterrad leistbare Vortriebskraft. Dazwischen sind ja immerhin noch mehrere Untersetzungen und du willst ja Beschleunigen und keine Schraube anziehen.

Das Drehmoment und dessen Verlauf sind nur ein Werkzeug um die gewünschte Leistungskurve zu erzielen.


Du spielst sicher darauf an, dass es letztendlich darauf ankommt, wie groß das Drehmoment ist, dass der Reifen auf die Straße überträgt. Das bringt einen ja schließlich vorwärts. 100 Nm im Motor bei 5.000 U/min ergeben bekanntlich das gleiche Drehmoment am Reifen wie 50 Nm bei 10.000 U/min. Ist halt eine andere Untersetzung dazwischen.

Da die ER6 ja immer das gleiche Drehzahlband von sagen wir mal 6.000 U/min bis 10.000 U/min hat, ändert sich die Übersetzung nur, wenn ich mehr Leistung habe und schneller fahren kann. Oder ich belasse die Übersetzung und habe dann halt mehr Drehmoment am Reifen und kann besser beschleunigen. Dann geht die ER eben vor dem Bremspunkt in den Begrenzer und beschleunig einfach nicht weiter, obwohl eigentlich die Leistung dafür da wäre.

Also wenn Leistung, dass würde ich sie über die Geschwindigkeit legen und nicht über die Drehzahl. Dann wäre die Untersetzung zwischen Motor und Rad berücksichtigt.

Mir ist es daher lieber, ich betrachte die Drehmomentkurve. Da kann ich viel leichter einschätzen wie weit ich vom Möglichen entfernt bin und was sich verändert hat.

Zudem ist einer der wichtigsten Aspekte des Motortunings immer die Reduktion der Verlustleistung, ein Motor verliert nicht selten zwischen 10 und 20% seiner Leistung durch innere Reibung, diese zu reduzieren sollte eigentlich die erste Handlung sein, denn da die Verlustleistung oftmals prozentual mit der Leistung steigt, verpufft ein merklicher Teil des Leistungszuwachs schnell wieder.

Wohl eher letzteres bis wir am Getriebeausgang sind. Leider sind hier die Möglichkeiten nicht gerade üppig. Ich kann die Reibungsverluste verringern und den Gasausgleich unter den Zylindern vereinfachen. Was die Reibung angeht, habe ich mit einer Fa. telefoniert, die DLC-Beschichtungen macht. Die meinten, dass der ganz große Wurf nicht zu erwarten sei. Wichtiger sei eher die Notlaufeigenschaft der DLC-Beschichtung.
Um den Gasausgleich zu erleichtern, haben wir ja einen Durchbruch zwischen den beiden Zylindern geschaffen. Jetzt kann das sich unter dem abwärts laufenden Kolben befindliche Gas den direkten Weg zum aufwärts laufenden Kolben nehmen und muss nicht umständlich durch das Kurbelgehäuse an den Kurbelwangen vorbei. Der Ventiltrieb ist Federseitig unverändert, nur der größere Hub erhöht hier etwas den notwendigen Kraftaufwand.
Sonst bleiben ja nur die Lager, Kolben, Ventile und vor allem die Zahnräder. In wieweit man hier die Reibung nennenswert reduzieren kann, ohne einen exorbitanten Aufwand zu treiben weiß ich nicht.

Aber es gefällt mir gut, dass du dich in die theoretischen Grundlagen von Verbrennungsmotoren einarbeiten willst, das ist ein entscheidener Grundpfeiler um sinnvolles Tuning zu betreiben. Sehr empfehlen kann ich, dir vor Allem die thermodynamischen und physikalischen Grundlagen zu lernen, sprich Kreisprozesse (Carnot->Gleichraum->Seiliger) und physikalischen Leistungszusammenhänge.

Auch wenn ich denke, dass ich es bei der ER nur rudimentär nutzen kann, macht trotzdem Spaß immer mal wieder in der passenden Literatur wie „Kraftfahrzeugmotoren“ von Küntscher/Hoffmann oder eben auch bei Herrn Apfelbeck zu schmökern. Aber vielleicht kommt ja die Erkenntnis, dass ich es besser früher hätte gründlich lernen sollen, noch. Wer weiß.

Einen wichtigen Punkt hast Du aber nicht erwähnt, die Temperatur des im Brennraum landenden Gases. Wir verbrennen schließlich Masse und nicht Volumen. Pro 10 Grad Temperaturzunahme verlieren wir ca. 3,7 % an Masse im gleichen Ansaugvolumen. Das ist ja einer der Gründe, warum die Motoren inzwischen eine zweite, über dem Trichter sitzende Einspritzdüse haben. Die Verdunstung des Benzins kühlt die angesaugte Luft ab und erhöht somit deren Masse. Zusätzlich bleibt durch den längeren Weg auch noch etwas mehr Zeit für den Vorgang und die Durchmischung sollte bei hohen Drehzahlen besser sein.

Toll wäre es sicher auch, die thermischen Verluste im Motor durch andere Materialien zu verringern. Dann bliebe mehr thermische Energie zur Umwandlung in mechanische Energie übrig. Stahl und vor allem Aluminium sind wegen ihrer hohen thermischen Leitfähigkeit ja eigentlich eher ungeeignet, um heißes Gas heiß zu halten. Daher gab es ja schon Versuche mit schlecht leitender Keramik bei Kolben, Ventilen und ich glaube auch Zylindern.
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