ps#23 hat geschrieben:Erklärs doch mal. Ich wäre jetzt in meiner laienhaften Denke auch davon ausgegangen, dass ein Reifen mit deutlich mehr Grip auch deutlich weniger Schlupf hat.
Also „mal schnell“ erklären wird wohl schwierig – wenn du es genauer wissen willst, besorg dir am besten mal Vorlesungsunterlagen zu dem Thema, die bieten einen guten Kompromiss aus Verständlichkeit und Fachlicher Tiefe / wissenschaftlicher Korrektheit. In Vorlesungen zu Grundlagen Kraftfahrzeugbau, Dynamik der Straßenfahrzeuge, Rennsporttechnik etc. gibt es vermutlich an fast allen FHs/Unis entsprechende Reifenkapitel.
Ich versuchs mal in Kurzform:
Entgegen der landläufigen Meinung gibt es beim Reifen nicht die zwei Betriebszustände „Haften“ und „Gleiten“ (einzige Ausnahme: Stillstand = 100% haften und komplett Blockiertes Rad = 100% gleiten).
Im Fahrbetrieb tritt im Latsch immer eine Mischung aus beidem auf: Scherung+Haften in der Einlaufzone, Gleiten im Rest vom Latsch, wie gesagt genaueres würde nun zu weit führen. Letztenendes führt das aber dazu, dass ein Reifen IMMER Schlupf hat, wenn er Kraft überträgt.
Dabei besteht ein (unter fixen Rahmenbedingungen mehr oder weniger) konstanter, aber nicht linearer Zusammenhang zwischen Schlupf und Kraftschlussbeiwert. Der genaue Verlauf dieses Zusammenhangs ist dabei von vielen Einflüssen abhängig (Untergrund, Fahrzeug, Radlast, Karkassaufbau, Gummimischung, etc). Sieht dann in etwa so aus:
Zunächst interessant: Die Linien starten im Ursprung => 0 Schlupf = 0 Kraftübertragung
Ein besonderer Punkt ist dabei der kritische Schlupf – als der Schlupf, bei dem der Reifen das größte Längskraftpotential hat. Bei höherem Schlupf nimmt das Längskraftpotential wieder ab. Dieser Punkt liegt im Trockenen idR irgendwo zwischen 3 und 15%, je nach Reifenkonstruktion und Randbedingungen. Und genau auf diesen Punkt muss das ABS (bzw. der Fahrer oder auch die TC) den Schlupf einregeln für die optimale Verzögerung/Beschleunigung (und nicht etwa Digitales „haftet“ – „steht“ – „haftet“- steht).
Leider hab ich auf die Schnelle kein Diagramm gefunden, das verschiedene Reifentypen direkt vergleicht, aber hier mal eines, das die verschiedenen Kurven für unterschiedliche Untergründe zeigt. Qualitativ sieht das für unterschiedliche Reifentypen auch so aus. Dabei entspricht dann zB „Wet“ dem Straßenreifen und „dry“ nem Slick.
Um auf das Thema zurück zu kommen: in diesen Diagrammen sieht man deutlich die zwei genannten Effekte:
1. Die Maxima liegen nicht senkrecht übereinander, der "kritische Schlupf" (= Schlupf beim idealen Bremsen) ist beim Reifen "dry/slick" deutlich höher als der von "wet/Straße".
2. Für eine bestimmte Verzögerung (also ein bestimmtes µ) braucht der "schlechtere" Reifen „wet/Straßenreifen“ weniger schlupf, als der "bessere" „dry/Slick", obwohl letzterer in der Spitze deutlich mehr Längskraft übertragen kann (sofern er nicht vom ABS daran gehindert wird). Diese Unterschiede in der Steigung der einzelnen Kurven entstehen mitunter durch anderen Karkassaufbau, Druck und unterschiedliche Gummimischungen. Hier kommt es also auf den konkreten Fall an, welche Reifen man miteinander vergleicht - es kann sein, dass ein Slick weniger Schlupf hat, muss es aber nicht. Besagte Pauschalaussagen sind falsch..
Wie gesagt, genaueres mal bei nem Bier oder noch besser von Professionellen Dozenten (das sprengt hier den Rahmen und hilft dem TO auf seiner Suche nach Slicks sicher nicht weiter).