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SV650 aus dem letzten Jahrtausend

Der Bereich für Eure Projekte, Um- und Aufbauten. Auch Tips und Tricks zu Feinheiten, aber keine Standardthemen wie: so wechselte ich die Bremsbeläge.

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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Fourstroker »

Hi,

einfach immer wieder topp, deine Berichte. Schon interessant, dass bedingt durch die Serienproduktion doch noch ganz schön viel an Potential auf der Strecke bleibt.

Grüße, Fourstroker
"Wo Saufen ein Ehre ist, kann Kotzen keine Schande sein."
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Knubbler »

Hey Fourstroker,
das seh ich genauso, mit ein bisschen Arbeit an der richtigen Stelle, kann man schon noch eine ganze Ecke verbessern in der Serie.
Leider haben die meisten Serienkanäle sowieso schon Bereiche, in denen sie größer als nötig sind und damit schlecht für die Turbulenz und kinetische Energie der Gassäule. Von daher ist es inzwischen für mich noch viel interessanter, an welcher Stelle man Material zugeben (verkleinern) kann, um damit auf ein besseres Ergebnis zu kommen. Also genau die umgekehrte Logik :D
Wobei man dazu sagen muss, das muss dann auch entsprechend angesogen werden. Wenn der Ansaugtrakt, die Steuerzeiten oder die Abgasanlage das nicht hergeben, wird man damit auch zu keinem guten Ergebnis kommen.
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Ninjarider »

Schlichtweg top wie immer :D , spreche vermutlich für alle dass wir uns immer wieder freuen über deine hervorragenden Beiträge :band: , bin gespannt auf die nächste "Baustelle" :mrgreen:

PS: Apropo Ansaugtrakt, Hab über den Winter zusammen mit dem Motorenbauer des vertrauens meinen ZX10R '16 Motor wieder auf Vordermann gebracht und dabei mit Schrecken feststellen müssen, wie "schlecht" die Übergänge im Ansaugtrakt teils sind, da wäre auf jeden Fall auch einiges zu holen :oops: :oops:
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von froetz »

Finde die Beiträge auch jedesmal klasse. Schade, dass keinen kompletten 250er hattest.
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Knubbler »

Grüß Euch,
Vielen Dank, ich freue mich über jeden zufriedenen Leser :D
Das Thema mit den Kanten finde ich interessant, hier ein kleines Beispiel dazu. Man stelle sich ein 100mm Rohr vor, durch das Luft strömt. Dort setzt man jetzt eine Blende ein mit 50mm Durchmesser, es bleibt also noch ein Viertel der Fläche übrig. Dementsprechend müssten doch auch 25% des ursprünglichen Durchflusses durch das Loch fließen, oder?

Bild

Tatsächlich fließen aber nur noch ~15%. Auf dem Bild sieht man wie an den Kanten die Strömung eingeschnürt und behindert wird. Der effektive Querschnitt rechts ist auch deutlich kleiner als das Loch in der Blende.
Das ist jetzt natürlich etwas vereinfacht ausgedrückt, aber ich denke als Beispiel sieht man gut was Kanten anrichten können. Die Auswirkungen sind in einem Einlasskanal jedoch nicht ganz so dramatisch, wie in diesem Beispiel, denn an den Wänden baut sich die Grenzschicht auf mit sehr langsamer Strömungs Geschwindigkeit. Nichtsdestotrotz ist jede Kante, die aus der Grenzschicht heraus steht eine Kante zu viel. Man kann mit guter Kanal Arbeit an den richtigen Stellen zwiwchen 5 und 15% mehr Durchfluss bei selben Differenz Druck rausholen und das ohne die Engstelle zu vergrößern. Mit größeren Ventilen und alles größer machen, gibt es quasi kein Limit der Durchfluss Steigerung. Ob das sinnvoll ist, steht aber wieder auf einem anderen Blatt. Ich bin ganz eindeutig kein Freund der amerikanischen "CFM*xxx=Horsepower" Formeln. Aber als grobe Orientierung hilft es sicher. Eine Flow Bench ist am Ende auch nur ein Werkzeug, das mit Bedacht und Verstand eingesetzt werden sollte, wie so vieles :wink:
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Ninjarider »

Knubbler hat geschrieben:Grüß Euch,
Vielen Dank, ich freue mich über jeden zufriedenen Leser :D
Das Thema mit den Kanten finde ich interessant, hier ein kleines Beispiel dazu. Man stelle sich ein 100mm Rohr vor, durch das Luft strömt. Dort setzt man jetzt eine Blende ein mit 50mm Durchmesser, es bleibt also noch ein Viertel der Fläche übrig. Dementsprechend müssten doch auch 25% des ursprünglichen Durchflusses durch das Loch fließen, oder?

Bild

Tatsächlich fließen aber nur noch ~15%. Auf dem Bild sieht man wie an den Kanten die Strömung eingeschnürt und behindert wird. Der effektive Querschnitt rechts ist auch deutlich kleiner als das Loch in der Blende.
Das ist jetzt natürlich etwas vereinfacht ausgedrückt, aber ich denke als Beispiel sieht man gut was Kanten anrichten können. Die Auswirkungen sind in einem Einlasskanal jedoch nicht ganz so dramatisch, wie in diesem Beispiel, denn an den Wänden baut sich die Grenzschicht auf mit sehr langsamer Strömungs Geschwindigkeit. Nichtsdestotrotz ist jede Kante, die aus der Grenzschicht heraus steht eine Kante zu viel. Man kann mit guter Kanal Arbeit an den richtigen Stellen zwiwchen 5 und 15% mehr Durchfluss bei selben Differenz Druck rausholen und das ohne die Engstelle zu vergrößern. Mit größeren Ventilen und alles größer machen, gibt es quasi kein Limit der Durchfluss Steigerung. Ob das sinnvoll ist, steht aber wieder auf einem anderen Blatt. Ich bin ganz eindeutig kein Freund der amerikanischen "CFM*xxx=Horsepower" Formeln. Aber als grobe Orientierung hilft es sicher. Eine Flow Bench ist am Ende auch nur ein Werkzeug, das mit Bedacht und Verstand eingesetzt werden sollte, wie so vieles :wink:
Top :D , danke für die genauere Ausführung :mrgreen:

Ja so ähnlich hat der Motorenbauer das auch beschrieben, hats auf jeden Fall noch ausgebessert und somit sollte der Durchfluss nun auch ein wenig besser sein :D . Versteh ja schon, dass in der Serienfertigung nicht aufs hinterletzte Prozent geachtet wird aber dass die Übergänge/Kanten teils so grauslig sind hätt ich ned gedacht :oops:
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Knubbler »

Zu dem Thema mit den Ecken und Kanten hätte ich auch etwas beizutragen. Eigentlich wollte ich das erst nach dem Sommer behandeln, da der Motor noch nicht läuft und daher keine Ergebnisse vorhanden sind, aber es passt gerade so gut rein.
Der schlechteste Kanal, den ich bisher gesehen habe, befand sich bei uns in Familienbesitz. Die olle 97er Fireblade SC33 von meinem alten Herrn :mrgreen:
Schaut Euch mal das an, die Kante von den Sitzringen steht ziemlich stark rein. Man sieht die Tiefe auf dem Bild nicht so gut, aber unter der Kante geht es nochmal 1mm hinten rein. Guss und Ring Mittelpunkte waren zueinander weit verschoben.

Bild

Es ging natürlich etwas weiter darüber hinaus. Der Einlass sah auf der Werkstatt Handbuch Zeichnung schon merkwürdig aus, das muss aber nicht der Wirklichkeit entsprechen, die Konstruktion ist ja 30 Jahre alt. Mal abgesehen von dem Airbox Wirr Warr und viel zu kleinen Volumen hinter dem Luftfilter Element.

Bild
Quelle: Honda Corp.

Also den Kanal abgegossen und tatsächlich, die Zeichnung hat nicht zu viel bzw. zu wenig versprochen :shock:

Bild

Hier sieht man nochmal "schön" die Sitzring Zone, wie sehr die Kante hineinragt, aua aua, arme Luft.

Bild

Vorallem der Buckel am Anfang, dieses komplett gerade Stück in der Mitte und der starke Knick zu den Ventilen haben mir Rätsel aufgegeben. Warum ist das so?
Mir wurde dann öfters gesagt "jaaaaaa, das ist knapp 30 Jahre her, damals wusste man es eben nicht besser" :alright:
Das hört sich für mich aber nicht plausibel an, denn Honda wurde im selben Jahr in der WSBK Weltmeister auf Basis der Straßen VFR750 (RC45) mit über 180PS, während die SC33 gerade mal um die 120PS aus 919ccm gedrückt hat. Also gab es da auf jeden Fall großes Know-How, das aber wohl nicht den Weg in die Serie gefunden hat. Hier mal was Schönes zum Ansehen/Lesen dazu:

Bild
Quelle: ClassicRacer - pressreader.com

1997er Honda Werks 750er, "read article" klicken

Wenn man sich die Strömung vorstellt, dann muss diese nach dem geraden Stück stark um die Ecke. Das liegt an dem relativ flachen Winkel vom Eingang in den Kopf, es ist kein richtiger Fallstromkanal und damit wird die Umlenkung in den Brennraum nötig. Jedenfalls hat Luft eine Masse und damit auch eine Trägheit. Wenn die Luft-Moleküle beschleunigt wurden, dann wollen sie ihre Richtung nur ungern ändern und machen das auch nur unter Widerstand (Verlust von kinetischer Energie). Hier eine Visualisierung. Der Widerstand des Kanals wird deutlich erhöht als wenn die Umlenkung mit einem großen Radius
GIF-201204_222153.gif
GIF-201204_222153.gif (3.81 MiB) 1530 mal betrachtet
Der lila Teil kommt also relativ ungestört durch das Ventil, während der grüne Teil gegen die Wand schlägt. Der Kanal hat also einen ziemlich erhöhten Durchflusswiderstand.

Bild

Zum Vergleich mal die Seitenansicht der S1000RR. Man sieht sofort, wie ungehindert die Strömung in den Brennraum durchmarschieren kann.

Bild

Weiter ging es mit der Analyse, um am Ende zu einer Verbesserung kommen zu können. Der Kanal wurde im Querschnittsverlauf geplottet (blau), auch das ergab für mich wenig Sinn. Der Fachausdruck dafür ist wohl "Arschbacken" Kurve :mrgreen:
Ich habe mir dann Gedanken über die Möglichkeiten der Verbesserung gemacht. Gelandet bin ich bei der rot skizzierten Kurve von einer Verkleinerung auf -20%.

Bild

Der Form wollte ich einen Bogen mit D-Shape verpassen, in etwa so. Dazu muss natürlich Material hinzugefügt werden, ich nehme dazu geeignetes Flüssigmetall.

Bild

Ihr könnt Euch vorstellen, dass mein alter Herr von dem Vorschlag erstmal nicht gerade begeistert war..
"Kleiner machen? Mit Kleber im Motor???" - Ja genau!
Also erstmal erklärt, was ich damit bezwecken möchte und wo die Probleme überhaupt liegen. Den Winkel von dem Kanal und die Position der Ventile lassen sich kaum ändern, aber mit dem Buckel lässt sich die Richtung der Strömung mit viel weniger Verlusten ändern. Man kann die Umlenkung mit einem Löffel am Wasserhahn testen, quasi wie Strömung, die über die Tragfläche verläuft. Er hat es dann tatsächlich mit einem Löffel ausprobiert und war sofort überzeugt :mrgreen:

Bild

Also wurden die Einlässe erstmal vorgearbeitet und mit dem Flüssigmetall geflutet.

Bild

So sah dann der fertige Buckel aus. Hat 4mm Wandstärke und geht vor bis zu den Einlassventilen. Der Kanal hatte dann die Form eines Regenbogens ohne harte Sprünge in Querschnitt oder Biegung. Und keine Sorge, ich bin nicht der Erste, der das so macht, das Kleben hält (wenn man es richtig macht) :wink:

Bild

Der linke Teil auf dem Bild war schon ziemlich fertig, rechts kam danach.

Bild

Der fertige Kopf wurde dann noch geplant um von 10,9 auf 13:1 Verdichtung zu kommen. Um das vernünftig umzusetzen, kommt noch eine programmierbare Zündung zum Einsatz.

Bild

Da die originalen Nockenwellen nicht meinen Vorstellungen entsprachen und leider nicht genügend Fleisch zum Schleifen haben, kamen aufgeschweißte Profile zum Einsatz. Ziel des ganzen Eingriffs war definitiv nicht eine möglichst hohe Spitzenleistung, sondern viel mehr die Erhöhung der Fahrbarkeit mit einem breiten Drehzahlband. Die Leistung wird natürlich auch profitieren, obwohl der Kanal jetzt deutlich kleiner ist als in der Serie.

Bild

Schlussendlich kam dann noch der Zusammenbau und Einstellen der Steuerzeiten.

Bild

Und so wartet die Blade auf besseres Wetter, um in Betrieb zu gehen und abgestimmt zu werden, bevor es auf den Prüfstand geht. Das wird spannend :D
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Der Haster »

Waaaaas? Ein Cliffhanger? :shock: :D
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von froetz »

Der fertige Kopf wurde dann noch geplant um von 10,9 auf 13:1 Verdichtung zu kommen.
Wie viel Material geht denn dabei ca. weg? Interessiert mich und ich hab da wenig Ahnung oder Vorstellung.
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Re: SV650 aus dem letzten Jahrtausend

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Beitrag von Knubbler »

Bild

Da sind jetzt insgesamt 1mm weg gegangen. Der Kopf wurde um 6 Zehntel geplant und eine 0,4mm dünnere Kopfdichtung verbaut. Bei 71mm Bohrung sind das rechnerisch gleich mal 4ccm, wobei im Kopf weniger wegfällt wegen der Quetschzonen.
Man muss sich aber bewusst sein, dass man sich dadurch mögliche Ventilüberschneidung klaut, also ist der Weg über andere Kolben in meinen Augen sinnvoller.
Der alte Fireblade Motor hat aber angegossene Zylinder und deshalb wollten wir den Motor nicht unnötig zerlegen.
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