Ich kenne den Gedanken, da ich aktuell nur mit einer 650er mit knapp 75PS und dem gleichen Gewicht einer 600er unterwegs bin.
Natürlich bin ich kein Rossi, aber ich fahre das Bike schon mehrere Jahre auf dem Kringel und bin auch mehrere Jahre 3/4 Gixxer gefahren, bin also kein Anfänger. Ich habe in den letzten Jahren folgende Phasen bei mir erkannt:
1. Phase: Vorfreude (kennt wohl jeder)
Geil, Strecke gebucht. Bald geht's wieder mit meinem geliebten Hobel auf die Rennstrecke!
2. Phase: Minorityreport
Ich brauche noch Reifen. Wer zur Hölle hat noch 160er im Angebot? Und wer verkauft mir Regenreifen? Mit einem 180er wäre das sicherlich kein Problem... OK, dafür halten meine Reifensätze locker 2 Renntrainings.
3. Phase: Gruppendynamik (erste Hälfte des Trainings)
Durch den Topspeed von gerade mal 200km/h und der entsprechend schwachen Beschleunigung ab 100, verbunden mit dem Gewicht eines schnelleren Motorrads bleiben selbst bei versierterer Fahrweise in einem Training nur die langsameren Gruppen - bei allem anderen denkt man, man schiebt das Motorrad über die Strecke. Das macht dann erst Spaß, weil in diesen Gruppen auch oft Anfänger unterwegs sind, die sich erst zurechtfinden müssen. An denen kommt man aber relativ schnell noch vorbei. In den Pausen wird man von "Gleichgruppigen" gelobt, sie hätten keine Chance dran zu bleiben. (Kein Wunder, fahren sie doch mit nur halber Schräglage durch die Kurven und haben noch Angst vor hohen Geschwindigkeiten und vor allem der eigenen Bremse.)
4. Phase: Gruppendynamik (zweite Hälfte des Trainings)
Die Anfänger werden mutiger. Zwar wissen sie immer noch nicht wo sie fahren sollen und trauen sich auch kaum um Kurven, jedoch können sie mit ihren meist 1.000ern auf der Geraden plötzlich aufdrehen. Das Resultat ist dann ein Gummibandeffekt. Fast auf jeder Geraden wird man von einer 1.000er überholt, steht dann aber in der Kurve wieder hinten an und langweilt sich zu Tode. Bei jedem Stück Gerade zieht derjenige aber wieder sowas von davon, dass man keine Chance hat hinten dran zu bleiben. Dazu fahren sie auf undefinierbaren Linien, sodass man kaum einschätzen kann, wo sie in 5 Sekunden sein werden, was das Überholen auf der Bremse auch ziemlich riskant macht. In schnelleren Gruppen läuft das deutlich vorhersehbarer ab. Noch dazu geht der Vormittagsrespekt flöten und man wird als Referenz für den eigenen Lernfortschritt hergenommen: "Am Anfang hatte ich noch keine Chance, aber dann habe ich dich auf jeder Runde überholt." ...kein Wunder mit 50-100PS mehr. Der Pirat im Kopf wird aktiv: "Bleib auf der Geraden einfach mal hinter mir und wir werden sehen, wie viele Kurven lang du es schaffst, dran zu bleiben".
5. Phase: Frustration
"Ich brauch ne 600er oder wieder 750er!" Kann doch nicht angehen, dass ich von jedem Anfänger ausgebremst werde. Ich fahre hier volles Risiko, während die mit Halbgas durch die Kurven juckeln. Die 600er haben ja dann auch alle bessere Fahrwerke. Und Reifen bekommt man überall... und überhaupt... 50PS mehr bei weniger Gewicht...
6. Phase: Mobile.de
So eine alte R6 kostet ja mittlerweile nix mehr! Was hat denn das Modell danach für Verbesserungen? Mhhh, interessant! Und ab wann gab es eine AHK? Oh, wesentlich neuer. Preis verdoppelt sich. Und das Modell danach? Es wird teurer und teurer... Blick aufs Konto - ok, wird auf nächstes Jahr verschoben.
7. Phase: Relation
"Wofür mach ich das eigentlich? Ich mag doch mein Mopped. Soll ich mir ein anderes Bike kaufen, nur für andere? Und überhaupt, einen Schnelleren gibt's ja immer! Du willst auch keine Rennen mehr fahren, Du willst Spaß an Schräglage, da ist das Tempo doch egal. Dann geht auch mehr Geld für Reifen drauf und solang Conti noch produziert, habe ich eigentlich kein Problem. Was kostete nochmal eine AHK? Ach komm, lässt Du alles so wie's ist und erhöhst einfach die Drehzahl. Wann gibt's das nächste Renntraining? Wenn ich das Geld lieber in Fahrzeit und Reifen als in ein neues Motorrad investiere, habe ich im Endeffekt mehr davon."
Ein Teufelskreis
Letztendlich habe ich draus gelernt, weiß, was auf den Trainings auf mich zukommt und lebe damit, dass ich mich immer auf die 7. Phase freue, denn ich weiß, dass sie kommen wird. Ganz sicher