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Aufbau einer Kawasaki ER6 für die German Twin Trophy

Der Bereich für Eure Projekte, Um- und Aufbauten. Auch Tips und Tricks zu Feinheiten, aber keine Standardthemen wie: so wechselte ich die Bremsbeläge.

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Re: Aufbau einer Kawasaki ER6 für die German Twin Trophy

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Beitrag von ER6-Treiber »

Christian #69 hat geschrieben: Die Komplettanlage von Arrow soll doch sehr gut funktionieren. Da brauchst du dann auch nicht mehr dran rumbasteln. Anschrauben und fertig.
Ich nehm diese Nachfrage mal zum Anlass, meine Gedankengänge "warum, wieso, weshalb" etwas ausführlicher darzulegen. Bitte immer beachten, hier spricht ein Laie, der sich etwas mit der Materie beschäftigt hat. Sind alles nur meine Überlegungen und auf keinen Fall "so ist es".

Leistung interessiert mich erst einmal herzlich wenig, für mich ist die Drehmomentkurve wesentlich aussagekräftiger. Leistung ergibt sich dann ganz einfach aus viel Drehmoment bei viel Drehzahl.

Drehmomentvergleich verschiedener ER6 / Z650 Motoren:
ER6-208.JPG
Mechanik:
Wie oben geschrieben, ergibt sich Leistung aus Drehmoment x Drehzahl. Wichtig ist also, dass der Motor mechanisch eine hohe Drehzahl ab kann. Das gilt für den Rumpfmotor mit Gehäuse, Kurbeltrieb, Pleuel und Kolben ebenso, wie für den Ventiltrieb. Was hilft mir eine super Auslegung & Abstimmung bei 11.000 U/min, wenn mir der Motor bei 10.500 U/min auseinander fliegt?
Daher habe ich die originalen Strohhalme von Pleuel gegen H-Pleuel von Carillo getauscht. Dazu den Motor auf das neue Gewicht der Pleuel gewuchtet. Ein rund laufender Motor reduziert die mechanische Belastung.

Beim Ventiltrieb ist es wichtig, dass die Beschleunigung beim Öffnen möglichst gering ist und die Federn stark genug sind, das Ventil beim Schließen an der Nocke zu halten. Hinzu kommt, dass der Ventiltrieb nicht in Resonanz fällt und dann macht, was es will. In diesem Fall wäre Schrott sicher.

Abstimmung:
Bei einem Saugmotor ist die Menge an Gas das man in den Zylinder bekommt begrenzt, weil die Kraft mit der das Gas in den Zylinder gedrückt wird auf dem atmosphärischen Umgebungsdruck von ca. 1 bar begrenzt ist. Wer mehr will, muss den Druck vor dem Einlassventil erhöhen, sprich Kompressor oder Turbo verwenden. Die Grenze des möglichen für einen Saugmotor liegt meines Wissens nach bei ca. 120 Nm je Liter Hubraum. Also für eine ER6 bei 120 Nm x 0,65 = 78 Nm. Da wir kein Volumen sondern Masse verbrennen, hängt das Drehmoment natürlich auch von der Umgebungstemperatur ab. Je 10 Grad vergrößert sich das Volumen der Luft um 3,7 %, entsprechend sinkt die angesaugte Masse.

Ziel ist es also über einen möglichst breiten Drehzahlbereich bis hin zur mechanisch maximal möglichen Drehzahl des Motors die physikalisch maximal mögliche Menge (Masse) an Gas da rein zu bekommen, ordentlich durchzumischen und zum richtigen Zeitpunk anzuzünden. Bedeutet für einen ER6-Motor: 78 Nm bei 11.500 U/min = 127,64 PS. So weit die Theorie.

Das Ganze funktioniert so aber nur, wenn die max. mögliche Überladung des Motor genutzt wird. Die 78 Nm kommen nicht dabei raus, wenn ich nur das Hubvolumen von 325 ccm je Zylinder verbrenne. Wird die komplette Dynamik aus beschleunigten Gassäulen und Resonanzen genutzt, gehen da bis ca. 125 % in den Zylinder. Das sieht man ganz deutlich an der Drehmomentkurve der V2 mit dem Titankrümmer. Da bricht zwischen 7.000 U/min und 8.000 U/min die Dynamik komplett zusammen und das Drehmoment geht zurück. Mit dem Auspuff der V1 bleibt die Dynamik erhalten und das Drehmoment bleibt erhalten.

Anders bei den Motoren von NK-Motors und Höly. Die vereinen die Voraussetzungen von mechanisch möglich, passender Auslegung der Steuerzeiten und Querschnitte in Ansaugung und Auspuff mit einer hervorragenden Abstimmung. Vor allem der Motor von Höly liegt ab 8.500 U/min über 70 Nm. Entsprechend erreicht er eine Maximalleistung von 112 PS.

Bedeutet für mich:
Mein Motor hat die mechanischen Voraussetzungen um standfest bis 11.500 U/min zu drehen. Er hat ebenfalls Steuerzeiten erhalten, die bei solch hohen Drehzahlen einen ausreichenden Gaswechsel zulassen. Einlaßseitig steht eine Einspritzanlage mit entsprechendem Querschnitt zur Verfügung, um eine Drosselung des Ansaugstromes zu vermeiden. Jetzt muss da auch ein ausreichend großer Auspuff dran, um eine Drosselung auf der Auspuffseite zu vermeiden. Immerhin soll da 1,5 Mal so viel Abgas durch, wie beim Originalmotor. Daher sehe ich keinen Sinn darin, einen für den Originalmotor ausgelegten Krümmer wie z.B. den von Arrows zu verwenden, zumal der auch ca. 1 kg schwerer ist.

Ich denke mal, mit einer Anpassung der Abstimmung von Ansauglänge und Auspuff sowie einer Abstimmung des Gemisches werden wir noch einiges näher an die beiden Referenzmotoren herankommen. Bitte nicht vergessen, das sind beides Motoren von Jungs mit enorm viel Erfahrung und hier steht ein Hobbybastler der seinen Spaß hat und immer noch Erfahrungen sammelt.

Das bedeutet jetzt nichts anderes, als einen neuen Auspuff zu bauen (oder den vorhandenen abzuändern) und das Ganze dann wieder auf den Prüfstand zu stellen. Dann auch mal andere Ansaugtrichter zu probieren..... Erfahrungen sammeln.

So viel für heute.
Zuletzt geändert von ER6-Treiber am Montag 26. Oktober 2020, 10:10, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Aufbau einer Kawasaki ER6 für die German Twin Trophy

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Beitrag von Knubbler »

Hallo,
Schön geschriebener Bericht. Ich hätte da vielleicht ein paar interessante Informationen. Speziell zum Dieter Briese, auch genannt Höly. Der hat ja die Z650 'Radikal' gebaut, dessen Diagramm Du zum Vergleich verwendet hast. Hätte ich genauso gemacht, nähere Info dazu kommt gleich.

Bild

Jedenfalls habe ich gestern meinen alten Nockenwellen Ingenieur angerufen, denn ich wusste von vor knapp 10 Jahren, dass er mit dem Herrn Briese zusammen arbeitet. Wie das jetzt aussieht war erstmal ungewiss, denn der gute Herr ist stolze 81 Jahre alt. Also die Nummer gewählt und wie als wäre kein Tag vergangen, geht er ans Telefon. Hat mich richtig gefreut, er ist noch top fit, hat es technisch immer noch voll drauf und er geht jetzt gerade frisch in den Ruhestand. Tatsächlich hat er die Nocken für die Z650 'Radikal' gemacht und es war ein sehr interessantes Gespräch, bei dem ich rausgefunden habe, dass die von mir entworfenen Nocken ziemlich ähnlich sind.
Jedenfalls gab er mir auch die Nummer vom Herrn Briese selbst, den ich auch direkt ans Telefon bekommen habe. Ein sehr interessanter Typ und angenehm noch dazu. Ich denke der hat ziemlich was auf dem Kasten. Jedenfalls war auch das ein ziemlich interessantes Gespräch über vergangene und seine aktuellen Projekte. Dabei bin ich zu der information gekommen, er hat in diese Z650 ein RamAir System eingebaut und sie wurde für den Tuner GP auf einem Prüfstand mit 240kmh RamAir Gebläse gemessen. Man kann die 112 PS also nicht einfach so vergleichen mit einem normalen Prüfstands Lauf. Das ist aus dem PS Bericht und dem Diagramm so nicht ersichtlich, deswegen sage ich es jetzt explizit, dass der Vergleich mit Vorsicht zu geniessen ist.
Natürlich habe ich mit ihm auch über diesen ER Motor (identisch bis auf Zylinderkopf) gesprochen und ihm die Umstände geschildert. Seinen Rat gebe ich daher jetzt mal ungefiltert weiter:

- bewährte Auspuffanlage kaufen zb. Arrow, am besten in konischer Aufweitung von vorne nach hinten
- Aluminium Adapter unter der Einspritzung weg
- schöne Trichter mit Shower Einspritzung

Zufälligerweise hat er auch die 47er ZX10 Einspritzung verwendet. Diese aber direkt auf den Kopf geschraubt mit Anpassung.

Er meinte auch dass er sich das Ergebnis nicht auf Anhieb aus dem Ärmel geschüttelt hat, sondern es aus unzähligen Prüfstands Läufen und Verbesserungen entstanden ist. Von daher ist das ja ein echt feiner Zug diese Tipps zu bekommen, bin ich ihm auch sehr dankbar dafür.

PS: Wieso dreht die V2 auf dem neuen Prüfstand bis 11000 und drückt 97PS?
Das passt nicht ganz mit dem Begrenzer Problem zusammen. Vorallem der Verlauf kurz vor dem Begrenzer unterscheidet sich deutlich zu Daniel seiner Messung.
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Re: Aufbau einer Kawasaki ER6 für die German Twin Trophy

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Beitrag von ER6-Treiber »

Die Drehzahlangaben der Messungen bitte ignorieren. Die sind aus der Geschwindigkeit mit der Übersetzung gerechnet und nicht abgenommen. Können nicht ganz stimmen, da eine andere, als die Serienübersetzung drauf ist. War mir aber erst einmal egal. Wichtig war mir, überhaupt zu wissen, was passiert, wenn.... und das war ja recht aufschlussreich.

Hinsichtlich Auspuffanlage habe ich mich entschieden, mir eine Testanlage zu bauen. Also eine Anlage, an der ich durch einfaches Einstecken von Rohren die Längen verändern kann. Einmal die Länge zwischen Auslass und Sammler und dann die Länge zwischen Sammler und Dämpfer. Rohre nehme ich aus dem KFZ-Tuning-Bereich. Montieren, probieren, umstecken und wieder probieren und das Ganze noch einmal von vorne. Wird die Länge im Ansaugtrakt geändert, geht es vermutlich von vorne los.

Wenn es dann mal so ist, wie gewünscht, kann ich mir die Anlage immer noch in Titan bauen, Teile liegen ja genug im Regal.

Die 97 PS daher, das mal wieder nach DIN korrigiert wurde und nicht nach EU. Bleibt halt ein wenig mehr übrig.

Hinsichtlich der Einspritzung muss ich schauen. Der Adapter ist aktuell noch einiges länger, als erforderlich. Der kann also leicht noch einige mm verlieren. Wenn die Einspritzung direkt auf den Kopf soll, muss ich die Einspritzanlage abändern. Wollte ich eigentlich vermeiden, um die Präzision der beiden Drosselklappen zueinander zu erhalten. Wird sich aber auch ein Weg finden, das beim Trennen und wieder Verbinden der Achse zu gewährleisten.

Shower-Einspritzung vorerst mal nicht, man muss ja noch einen Pfeil im Köcher haben.

Ich wäre erst einmal zufrieden, wenn ich die Peripherie rund um den Motor so hinbekommen, dass der sein volles Potential ausschöpfen kann. Ist das erreicht, sollten wir einen ordentliche Drehmomentverlauf haben und uns bei der Leistung deutlich im dreistelligen Bereich bewegen.

So viel für heute.
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Re: Aufbau einer Kawasaki ER6 für die German Twin Trophy

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Beitrag von Sascha546 »

Lese hier echt gerne mit - kann man ne Menge lernen.
Bin mal gespannt wie nahe du ans Optimum herankommst.
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Beitrag von scm »

Bedeutet für einen ER6-Motor: 78 Nm bei 11.500 U/min = 127,64 PS. So weit die Theorie.
Eine optimistische Theorie ... :wink:

Selbst wenn deine Werte für Drehmoment und Drehzahl
jeweils für sich erreichbar sind, die Kombination aus bei-
den wird sich nicht mehr realisieren lassen ...

Trotzdem viel Erfolg!
Sven
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Re: Aufbau einer Kawasaki ER6 für die German Twin Trophy

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Beitrag von Christian #69 »

Chef_Koch hat geschrieben:Will mal kurz was produktives beitragen:

Deine Bilder, die du auf speedbild hochlädst, werden hier immer irgendwie nicht angezeigt.
Am besten gleich im Forum hochladen.

------------------------------------
Denke mal nach der Abstimmung wird man die rote Delle noch etwas beheben können.
Was ist danach noch geplant?
Wird die Zündung auch noch abgestimmt?
Also das ist erstmal der wichtigste Punkt. Ich kann leider auch keine Bilder sehen :(
Gruß Christian

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Re: Aufbau einer Kawasaki ER6 für die German Twin Trophy

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Beitrag von ER6-Treiber »

So, hab jetzt alle Bilder ins Forum hoch geladen und die Links umgestellt. Sollten jetzt alle ohne Probleme sichtbar sein.
Wenn es weiterhin Probleme gibt => PN.
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Re: Aufbau einer Kawasaki ER6 für die German Twin Trophy

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Beitrag von Christian #69 »

Yeah, man kann Bilder sehen
Gruß Christian

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Re: Aufbau einer Kawasaki ER6 für die German Twin Trophy

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Beitrag von ER6-Treiber »

Bis die Auspuffteile da sind habe ich mal einen Vergleich erstellt, der eine bessere Einordnung der Drehmomentkurven erlaubt. Dazu habe ich die Drehmomentkurve einer vom Daniel abgestimmten, sonst aber originalen Panigale 1299 auf 650 ccm runter gerechnet.
ER6-209.JPG
Schon erstaunlich, wo die Drehmomentkurve des aktuell stärksten und wohl modernsten Zweizylinders der Welt im Vergleich zu den Motoren von NK und Höly so liegt.

So viel für heute.
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Re: Aufbau einer Kawasaki ER6 für die German Twin Trophy

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Beitrag von Knubbler »

Ich habe nicht von dem Unterschied zwischen der alten DIN und der EWG gesprochen (Unterschied lediglich Faktor ~1,014, je nach Bedingungen), sondern von dem Verlauf der beiden Diagramme. Diese wurden über das Prinzip des fixen Trägheitsmoments ermittelt, also würde ich auch einen ziemlich ähnlichen Verlauf erwarten, dem ist jedoch nicht so.
Deshalb habe ich beide Diagramme gleich skaliert anhand der Delle, der Höhe und dem Begrenzer.
Bild
Die erste Messung geht mit fallender Leistung in den Begrenzer, die zweite Messung mit steigender, wo ist der technische Unterschied der dazu führt?

Desweiteren würde ich die Höly Z650 aus dem Vergleich entfernen, da ein RAMair Prüfstand keine vergleichbare Bedingung ist. Der Dieter Briese sagte mir, dass 1000er mal schnell 13PS mehr haben durch die Luftströmung auf dem Prüfstand als ohne.
Nice to know und praktisch zum Abstimmen, aber nicht vergleichbar.
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