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SV650 aus dem letzten Jahrtausend

Der Bereich für Eure Projekte, Um- und Aufbauten. Auch Tips und Tricks zu Feinheiten, aber keine Standardthemen wie: so wechselte ich die Bremsbeläge.

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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Knubbler »

Vielen Dank! Freut mich wenn es Euch gefällt, steckt auch viel Arbeit drin.

Jetzt kommt die traurige Geschichte meiner Nockenwelle. Das wird diesmal etwas theoretisch.
Ich habe mir SV Nockenwellen schleifen lassen, die weit schärfer sind als alles, was es zu kaufen gibt. Um das bewerten zu können, habe ich mir in Excel eine Auswertung geschrieben. Man gibt den Hubverlauf der Nockenwelle ein und bekommt sowohl die erste Ableitung (Ventilgeschwindigkeit) als auch die zweite (Beschleunigung / Verzögerung). Zwei ziemlich wichtige Informationen über Nockenwellen. Hier mal der direkte Vergleich der Serien Knubbel IN Welle zu meiner.

Bild

Um verwertbare Rohdaten zu bekommen muss man das Profil vorher recht exakt vermessen. Abweichungen im Hundertstel Bereich ergeben bei der Beschleunigung schon starke Ausschläge wo in Wirklichkeit überhaupt keine sind und selbst eine recht genaue Messung ergibt eine gewisse Welligkeit in der Auswertung (könnte man aber noch Filtern bzw Glätten, wenn man möchte). Ich gebe zB die Geschwindigkeit nicht in m/s an, sondern bezogen auf 'rad'. Dann lassen sich alle Profile super miteinander vergleichen, obwohl sie ihm Betrieb in anderen Drehzahlniveaus laufen. Man setzt einfach die gewünschte Drehzahl ein und dann kommt man zur m/s Geschwindigkeit.
Hier mal ein Vergleich zu einer kaufbaren SV Sportnocke.

Bild

Die Öffnungszeit ist ähnlich, jedoch der Hub meiner Nocke ist Hub. Es wird also in der selben Zeit eine größere Fläche freigegeben. Erreicht wird das durch eine höhere Ventilbeschleunigung und dann auch Verzögerung.

Hier eine praktische Anwendung von so einer Anwendung. Wie stark muss eine Ventilfeder sein?
Kraft = Beschleunigung x Masse
Die bewegte Masse lässt sich relativ leicht ermitteln und die Beschleunigung kommt aus der Auswertung wenn man seine Wunschdrehzahl einsetzt, so erhält man die benötigte Kraft (+ etwas Sicherheit).
Zur Gegenüberstellung braucht man dann nur noch die Ventilfeder Kennlinie, die man an den Ventilhub koppelt. Das sieht dann so aus.

Bild

Wie man sieht, durchbricht die Massenkraft nicht die Federkennlinie und somit ist alles gut. Ansonsten würde das Ventil die Nocke verlassen und zum Freiflug ansetzen, was ganz böse enden kann. Man hat natürlich Stellschrauben wie die Grenzdrehzahl oder die erzeugte Kraft der Ventilfeder. Eine weitere Grenze ist die Flächenpressung der Nocke auf dem Abnehmer (hertzsche Pressung), ist hier aber noch kein Problem.

Jetzt zu meinem Problem, die Aufsetzgeschwindigkeit. Die ist relativ hoch, was wahrscheinlich am Meisternocken des Fertigers damals lag (wurde konventionell hergestellt). Und zwar ist die bei meiner Drehzahl so hoch, dass sowohl die Gefahr besteht dass sich die Sitzring/Dichtfläche Paarung einschlägt als auch das Ventil zu prellen beginnt (die Steuerzeit wird undefiniert verlängert). Und da ich im Einlass Titan Ventile verbaut habe, klappt das erst recht nicht.
Ich habe zum Vergleich eine GSXR1000 Nockenwelle vermessen (die Titan Ventile hat) und meiner Nocke gegenüber gestellt.

Bild

Ergebnis, meine Aufsetzgeschwindigkeit liegt um 50% höher als die von der Gixxer, No Chance!
Die Nocken kann ich mal irgendwann bei einem anderen SV Motor verwenden, der nicht so hoch dreht, aber nicht hier.
Also hab ich jetzt kurzerhand einfach Seriennockenwellen in den Motor gesetzt um ihn Einfahren und Testen zu können.
Daher habe ich einen Plan B, habe mir einen Satz Nockenwellen verzugsfrei Aufschweißen lassen. Und aus denen möchte ich mir nach meinen Vorstellungen ein Profil auf einer CNC Schleifmaschine ein "perfektes" Profil erzeugen lassen. Wenn jemand eine versierte Firma empfehlen kann, immer her damit.

Bild
Zuletzt geändert von Knubbler am Dienstag 9. August 2022, 11:08, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Klaus69 »

Großes Kino! Danke für`s ausführlich drann teilhaben lassen!
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Tom-ek »

ist das geil!
Badeenten das ist es .... !!!!!!
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von gixxn »

@Knubbler, darf ich dein Freund sein ?? 8) 8) :mrgreen: :wink:

Ich hätte echt gerne die Zeit mich mit solchen Dingen beschäftigen zu können.
Schade dass der Tag bzw. das Leben so kurz ist.

Weiter so !! :icon_thumleft :icon_thumleft


gruß gixxn
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Knubbler »

Jetzt bin ich grade in Schreiblaune, also mach ich das mit dem Motor gleich fertig :D
Als der Motor dann (vorerst) fertig war, musste er natürlich erstmal getestet und eingefahren werden. Läuft er überhaupt? Hält er die Grenzdrehzahl aus?
Dazu kam der altbewährte Tisch Prüfstand wieder zum Einsatz.

Bild

Man beachte die ausgeklügelte Krümmerführung für optimale Leistungsentfaltung :wink:

Bild

Kurz und knapp, der Motor lief einwandfrei und hat alle Tests bestanden. :D
Dann ging es auch gleich ab ins Fahrwerk.

Bild

Und um meine Neugierde zu stillen hab ich gleich alle Anbauteile schnell angebaut inkl. Einspritzung, Airbox und Elektrik unter den Tank. Dann ging es ab auf die Waage.

Bild

Bild

Die fehlenden Teile hab ich dann einfach drauf gerechnet und komme mit 7l Sprit auf 148kg mit einer Gewichtsverteilung v/h: 50,2/49,8%
Das kann sich doch schon mal sehen lassen und dabei wurde noch nicht einmal die Leichtbau Lupe ausgepackt :-k
Alle Schrauben und Achsen sind noch Serie, da geht noch was.

Und damit sind wir im hier und jetzt, Danke für Eure Geduld
Zuletzt geändert von Knubbler am Dienstag 9. August 2022, 11:29, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Ucky13 »

Sehr geil und interessant. Gut das jetzt Wochende ist und du Zeit zum weiter machen hast :lol:
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von doctorvoll »

..den Tischprüfstand feier ich am meisten! Jeder andere: Motor einbaun, testen, wenn nicht gut, wieder raus.
......die einen betreiben Rennsport- die anderen reden nur darüber.....
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von scm »

Knubbler hat geschrieben: Jetzt zu meinem Problem, die Aufsetzgeschwindigkeit. Die ist relativ hoch, was wahrscheinlich am Meisternocken des Fertigers damals lag (wurde konventionell hergestellt). ... Ergebnis, meine Aufsetzgeschwindigkeit liegt um 50% höher
als die von der Gixxer, No Chance!
Ja, man sieht das schon am Graphen vom Ventilhub, die Ablaufampe verläuft sehr steil.
Weil ich das aus den Diagrammen nicht rauslesen kann: wie hoch war noch gleich die
Aufsetzgeschwindigkeit in m/s bei Nenndrehzahl? (ich hab von einem Entwickler von EVT
Systemen erfahren daß damit 0,1m/s erreicht wurden, drehzahlunabhängig).
Interessant ist übrigens wenn man sich die Geschwindigkeit in Fallhöhe umrechnet
(v²=2gs), dann klingt das alles nicht mehr so dramatisch: 0,5m/s entsprechen einem
Aufprall aus knapp 13mm Höhe. Halb so wild, oder? :wink:


Viele Grüße!
Sven
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Knubbler »

gixxn hat geschrieben:@Knubbler, darf ich dein Freund sein ?? 8) 8) :mrgreen: :wink:
Logo :mrgreen:

@Sven:
Ich kenne nur die genannte Grenze von Stahl Ventilen, da heißt es man soll die 0,5m/s nicht überschreiten. Von Titan konnte ich keine Aussage dazu bekommen.

Die GSXR1000 hat bei 12500/min im Einlass 0,43m/s
Meine SV Nocke hätte da satte 0,66m/s und ich glaube da brauche ich es nicht auf einen Versuch ankommen lassen.
Da nehme ich lieber die Flucht nach Vorne und konzentriere mich auf die aufgeschweißten Nocken.
Für uns sind 13mm Fall nicht viel, die Ventile sind einfach zart besaitet :wink:
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Knubbler »

Zu dem Thema hab ich hier noch eine nette Grafik aus dem Versuch. Eine reale Messung am Ventiltrieb , es wurde sehr präzise Kurbelwellen- / Nockenwellendrehwinkel, Ventilhub und Geschwindikeit erfasst. Das ganze bei verschiedenen Drehzahlen.

Bild

Interessant daran ist der rote Bereich, hier Vergößert.

Bild

Man sieht deutlich wie das Ventil ab 0,4m/s das Prellen deutlich beginnt und die Steuerzeit um 12° an der NW (24° KW !!!) verlängert. Also ist an der Aussage mit 0,5m/s nicht überschreiten auf jeden Fall etwas dran.
Und hier sieht man gerade mal das beginnende Prell Verhalten, das wird schnell richtig heftig bis hin zum Leistungsverlust oder Ventilabriss durch thermische Probleme.
Zuletzt geändert von Knubbler am Dienstag 9. August 2022, 11:36, insgesamt 1-mal geändert.
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